Puzzle Chronicles - Test, Logik & Kreativität, 360, NDS, PlayStation3, PC, PSP

Puzzle Chronicles
16.02.2010, Benjamin Schmädig

Test: Puzzle Chronicles

Böse Zungen könnten behaupten, Infinite Interactive fiele einfach nichts Neues mehr ein. Sie hießen Puzzle Quest: Galactrix, Neopets und Puzzle Kingdoms, aber keiner der hauseigenen Nachahmer konnte dem fesselnden Puzzle Quest: Challenge of the Warlords das Wasser reichen.  Might & Magic: Clash of Heroes gehört inzwischen die Krone des Knobel-Taktikers. Es war höchste Zeit, dass die Entwickler ihrem Knobel-/Rollenspiel-Cocktail neue Facetten abgewinnen - es ist höchste Zeit für Puzzle Chronicles (ab 5,95€ bei kaufen)!

Weil man auf schnelles Geld angewiesen war, kürzte man das geplante Rollenspiel auf ein Minimum und ließ die Damen und Herren Fantasy-Helden in Puzzle-Kämpfen antreten: Wohl auch entgegen aller Erwartungen der Entwickler mauserte sich das erste Puzzle Quest so vom Zwischendurch-Projekt zum Underground-Hit. Gut, dass es binnen kürzester Zeit gleich eine Hand voll Quasi-Nachfolger hagelte. Weniger gut allerdings, dass diesen kaum mehr einfiel, als das erprobte Rezept noch und nöcher wiederzukauen. Lediglich das grundlegende Knobelprinzip war jedes Mal ein anderes. Musste man in Puzzle Quest eine Bejeweled-Variante beherrschen, kombinierte man in Neopets z.B. nach den Reversi-Regeln. Eins war den taktischen Gefechten aber gleich: Es waren Rundenkämpfe wie sie im Schach-Lehrbuche stehen.

Das schnelle Erfolgsrezept

Doch diese Runden haben vorerst ausgedient. Immerhin gibt es neben Häppchen-Puzzeln wie Hexic 3D auch die Echtzeit-Knobelei. Und wenn man sich für Puzzle Quest schon beim erfolgreichsten aller Steinchen-Kombinierer bediente, wieso sollte man im ersten Echtzeit-Abenteuer dann tiefer stapeln? Kein Wunder also, dass



Echtzeit-Knobeln

Video. Gleicher Bildschirm, geteiltes Spielfeld: Die neuen Echtzeitkämpfe bringen ein neues Element ins Puzzle-Spiel.sich Infinite einmal mehr bei den Besten umschaut: bei Tetris und bei Lumines. Wer in Puzzle Chronicles auf einen Feind trifft, muss deshalb clever stapeln, um seinen Gegner zu besiegen!

Vor der Auseinandersetzung steht aber freilich der Konflikt, und dieser wird einmal mehr in einer frei zugänglichen Fantasywelt ausgetragen. Wie das Weltall in Galactrix ist das Land dabei in Zentren unterteilt, an denen er jeweils verschiedene Aktionen ausführen kann. Mit den recht herkömmlichen Fantasy Gefilden eines Puzzle Quest hat haben die neuen "Chroniken" allerdings wenig gemein, denn die Geschichte dreht sich um einen Sklaven, der von einer geheimnisvollen Zauberin befreit wird. Und während er sich aufmacht, seine Freunde aus den Klauen finsterer Sklaventreiber zu retten, trifft Tyr, Vanador, Fenris oder wie auch immer man sein Alter Ego tauft, auf Zombies, Höllenhunde, Geister oder Schlangenwesen. Puzzle Chronicles ist damit düsterer als seine Vorläufer. Dass die Geschichte in zahlreichen, aber recht grob gezeichneten Comic-Strips erzählt wird, tut ihr aber nicht gut. Und sie ist ohnehin nur eine Randerscheinung: Im Vordergrund steht wieder einmal das ständige Verbessern der eigenen Fähigkeiten und viele, viele Knobelkämpfe.

Wie gehabt teilen sich dabei die zwei Gegner das Schlachtfeld - wie gehabt darf man sich für separate Scharmützel auch einen menschlichen Kontrahenten suchen. Diesmal ist das

Wer Zeit und Nerven hat, beobachtet im oberen Drittel die Auswirkungen der Aktionen von Held und Feind.
Spielfeld allerdings streng geteilt: Während man auf der linken Seite agiert, gehört dem Feind die rechte. Man ist daher zum ersten Mal ungestört, wenn man die aus jeweils drei Steinen bestehenden Blöcke dreht, verschiebt und fallen lässt. Anders als bei Tetris fallen die Blöcke nur nicht nach unten, sondern fliegen von links auf die Mitte zu. Gebaut wird also an der Grenze zwischen Spieler eins und seinem Widersacher; wer gewinnen will, muss diese Grenze so weit in Richtung Feind verschieben, dass ihm der Platz ausgeht - die Mehrspieler-Variante von Lumines winkt wissend ins Bild hinein. Anders als in Tetris oder Lumines steht das Kombinieren gleichfarbiger Steine aber nicht im Vordergrund. Vielmehr gibt es Totenköpfe und explosive Steine, wobei Letztere alle Klötzchen entfernen, die durch eine Kette gleichfarbiger Steine mit ihm verbunden werden. Und immer dann, wenn fünf Totenköpfe entfernt wurden, verschiebt sich die Grenze um eine Reihe in Richtung des Gegners.

Knisternde Duelle

So weit, so einfach. Man ist gefordert, weil man möglichst viele Steine kombinieren will, denn je nach ausgerüstetem Gegenstand könnten drei gleichzeitig abgeräumte Totenköpfe einen Bonus-Totenkopf bedeuten. Dann würde sich die Grenze noch schneller verschieben, und bei jeder Verschiebung heimst man immerhin auch die beim Verschieben übersprungenen Steine des Gegners ein - eventuell also auch den einen oder anderen Totenkopf. Dass man im Gegenzug schnell genug sein will, damit der Kontrahent nicht die eigenen bereits zum Entfernen vorbereiteten Steine einheimsen soll, versteht sich von selbst und sorgt für angenehme Spannung in dem Echtzeit-Duell!    

Doch es kommt noch dicker. Wer nämlich meint, die Sache mit den Totenköpfen wäre überschaubar, hat zwar Recht - vergisst aber, dass man nicht nur Totenköpfe möglichst rasant abräumen sollte. Denn zum einen füllt das Entfernen nicht markierter Klötzchen wie bei Puzzle Quest die Energie von maximal vier Spezialangriffen, und zum anderen werden bei der Kombination von vier gleichfarbigen Steinen weitere Spezialfähigkeiten aktiviert. So steht man nicht nur unter Zeitdruck, sondern muss in der Hitze des Gefechts auch überlegen, mit welchen Möglichkeiten man wie taktieren will. Und es tut der Puzzle-Serie richtig gut, dass sie auch die fordernde Hektik des Echtzeitkampfes beherrscht! Das nächste Mal sollte Infinite seine Abenteurer nur besser behutsam in die vertrackte Mechanik einführen. So plötzlich wie man hier sämtliche Prinzipien beherrschen muss, so schnell kann in den ersten Stunden echter Frust aufkommen.

Die Kehrseite der taktischen Goldmedaille ist ironischerweise die fehlende taktische Tiefe, denn besonders in den kniffligen, also auch den interessantesten Gefechten ist es kaum machbar, die unterschiedlichen Klötzchen der vier Farben so zu kombinieren, dass man schwere Attacken genau im richtigen Moment fährt. Aus diesem Grund gibt es auch keine Kombos wie bei Puzzle Quest, und nicht zuletzt ist es so gut wie unmöglich, auch die Aktionen des Feindes im Auge zu behalten - etwa um den Augenblick abzupassen, wann ihn jener Zauber am meisten schmerzen würde, mit dem er seine Blöcke nicht mehr drehen kann. So gibt es bei Puzzle Chronicles zwar packende Duelle, es fehlt aber selbst nach dem Sieg über starke Gegner, dieses Gefühl, ihn aus komplett eigener Kraft bezwungen zu haben. Unterm Strich tragen nämlich die beim Stufenaufstieg und dem Ausrüsten neuer Waffen erhöhten Wahrscheinlichkeiten ungewöhnlich viel zu Sieg oder Niederlage bei. Bei Puzzle Quest konnte man ein mächtiges Monster noch durch cleveres

Leider zu unübersichtlich: Die Übersichtskarte auf DS. In Sachen Übersichtlichkeit bietet die PSP-Version kaum mehr.
Kombinieren übertölpeln - hier sind solche Streiche seltener.

Selten Erfolge

Im Gegenzug sind das Aufspüren neuer Ausrüstung sowie das Verbessern von Fähigkeiten dafür ungemein motivierend. Erst wundert man sich noch, wofür der grantige Held einen Gegenstand nach dem nächsten erhält - viele gleichen sich gar. Doch die Verwunderung löst sich spätestens dann in Wohlgefallen auf, wenn man gleiche Gegenstände zu noch stärkerer Ausrüstung kombinieren kann. Hervorragend: Wie in allen Vertretern der "Serie" tut man dies in einer Abwandlung des Spielprinzips. Denn um z.B. einen neuen Gegenstand zu erschaffen, muss man aus großen von oben herab fallenden Blöcken mehrmals vier gleichfarbige Klötzchen-Ketten stapeln. Weniger gelungen: Auf PSP und DS zeigt die Weltkarte nicht an, an welchen Orten dies überhaupt möglich ist. Immerhin reist man wahlweise frei zwischen verschiedenen Schauplätzen umher, um nicht nur für die Handlung an die Hand genommen zu werden, sondern auch nach Gutdünken Nebenmissionen zu erledigen. Dazu gehören neben dem Schmieden neuer Ausrüstung auch das Trainieren von Fähigkeiten, optionale Kämpfe oder die Suche nach Gegenständen. Für all diese Tätigkeiten gilt es, ein anderes Minispiel zu meistern und sie alle sind nur an bestimmten Orten möglich - entsprechende Markierungen fehlen aber auf der Weltkarte. Die Folge sind unnötige Wanderungen, was die auf PSP ungemütlich ausdauernden Ladebildschirme nur noch unerträglicher macht.

Unnötig undurchschaubar sind auch die Menüs, in denen Gegenstände und Fähigkeiten ausgerüstet und gekauft werden: Hat man einmal ein beachtliches Reservoir an Ausrüstung zusammen, geht in den vor allem auf PSP und DS sehr kleinen Fenstern nämlich schnell die Übersicht verloren. Beim Händler kann man zudem nicht erkennen, welche Farbe man zum Aktivieren einer Waffe kombinieren muss - genau das spielt bei der Kaufentscheidung aber eine zentrale Rolle. Und es gibt noch weitere Ärgernisse, unter denen vor allem Handheld-Abenteurer leiden. So leistet sich die PSP deutliche, technisch bedingte Verzögerungen, wegen denen die fallenden Blöcke mitunter nur störrisch, manchmal nahezu gar nicht auf Eingaben reagieren. Besonders knifflige Gefechte werden so zu einer Nervenprobe der kaum zumutbaren Art. DS-Helden leiden unter ähnlichen, wenn auch weniger auffälligen, Verzögerungen. Dass man bei der technisch schwächsten Version zudem grafische Einbußen hinnehmen muss, ist verständlich. Dass die Darstellung ausgesprochen trocken wirkt, hätte Infinity hingegen vermeiden können.

Kleinigkeiten, Großigkeiten - Mittelmäßigkeiten

Letztlich sind es aber gar nicht die ungemütlichen Ecken und Kanten, die Puzzle Chronicles zu schaffen machen. Zumindest die gelungene und auch im Detail aufwändigste 360-Version bietet gelungene Knobel-Action - hat man das Prinzip einmal durchschaut, flammt auf der Konsole immer wieder die alte Puzzle Quest-Leidenschaft auf! Unterm Strich ist es aber vor allem das Gefühl, das alles schon erlebt zu haben. Natürlich kämpft man jetzt in Echtzeit, Tetris und Lumines sind hervorragende Vorbilder und die Charakterentwicklung ist so motivierend wie in jedem guten Action-Rollenspiel. Wenn man aber schon wieder die vier nahezu unverändert aus Puzzle Quest entliehenen Charakterwerte aufbaut, ein leidlich spannend erzähltes Abenteuer erlebt und sich mit mehr zweckmäßigen als idyllischen Ansichten zufrieden geben muss, dann schmeckt das einfach eine Idee zu fade. 

Fazit

Aller Anfang ist schwer: Selten traf der Volksmund bei einem modernen Spiel so ins Schwarze wie bei Puzzle Chronicles! Nicht nur, dass Neulinge mit der Tür ins Haus gefallen werden und die anfangs zu hohe spielerische Dichte erst nach zähen Übungsstunden verkraften, auch beim inhaltlichen Neuanfang tut man sich schwer. Wohliger "Tetris"-Eifer bringt zwar Echtzeit-Leben in die taktischen Kämpfe - alles andere wirkt allerdings allzu vertraut. Die Möglichkeiten der Charakterentwicklung sind aus den geistigen Vorgängern bekannt und auch die Inszenierung wirkt vertraut. Nun setzt Infinity nicht ohne Grund auf Altbewährtes, denn die Mischung aus Rollenspiel und Knobel-Kämpfen geht nach wie vor auf. Es ist sogar ungemein motivierend, die schwer erarbeiteten Fähigkeiten oder Waffen clever einzusetzen und damit Erfolg zu haben! Schade aber, dass all dies eine Idee zu nüchtern präsentiert wird - Puzzle Chronicles wirkt wie die Auftragsarbeit eines inspirationslosen Experten. Noch bedauerlicher, dass sich dieser auch um die PSP- und DS-Umsetzungen kümmern musste und ihm scheinbar kaum Zeit dafür blieb. Technische Mängel wie eine stellenweise extrem zähe Reaktionszeit auf Tasteneingaben hätten jedenfalls nicht passieren dürfen. Aber ob gelungener 360-Ausstand oder ungeliebter Handheld-Abgesang: Beim nächsten Mal müssen echte Ideen her!

Pro

  • fordernde Mischung aus Puzzeln und Echtzeit-Kampf
  • einfallsreiche Varianten des Spielprinzips
  • zahlreiche Fähigkeiten
  • ansprechende taktische Bandbreite
  • Erstellen eigener Gegenstände, Trainieren von Fähigkeiten
  • trotz linearem Weg viele optionale Aufgaben

Kontra

  • überladener und unübersichtlicher Einstieg
  • sehr unübersichtliche Menüs trotz etlicher Gegenstände
  • schnelle Aktionen statt gründlichem Taktieren
  • Slowdowns behindern Steuerung und flüssigen Spielablauf
  • Händler, Trainingsareale usw. nicht auf Weltkarte vermerkt
  • häufige und lange Ladezeiten (PSP)

Wertung

360

Trotz Echtzeit-Kämpfe wirkt das Puzzle-Prinzip inzwischen ausgelutscht. Spannend ist es aber nach wie vor!

NDS

Ähnlich wie auf PSP verhindern technische Macken und vernachlässigte spielerische Details ein rundes Puzzle-Abenteuer.

PSP

Technische Mängel stellen dem guten Spiel ein Bein - die zähe Steuerung ist eine echte Schlamperei.