Achtung Panzer: Kharkov 1943 - Test, Taktik & Strategie, PC

Achtung Panzer: Kharkov 1943
14.05.2010, Bodo Naser

Test: Achtung Panzer: Kharkov 1943

Erst letzte Woche haben wir dem Kriegsende gedacht, das sich vor 65 Jahren ereignete. Doch die Spielewelt lässt der Zweite Weltkrieg nicht los: Immer wieder dient er als Hintergrund. So auch in Achtung Panzer: Kharkov 1943 (ab 2,64€ bei kaufen), das kürzlich auf Deutsch erschien. Wir haben uns durch die englische Download-Version der Militärstrategie gekämpft.

Die Schlachten um Stalingrad und Kursk kennen wohl alle, die sich mit dem Zweiten Weltkrieg beschäftigen. Aber dazwischen lag eine Offensive, die weniger bekannt ist, obwohl sie für die Deutschen weit wichtiger war: Es handelt sich um

Warum gibt's nur zwei schlappe deutsche Kampagnen und dafür vier russische? Ein Grund ist vermutlich, dass die Macher aus Charkow stammen. 
den Gegenangriff, der im Februar 1943 unvermutet begann und mit der Rückeroberung von Charkow am 15. März durch die Wehrmacht endete. Diese Offensive diente dazu, die südliche Ostfront zu stabilisieren, die nach der verheerenden Niederlage bei Stalingrad am Zusammenbrechen war. Es drohte eine noch größere Schlappe als an der Wolga. Zugleich war sie die Vorbereitung für die Sommeroffensive bei Kursk, das nördlich von Charkow lag.

Ein letzter Sieg

Einmal mehr war es Feldmarschall Erich von Manstein, der die Kohlen aus dem Feuer holte, indem er sein strategisches Geschick bewies. Der gewiefte Stratege erkannte, dass die Rote Armee nach ihrem Sieg bei Stalingrad unvorsichtig geworden war. Die russischen Panzer waren weit vorgeprescht, aber nun waren sie abgekämpft, hatten fast keinen Sprit mehr und erhielten wenig Nachschub. Manstein überzeugte Hitler von seinem Plan und führte frische Truppen heran, um den Sowjets in die Flanke zu fallen. Bereits Ende Februar 1943 stand die Wehrmacht wieder am Donez und Charkow wurde erneut besetzt. Nachdem die Russen Zehntausende Kämpfer verloren hatten, zog der letzte Rotarmist im März aus Charkow ab.

In dieses recht unverbrauchte Szenario wurden die sechs Kampagnen gezirkelt, bei denen sowohl Deutsche als auch Sowjets spielbar sind. Alle spielen Anfang März 1943, als deutsche Panzer und Grenadiere auf die ukrainische Stadt vorrücken, was in zwei Kampagnen behandelt wird. Die Russen müssen den Vormarsch um jeden Preis aufhalten, was man in vier Kampagnen nacherleben kann. Leider ähneln sich die Missionen stark und es gibt darüber hinaus keine weiteren Schlachten. Zwar findet sich ein Editor, aber einen Multiplayer hat man sich gänzlich gespart.

Das Besondere ist, dass das Spiel Strategie und Taktik zu verbinden versucht. Zunächst bewegt man seine Einheiten auf

Strategie für Arme. Auf der gut gemeinten Planungskarte gibt es viel zu wenig zu tun. Man wartet nur aufs nächste Echtzeit-Gefecht.
einer in Vierecken eingeteilten groben Feldzugskarte, worauf es zu einzelnen Gefechten kommt. Die wiederum kommandiert man auf taktischer Ebene, indem man einzelne Truppen samt Kommandant kämpfen lässt. Das hört sich etwas nach Total War an und in der Tat ähnelt sich das Prinzip, aber bei Achtung Panzer ist der Strategieteil nicht sonderlich ausgefeilt. Obwohl er unheimlich kompliziert aussieht, kann man wenig mehr machen, als seine Truppen in Richtung Feind zu verschieben. So kommt es einem wie eine bloße rundenbasierte Verklammerung der Echtzeit-Gefechte vor.

Taktiker gefragt

Der Taktikteil ist weit ausgefeilter, denn hier muss man die Truppen zunächst möglichst sinnvoll aufstellen, eingraben und dann direkt führen. Es gibt Ziele, die man einnehmen muss, um zu siegen. Klar, dass das nicht ohne Feindkontakt abgeht, bei dem man auch in Hinterhalte geraten kann, da der Gegner im Nebel des Krieges lauert. So muss man immer genau planen, was man wann angreift. Trotz integriertem Tutorial ist das Spiel nicht sonderlich einsteigerfreundlich, da man sich auf der teils großen taktischen Karte nur schlecht zurecht findet. Es gibt zu viele Schaltflächen, mit denen man die Ansicht umstellen kann. Plötzlich steht man auf der Pritsche eines Fahrzeugs, sieht Soldaten mit Helmen und dann schwenkt die Kamera wieder ganz nach oben. Irgendwann weiß man gar nicht mehr, wo oben und unten ist, geschweige denn wo der Feind steckt.

                        

Die einzelnen Gefechte sind knochenhart bis zur Grenze der Unfairness, was insbesondere Anfänger abschrecken dürfte.

Ja, wo ist denn der Feind? In den endlose Weiten der Sowjetunion geht zu oft der Überblick flöten.
Gerade zu Beginn hat man wenig mehr als eine Hand voll Soldaten, was sich nur allmählich ändert. Die Russen sind auch noch zu Fuß unterwegs, was sie unbeweglich macht. Wie soll man da gegen Panzer, Artillerie oder Flieger bestehen? Oftmals soll man auch noch mit dem Haufen angreifen, was nun wirklich völlig unmöglich erscheint. Dafür braucht man auch eine Menge Geduld, da sich die Truppen recht langsam bewegen. Selbst auf vierfacher Beschleunigung dauert es bis zum Feindkontakt ewig. Immerhin lässt der Schwierigkeitsgrad justieren, da schon die normale Stufe happig ausfällt.

Keine Geschenke

Ansonsten bietet Achtung Panzer durchaus taktische Möglichkeiten, da man auf den großen Karten von mehreren Seiten attackieren kann. Öfters muss man in Not geratenen Truppen mit Verstärkung zu Hilfe kommen, etwa wenn der Gegner einen Gegenangriff startet. Die Computergegner agieren recht aktiv, da sie selbständig Ziele wie Kreuzungen, Ortschaften oder Höhen einnehmen. Durch Beschuss kann man sie zum Rückzug zwingen und muss sie nicht niedermetzeln. Das Gelände spielt auch eine, aber leider keine große Rolle: Es ist fast egal, ob man sich im Wald verschanzt, auch wenn die Bäume den immer wieder eigenen Vormarsch bremsen, der dann noch langsamer wird. Über Straßen und Wege kommt man deutlich schneller voran.

Landser aus der Nähe. Das stufenlose Zoomen suggeriert, dass man stets beim Geschehen wäre. Allerdings ist die Nahansicht ohne Sinn. 
In punkto Waffen ist Achtung Panzer recht realistisch: Zum Einsatz kommen ziemlich genau die Waffen, die es Anfang 1943 an der Ostfront gab - Phantasiewaffen oder Prototypen wie bei Panzers und Co. kommen zum Glück nicht vor. Das bedeutet, dass die Deutschen noch keine Panzer der zweiten Generation wie Panther, Elefant oder Tiger besitzen, denn die wurden erst in Kursk im großen Stil eingesetzt. Stattdessen rumpeln verbesserte Panzer älteren Typs durchs Gelände, die es auch schon 1941 zu Beginn des Ostfeldzugs gab. So ist hier der Panzer IV mit Langrohr der kampfstärkste deutsche Tank. Mit dem russischen T-34 haben die Deutschen daher so ihre Probleme.

Historische Kämpfe

Zudem hat man zu Beginn des Spiels noch gar keine Panzer, da man mit motorisierter Infanterie zufrieden sein muss. Wenn also einer der gefürchteten russischen Panzer aus dem Nebel auftaucht, muss man sich was einfallen lassen. Immerhin sind einige der deutschen Halbkettenfahrzeuge mit Geschützen ausgerüstet, die auf kürzere Distanz einem Panzer gefährlich werden können. Die Russen sind nicht besser dran: Sie haben schon mit den deutschen Schützenpanzern Probleme, da ihre Infanterie weit schlechter ausgerüstet ist. Sie müssen Tanks in den Nahkampf locken, wenn sie keine Panzerabwehr dabei haben.

Achtung Panzer ist nicht gerade sonderlich spannend, da man oft tatenlos zusieht, bis etwas 

Nicht schwimmfähig. Wer seine Schützenpanzer liebt, sollte nicht aufs Eis vertrauen, sonst fehlt einer. 
passiert. Am zähen Verlauf vermag auch die zerstörbare 3D-Umgebung nicht viel zu ändern, denn sie ist trockenes Zubrot ohne großen Sinn. Zudem kommt es doch eher selten vor, dass die eigenen Panzer mal einen Baum umheizen, da man sie nicht direkt steuert. Vielmehr führen sie Befehle von sich aus. Überhaupt ist das Spiel keine Schönheit, was an der völlig nüchternen Aufmachung liegt. Das einzige Highlight der Präsentation ist das Zoomen bis auf den vereisten Boden. Einem flüchtigen Blick hält die Ansicht durchaus Stand, aber der zweite offenbart die fehlenden Details.

Kein Augenöffner

Das Spiel versucht mit allerhand Überraschungen das Geschehen zumindest zeitweise aufzulockern. Es gibt Zufallsereignisse, z.B. dass ein Panzer ins Eis einbricht und dann versinkt - "Fahrzeug verloren" steht dann lapidar in der Ereignisanzeige. Da helfen nur Umwege, um nicht einzubrechen. Auch gibt es kleine Dinge am Rande wie Hundegeheul oder aufsteigende Signalraketen, die das Auge wenigstens etwas erfreuen. Zudem lassen sich Panzer am Geräusch erkennen: Wenn im Wald fiese Kettengeräusche zu hören sind, knallt es bald.

            

Fazit

Obwohl mich das Szenario um Charkow militärhistorisch interessiert, werde ich mit Achtung Panzer: Kharkov 1943 nicht warm. Das liegt noch nicht mal an der völligen Unzugänglichkeit des ukrainischen Strategiespiels, an die man sich auch irgendwann gewöhnt. Wer braucht schon Dinge wie schöne Präsentation, Übersicht oder Durchblick? Es liegt vielmehr an den wenig spannenden Kämpfen, die immer ähnlich verlaufen: Egal ob man in der Schneelandschaft Verteidiger oder Angreifer spielt, die Schlachten gleichen sich. Zudem läuft alles recht zäh ab und es dauert ewig, bis mal was passiert. Wie im echten Krieg wartet man mehr, als dass man kämpft. Dennoch haben die Macher akribisch alle historischen Schlachtfelder und Einheiten rund um Charkow nachgestellt, was Lob verdient. Sogar bei der Bewaffnung haben sie sich im Gegensatz zu manch anderem Spiel keine Schnitzer geleistet. Die Akribie geht so weit, dass jedes Geschütz samt Wirkung enthalten ist. Leider führt der übertriebene Realismus auch dazu, dass der Kampf viel zu spröde und frustrierend schwer ist. Auf Anhieb kann man keines der taktischen Gefechte gewinnen. Leider trägt der rundenbasierte Strategieteil nicht zur mehr Abwechslung in der taktischen Schlachtenroutine bei. Auch berühmte Protagonisten der Schlacht wie von Manstein spielen keine Rolle. So ist es nur für schmerzfreie Hobby-Generäle einen Blick wert, die ohne tägliche Ostfrontdosis nicht auskommen und sich auch von regelmäßigen Rückschlägen nicht ins Bockshorn jagen lassen.

Pro

  • komplexer Mix aus Strategie und Taktik
  • unverbrauchtes Szenario
  • Kampagnen für beide Seiten
  • taktische Möglichkeiten
  • KI ist aktiv
  • recht realistische Kämpfe

Kontra

  • zäher Einstieg
  • teils unfaire Kämpfe
  • Strategieteil wenig ausgefeilt
  • reichlich unübersichtlich
  • man fühlt nicht, als hätte man alles im Griff
  • wenig spannend

Wertung

PC

Bei diesem hyperkomplexen Weltkriegs-Strategiespiel geht zu oft der Durchblick flöten.