Alter Ego - Test, Adventure, PC, Wii

Alter Ego
26.03.2010, Bodo Naser

Test: Alter Ego

Dass Alter Ego (ab 19,82€ bei kaufen) trotz desselben Entwicklers kein neues Black Mirror wird, haben wir in der Vorschau angedeutet. Jetzt ist das finstere Adventure von Future Games erschienen, das im England des 19. Jahrhunderts spielt. Wie entwickelt sich das Abenteuer im viktorianischen England? Kann es vielleicht doch noch überzeugen?

Was die Atmosphäre betrifft, erinnert Alter Ego tatsächlich noch an den berühmten Vorfahren aus der tschechischen Spieleschmiede, der uns anno 2004 richtig gut unterhalten konnte. Aber dieser moderne Nachzügler erreicht dessen düstere

Eins hat Alter Ego ganz sicher mit Black Mirror gemein: Es ist ebenso düster wie schön.
Melancholie nicht. Das historische Abenteuer gibt sich allerdings betont finster, so dass kaum mal die Sonne zu sehen ist. Stattdessen ist der Himmel über Plymouth entweder bedeckt, verregnet oder dunkel. Alles sieht braunstichig aus, sogar der berühmte englische Rasen hat keine Leuchtkraft. Vieles wirkt heruntergekommen, was insbesondere für den Teil der Hafenstadt gilt, der nicht von der Upperclass bewohnt wird.

Makabere Stimmung

Das Ambiente ist stimmig, denn das Abenteuer spielt über weite Strecken in der Welt der kleinen Leute und es spiegelt die mysteriöse Hintergrundstory wider. Man hat immer wieder Kontakt mit zwielichtigen Typen wie Zuhälter, Diebe oder Prostituierte. In diesem England des Jahres 1894 gab es noch starken Aberglauben, kaum moderne Technik und die künstliche Beleuchtung war natürlich schwächer. Alles dreht sich um den Tod von Sir William, der einer der gefürchtetsten Verbrecher der Stadt war. Obwohl ihm niemals der Prozess gemacht wurde, soll er Dutzende Menschen auf dem Gewissen haben. Und jetzt, als das "Monster" eines plötzlichen Tods starb, ist seine Leiche verschwunden - ein gefundenes Fressen für die Sensationspresse. Besonders einfältige Naturen glauben, dass es dabei nicht mit rechten Dingen zuging. Im Spielverlauf muss man Licht in die verworrenen Verhältnisse bringen.

Das spielt sich alles ganz abwechslungsreich. Nicht nur weil man ständig neue Orte sieht, sondern weil es zwei Charaktere gibt. So betritt man dieselbe Szenerie mal aus einer anderen Perspektive, was neue Einblicke und Erkenntnisse liefern kann. Zum einen ist da Detective Bristol, der auf den ersten Blick an Dr. Watson erinnert: Er ist britisch steif, überkorrekt und tritt gerade seinen Dienst bei der städtischen Polizei an. Das ist sogar launig gemacht, denn anfangs scheint ihn niemand für voll zu nehmen - noch nicht mal sein Untergebener. Dabei möchte er doch unbedingt geachtet werden. Um sich zu profilieren, übernimmt er die Ermittlungen im mysteriösen Fall des Verschwindens der Leiche von Sir William. Wie Sherlock Holmes setzt er gern mal zeitgenössische Instrumente ein, um sich seinen eigenen Reim zu machen.

Zwei Protagonisten

Unterschiedlicher könnten die Helden nicht sein. Der eine ist Polizist und der der andere Dieb, der schon mal im Stadel übernachtet.
Als er über den von alten Gräbern gesäumten Friedhof streift, erinnert das sofort an den zweiten Protagonisten. Denn mit ihm ist man in der Nacht zuvor über diesen Gottesacker gewandert, wobei man reichlich Spuren hinterlassen hat, die dem wachen Blick des Gesetzeshüters nicht entgehen. Der andere Held ist eher ein Antiheld - der Herumtreiber Timothy Moor, der sich als Dieb durchschlägt. Er wurde als blinder Passagier festgenommen, musste fliehen und versteckt sich nun in der Unterwelt. Seine Motive sind klar: Er will einfach nicht gefasst werden. Dass er sich eigentlich ein besseres Leben wünscht, wird erst später deutlich.

Politisch korrekt verhält sich keiner von ihnen: Während Bristol ständig übers lichtscheue Gesindel mosert, beraubt Timothy sogar Blinde. Das ist reichlich peinlich, denn er macht sich anschließend auch noch lustig über ihn. Das mag vielleicht authentisch fürs 19. Jahrhundert sein, wo der Ton rauer war, aber besonders sympathisch ist das natürlich nicht. Mit solchen Aktionen punkten beide nicht gerade, auch wenn es aus ihrer Sicht vielleicht nachvollziehbar erscheint, warum sie so reagieren.

                

Dabei ist der Dieb kein schlechter Mensch. Er träumt davon, nach Amerika auszuwandern und ist durchaus hilfsbereit, wenn er einen Nutzen damit verbindet. So geht er immer wieder 

Um so einen Tresor zu knacken, braucht's nicht viel. Die richtige Kombination ist schnell gefunden und noch rascher eingegeben. 
Frauen zu Hand, die für ihn eine Schwäche haben. Daraus ergeben sich Aufgaben, die allerdings nicht sonderlich fordernd sind: Man muss beim Wäschewaschen helfen oder einen aufdringlichen Freier vertreiben. Vieles davon läuft fast automatisch, da man eine Apparatur nicht wirklich reparieren muss, sondern nur die Einzelteile dafür beisammen haben und dann die Maschine anklicken muss.

Leichte Rätsel

Im Vergleich zur Vorschau wurden die Rätsel sogar noch mal entschärft, denn man muss noch weniger Schritte machen, um zum Erfolg zu kommen. So ist es etwa nicht mehr nötig, den Tabak mit Rum anzureichern, um ihm dem Seemann zu geben. So wird's alles noch simpler, obwohl es schon zuvor ziemlich leicht war. Da es auf Wunsch eine Hot-Spot-Anzeige gibt, muss man fast gar nix mehr leisten, da man nicht mal suchen muss. Einziger Wermutstropfen ist, dass es beim Laden zu Verwirrungen kommen kann: Wenn man nicht auspasst, wird der Spielstand überschrieben statt geladen. Das kann zusammen mit den sporadischen Abstürzen für Bissspuren in der Tastatur sorgen.

Wer hofft, dass es beim ermittelnden Polizisten anspruchsvoller zugeht, der wird enttäuscht. Denn auch sind es oft Rätsel, die nicht viel mit echter Polizeiarbeit zu tun haben. Und wenn es dann mal ans Ermitteln geht, ist das nicht ausgefeilt. Wo man bei den Holmes-Abenteuern zumindest näher untersuchen konnte, ist es hier wieder mit dem bloßen Anklicken getan. Anstatt den Boden mit der Lupe zu untersuchen, bekommt man gleich die Lösung. Vermutlich wollte man die Krimihandlung nicht durch ne Rätselorgie unterbrechen, aber so läuft es wiederum zu glatt für Leute, die schon Black Mirror gespielt haben.

Gespräche sind das a und o, da man nicht ohne sie auskommt. Dennoch sind sie nicht immer spannend oder gut vertont.
Trotz stimmiger Atmosphäre, wechselnder Personen sowie mysteriöser Hintergrundstory hat Alter Ego auch seine Längen: Es gibt viele vertonte Dialoge, die allerdings nicht immer spannend verlaufen. Obgleich die meisten Leute eher mürrisch sind, erzählt einem manch einer doch seine langweilige Lebensgeschichte. Das Problem ist, dass die Sprachausgabe zwar über professionelle Stimmen verfügt, aber diese in der Qualität schwanken. Da gibt's bekannte Sprecher wie jenen von Timothy, was aber selten ist - alle anderen Stimmen sind eher Durchschnitt. Ein Problem ist auch, dass der Ton trotz erhöhter Lautstärke manchmal zu leise oder dumpf klingt.

Längen sichtbar

Dennoch sind die Gespräche wichtig, da sie die nächsten Ziele offenbaren. Daher ist es unerlässlich, alle Personen auch wirklich alles zu fragen, was auf der Liste steht. Zudem muss man öfters zurückkehren und dieselbe Person noch einmal fragen, wenn sich eine neue Situation ergeben hat. Dieses Abklappern kann trotz Schnellreisefunktion ermüdend sein, auch weil es mit den Spuren nicht anders läuft. Auch hier geht's erst weiter, wenn alle Punkte auf dem Bildschirm untersucht worden sind.

 

Mehr als einmal steigt Timothy wo ein, was besser inszeniert sein könnte.
Ansonsten kommt einem vieles statisch vor - insbesondere dann, wenn eigentlich Leben auf dem Bildschirm sein sollte. Dasmerkt etwa, wenn man mal über einen Zaun klettert. Das wird weder in einem Film gezeigt noch ist eine richtige Bewegung zu sehen. Stattdessen gibt's Einzelbilder, wie man vor und nach dem Übersteigen dasteht. Das ist wenig überzeugend und wirkt natürlich schrecklich altmodisch.

Wenig Nervenkitzel

Noch etwas wird nicht ausgereizt: Obwohl das Adventure angenehm düster ist, ist kaum etwas wirklich gruselig. Nervenkitzel ist weitgehend Fehlanzeige, was angesichts der schaurigen Hintergrundgeschichte doch verwundwert. Future Games schaffen es zwar, eine morbide Grundstimmung zu erzeugen, aber es gelingt ihnen einfach nicht, langsam eine Dramaturgie wie in Black Mirror aufzubauen. Man steht hier vor einer blutüberströmten Leiche mit aufgeschnittenem Hals und es wirkt nicht gruselig. Man vermisst über weite Strecken des Spiels spannungssteigernde Töne oder subtile Gefühle der Bedrohung.

       

Fazit

Mit dem Vorgänger Black Mirror hat das tschechische Team im Jahr 2004 noch atmosphärische Zeichen gesetzt. Aber Alter Ego wirkt sechs Jahre später wie ein Rückschritt: Trotz mysteriöser Story, britischem Ambiente sowie finsterer Grundstimmung bietet es weder als Adventure für Knobler noch als schaurige Story für Gruselfreunde genug Substanz. Es scheint fast so, als wolle man mit der Anspruchslosigkeit nur Einsteiger ansprechen - selbst das Knacken von eisernen Safes geht hier im Handumdrehen. Veteranen werden nicht nur von der fehlenden Kombinationsfreude enttäuscht, sondern auch von der erzählerischen und spielmechanischen Dramaturgie: Man muss einfach stoisch alles abklappern, Orte mehrmals besuchen und schreckt dabei nicht mal bei einer blutüberströmten Leiche auf. Die geheimnisvolle Geschichte hat zwar ihre Reize, wird aber viel zu breit mit unnötigen Dialogen ausgewalzt und nicht mit Leben gefüllt. Früher hätte ich darauf gewettet, dass man das neue Abenteuer der Black Mirror-Macher blind kaufen kann. Aber hier servieren die Tschechen nicht mehr als im Ansatz interessanten, aber letztlich langweiligen Durchschnitt

Pro

  • mysteriöse Story
  • gegensätzliche Typen spielen
  • zwielichtige Leute treffen
  • Einbrüche machen

Kontra

  • anspruchslose Rätsel
  • teils zäher Verlauf
  • Helden teils unsympathisch
  • kaum Nervenkitzel

Wertung

PC

Das mysteriöse und stimmungsvolle Adventure will nicht so recht zünden, da echte Prüfungen fehlen.