NecroVisioN 2: Lost Company - Test, Shooter, PC

NecroVisioN 2: Lost Company
05.05.2010, Marcel Kleffmann

Test: NecroVisioN 2: Lost Company

Dämonen, Zombies, Untote und sonstiges Gesocks durftet ihr vor dem Hintergrund des Ersten Weltkrieges schon in NecroVisioN zurück in die Hölle schicken. Ein ungewöhnliches Szenario und ein Kampfsystem mit der Extraportion "Nahkampf" ließen den technisch und spielerisch altbackenen Titel wenigstens ein bisschen auffallen. Jetzt darf die "verlorene Kompanie" zum erneuten Dauerfeuereinsatz antreten. Kann sie sich besser präsentieren?

Im Mai letzten Jahres versuchte sich NecroVisioN mit stumpfer Nonstop-Action im Painkiller-Fahrwasser. Aufgemöbelt wurde die Ballerei mit einem Nah-/Fernkampf-Kombosystem sowie einem kruden Szenario voller Untoter im Ersten Weltkrieg. Dank der nahkampflastigen Duelle konnte der Shooter auf sich aufmerksam machen und mit "NecroVisioN 2: Lost Company (ab 9,90€ bei kaufen)" scheint der zweite Teil in den Startlöchern zu stehen. Doch die "2" im Titel ist einzig und allein dem deutschen Publisher "The Games Company" zu verdanken. Überall sonst heißt das Spiel bloß "NecroVisioN: Lost Company" und macht damit auch deutlich, was es im Prinzip ist: Ein lauer Aufguss des ersten Teils!



Nachfolger oder doch nicht?

Genau genommen ist "Lost Company" ein Prequel, das die Ereignisse vor NecroVisioN erzählt und zwar aus der Sicht eines deutschen Arztes/Soldaten, der sich vornehmlich mit Untoten und Dämonen herumschlagen darf. Der zeitgleich tobende Weltkrieg ist bedeutungslos und reicht höchstens für einige Anekdoten, wenn ihr gemeinsam mit Soldaten anderer Nationen gegen immer das gleiche Zeug stammelnde Gegner kämpft.

Der Launch-Trailer zeigt haufenweise Gegner, düstere Areale und maue Vehikelpassagen...

Er wird zum Necromancer

Ihr beginnt die Story-Kampagne als nicht mundtoter "Held" Jonas Zimmermann, der dringend irgendein medizinisches Gegenmittel zu seinem Auftraggeber bringen muss. Dabei findet ihr heraus, dass die Bedrohung nicht von den verfeindeten Weltkriegsparteien ausgeht, sondern von übernatürlichen Monstern und einer mysteriösen Seuche. Im weiteren Verlauf entdeckt ihr Anhaltspunkte dafür, dass eine finstere Macht ihre Finger im Spiel hat, bevor Jonas am Ende zum Necromancer wird, auf den schließlich der Held aus NecroVisioN trifft... nein, das ist kein Story-Spoiler, dies wurde bereits auf der offiziellen Seite enthüllt.

Außerdem ist es ohnehin schwierig etwas zu verraten, das so gut wie nicht vorhanden ist. Gemeint ist die Hintergrundgeschichte, die wirr sowie lieb- und zusammenhanglos wirkt, aber mit erstklassig vorgelesenen Briefen zwischen den Kapitel-Ladepausen fortgesponnen wird. Gelegentliche geskriptete Aktionen gibt es ebenfalls, diese gehen jedoch im rasanten Spielgeschehen weitgehend unter und wirken oft unglücklich platziert sowie 

¡Ay, caramba! Untote Krankenschwestern krauchen durch eine Kapelle und die Metzgermeister lauern gleich um die Ecke...
überhastet eingebaut. Bezeichnend für die halbgare Qualität des Nonstop-Shooters ist das Ende, da mitten in der letzten Ingame-Zwischensequenz die Credits einsetzen: Der Hauptdarsteller wollte noch fix etwas Bedeutungsschwangeres über den Sinn seines Leben sagen und *Schnitt* die Credits erscheinen...

Die Geschichte ist also Nebensache. Die meiste Zeit verbringt ihr eh mit Händen, Füßen und reichlich Schusswaffen kämpfend gegen die aus dem Nichts auftauchenden feindlichen Horden: Schon im ersten Level werdet ihr von der Gegnerschar quasi erdrückt und müsst ohne große Mithilfe vom Spiel herausfinden, dass der Schlüssel zum Sieg eine für Shooter ungewöhnliche Mischung aus Nah- und Fernkampf ist - genau wie beim Vorgänger. Für den Einsatz und die Kombination von "Close Combat"-Attacken (Zustechen, Treten, Zuschlagen, etc.) und Schießprügeln erlangt ihr Kombopunkte, die dann stärkere Attacken oder andere Specials ermöglichen. Ohne die anvisierte Trefferzone "Kopf", die gezielten Mischangriffe und die daraus resultierenden Spezialfertigkeiten werdet ihr wenig Chancen gegen die hirnlosen Gegnermassen haben, die praktischerweise immer auf euch zustürmen und euch förmlich in den Nahkampf zwingen. Von Deckungsverhalten oder Teamtaktik ist bei den Feinden nichts zu sehen, häufig bleiben sie auch an Level-Objekten hängen. Für Notfälle gibt es immerhin eine Adrenalin-Funktion als Zeitlupe und kurz vor eurem Ableben wartet eine Art "Letztes Gefecht"-Modus. Die Gasmaske aus dem Vorgänger kommt ebenso kurz zum Einsatz.   

Kampf gegen hirnlose Gegner

Etwas Abwechslung vom schnöden und Farben verleugnenden Level-Schlauch bzw. "Alles-Töten"-Alltag gibt es durch die Begleitung vom KI-Mitstreitern, die allesamt schneller an die Front stürmen als Schnäppchenjäger zu den 75%-Rabatt-Grabbelkisten beim Winterschlussverkauf. Zumindest nehmen sie einigständig Feinde unter Beschuss und lassen sich wegschieben, wenn sie mal im Weg stehen. Bei der Kloster-Mission funktionierte übrigens ein Skript nicht und mein Renault-liebender Mitstreiter, der eine Tür öffnen sollte, verschwand wie von Geisterhand. Ein Neustart war unumgänglich.

Bewegungsunschärfe ist sinnvoll eingesetzt ein schönes Stilmittel, wirkt aber beim "Panzer fahren in Schrittgeschwindigkeit" oder beim Sprinten völlig unnötig und überzogen.


Mittel gegen Shooter-Monotonie

Ansonsten sind neben einigen Arealen, die scheinbar aus dem Vorgänger recycelt werden konnten, zwei Fahrzeugausflüge erwähnenswert: Einmal fliegt bzw. eiert ihr mit einem Flugzeug durch ein physikbefreites Level-Korsett und holt einen Drachen vom Himmel - kein großer Spaß. Besser ist da die Panzerfahrt durch ein karges Level, in dem ihr mit Bord-MG und Geschütz für ein Bleigewitter sondergleichen sorgt. Zusätzlich zum finsteren Schlauch-Design der Levels fallen häufige Arena-Bereiche unangenehm auf, in denen ihr erst weitermachen könnt, wenn wirklich jeder Gegner erledigt wurde. Laufen, Treten, Hauen, Kopfschüsse, mehr Schießen, mehr Treten, mehr Schlagen, mehr Stechen, usw. vielmehr passiert nicht und das ist zu wenig. Das Kampfsystem nutzt sich mit der Zeit ab und ich habe mich ertappt, ständig eine effektive Kombo zu wiederholen...

Euer Weg durch belanglose Industrieanlagen, heruntergekommene kalte Festungen oder kleinere Außenareale wirkt zu jeder Zeit austauschbar und hätte genauso im Vorgänger vorkommen können. Erst zum Ende hin, wenn es tief unter die Erde geht und mit der Schattenhand mehr Pepp in die Gefechte kommt, nimmt das Spiel fahrt auf - doch leider seid ihr dann fast beim Endgegner. Apropos Bossgegner: Diese sind zwischendurch immer mal wieder in der Kampagne verteilt und wirken niemals so eindrucksvoll oder gefährlich wie die Riesenmonster aus Painkiller. Sogar die "Bosse" wirken beliebig und austauschbar.

Zusätzlich zur fünf bis sechs Stunden kurzen Singleplayer-Story warten einige Herausforderungen, die je nach abgeschlossenem Level freigeschaltet werden und in der Regel zeitbegrenzte Arena-Abenteuer à la "Schieße 50 Flugzeuge ab" oder "Rette Krankenschwestern vor den Ärzten" sind. Wie beim Vorgänger kann NecroVisioN 2: Lost Company hier seine Stärke rund um die Monstermassen ausspielen. 

Fast die komplette trostlose Farbpalette von NecroVisioN 2 wird auf diesem Screenshot gezeigt.


Herausforderungen und Mehrspieler-Modus

Last but not least gibt es einen Mehrspieler-Modus, der mangels Mitspieler nicht getestet werden könnte. In der Theorie sieht es so aus: Vor einer Partie müsst ihr euch entscheiden, ob ihr die virtuellen Schlachtfelder als Soldat der englischen bzw. deutschen Armee oder als Untoter betreten möchtet; nur optische Unterschiede. Bei den Modi gibt sich das Spiel klassisch und bietet 'Team Deathmatch', 'Last Man Standing', 'Artefakteroberung' (Capture the Flag) oder 'ein Duell' an. Neu ist hingegen die 'Nebelkammer'. Hier kämpfen bis zu 16 Spieler in einem verseuchten Areal um die "Frags" und die versteckten Atemschutzmasken.

Auch "Lost Company" erscheint wie NecroVisioN in einer geschnittenen Version und die ist so stark "angepasst", dass es auffällt. Es können keine Gliedmaßen abgetrennt werden, Ragdoll gibt es nicht, Blut fließt sowieso nicht und erledigte Gegner lösen sich binnen kürzester Zeit auf - meistens sind die erledigten Feinde verdampft, bevor ihre "Sterbeanimation" abgeschlossen war. Dank dieser Entschärfung erkennt ihr zügig, ob ein Gegner nur zu Boden gefallen oder tatsächlich hinüber ist...

Blutlos

Fazit

Weshalb der Publisher die "2" in den Titel von NecroVisioN 2: Lost Company gepackt hat, kann ich nicht nachvollziehen. Lost Company bietet rein gar nichts, was es nicht im Vorgänger zu sehen gab - und vieles davon ist sogar schlechter. Selbst die interessante Mischung aus Nah- und Fernkampf mit dem wichtigen Kombosystem sowie das ungewöhnliche Szenario verpuffen bei diesem Aufguss und bleiben ein Schatten ihrer selbst. Alles wirkt ebenso seelen- wie ideen- und lieblos: Die Story ist lächerlich, das Level-Design ist klaustrophobisch eingleisig, die Monster inklusive Bosse verlangen kaum besonderes Vorgehen, die ungeheuren Gegnermassen stöhnen ständig nervtötendes Zeug und von der viel zu abrupten bzw. gehetzten Inszenierung will ich erst gar nicht anfangen. Die ersten Stunden waren wirklich ermüdend und das prinzipiell schöne Kampfsystem nutzte sich ab; selbst der Flugzeug- und Panzer-Abschnitt waren nicht der große Wurf. Erst zum Ende hin gewann die Kampagne an Fahrt, bevor der Endgolem viel zu schnell von der Bildfläche verschwand - von der maximal fünf bis sechs Stunden langen Kampagne war höchstens eine unterhaltsam. Sogar die tumben Dauerfeuer-Gefechte in Serious Sam machen weit mehr Spaß als diese unnötige Fortsetzung...

Pro

  • Mischung aus Nah- & Fernkampf mit Specials
  • Kämpfe gegen viele Gegner gleichzeitig
  • Auflockerung durch Fahrzeuge
  • großes Waffenarsenal
  • abgefahrene Monster
  • hohes Tempo
  • anfänglich fordernde Duelle
  • gute deutsche Sprecher

Kontra

  • halbgare und hektische Präsentation der "Story"
  • miese Wegfindung und schlechte Computerintelligenz
  • Kampfsystem nutzt sich ab
  • kaum Gegnervielfalt
  • zu wenige Bossgegner
  • austauschbar wirkende Level-Schläuche
  • unglücklicher und viel zu abrupter Einstieg
  • überzogene Bewegungsunschärfe beim Laufen
  • Story-Kampagne könnte länger sein
  • immer das gleiche Zeug stammelnde Gegner
  • Erster Weltkrieg als Szenario ist bedeutungslos
  • Entschärfung ist dem Spiel deutlich anzumerken
  • technisch veraltet (Texturen, Licht-Effekte, etc.)
  • dynamische Musikuntermalung wirkt 'abgehackt'

Wertung

PC

Lauer Aufguss: Schlecht inszenierte Dauerfeuer-Action mit gänzlich austauschbaren Levels und Gegnern.