Titanic - Der Tauchfahrt-Simulator - Test, Simulation, PC

Titanic - Der Tauchfahrt-Simulator
16.07.2010, Mourad Zarrouk

Test: Titanic - Der Tauchfahrt-Simulator

Ab 30.000 Dollar könnt ihr euch zur letzten Ruhestätte der Titanic in knapp 4000 Meter Tiefe befördern lassen. Oder ihr investiert weniger als ein Promille dieser Summe in die Simulation dieser Angelegenheit für PC. Natürlich steckt Astragon  dahinter, aber glücklicherweise auch die TML-Studios.

Da taucht sie auf aus der ewigen Dunkelheit des Atlantik: Die Titanic!
Das Geschäft im Simulationsbusiness ist knallhart. Wer weiß, welch ein filmreifer Krimi sich hinter dem Coup abgespielt haben mag, die  Entwickler TML-Studios dem Konkurrenten Aerosoft entrissen zu haben? Jedenfalls ist es Astragon  gelungen. Und so programmiert das deutsche Entwicklerbüro aktuell für die Mönchengladbacher. Im letzten Jahr konnten sie mit dem City Bus Simulator einen Achtungserfolg erzielen, ob ihnen das mit ihrem ersten Titel für den neuen Publisher auch gelingt? Erster Pluspunkt: Diese Simulation unterscheidet sich von dem üblichen Einheitsbrei im Portfolio der selbsternannten Simulationsprofis, weil hier zur Abwechslung mal wieder etwas gar nicht Alltägliches simuliert wird - nämlich eine Expedition zum Wrack der Titanic! Unendliche Bücher, dutzende Filme und seit 1986 "Titanic: The Recovery Mission2 ( C64) auch ebenso viele Spiele.  Der letzte Titel der sich mit dem Thema "Tauchexpedition" beschäftigte, war "Titanic: Challenge of Discovery" (PC) vor zwölf Jahren. Zeit also, sich der Schicksalsfahrt des Dampfers erneut zu widmen.

Vom City-Bus NY zur Titanic vor Neufundland

Die Nephron mit der Außenbordkamera betrachtet. Im Vordergrund die Ankerketten des einstigen Luxusliners.
1985 von Ballard und Michel tatsächlich entdeckt und 1997 von Cameron zuletzt mit überwältigendem Erfolg cineastisch ausgeschlachtet, gibt es wohl kaum jemanden der sich dem Mythos  entziehen kann. Mit einem Faible für Simulationen im Allgemeinen und Tauchspiele im Besonderen lege ich mit einiger Vorfreude die CD in mein Laufwerk und sehe meiner ersten Tauchfahrt gespannt entgegen. Nach einem kurzen Intro, welches das Mutterschiff der Expedition aus dem Hubschrauberrundflug zeigt, befinde ich mich auch schon im Startmenü. Keine große Vorgeschichte, keine Hintergrundinfos darüber wieso ausgerechnet ich heraubtauchen darf zum eisigen Grund des Atlantiks - einfach nur die üblichen Einstellungsmöglichkeiten. Also entscheide ich mich für den mittleren der drei Schwierigkeitsgrade und nach kurzer Ladezeit befinde ich mich auch schon im Inneren der "Nephron", eines Spezial-U-Bootes zu  Forschungszwecken. Überall Kontrollleuchten, Tastaturen, Schalttafeln und Displays, die allerdings allesamt nicht bedienbar sind. Eine Stimme aus dem "Off" begrüßt mich und weist mich in die unkomplizierte Steuerung des Unterwasserfahrzeuges ein. Zunächst will die "alte Lady" aber erst einmal gefunden werden, was mittels modifiziertem Echolot auch nicht all zu schwierig  ist. 

Nasses Grab für etwa 1500 Menschen

In 3800 Metern Tiefe ist es stockdunkel und lediglich die beiden Hauptscheinwerfer meines U-Bootes werfen ein schummrigen Lichtkegel voraus. Die  gespenstische Atmosphäre wird gut transportiert und nach einer Weile Irrfahrt taucht der Koloss auch schon unmittelbar vor dem runden Bullauge der Nephron aus der Dunkelheit hervor...gruselig! Bei diesem ersten Tauchgang darf ich mich allerdings noch nicht in das Innere des Liners hervor wagen. Es müssen zunächst vier Sonden an vorgegebenen Stellen  um das Wrack herum positioniert werden. Dabei gibt mir mein "Co-Pilot" aus dem Off Anweisungen (Norden, Süden, rechts, links etc.) nach denen ich mich orientieren soll. Das funktioniert einigermaßen, die visuelle Zielanzeige im leichteren Schwierigkeitsgrad ist da natürlich komfortabler, allerdings auch unrealistischer.            

Das "Krähennest", von dem in jener Nacht des 14. April 1912 der Eisberg (zu spät) gesichtet wurde.
Wie von Geisterhand finde ich mich zu Beginn der zweiten Mission schon direkt vor der Titanic. Wenngleich ein mehrstündiger Abstieg in 3800 Meter Tiefe sicherlich alles andere als spannend ist, so hätte man doch zumindest das Abseilen des U-Bootes vom Mutterschiff und auch die direkte Anfahrt zum Wrack integrieren können. Eine Zeitraffer-Funktion hätte hier auch prima zum Einsatz kommen können, doch Fehlanzeige...das ist schade und macht etwas von der  Atmosphäre zunichte. Nachdem ich die Nephron zur nahe gelegenen Ausgangsstelle der Mission manövriert habe, werde ich mit der Tauchkamera bekannt gemacht und in ihre Bedienung eingewiesen. Im Grunde handelt es sich um eine Art unbemanntes Mini-U-Boot, das grundsätzlich ähnlich wie das U-Boot selbst gesteuert wird. Die Aufgabe: Ein Foto vom Schild der Funk-Kennung der Titanic im Funkraum schießen. Über die Oberdecks gleite ich mit der ferngesteuerten Kamera wahlweise per Außen- oder Innenansicht zum Funkraum.

Der zweite Tauchgang: Jetzt wirds interessant

Dann der große Moment: Ich darf endlich in das Schiff hineinfahren, aber nicht weit, denn der Raum befindet sich direkt hinter der Brücke am Außendeck. Nur begleitet vom Surren der Motoren und gelegentlichem Blubbern gleitet die Kamera in den Raum. Dort steht natürlich nichts mehr und so gibt es außer grünlich schimmernden Wänden kaum etwas zu sehen...außer: Der Tafel mit der besagten Funkkennung. Schnell ist das gewünschte Foto gemacht und es geht zurück. Pro Tauchgang sind nur sechs Fotos möglich, weil der Film so teuer sei - offensichtlich hat die digitale Fotografie trotz aller Hochtechnologie noch nicht Einzug auf der Nephron gehalten. Auf dem Rückweg fällt meinem Kollegen an Bord  des Mutterschiffes ein, ich solle doch noch ein Foto der berühmten Wanne in der Kajüte des Kapitäns machen. Gesagt, getan: Doch bei dieser Unteraufgabe musste ich dann erstmals mit  Programmfehlern Bekanntschaft machen. Obwohl ich genau über besagter Wanne schwebte, wollte das Symbol zur Freigabe des Fotos partout nicht erscheinen und wenn ich das Foto "einfach so" geschossen habe, durfte ich mir sagen lassen, dass ich doch nicht den kostbaren Film für Schrott verschwenden solle. Nur ein Neustart der Mission behob das Problem...ärgerlich.

Die geborgenen Gegenstände werden per Online-Auktion gewinnbringend verkauft.
Nach diesem zweiten Tauchgang verdiene ich  dann erstmals Geld . In einer kleinen Animation werde ich Zeuge einer Online-Auktion meiner Fotos. Anschließend darf ich das erwirtschaftete Geld in verbesserte Ausrüstung wie z.B. Funkreichweitenerhöhung für den Kameraroboter für die nächste Expedition investieren.  Dann geht es wieder wie von Geisterhand ins U-Boot und ich starte die dritte von insgesamt nur fünf Missionen. Immerhin fallen meinem Kollegen während der Einsätze immer wieder neue Dinge ein, die ich doch "schnell mal" fotografieren oder auch bergen soll, denn im Spielverlauf kommen auch Greifarme zum Einsatz, mit denen Teller, Uhren oder Kelche geborgen werden sollen. Die Steuerung der Greifarme ist dabei recht gut gelungen. Überhaupt: Die Stimme aus dem Off...einerseits bemüht sich der Sprecher möglichst authentisch zu wirken und versorgt mich auf Wunsch sogar mit interessanten Hintergrundinformationen zu den Personen, deren Gegenstände wir gerade suchen, andererseits geht er einem nach einer Weile schon gehörig auf die Nerven, wenn immer wieder dieselben Hinweise zu Sauerstoffvorrat, Akkuleistung oder Zielrichtung kommen "Du musst weiter vor", oder "Dein Akku hat auch schon bessere Zeiten gesehen2...gähn.

2360 Meilen unter dem Meer

Mit Greifarmen werden die Objekte vorsichtig aufgenommen, wie dieser Teller mit dem Label der "White-Star-Line"


Fische? Unbekannt verzogen

Die Erkundungstauchgänge tief im Innern des Wracks sind im Grunde recht gut umgesetzt. Ich fahre  wie in einem Labyrinth umher und suche die entsprechenden Hotspots. Dank der mitgelieferten Karte sind diese Kabinen und Orte immerhin etwas leichter zu lokalisieren, aber gerade diese Sucherei macht ja den Reiz aus. Nur wäre bei der Gestaltung des Innenlebens des Wracks viel, viel mehr möglich gewesen. Klar, nach fast 100 Jahren ist nicht mehr viel übrig vom einstigen Glanz der Titanic, aber etwas mehr als ein paar Kronleuchter dürften es wohl schon sein. Vor allen Dingen Meeresbewohner! Auf der Packung sind sie zu sehen und auf der Rückseite werden sie sogar erwähnt, im Spiel findet man nicht einen einzigen Fisch! Dabei gäbe es mit dem Tiefsee-Anglerfisch ein so wunderbar gruseliges Exemplar, das für den einen oder anderen Schocker hätte sorgen können, ganz zu schweigen von einem stattlichen Riesenkalmar wie er in "Aquanaut's Holiday: Hidden Memories " vertreten ist. Es fehlt das sprichwörtliche Salz in der Suppe. Nach der fünften Mission und etwa vier bis fünf  Stunden Spielzeit ist dann auch schon Schluss, aber immerhin wird danach der "Erkundungsmodus" frei geschaltet. Doch da es außer den etwa zehn Storyrelevanten Objekten im Schiff nichts zu finden gibt, außer den immer gleichen Badewannen, Schränken und Amphoren (!) geht vom  freien "Erkunden" dann nicht mehr besonders viel Reiz aus - schade. 

Fazit

TML Studios wollte sein Spiel offensichtlich "Tauchfahrt zur Titanic" taufen, denn dieser Titel wird im Intro eingeblendet und das hätte auch viel besser gepasst als der Begriff "Simulation". Hier wird nicht wirklich Tiefseetauchen simuliert, denn viel zu gering ist der Einfluss den ich auf die Technik habe, viel zu rudimentär wird die hoch komplexe Technik angerissen. Es gehört schon etwas mehr dazu, ein millionenschweres Tiefsee U-Boot zu navigieren, als ein Kompass, eine Akku-  eine Sauerstoff- und eine Schadenanzeige. Ist das nun schlimm oder gar "Etikettenschwindel"? Nein, ist es im Grunde nicht - was schlimm ist, sind die verschenkten Chancen.  Der bemühte Sprecher nervt auf Dauer, die Kollisionsabfrage ist ungenau und Missionen bleiben auch schon mal hängen. Und wer zum Teufel hat das mit den Amphoren zu verantworten? Jedenfalls liegen die in solchen Massen herum, dass jede römische Galeere vor Neid erblassen wurde. Und wieso bekomme ich um Himmels Willen keinen einzigen Tiefseefisch zu Gesicht, obwohl "Meeresbewohner" im PR-Text auf der Packung erwähnt werden?  Dennoch: Trotz aller Mängel fühlte ich mich fünf Stunden recht gut unterhalten. Wenn aus dem dunklen Plakton durchwaberten Ozean der Bug des ehemaligen Ozeanriesen  im Scheinwerferkegel meines U-Bootes auftaucht, dann hatte ich  für fünf Sekunden so eine Ahnung wie Robert Ballard sich am 1. September 1985 gefühlt haben musste. Ich hätte nie gedacht, dass mir ein Titel aus dem Hause Astragon mal wohlige Gänsehaut bescheren würde...diesem ist das immerhin ab und zu gelungen und das  entschädigt für die kurze Spieldauer. Wer mit der Thematik etwas anzufangen weiß, kann die "Investition" durchaus wagen.

 

Pro

  • Atmosphäre wird recht gut transportiert
  • leicht zugängliches Spielprinzip
  • realistische Darstellung des Wracks von außen...
  • glaubwürdige Geräuschuntermalung
  • zahlreiche Kameraperspektiven
  • gelungene Greifarmsteuerung
  • Erkundungsmodus ...
  • passende Hintergrundmusik 
  • freies Speichern jederzeit möglich

Kontra

  • keine echte Simulation
  • mitunter mangelhafte Kollisionsabfrage
  • ... im inneren dafür lieblos und simpel
  • mitunter Fehler beim Erfolgsstatus einzelner Aufträge
  • keine Tiefseefische
  • Hintergrundgeschichte lässt viele Fragen offen
  • ... der aber schnell uninteressant wird.
  • keine Identifikation mit Spielfigur möglich

Wertung

PC

Ein bisschen wenig Tiefgang in der Tiefsee, aber grundsätzlich ein solider Ausflug zum Wrack der Titanic.