Super Mario Galaxy 2 - Test, Geschicklichkeit, Wii
Der Weltenspringer
Es verzauberte auch, weil die Erkundung einer Welt voller Planeten auf eine unheimlich frische Art faszinierte: Man kletterte im Weltall an Blumenstengeln hinauf und ließ sich über ein Schütteln zum nächsten Himmelskörper schießen, man umrundete klitzekleine Kometen in null Komma nichts und landete auf riesigen Rätselquadern oder Raumschiffen, die als komplexe Level im All rotierten. Mario tobte sich durch ein Universum der Möglichkeiten, das geschickt zwischen 2D und 3D wechselte, das mit Schwerkraft und Luftwirbeln spielte, das Klassik und Moderne wunderbar vereinte. Das war ein einziger Sternenflow.
Stagnation auf höchstem Niveau
Es gab in der bewegten Geschichte Marios schon immer Wiedergeburten - egal ob bekannte Figuren oder nostalgische Level. Das gehört einfach dazu. Aber zum ersten Mal macht Mario in seinen 3D-Stiefeln keinen Riesensprung, sondern bleibt stehen. Klar: Wohin soll er nach dem Weltraum auch noch hüpfen? In die Hölle? Nach New York? Zu Außerirdischen? Es ist auch nicht schlimm, dass es wieder in den Weltraum geht. Aber dass das Szenario den Klempner erzählerisch wieder so im Stich lässt, ist schade: Warum muss es wieder eine 08/15-Story ohne Spannung geben, obwohl Nintendo doch Geschichten erzählen kann, wie Paper Mario demonstriert. Ich will kein Rollenspiel, aber wenigstens so etwas wie einen Plot in der Sesamstraße. Hier gibt's einfach nur eine Pfirsichjagd.
Hallo Peach? Ich rette dich ja...
Mario nutzt exakt dieselben Salti, Hecht- und Dreifachsprünge, Stampfattacken, Wand- und Drehsprünge. Gravitation? Greifsterne? Bienen-, Geist-, Feuer- und Feder-Mario? Alles nützliche und süße, aber alte Kamellen. Natürlich braucht man eine Basis, natürlich muss man das nicht neu erfinden. Veteranen werden die vielen Hinweisvideos aber gelangweilt ignorieren, weil sie genau wissen, wie sie weiter und präziser als gewöhnlich springen können - been there, done that. Für Einsteiger sind sie ideal, denn hier werden anhand von Spielszenen alle Techniken sehr gut erklärt; man braucht das Handbuch gar nicht mehr.
Auf Ernüchterung folgt Euphorie
Da ist zum einen Yoshi als Reittier: Mit ihm kann Mario nicht nur Feinde verschlucken, wie wild rasen, etwas weiter springen und per Zungenpeitsche klettern, sondern auch wie ein Ballon in die Höhe schweben (köstlich mit anzusehen, wenn er sich blau aufpumpt!) oder den kleinen Drachen als Lampe nutzen: Dann leuchtet Yoshi bisher unsichtbare Plattformen aus, auf denen man gegen die Zeit bis zur nächsten Lichtquelle huschen muss - das sind ebenso unterhaltsame wie knifflige Level. Vor allem, wenn sie mit anderen Schalterelementen oder neuen Fähigkeiten verknüpft werden.
Über den Wolken
Und Luigi ist jetzt nicht erst nach Spielende, sondern früher und öfter spielbar - er bewegt sich etwas anders und springt weiter. Interessanter als das kurzfristige Schwimmen, Tauchen und Skaten auf dem Eis ist das Fliegen mit der Remote: Zu Beginn ist die Steuerung etwas gewöhnungsbedürftig, aber wenn man das bewegungssensitive Neigen und Wenden einmal drauf hat, kann man all die Tore und Boni sehr gut ansteuern - etwas zickiger ist da schon die reine Remote-Steuerung des Sternenballs. Und was ab und zu immer noch nervt: Man kann die Kamera nicht immer frei über das Steuerkreuz ausrichten, so dass manche kurzfristig sichtbaren Items aus dem Blick verschwinden.
Leveldesign vom Feinsten
Und plötzlich ist sie aber wieder da, diese Neugier auf unentdeckte Himmelskörper und frische Herausforderungen. Und Nintendo befriedigt sie nicht nur, sie wird mit abwechslungsreichen Schauplätzen von der Wüste mit Treibsand bis hin zu strahlender Karibik, brodelnder Lava und glitzerndem Eis, vom düsteren Spukschloss bis zum zuckersüßen Bonbonparcours, vom rasanten Slalomrennen bis hin zum vertrackten Labyrinthbohren immer weiter angeheizt. Man will mehr Sterne, mehr Level, mehr Spaß.
Das Sternenschiffgesicht
Neu ist nicht nur das Sternenschiff in Form eines gigantischen Mariokopfes, sondern auch die flache Sternenkarte, auf der man ähnlich wie in früheren Mario Bros.-Spielen seine Route wählen kann. Obwohl sich der Weg manchmal gabelt und obwohl man zwischendurch neue Himmelskörper entstehen lassen kann, geht es linear von der ersten bis zur sechsten bzw. siebten Welt. Wie gehabt muss man für das Betreten des finalen Planeten eine gewisse Menge an Sternen gesammelt haben, um den Bosskampf zu bestreiten. Also heißt es: Zurück in bekannte Welten. Vorbildlich sind all die Übersichten und Statistiken - man weiß immer, was man wo bereits gesammelt hat und wo etwas zu holen ist.
Kniffliger und komfortabler
Nintendo hat Wort gehalten, was den Anspruch angeht: Man wird wesentlich früher als im Vorgänger mit Marios Tod konfrontiert, denn es gibt einige knifflige Level. Aber der Weg zur nächsten Welt ist immer noch ein angenehmer, denn man hat nicht nur viele Alternativen, um Sterne zu sammeln, sondern profitiert von komfortablen Checkpoints und einer Menge Möglichkeiten, sich neue Leben zu verschaffen - sei es über hundert Kristalle, die man sogar auf der Bank speichern und von anderen Spielständen aus abheben kann, über das einfache Würfeln oder Spender auf dem Sternenschiff, denen die 1-up-Pilze nie ausgehen All das führt dazu, dass man bis zum Finale eigentlich nie in die Bredouille kommt.
Es gibt jedoch keine schweren Bereiche, die die Perfektion der akrobatischen Steuerung wie etwa den Seitwärtssalto wirklich verlangen. Und für brisante Situationen gibt es auch einen Autopiloten namens Rosalia: Die nachtschwarze Lady hilft einem, wenn man zu viele Leben an einer Stelle verliert, indem sie in Mario schlüpft und die optimale Route einfach bis zum nächsten Stern abläuft. Allerdings bekommt man dann auch nur einen bronzenen Stern. Diese Hilfe ist auch optional, so dass man sich hier nicht so dauersicher oder gegängelt fühlt wie etwa mit Elika in Prince of Persia. Aber wäre es nicht klasse gewesen, einen Extrastern für Kenner einzubinden? Immerhin: Nach dem Finale darf man noch mal 120 grüne Sterne jagen; obwohl manche Planeten schnell erkundet sind, wird der Umfang des Vorgängers nochmal übertroffen.
Kooperation und grüne Sterne
Wer menschliche Hilfe bevorzugt, kann mit einem Freund auch kooperativ loslegen: Er schnappt sich eine Remote, um in einen sternenförmigen Luma zu schlüpfen. Der folgt Mario zwar automatisch, aber mit ihm kann man nicht nur Kristalle und Münzen sammeln, sondern auch Checkpoints aktivieren, Monster beschießen, sie kurzfristig aufhalten oder per Schütteln besiegen. Das macht zwar kurzfristig Laune, ist in manchen Situationen sehr hilfreich und ein kleiner Fortschritt gegenüber dem Vorgänger, allerdings kann es auch zu einem verwirrenden Hin und Her auf dem Bildschirm kommen, wenn plötzlich überall Kristalle heran rauschen.
Fazit
Das ist das erste 3D-Abenteuer mit Mario, das mich nicht auf den ersten Blick fasziniert. Bisher begeisterte der Klempner mit kreativen Sprüngen, wenn er nach langer Wartezeit endlich auf dem N64, dem GameCube oder Wii landete - danach ging meist ein anerkennendes Donnern durch die Spielewelt. Diesmal dreht er sich im Kreis einer bekannten Galaxie, die vieles aus dem Vorgänger recycelt, auf ganz schwachen Storyfüßen steht und eher für ein "Ah, das kenn ich!" als ein "Wow, das ist ja cool!" sorgt. Aber manchmal ist das Bekannte auch das Beeindruckende, wenn man ihm Zeit lässt: Der Italiener stagniert auf einem Niveau, das immer noch konkurrenzlos ist, wenn er auf skurrilen Kometen mit der Schwerkraft kämpft, wenn er Bilderbuchlabyrinthe erkundet oder in die Höhe schwebt, um sich nach einem Sprung zum nächsten Planeten zu schießen. Er demonstriert auch diesmal Qualitäten, die einfach zeitlos sind. Und kaum hat man sich versehen, kann man sich dem Charme, dem durchdachten Leveldesign mit all seinen fantasievollen Herausforderungen sowie dem fließenden Wecshel von 3D zu 2D nicht entziehen. Und mit Yoshis tapferer Hilfe, coolen Wolkensprüngen und Bohrer für Rätseltiefen, strahlt, jubelt und flucht man wieder. Das Spiel ist endlich etwas kniffliger, obwohl man im akrobatischen Bereich punktgenaue Herausforderungen für Veteranen vermisst - Kenner kommen immer noch recht schnell vorwärts. Aber das sind Peanuts: Nintendo inszeniert mal wieder ein Jump'n Run in höchster Qualität. Mario macht zwar keinen Riesensprung mehr in kreative Höhen, aber er ist immer noch der King im Ring. Und er erobert das erste Platin für Wii in diesem Jahr - herzlichen Glückwunsch!
Lust auf bewegte Kritik? Zum Video-Fazit!
Pro
- zauberhafte Kulisse
- kreatives Leveldesign
- Yoshi & Luigi spielbar
- kniffligere Rätsellevel, aber...
- viele akrobatische Finessen
- klassische & moderne Jump`n Run-Elemente
- Wind & Schwerkraft, Bohren & Tauchen
- Land-, Höhlen-, Wasser- & Fluglevel
- wunderbare Musikuntermalung
- sehr gut zu zweit spielbar
- sehr gute Steuerung
- putzige Kreaturen
Kontra
- ganz schwache Story
- nahezu identisches Spielgefühl
- einiges an Level/Miniboss-Recycling
- ...für Veteranen noch etwas zu einfach