Dragon Age: Origins - Awakening - Test, Rollenspiel, 360, PlayStation3, PC
Unheil über Amaranthine
Dort oben, unweit der Hauptstadt Denerim, ziehen Reste der Dunklen Brut nicht nur marodierend umher, sondern belagern Vigils Wacht - eine uralte Festung, die angeblich auf einem "Berg aus Knochen" erbaut wurde. Ein böses Omen? Warum wird sie überhaupt angegriffen? Und wer führt diese Eroberer an? Als wäre das nicht genug, droht die Grafschaft auch noch an den Zwistigkeiten der kleinen Lords zu zerbrechen, seitdem ihr Herrscher Arl Howe im großen Krieg als Verräter gefallen ist. Das Land ist quasi führerlos und schreit nach einer starken Hand, die es einen und beschützen könnte.
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Alter oder neuer Charakter?
Lust auf etwas Neues, mehr Überraschungen und weniger Vorschusslorbeeren? Man kann auch mit einem bisher unbekannten Helden dieser hohen Stufe starten. Dabei handelt es sich um einen Grauen Wächter aus Orlais, der sich in Ferelden um die wenigen überlebenden Brüder kümmern und den gefährdeten Orden anführen soll. Diesen Charakter kann man von null auf 18 nach eigenem Ermessen in den drei bekannten Klassen Kämpfer, Magier oder Schurke gestalten. Egal ob alter oder neuer Held, egal ob auf PC oder Konsole - alle starten mit der Befreiung von Vigils Wacht.
Eine blutige Begrüßung
Ich fühle mich also gleich wieder Zuhause, wenn ich in der Pause im Schatten verschwinde, aus dem Hinterhalt zusteche, Säurebomben werfe, auf dem PC schön weit rauszoome, auf den Konsolen genau das schmerzlich vermisse und Mhairi in Unterzahlsituationen den betäubenden Kriegsschrei brüllen lasse: Hey, hier kommt der Befreier von Ferelden - ich habe immerhin schon Drachen und Dämonen erlegt! Moment, BioWare: Soll ich jetzt einfach nur mehr vom bekannten Kroppzeug vernichten? Seit anderthalb Stunden frisst sich meine Klinge durch bekannte Fratzen. Zu Beginn bin ich skeptisch, denn dieser Einstieg schmeckt zu sehr nach dunkler Brutstreckung.
Mehr Masse als Klasse?
BioWare verändert zwar nichts an der Spielmechanik, aber sie bleiben ihrem epischen Anspruch treu und holen richtig weit aus, um die Geschichte von Ferelden mit einem Epilog von knapp 15 bis 20 Stunden weiter zu erzählen - je nach Spielweise kann man da ein paar Stunden abziehen; vor allem, wenn man einen starken Charakter importiert. Zu Beginn wird erstmals die Neugier geweckt, als man einer sprechenden Kreatur der Dunklen Brut begegnet: Dieser so genannte "Verzehrte" ist zwar fast genau so hässlich wie seine gutturalen Brüder, aber er scheint tatsächlich intelligent zu sein - man fühlt sich fast ein wenig an die Turianer aus Mass Effect erinnert. Und noch etwas ist seltsam: Er und all seine Schergen müssen gewusst haben, dass sich in der Festung auch Graue Wächter aufhalten. Warum hat man sie dann angegriffen? Wie kam man überhaupt hinein?
Kämpfer und Herrscher
Das Besondere an dieser Erweiterung: Man ist nach knapp zwei Stunden nicht nur Kämpfer der Grauen Wächter, sondern auch Lord von Amaranthine - man wird vom König nach der Befreiung von Vigils Wacht direkt zum Herrscher ernannt, um die Gefahr der Dunklen Brut zu bannen, die Ursachen für ihr Auftauchen zu ergründen und das Land zu einen. Es gibt also viel zu tun? Oh ja. Kaum hat man sich versehen, öffnet sich die Karte und die Recherche darf an mehreren Orten beginnen. Auch dieser Moment erinnert frappierend an die Ausgangssituation des Vorgängers, denn er sorgt auch hier für das angeneme Gefühl der freien Vorgehensweise.
Quests ohne Ende
In dieser Rolle als Herrscher stehen nicht nur zig gewöhnliche Quests der Marke "Entführte Tochter finden" oder "Banditen ausmerzen" an. Es kommen die befreite Festung als Stützpunkt sowie zwei Berater hinzu - ein Truchseß mit dem nötigen Hintergrundwissen über die Grafen sowie eine Graue Wächterin aus Orlais mit wirtschaftlichen Ambitionen. Kann man ihr trauen? Gleich zu Beginn der Amtszeit stellen sich die Adligen mit ihren konkurrierenden Wünschen im überaus prächtigen Saal vor und man muss umgehend politische Entscheidungen treffen. Spätestens hier ist man wieder mittendrin im Spiel und ahnt, dass diese Erweiterung deutlich mehr bietet als ein paar Dungeons, Aufstiege und Items.
Fragen über Fragen
Das eigene Geld könnte man in viele Dinge investieren: Da wäre der aus Denerim bekannte Schmied Wade, der die Waffen der Gefährten verbessern könnte, wenn man ihm kostbare Erze aus den Tiefen bringt; da wäre ein zwergischer Steinmetz, der die Mauern von Vigils Wacht erstmal verspottet und dann anbietet, sie für 80 Gold gegen Angriffe zu festigen und ihre Tunnel zu sichern - aber dann müsste man diese erstmal freischaufeln und erkunden, ob sie nicht mit den tiefen Wegen verbunden sind.
Und da wäre eine seltsam konspirative Adlige, die von einem Komplott der anderen Adligen spricht: Man könnte laut Truchseß 50 Gold in einen teuren Spion namens "Dunkelwolf" investieren, der die Namen der Verräter bringt - man könnte das aber auch gewöhnlichen Soldaten überlassen oder sogar hart durchgreifen und Geiseln von allen Verdächtigen nehmen? Je nachdem, für was man sich entscheidet, macht man sich eher Freunde oder Feinde und löst andere Ereignisse im späteren Verlauf aus. Allerdings ist das Ganze trotzdem überschaubar und kein all zu vertracktes politisches Labyrinth, denn mit Lord Eddelbrek und Bann Esmeral gibt es zunächst nur zwei Parteien unter den Gefolgsleuten sowie die Händler als dritte. Wer sich für sie ins Zeug legt und verlorene Seide aus dem Wald zurückholt, soll übrigens reich belohnt werden...war das jetzt schon wieder eine Quest? Ja. Sie fliegen einem hier nur so um die Ohren.
Alte Stärken, alte Schwächen
Aber einige Designfehler wurden leider nicht ausmerzt: Wachen greifen z.B. in der Stadt Ameranthine nicht in Kämpfe ein - selbst wenn man quasi als ihr Herrscher und im Auftrag ihres Kommandanten unterwegs ist, muss man sich großflächige Gefechte vor ihren Augen liefern; diese Tatenlosigkeit nagt an der Glaubwürdigkeit der Spielwelt. All das könnte reaktiver ablaufen, denn so verliert die neue Stadt nach dem ersten Abgrasen der Quests und NPCs auch etwas an Reiz und Lebendigkeit. Dass die Kulisse in dieser Erweiterung optisch nicht zulegt, dürfte angesichts des schmalen Zeitfensters zum Original niemanden verwundern - für eine kurze Polygonschocktherapie sollte man zwischendurch Mass Effect 2 einfach mal starten.
Aber die kleinen Schwächen des Spieldesigns werden auch diesmal von den starken Charakteren überstrahlt. Man ist nicht lange als Duett, sondern schnell wieder als schlagfertiges Quartett unterwegs: Schon bald stoßen mit dem abtrünnigen Magier Anders sowie dem bereits bekannten Berserker Oghren zwei starke Gefährten ganz unterschiedlichen Typs hinzu - ein blonder Schöngeist und ein rothaariger Wüterich, der kaum zu bremsen ist, wenn es um selbstmörderische Hingabe geht. Hier ein poetischer Zwischenstopp aus der sehr lebendigen Party-Kommunikation, die zu den Highlights der Erweiterung gehört - es geht darum, ob man sich schon in die tiefen Wege wagen soll:
Vier Helden für Amaranthine
Zwar ist Oghren der einzige Bekannte, den man aktiv in die Gruppe aufnehmen kann (einige wie Wynne oder Alistair erscheinen lediglich als NPCs, andere wie Zevran tauchen gar nicht auf), aber dafür kommen fünf frische Gesichter mit interessanten Hintergründen hinzu - darunter gebrochene Gestalten und gnadenlose Krieger. Man hat immer das Gefühl, dass diese zwielichtigen Typen die volle Aufmerksamkeit brauchen, damit sie einem nicht als Feind gegenüber stehen. BioWare zeichnet erneut komplexe Charaktere, die nicht so einfach zu durchschauen sind. Und falls einem die berufliche Ausrichtung eines Gefährten nicht gefällt, kann man über den Erwerb eines magischen Gegenstandes jeden Charakter nach eigenem Geschmack umstellen, alle seine Werte neu arrangieren und aus einem Geistheiler einen Kampfmagier machen. Wer übrigens die sympathische Hexe Morrigan vermisst, wird evtl. von der wilden Elfe Velanne entschädigt - falls man einen Menschen spielt, sollte man sich auf den ungezügelten Hass dieser ansehnlichen Rebellin gefasst machen.
Oghren: "Ich scheiß auf die Risiken!"
Anders: "Ich bin mir sicher, die Risikien können sich nichts Schöneres vorstellen."
Dynamische Beziehungen
Genau diese Entscheidungen sind mal wieder das Salz in der Suppe, denn auch in der Erweiterung geht es von Beginn an um Leben und Tod sowie Konsequenzen. Im Gegensatz zu Mass Effect 2 dürfen sich Rollenspieler auf ein dynamisches Loyalitätssystem freuen, bei dem die Gefährten auf eigene Handlungen, Antworten in Dialogen oder Geschenke reagieren. Sehr schön sind Momente, in denen sich diese Geschenke sogar in Gegenstände bzw. Lebendiges verwandeln, wenn man sie denn dem richtigen Gefährten gibt; man sollte sich gewisse Bögen und vor allem kleine Katzen genauer anschauen und dem richtigen Adessaten überreichen. Danach kann es wunderbare Überraschungen geben, die einen Charakter erst richtig auftauen lassen - mehr sei nicht verraten, aber diese Momente gehören zu den Highlights des Spiels.
Allerdings gibt es einen Wermutstropfen: Alte Romanzen aus dem Hauptspiel werden nicht übernommen und neue sind leider Fehlanzeige, obwohl sich da durchaus einige Techtelmechtel in der Story anbieten würden - schade, dass BioWare dieses emotionale Element inkl. entsprechender Dialogbäume und finalem Schäferstündchen nicht anbietet. Bisher konnte man auch nicht schlüssig erklären, warum man darauf verzichtet. Denn selbst wenn man sich hier auf die politischen Konflikte konzentrieren soll, müsste dafür genug Zeit bleiben. Schließlich hat man eine ganze Festung zur Verfügung, wo sich doch so mancher geheime Winkel finden dürfte - so interessieren einen die Gefährten auch nicht so stark wie im Vorgänger.
Altbekanntes Kampfsystem
Neu sind einige üble Gifte, Magie bannende Fallen sowie Ausdauertränke, die gerade Kämpfern und Schurken ganz fix zu frischer Spezialmanöverkraft verhelfen - damit kann man diese spektakulären Attacken öfter einsetzen und effizienter kämpfen. Das ist auch gut so, denn die Gefechte werden trotz einiger langatmiger Gegnerwellen im Gelände irgendwann kniffliger und hitziger - vor allem in den Dungeons wird man gefordert; Kenner sollten für den gehobenen Anspruch allerdings nicht auf "normal", sondern "schwer" spielen. Zu den neuen Monstern gehören u.a. die zähen Verzehrer, die gegen viele Spezialattacken immun scheinen; später kommen auch bizarre Spinnenwurmkreaturen aus der Tiefe gekrochen. Und wenn man irgendwann gegen Kaliber der Marke Infernogolem oder in finalen Gefechten gegen Spektraldrache antritt, muss man alle Talente und Tränke der Gruppe clever bzw. rechtzeitig einsetzen.
Wer an der Karriere nach Stufe 18 feilen möchte, findet drei neue Fähigkeiten ab Stufe 20: Man kann sich der schon erwähnten "Runenherstellung" widmen und damit Waffen oder neuerdings auch Rüstungen verbessern - wer das ausnutzt, kann seine Krieger und Schurken nochmal richtig aufwerten, was den Schaden angeht. Eher unspektakulär: Man kann seine körperliche Kraft über die "Vitalität" steigern oder man studiert "Klarheit", um seine magische Energie oder Ausdauer zu steigern. Hinzu kommen sechs neue Spezialisierungen ab Stufe 22, je zwei für Kämpfer (Geistkrieger, Behüter), Magier (Hüter, Kampfmagier) und Schurken (Späher der Legion, Schatten).
Die hochstufige Karriere
Interessanter sind da schon die 24 frischen Talente, die man aktiv im Kampf einsetzen kann: Ein Schurke trifft schon mal mit 384 (!) Schadenspunkten, wenn er den "Herzsucher" richtig anwendet; ein Krieger kann mit "wüsten Beschimpfungen" alles um sich herum in Verlegenheit bringen; wer mit zwei Waffen loslegt darf den miesen "Tiefschlag" einsetzen und Bogenschützen sorgen am Ende ihrer neuen Talentkette für einen spektakulären "Pfeilregen". Auch an die Magier hat man mit acht neuen Sprüchen gedacht, darunter das "Rückstoßfeld" oder die "Zeitspirale". Damit bleiben sie die mächtigste Klasse, aber unterm Strich haben Kämpfer und Schurken an Schlagkraft gewonnen.
Eher in den Bereich der kosmetischen Zusätze gehören die vielen Wappen, die man jetzt auf seine Schilde anbringen kann. Was es alles an Ausrüstung gibt: Da lacht mich doch ein Dolch aus Vulkangold für 174 Gold bei einem Händler an - inklusive kritischer Trefferquotensteigerung! Hinzu kommen legendäre Stücke im Set sowie eine Muschelschalen-Plattenrüstung für knapp 155 Gold, die plus acht Stärke, plus sechs Verteidigung und satte 25 Prozent mehr an Widerstandskraft bringt - nicht übel. Und man kann sie erstmals nicht nur mit Runen verstärken, sondern ganz neue erstellen - Bastler finden Materialien aus Metall, Leder oder Holz jetzt in neun statt sieben Qualitätsstufen.
Fazit
Nach einer Stunde war ich noch skeptisch: Hey, soll das nur blutiger Nachschlag gegen die Dunkle Brut werden? Aber als sich nach zwei Stunden heraus stellte, dass ich sowohl als Abenteurer als auch Herrscher gefragt bin, der sich nicht nur um weitere Dungeons, frische Monster oder um die Schlagkraft seiner Gruppe, sondern auch mit allen bitteren Konsequenzen um die Innenpolitik einer ganzen Grafschaft kümmern muss, flackerte die Neugier auf. Und als mein Tagebuch nach zehn Stunden immer noch vor Quests und offener Entscheidungen überquillte, während sich neue Gefährten mit zweifelhaften Hintergründen um mich scharten und zig Fragen unbeantwortet schmorten, war es wieder um mich geschehen. BioWare hat hier eine sehr durchdachte und überaus epische Erweiterung entwickelt, die vor allem Schurken und Kämpfern mehr Schlagkraft verleiht. Die Questqualität schwankt zwar zwischen gewöhnlich und sehr gut und man vermisst Dungeonrätsel, aber dafür gibt es einige versteckte Highlights. BioWare versäumt es allerdings, einige an der Glaubwürdigkeit so mancher Situation nagende Designfehler auszumerzen und auch die Schwächen der Konsolenversionen bleiben vorhanden. Unverständlicher ist zudem der Verzicht auf die Romanzen als Beziehungselement, die sich hier aufgrund der neuen Charaktere fast aufdrängen. Unterm Strich wurde ich mit diesem Epilog allerdings sehr gut und vor allem sehr lange unterhalten - Ferelden hat einige wichtige Facetten als Spielwelt gewonnen und man sollte sich jede Entscheidung drei mal überlegen. Spätestens wenn man die Konsequenz erlebt, liebt man dieses Rollenspiel.
Pro
- Spielzeit 15 bis 20 Stunden
- man ist Grauer Wächter & Landesfürst
- politische Entscheidungen mit Konsequenzen
- einige großartige Überraschungen
- unterhaltsame Party-Kommunikation
- neue Region inkl. Festung und Stadt
- fünf neue Gefährten rekrutierbar
- neue Talente & Spezialisierungen
- neue Zauber & Gegenstände
- alle Gefährten lassen sich umschulen+ etwas Horrorflair in den Dungeons
- Kämpfer & Schurken schlagkräftiger
Kontra
- keine Romanzen
- kleine Quest-Bugs
- Stadtwache reagiert nicht auf Kämpfe
- Diebstahl ohne Konsequenzen
- relativ schwache Kulisse- Konsolen fehlt Komfort & Übersicht
- einige böse Clippingfehler