Titanic - Der Tauchfahrt-Simulator - Test, Simulation, PC
Vom City-Bus NY zur Titanic vor Neufundland
Nasses Grab für etwa 1500 Menschen
In 3800 Metern Tiefe ist es stockdunkel und lediglich die beiden Hauptscheinwerfer meines U-Bootes werfen ein schummrigen Lichtkegel voraus. Die gespenstische Atmosphäre wird gut transportiert und nach einer Weile Irrfahrt taucht der Koloss auch schon unmittelbar vor dem runden Bullauge der Nephron aus der Dunkelheit hervor...gruselig! Bei diesem ersten Tauchgang darf ich mich allerdings noch nicht in das Innere des Liners hervor wagen. Es müssen zunächst vier Sonden an vorgegebenen Stellen um das Wrack herum positioniert werden. Dabei gibt mir mein "Co-Pilot" aus dem Off Anweisungen (Norden, Süden, rechts, links etc.) nach denen ich mich orientieren soll. Das funktioniert einigermaßen, die visuelle Zielanzeige im leichteren Schwierigkeitsgrad ist da natürlich komfortabler, allerdings auch unrealistischer.
Der zweite Tauchgang: Jetzt wirds interessant
Dann der große Moment: Ich darf endlich in das Schiff hineinfahren, aber nicht weit, denn der Raum befindet sich direkt hinter der Brücke am Außendeck. Nur begleitet vom Surren der Motoren und gelegentlichem Blubbern gleitet die Kamera in den Raum. Dort steht natürlich nichts mehr und so gibt es außer grünlich schimmernden Wänden kaum etwas zu sehen...außer: Der Tafel mit der besagten Funkkennung. Schnell ist das gewünschte Foto gemacht und es geht zurück. Pro Tauchgang sind nur sechs Fotos möglich, weil der Film so teuer sei - offensichtlich hat die digitale Fotografie trotz aller Hochtechnologie noch nicht Einzug auf der Nephron gehalten. Auf dem Rückweg fällt meinem Kollegen an Bord des Mutterschiffes ein, ich solle doch noch ein Foto der berühmten Wanne in der Kajüte des Kapitäns machen. Gesagt, getan: Doch bei dieser Unteraufgabe musste ich dann erstmals mit Programmfehlern Bekanntschaft machen. Obwohl ich genau über besagter Wanne schwebte, wollte das Symbol zur Freigabe des Fotos partout nicht erscheinen und wenn ich das Foto "einfach so" geschossen habe, durfte ich mir sagen lassen, dass ich doch nicht den kostbaren Film für Schrott verschwenden solle. Nur ein Neustart der Mission behob das Problem...ärgerlich.
2360 Meilen unter dem Meer
Fische? Unbekannt verzogen
Die Erkundungstauchgänge tief im Innern des Wracks sind im Grunde recht gut umgesetzt. Ich fahre wie in einem Labyrinth umher und suche die entsprechenden Hotspots. Dank der mitgelieferten Karte sind diese Kabinen und Orte immerhin etwas leichter zu lokalisieren, aber gerade diese Sucherei macht ja den Reiz aus. Nur wäre bei der Gestaltung des Innenlebens des Wracks viel, viel mehr möglich gewesen. Klar, nach fast 100 Jahren ist nicht mehr viel übrig vom einstigen Glanz der Titanic, aber etwas mehr als ein paar Kronleuchter dürften es wohl schon sein. Vor allen Dingen Meeresbewohner! Auf der Packung sind sie zu sehen und auf der Rückseite werden sie sogar erwähnt, im Spiel findet man nicht einen einzigen Fisch! Dabei gäbe es mit dem Tiefsee-Anglerfisch ein so wunderbar gruseliges Exemplar, das für den einen oder anderen Schocker hätte sorgen können, ganz zu schweigen von einem stattlichen Riesenkalmar wie er in "Aquanaut's Holiday: Hidden Memories " vertreten ist. Es fehlt das sprichwörtliche Salz in der Suppe. Nach der fünften Mission und etwa vier bis fünf Stunden Spielzeit ist dann auch schon Schluss, aber immerhin wird danach der "Erkundungsmodus" frei geschaltet. Doch da es außer den etwa zehn Storyrelevanten Objekten im Schiff nichts zu finden gibt, außer den immer gleichen Badewannen, Schränken und Amphoren (!) geht vom freien "Erkunden" dann nicht mehr besonders viel Reiz aus - schade.
Fazit
TML Studios wollte sein Spiel offensichtlich "Tauchfahrt zur Titanic" taufen, denn dieser Titel wird im Intro eingeblendet und das hätte auch viel besser gepasst als der Begriff "Simulation". Hier wird nicht wirklich Tiefseetauchen simuliert, denn viel zu gering ist der Einfluss den ich auf die Technik habe, viel zu rudimentär wird die hoch komplexe Technik angerissen. Es gehört schon etwas mehr dazu, ein millionenschweres Tiefsee U-Boot zu navigieren, als ein Kompass, eine Akku- eine Sauerstoff- und eine Schadenanzeige. Ist das nun schlimm oder gar "Etikettenschwindel"? Nein, ist es im Grunde nicht - was schlimm ist, sind die verschenkten Chancen. Der bemühte Sprecher nervt auf Dauer, die Kollisionsabfrage ist ungenau und Missionen bleiben auch schon mal hängen. Und wer zum Teufel hat das mit den Amphoren zu verantworten? Jedenfalls liegen die in solchen Massen herum, dass jede römische Galeere vor Neid erblassen wurde. Und wieso bekomme ich um Himmels Willen keinen einzigen Tiefseefisch zu Gesicht, obwohl "Meeresbewohner" im PR-Text auf der Packung erwähnt werden? Dennoch: Trotz aller Mängel fühlte ich mich fünf Stunden recht gut unterhalten. Wenn aus dem dunklen Plakton durchwaberten Ozean der Bug des ehemaligen Ozeanriesen im Scheinwerferkegel meines U-Bootes auftaucht, dann hatte ich für fünf Sekunden so eine Ahnung wie Robert Ballard sich am 1. September 1985 gefühlt haben musste. Ich hätte nie gedacht, dass mir ein Titel aus dem Hause Astragon mal wohlige Gänsehaut bescheren würde...diesem ist das immerhin ab und zu gelungen und das entschädigt für die kurze Spieldauer. Wer mit der Thematik etwas anzufangen weiß, kann die "Investition" durchaus wagen.
Pro
- Atmosphäre wird recht gut transportiert
- leicht zugängliches Spielprinzip
- realistische Darstellung des Wracks von außen...
- glaubwürdige Geräuschuntermalung
- zahlreiche Kameraperspektiven
- gelungene Greifarmsteuerung
- Erkundungsmodus ...
- passende Hintergrundmusik
- freies Speichern jederzeit möglich
Kontra
- keine echte Simulation
- mitunter mangelhafte Kollisionsabfrage
- ... im inneren dafür lieblos und simpel
- mitunter Fehler beim Erfolgsstatus einzelner Aufträge
- keine Tiefseefische
- Hintergrundgeschichte lässt viele Fragen offen
- ... der aber schnell uninteressant wird.
- keine Identifikation mit Spielfigur möglich