Grotesque Tactics: Evil Heroes - Test, Rollenspiel, 360, PC, Wii, PlayStation3

Grotesque Tactics: Evil Heroes
02.07.2010, Bodo Naser

Test: Grotesque Tactics: Evil Heroes

Humor und Fantasy, geht das überhaupt zusammen? Gestrenge Hochelfen, die plötzlich Witze reißen, kann man sich als Tolkien-Fan nur schwer vorstellen. Das Rollenspiel Grotesque Tactics versucht zu verbinden, was viele für unversöhnlich halten und will humoristische Pfeile abschießen. Gelingt das oder reißt die überspannte Sehne?

Grotesk ist etwas, das total übertrieben ist: Eine lange Nase, ein Glubschauge 

Klamauk ums Pilzgericht. Zu Beginn will Drake noch verschlungen werden, was sich dann ins Gegenteil verkehrt. 
oder ein schiefer Mund. In der Kunst gibt es auf fast allen Bereichen Grotesken, von der Malerei über die Literatur bis zum Film. Gerade Letztere hat einige äußerst humorvolle Grotesken zu bieten, in denen Situationen oder Charaktere übertrieben dargestellt werden. Allen voran ist da die Truppe von Monty Python zu nennen, die in abgefahrenen Sketchen immer wieder Skurriles vom Feinsten präsentiert. Egal ob Arthus-Mythos oder Jesus-Kult - kein Epos scheint vor ihnen sicher. Den britischen Komikern würde man es wohl am ehesten zutrauen, eine richtige Fantasy-Satire zu machen, wären sie nicht längst in Pension.

Überzeichneter Ansatz

Auch bei Grotesque trifft man immer wieder auf Anleihen an die "Pythons", etwa wenn einen im Dungeon brutale Killerkaninchen attackieren. Das ist nur einer der Seitenhiebe, manches erinnert fast an Terry Prachett, da die Helden auch ihre Schwächen haben. Der Held kämpft etwa gegen Menschen fressende Pilze, auf deren "Dienste" er zu Beginn zurückgreifen will. Das ist zumindest neu, denn bislang hatten wir nur etwas von Pilz fressenden Humanoiden gehört. Silent Dreams machen in ihrem Rollenspiel viele Fässer auf, aber nicht eins davon wird annähernd ausgeschöpft. So greift man auch nicht auf die heilige Handgranate von Antiochia zurück, sondern wie üblich auf Schwert, Harfe und Bogen, um die gefährlichen Nager zu plätten.

Die Story ist trotz des skurrilen Themas weniger überraschend, sondern eher schlicht: Obwohl man anfänglich neugierig ist,

Holy ist ein ganz besonderer Held, dessen Monologe nicht nur auf Gegenliebe stoßen. Sein Gefolge ist noch nerviger.
verläuft sie in etwa so vorhersehbar wie eine durchschnittliche Folge einer Vorabendserie. Einmal mehr spielt man den Helden, der wider Willen ins Abenteuer schlittert, um die Welt zu retten. Es droht eine Invasion des Bösen, das hier Dark Church heißt. Doch zu Beginn hat Drake noch andere Probleme, denn er will sich das Leben nehmen: Der schwermütige Heroe ist durch die Prüfung gerasselt. Doch gerade als er sich einem Pilz als Mahlzeit anbieten will, wird er gerettet. Er trifft auf ein paar Soldaten, die nach einer verlorenen Schlacht den Tod suchen. Als die noch um den Pilz zanken, tritt plötzlich eine Lichtgestalt hinzu, die alle aus der Lethargie reißt - der göttliche Holy Avatar.

Story ohne Überraschungen

Der ebenso hünenhafte wie übertriebene Held gibt allen wieder neuen Mut und bringt Drake dazu, für Glory zu kämpfen. Zunächst gegen die fiesen Pilze, anderes Getier und dann gegen Dark Church, um das Königsreich zu retten. Der großspurige Holy ist nicht der einzige, den man in seine Gruppe aufnimmt, die schnell anschwillt. Da sind devote Jungfrauen ebenso dabei wie Rauschgoldengel oder verkrachte Goblins. Nicht alle sind immer auszuhalten wie die halbnackten Weibsbilder, die Holy umschwärmen wie Motten das Licht. Es gibt zarte Bande zum Manga, was das Artdesign der Helden angeht. Zudem kommen als Gag Cosplayer und Emos vor, ohne dass das eine weitere Rolle spielen würde.

Zentrales Element des Rollenspiels made in Germany sind die Kämpfe,

Die Kämpfe sind rundenbasiert und gelegentlich auch taktisch. Aber selbst magische Gegner sind zu schnell beseitigt.  
bei denen die allgegenwärtigen Hexfelder endlich Sinn ergeben: Sobald man auf Feinde trifft, wechselt das Spiel automatisch in den Rundenmodus, so dass man jeden Zug planen kann. Es geht gegen Schwärme von Stechmücken, Horden von Goblins oder Ritter der Dark Church, denen meist ein kampfstärkerer Bossgegner folgt. Als Kommandant hat Drake den ersten Schlag, sobald er in Reichweite ist. Nach ihm schlägt jeder, zaubert oder feuert. Man kann auch Spezialattacken wie Blendung, Plattschuss oder Wuchtschlag wählen, die aber Mana kosten. Für jeden Treffer gibt es Erfahrungspunkte, die auf dem Aufstiegskonto landen.

Rundenbasierte Schlachten

Zudem hat jeder Held eine Macke, die irgendwann von selbst losgeht: Holy betäubt Freund und Feind durch sein Geschwätz, was zumindest beim ersten Mal für Erheiterung sorgt. Das Kämpfen läuft allerdings simpel ab, auch was die taktischen Möglichkeiten angeht: So ist zwar eine gewisse Planung vonnöten, aber großartig ausgeklügelte Attacken wie bei Heroes of Might & Magic sind kaum erforderlich. Selten genug muss man mal die Gruppe teilen, um von mehreren Seiten zu attackieren, was aber keine Vorteile bringt. Die Jungfrauen muss man in Schutz nehmen, da sie nur Bögen haben und nicht viel aushalten. Meist sind die Gegner schnell getötet, so dass das auch Massen keine große Herausforderung sind. Immerhin kann man den Schwierigkeitsgrad etwas hochschrauben; Grotesque bleibt aber auch im weiteren Verlauf ein eher simples Spiel. Zudem können Tote bei einer Rast in Westwind wiederbelebt werden.

                              

Ansonsten gibt's Rollenspiel der eher leichteren Sorte, wie man es von einem

Automatischer Levelaufstieg. Beim Erreichen der nächsten Stufe gibt's wenig zu tun, da Kollege Compi alles verteilt.
Action-Rollenspiel wie Diablo und Co. erwarten würde. So startet man immer mit nur einem vorgegebenen Helden, den man auch nicht groß verändern darf. Er steigt zwar irgendwann auf, aber das geht automatisch, so dass man nicht wie gewohnt seine Werte ändern darf. So geht leider viel Atmosphäre verloren, denn man interessiert sich irgendwann nicht mehr für seine Figur, da alles aalglatt geht. Quasi das Einzige was man noch selbst ändern kann, sind Rüstung und Waffen, deren Auswahl aber vergleichsweise gering ist. Für jeden Charakter gibt es gerade mal drei Typen von Ausrüstung, die von Holzschwert über Metall bis zum Edelteil reichen.

Rollenspiel light

Die Areale, in die Glory eingeteilt ist, sind nicht sonderlich groß und dienen ketzerisch gesagt nur dazu, eine Location für den nächsten Kampf zu bilden. Dass man da mal ne Kiste oder ein Monument abseits der Wege findet, ist die absolute Ausnahme. Erkunden ist also schnell gemacht. Von Freiheit im Spielverlauf kann auch deshalb nicht die Rede sein, weil die Reihenfolge der Missionen stets festgelegt ist. Die Quests sind nicht der Rede wert, da sie nebenher laufen, völlig anspruchslos sind und immer aufgehen. Wie oft muss man da ne Jungfrau befreien? Das Spiel verläuft sehr linear, auch weil Holy Avatar bestimmt, wo's weitergeht. Er legt lediglich mal einen Zwischenstopp im Lager ein, wenn ihm danach ist. Ein Zurück in alte Gebiete gibt's nicht.

Humor ist bekanntlich, wenn man trotzdem lacht. Dieses Motto gilt auch und insbesondere für Grotesque, das vielfach

Dumme Sprüche gibt's wie Steine an der Straße. Allerdings sind die wenigsten wirklich lustig.
schlicht nicht witzig ist. Oft versucht man auf Teufel komm raus lustig zu sein, was noch nie gut war. Allein die ganzen Jungfrauen, die halbnackt durch den Wald tollen und sich dem nächsten männlichen Muskelberg an den Hals werfen sind eher peinlich. Das könnte witzig sein, ist es aber nicht, weil die jungen Mädels mit den großen Augen einfach nur dümmlich rüberkommen. Blondie, Schwarzkopf und Braunlocke haben wenig Würde und sich ohnehin keine echten Typen. Putzig ist wenigstens, wie sie Holy verteidigen, wenn der im Gefecht attackiert wird. Sie sind dann so in Rage, dass sie schon mal anderen Partymitgliedern in die Birne schießen.

Humoristische Rohrkrepierer

Neben dem gequälten Inhalt der Gespräche sorgt auch die Sprachausgabe nicht immer für Behagen. Zwar wurde sie professionell aufgenommen und mit allerhand bekannten deutschen Stimmen von Angelina Jolie bis King of Queens besetzt, aber diese sind nicht immer passend. Wie eine gepresste Version von Gollum klingt etwa der Goblin Rukel, der zum Glück nicht so viel sagt wie Holy oder seine Weiber. Zum Glück lassen sich die Dialoge per Mausklick abbrechen, wenn sie zu langatmig werden. Mulitple Choice ist auch hier eher eine Fiktion. Man kann zwar mehrere Antworten wählen, aber das Gespräch verläuft immer gleich. Zu Beginn glaubt man mal, man hätte wen verärgert, weil man das Falsche gesagt hat. Aber keine Panik, denn das ist nur Täuschung, da alles linear läuft und man nix falsch machen kann.

Zwar hinterlässt 

Wer das sexy findet, der wird vermutlich auch durch die Bilder aus Grotesque angeregt.
Grotesque keinen unfertigen Eindruck, aber vieles ist dennoch nicht vom Feinsten. Das gilt in erster Linie für die 3D-Kulisse, die etwas grob aussieht und nicht ganz auf der Höhe der Zeit ist. Zudem wirkt auch hier vieles eher lächerlich denn anregend. So müssten halbnackte Frauen doch irgendwie sexy aussehen, aber das tun sie nicht. Alle weiblichen Wesen, die durchs Spiel schweben oder hüpfen scheinen zwergenhaft, glubschäugig und zudem aus Gummi zu sein.

Äußerlich unsexy

Bevor man überhaupt anfangen darf, haben die Götter die Registrierung gesetzt. Nach der Einführung, wo einem Holy recht ausführlich den dünnen Inhalt erklärt, wird man unvermutet gefragt, ob man das Spiel kaufen möchte. Seltsam, denn eigentlich ist es ja schon die Verkaufsversion, die wild im Laufwerk rotiert. Dennoch muss man einen weiteren Code eingeben. Das Tollste ist, dass das nicht mal funktioniert. Zuerst muss man noch eine Datei überschreiben, damit Glory einen reinlässt. Das ist nicht im Sinne des Erfinders, wenn man dafür erst im Forum nachschauen muss - hilfreicher Support sieht jedenfalls anders aus.

            

Fazit

Es ist nicht leicht, ein witziges Fantasy-Epos zu schmieden. Humor ist nicht umsonst die Königsdisziplin der Unterhaltung. Die Macher von Grotesque sind dabei bis auf wenige Lichtblicke gescheitert, auch weil sie auf Teufel komm raus witzig sein wollen. So sind viele Dialoge eher verkrampft als erheiternd, auch wenn sie durchaus professionell vertont wurden. Das Schlimmste ist aber, dass viele der virtuellen Akteure auf Dauer nerven. Mal ehrlich: Wer braucht all die dümmlichen Kommentare der Frauen oder das Gefasel von Aushilfs-Siegfried Holy Avatar? Wäre ja nicht schlimm, wenn das Spiel sonst was bieten würde. Aber auch hier haben Silent Dreams ihre Hausaufgaben nicht gemacht, denn der Inhalt ist eher dürftig. Die Story ist kaum spannend, vorhersehbar und ohne Wendungen. Einen Aufstieg hat man sich gleich gespart, um mögliche Gelegenheitsspieler nicht zu verschrecken. Es ist den Machern auch egal, dass die Charaktererschaffung immer ein Highlight der Rollenspiele war. Hier gibt es nur einen eindimensionalen Helden. Im Spiel läuft vieles zu glatt und simpel, so dass man als Abenteurer kaum zum Weiterzumachen motiviert wird. Und selbst die allgegenwärtigen Kämpfe bieten allenfalls solide Kost und nix Besonderes. Taktik ist dabei nur ausnahmsweise gefragt, so dass die Rundengefechte schneller vorüber sind als sie angefangen haben. Bei der veralteten Kulisse sieht man zudem, dass Grotesque schon vor fünf Jahren angekündigt wurde. Vielleicht wäre es besser gewesen, es gleich zu beerdigen, denn so ist es weder Fisch noch Fleisch.

Pro

  • einfaches Rollenspiel
  • taktische Kämpfe
  • leicht zu erlernen
  • allerhand Anleihen
  • Macken im Kampf

Kontra

  • kaum anspruchsvoll
  • nicht immer lustig
  • unfreiwillig komisch
  • dürre Story
  • Charakter nicht selbst wählen
  • teils nervige NPCs
  • anspruchslose Quests
  • kein Multiplayer

Wertung

PC

Grotesk ist daran allenfalls der Brechstangenhumor, der partout nicht zünden will.