SBK X: Superbike World Championship - Test, Rennspiel, 360, PlayStation3, PC

SBK X: Superbike World Championship
09.07.2010, Michael Krosta

Test: SBK X: Superbike World Championship

Kaum steigen die Temperaturen und die Sonne lässt sich wieder blicken, bevölkern sie erneut Landstraßen und Autobahnen: Nein, ich meine nicht Rehe, Dachse und andere potenzielle Wildunfälle, sondern Biker, die den Frühling und Sommer für Ausflüge mit ihren Maschinen nutzen. Mit SBK X von Milestone kann man aber auch bei Schmuddelwetter in den eigenen vier Wänden am Gaszug ziehen und sich auch ohne Führerschein geschmeidig in die Kurven legen. In den letzten Jahren stagnierte die Serie - geht es mit der Saison 2010 endlich aufwärts?

Für SBK X machen die italienischen Entwickler einen Schnitt, der der Serie merklich gut tut: Ab sofort werden der Arcade- und Simulationsmodus strikt voneinander getrennt. Entsprechend wird die Fahrphysik angepasst, so dass man unter Arcadebedingungen in den Genuss einer glänzenden Reaktionsgeschwindigkeit der Bikes sowie einer wahnwitzigen Bodenhaftung kommt. Mit der Realität hat das Ganze so viel gemeinsam wie der Film Ghost Rider, doch der Fahrspaß stimmt hier, wenn man sich auf den PS-starken Maschinen fast so fühlt wie hinter dem Steuer eines Go-Karts, wenn man lässig durch die Kurven driftet und sich kaum Gedanken über Bremspunkte oder die Balance machen muss. Hält man hier die A-Taste



Getrennte Wege

gedrückt, bekommt man einen Geschwindigkeitsschub, doch sollte man diesen vornehmlich auf Gerade einsetzen. In Kurven sinkt der Wendekreis bei gehaltener A-Taste spürbar und macht ein korrektes Einlenken nahezu unmöglich. Die Idee hinter der Arcade-Steuerung geht aber schnell in Fleisch und Blut über.

Video: Bringt das Spiel die Faszination des Motor(rad-)Sports auf die Konsolen und den PC?

Neben einem schnellen Rennen erweist sich der Story-Modus als idealer Einstieg. Hier startet man zunächst in der kleinsten der drei Klassen und arbeitet sich relativ schnell von Superstock-Bikes zur Supersport-Liga und schließlich in die SBK-Meisterschaft vor. Zunächst gilt es allerdings im Editor, sich einen eigenen Fahrer zu basteln: Zwar sind die Möglichkeiten begrenzt und die Auswahl beschränkt sich auf ein Set von vorgefertigten Gesichtern, aber es ist immerhin etwas. Anstatt komplette Rennen zu absolvieren, übernimmt man im Story-Modus nur in den letzten Runden die Kontrolle und wird mitten in die Zweirad-Action geworfen. Das Ziel besteht folglich nicht immer darin, die Ziellinie als Erster zu überqueren. Stattdessen sollten bestimmte vorgegebene Mindest-Platzierungen erreicht werden, für die man mit Punkten belohnt wird. Diese wiederum schalten neue Veranstaltungen frei, bei denen man sein Können unter Beweis stellen kann. Leider hat der Story-Modus abseits der Piste zwei Probleme: Zum einen ist er sehr kurz und zum anderen ist die Präsentation unter aller Kanone. Wenn mein Teamchef oder die Sekretärin nur in Standbildern zu mir spricht und anstatt Sprachausgabe lediglich

Aufgrund der kampfschwachen KI und fragwürdigen Kollisionsabfrage sind die Positionskämpfe nicht sonderlich spannend.
Textboxen geboten werden, fühle ich mich irgendwie in die Modul- und Diskettenzeit zurückversetzt. Modern ist eine solche Darstellung schon seit einer ganzen Weile nicht mehr...

Standbild-Story

Abseits der Story darf man auch komplette Meisterschaften in Angriff nehmen. Im Gegensatz zum Simulationsmodus fallen Sessions wie das freie Training oder das Qualifying genau so unter den Tisch wie Beratungen mit dem Renn-Ingenieur und Setup-Experimente samt Telemetriedaten. Stattdessen findet man sich gleich in der Startaufstellung wieder und wartet, bis die Ampel auf Grün springt. Wer keinen großen Wert auf die Duelle gegen die recht bescheidene (aber z.T. schnelle) Ideallinien-KI legt, kann sich sowohl im Simulations- als auch im Arcade-Modus zusätzlich im Zeitfahren austoben - die Ergebnisse werden aufgrund der deutlichen Unterschiede bezüglich der Fahrphysik aber in getrennten Bestenlisten festgehalten. 

Schnell und unkompliziert

  

Während der Arcademodus in erster Linie den Spaß am Fahren in den Vordergrund rückt und seine Sache dabei sogar besser macht als das ebenfalls auf Zugänglichkeit getrimmte Moto GP 09/10 von Capcom, geht es unter Simulationsbedingungen ans Eingemachte.

Während die Motorräder und Fahrer mit viel Liebe zum Detail modelliert wurden, hat man bei der Streckengrafik gespart.
Zwar hat man auch hier noch mal die Wahl zwischen drei Anforderungs-Stufen, doch spürt man schon bei der niedrigen Einstellung, dass hier ein völlig anderer Wind weht als im Arcade-Bereich: Man muss deutlich früher in die Eisen steigen, hat jetzt eine getrennte Vorder- und Hinterradbremse sowie deutlich mehr Probleme, die Balance zu halten. Gleichzeitig ist sehr viel mehr Gefühl beim Beschleunigen und Bremsen angesagt, will man das Ausbrechen des Hecks und den folgenden Sturz verhindern. Wer vom mäßig texturierten Asphalt auf dem noch mäßiger texturierten Gras landet, muss spätestens auf dem höchsten Simulations-Niveau ebenfalls mit einem schnellen Abflug rechnen. Generell werden nur absolute Hardcore-Biker angesichts des extrem hohen Schwierigkeitsgrades ohne Fahrhilfen ein Freudentänzchen aufführen - Otto-Normal-Raser ist bei der enorm feinfühligen Steuerung überfordert und sollte sich erst in den beiden niedrigeren Stufen an die fordernde Fahrphysik heran tasten. Das einzelne Aktivieren und Ausschalten von Fahrhilfen, wie es in der Vergangenheit praktiziert wurde, entfällt hier. Dadurch kann man den Anspruch zwar nicht mehr so genau den eigenen Wünschen anpassen, doch ist das neue System sehr viel übersichtlicher und sorgt für eine gute Aufteilung beim Schwierigkeitsgrad.

Die andere Seite

Der Storymodus entfällt im Simulationsbereich, doch hat man mit der Karriere ein passendes und deutlich umfangreicheres Gegenstück im Angebot. Dabei gilt es, Verträge für seinen erstellten Fahrer abzuschließen und mit seinen Leistungen dafür zu sorgen, dass er von der Anfängerklasse den Weg in die SBK-Liga schafft. Der Schlüssel zu Erfolg ist dabei der Ruf, den man durch Siege, das Erfüllen von Zielen sowie Stunt-Einlagen in Form von Wheelies und Stoppies aufpolieren kann. In der Box gehören Absprachen mit dem Ingenieur genau so zum Rennfahrerleben dazu wie das eigenhändige Herumschrauben an den Bikes, falls man sich lieber selbst die Arbeit machen möchte, mechanische Teile wie die Federung, Lenkung, Ketteneinstellung, Bremsen und die Reifen den eigenen Vorlieben bzw. der Streckencharakteristik in mühsamer Feinarbeit anzupassen. In regelmäßigen Abständen winken außerdem Leistungs-Upgrades, mit denen man den fahrbaren Untersatz aufmöbeln und damit konkurrenzfähiger machen kann. Leider ist auch hier die Präsentation nicht überzeugend, obwohl in der Boxengasse sowie im Büro animierte Figuren etwas Leben in die Bude bringen und man zumindest an kurze Siegerehrungen

Auch in der Helm-Ansicht lässt das Geschwindigkeitsgefühl noch etwas zu wünschen übrig.
inklusive Nationalhymnen gedacht hat. Abseits der Karriere warten neben einem schnellen Rennen auch Meisterschaften in allen drei Klassen, bei denen jeweils alle dazugehörigen Sessions wie Training und Qualifying absolviert werden können.

Zweirad-Karriere

Wer darauf keine Lust hat, kann diese aber auch überspringen oder die Zeit manuell vorspulen. Zusätzlich dürfen auch außerhalb der Meisterschaft komplette Wochenenden auf den insgesamt 14 lizenzierten Strecken ausgetragen werden - nur das Wetter darf man leider nicht selbst bestimmen. Dies ist nur bei den schnellen Wettbewerben möglich, wo man die Wahl zwischen sonnigen, nassen oder bewölkten Bedingungen hat. Dabei wirkt sich der Unterschied zwischen nasser und trockener Piste merklich auf die Fahrphysik aus. Schüttet es nicht die ganze Zeit wie aus Eimern, kann man außerdem beobachten, wie sich die Strecke verändert und die Ideallinie schneller trocknet als der restliche Asphalt. Schaltet man auch noch die Reifenabnutzung sowie das Schadensmodell für Motorrad und Fahrer hinzu, wird der Durst nach einer anspruchsvollen Simulation weiter gestillt.  

Als drittes Standbein neben Arcade- und Simulationsmodus fungieren die Online-Rennen: War das Starterfeld im Vorgänger lediglich auf acht Fahrer begrenzt, dürfen mittlerweile bis zu 16 Piloten um den Sieg rasen - und das sowohl in Einzelrennen als auch kompletten Meisterschaften. Das Lobbysystem relativ simpel und bietet keine besonderen Möglichkeiten wie etwa die Verfolgung der aktuellen Positionskämpfe im Live-Video. Stattdessen wird lediglich eine Karte mit sich bewegenden Punkten angeboten - immerhin. Die Online-Performance ist ohnehin wichtiger und hier macht SBK X auf allen drei Plattformen eine gute Figur: Zwar kommt es mitunter zu leichten Lags, doch insgesamt werden die Rennen ohne große Störungen durch die Internetleitung übertragen. Das Aufsetzen eigener Lobbys ist dabei genau so möglich wie diverse Anpassungen bezüglich der Fahrphysik, Spieleranzahl und Rennklasse. Wer eine Phobie gegen fremde Menschen hat, kann die Session auch auf die Teilnahme von Freunden beschränken. Offline-Raser müssen dagegen wieder in den sauren Apfel beißen, da Milestone ihnen weder einen LAN-Modus noch Duelle im Splitscreen gönnt - schade.

Mehr Online-Nervenkitzel

Große Unterschiede zwischen den Fassungen gibt es nicht: Vor allem PC- und 360-Version befinden sich technisch auf Augenhöhe, wobei PC-Spieler von individuellen Grafikeinstellungen sowie kürzeren Lade- und Speicherzeiten profitieren. Dagegen fällt der Zweirad-Ausflug auf der PS3 leicht ab, da die Kulissen deutlichere Kantenbildung aufweisen, die Wartezeiten vor allem beim häufigen Zwischenspeichern etwas höher ausfallen und auch die Framerate nicht ganz an die Performance der beiden anderen Systeme heran reicht. Das Geschwindigkeitsgefühl lässt allerdings generell etwas zu wünschen übrig - selbst in der Helmansicht verfällt man nicht in den Rausch und Tunnelblick, den man eigentlich mit schnellen Motorrädern verbindet. Diese wurden übrigens sehr aufwändig modelliert und sind zusammen mit den geschmeidig animierten Fahrern der grafische Höhepunkt. Bei den Pisten hat man sich dagegen deutlich weniger Mühe gegeben: Schwache Texturen und trotz 3D-Publikum leblos wirkende Kurse sorgen zusammen mit den vereinzelten Pop-ups schnell für ein gelangweiltes Gähnen. Dafür halten die ordentlichen Motorenklänge bei Laune und auch der Punk-rockige Soundtrack weiß zu gefallen, auch wenn eine größere Auswahl nicht geschadet hätte.  



Kaum Unterschiede

Fazit

Ein freudestrahlendes Award-Jauchzen löst auch der jüngste Teil der SBK-Serie nicht bei mir aus. Aber man muss Milestone zugute halten, dass sie in diesem Jahr einiges besser machen als in den vielen davor: Die Trennung zwischen dem leicht zugänglichen Arcademodus und der Simulation für die Hardcore-Fraktion ist einer dieser Fortschritte, doch auch Karriere und Story sind gute Ansätze, die in Zukunft hoffentlich weiter ausgebaut werden. Das gilt auch für die Technik: Zwar sieht dieses SBK besser aus als der direkte Vorgänger, doch ein Augenschmaus sind die Kulissen damit noch lange nicht. Würden die Entwickler auch hier mit der gleichen Liebe heran gehen wie bei den detaillierten Motorrädern, sähe die Welt im wahrsten Sinne des Wortes anders aus. Und wenn dann noch die KI etwas cleverer agieren und neben den guten Onlinerennen auch an Splitscreen LAN gedacht würde, ginge es für die Serie noch weiter nach vorne. Nicht zu vergessen die Präsentation, die mit Standbildern und Textboxen zu altbacken wirkt und dringend eine Generalüberholung benötigt. Bis dahin machen Motorrad-Freunde aber mit diesem Teil nicht viel falsch, denn besser als mit Moto GP 09/10 ist man hier auf jeden Fall unterwegs und bekommt im Gegensatz zur Capcom-Konkurrenz auch noch eine waschechte Simulation neben den spaßigen Arcade-Ausflügen.

Pro

  • drei Motorrad-Klassen
  • strikte Trennung zwischen Arcade & Simulation
  • umfangreiches Motorrad-Setup
  • Beratung mit Ingenieur
  • diverse Fahrhilfen / Fahrphysik-Stufen
  • lizenzierte Fahrer, Hersteller & Strecken (Saison 2010)
  • verschiedene Witterungsbedingungen
  • bis zu 27 Fahrer auf der Strecke
  • gute Auswahl an Spielmodi
  • überwiegend lagfreie Onlinerennen
  • guter Sound
  • optionaler Schaden für Maschine und Fahrer
  • (optionales) Straf- und Flaggensystem
  • (optionaler) Reifenverschleiß
  • ansehnliche Animationen
  • Online-Weltmeisterschaft möglich

Kontra

  • <P>
  • kein Splitscreen
  • Story-Modus relativ kurz (Arcade)
  • öde Präsentation (Karriere / Story)
  • Kollisionsabfrage nicht immer nachvollziehbar
  • durchschnittliche Kulissen
  • KI fährt meist stur Ideallinie
  • nur Textblöcke statt Sprachausgabe
  • Geschwindigkeitsgefühl könnte höher sein</P>

Wertung

360

Es geht bergauf mit der SBK-Serie: Sowohl Simulations-Fans als auch Gelegenheitsraser dürfen sich mit Freude auf die Superbikes schwingen.

PlayStation3

Die PS3-Version hat etwas weniger PS. Trotzdem können die Superbikes auch hier mehr überzeugen als in den Jahren davor.

PC

Technisch den Konsolen leicht überlegen, machen die Zweirad-Fahrten auch am PC Spaß.