Pro Evolution Soccer 2011 - Test, Sport, 360, PlayStation2, iPhone, PC, PlayStation3, PSP, Wii, NDS, 3DS
Es funkt wieder
Aber man muss sich Pro Evolution Soccer dieses Jahr gar nicht so schön saufen wie den FC Schalke zu Beginn der Saison. Denn wenn man sich mit Konamis Kick in seinem Keller oder auf dem Dachboden trifft, dann funkt es nach ersten unsicheren Ballkontakten. Denn dieses Fußballspiel fühlt sich ganz anders an als letztes Jahr, ist aufregender und reizvoller. Und was ganz wichtig ist: Es funkt wieder so stark, dass man sich fast an alte Zeiten erinnert fühlt. Woher kommt diese Zuneigung nach zwei Jahren platonischer Tormechanik? Und ist sie stark genug für den Ehering in Gold oder gar Platin?
Die Öffnung der Spielmechanik |
Der große Fußballvergleich: PES 2011 vs. FIFA 11. Wir haben beide Spiele in knapp 30 Kategorien verglichen!Im Zentrum der spielmechanischen Änderungen steht die Öffnung der Pässe, die ab sofort druck- und richtungssensitiver ausfallen - selbst die Einwürfe gehören dazu. Sprich: Ich muss mich wesentlich besser konzentrieren, wenn ich das Leder, egal ob als kurzen oder langen Pass, weiter spiele. Hört sich nach derselben Änderung an, die auch FIFA positiv bereichert hat? Ja. Man könnte fast meinen, dass sich Konami und EA vorher abgesprochen haben, den Spielaufbau freier, fehleranfälliger und damit authentischer zu gestalten.
Der Unterschied ist: In PES wirkt sich das wesentlich stärker aus. So stark, dass selbst Kenner der Serie ganz vorn anfangen müssen, wenn sie nicht wie Amateure den Ball beim einfachsten Zuspiel verlieren oder das Leder beim Flankenwechsel gen VIP-Tribüne schicken wollen. Man muss alles feiner dosieren und den richtigen Druckpunkt finden.
Man hat außerdem wesentlich mehr und effizientere Dribblings zur Verfügung. Und all das hat trotz einiger Umgewöhnung spätestens nach zehn Partien unheimlich positive, aber auch einige negative Auswirkungen auf das Spielgefühl.
Magische Momente
Das Faszinierende an dieser Szene ist der Wechsel im Rhythmus, vom gemächlichen Aufbau hin zur rasanten Offensive, den es so radikal weder im Vorgänger noch in FIFA 11 gibt: Villa kommt ja aus dem offensiven Mittelfeld auf die Viererkette zu gerannt, die schon selbst in der Rückwärtsbewegung ist, um meinen Ball abzufangen. Die beiden Innenverteidiger haben also einen klaren Vorsprung, aber plötzlich kommt Tempo in die Szene, denn Villa zieht auf den letzten Metern an ihnen vorbei und nimmt den Ball mit in die Spitze, wo er schon in den Strafraum eindringt und mit einem wuchtigen Schuss abschließt - wenn sich das Netz wölbt, schwillt die eigene Fußballbrust.
Der Wechsel im Spielrhythmus
Nochmal zur Szene von oben: Es gab ja schon immer einen tödlichen Pass über die Dreieckstaste, es gab schon immer schnell Konter. Aber dieses Jahr kann ich wesentlich freier und direkter für einen Tempowechsel sorgen. Und das ist der wesentliche Unterschied zu FIFA 11, wo das zwar auch geht und Spaß macht, aber dort bleibt es trotzdem bei einem relativ gleichförmigeren Spielrhythmus. In PES kann ich quasi über freie Pässe den Turbo einschalten und jegliche Statik im Mittelfeld aufbrechen - zumal die Offensivleute bei der richtigen taktischen Einstellung wie die Teufel in die Spitze gehen und sich optimal anbieten; auch da macht PES klare Fortschritte gegenüber den trägen Laufwegen des Vorgängers.
Die richtige Taktik
All das kann man als Experte auch komplett manuell einstellen, so dass ausgeklügelte Kombinationen möglich sind, die das Verhalten des Kollektivs spürbar beeinflussen. Hilfreich ist, dass man jetzt nicht nur per Maussystem navigieren, sondern per Drag&Drop seine Profis wechseln kann. Für Einsteiger ideal: Sobald man einen Kicker anklickt, wird umgehend eine passende Alternative für seine Position angezeigt. Und wenn man einfach mal einen dritten Stürmer auf das 4-4-2-Feld zieht, wird die Formation umgehend auf 4-3-3 umgestellt - sehr schön.
Wo Licht ist, ist auch Schatten
Dieser Eindruck wird von der Ballphysik noch etwas verstärkt. Auf der einen Seite begeistert PES mit seinen unheimlich scharfen Flanken, die wie Raketen in den Rücken der Abwehr jagen - herrlich! Hinzu kommen immer noch wuchtige Distanzschüsse und krachende Volleys, die einfach Lust auf Fußball machen. Aber auf der anderen Seite neigt der Ball immer noch dazu, bei schnellen Pässen wie bei einem Flipper von Bumper zu Bumper zu schießen. Vor allem im dicht gedrängten Mittelfeld kommt es dazu, dass er manchmal zu weit abspringt - das Leder rollt in FIFA harmonischer und authentischer, wenn es zu Abprallern oder Pressschlägen kommt. Immerhin bleibt es beim alten Flankensystem: Je nachdem, ob man einmal, zweimal oder dreimal Kreis drückt, fliegt die Kugel flach, weit oder hoch in den Strafraum; hier hat man auf die manuelle Dosierung verzichtet - und das ist gut so.
Trickreiche Kombinationen
Zwar kann man diese Viererkombinationen auf dem Platz auch sehr schnell als Verteidiger durchbrechen, aber wenn sie einmal funktionieren, ist das natürlich eine tolle Szene. Zumal auch die einfachen Dribblings für effizienten Raumgewinn sorgen: Man kann einen Spieler wesentlich besser alt aussehen lassen als noch im Vorgänger. Das geht allerdings so weit, dass ein Messi fast schon arcadig einfach den Rainbow-Flick ausführen kann, so dass der Ball über ihn und den Gegner gelupft wird - und das geht etwas zu leicht über den einfachen Doppeldruck über L2 plus R3.
Und das, obwohl gerade dieses PES einmal in diesem Bereich auf der PS2 ganz vorne lag und so deutlich hinsichtlich des Passens und Dribbelns umgestellt wurde, dass sich situationsabhängige Tutorials fast aufzwingen. FIFA 11 hat zwar auch keine Übungen mit Zielscheiben, Pylonen oder dribbelnden Ghosts, aber dafür bekomme ich sofort Feedback in einer Leistungsübersicht, wenn ich neue Tricks beherrsche - so werde ich motiviert, wirklich alle zu üben.
Defensive Experimente
Das hört sich theoretisch gut an, ähnlich wie das Jockey-Feature in der Defensive von FIFA, aber war praktisch oftmals wirkungslos, da man so kaum einen Ball erobert hat. Und wer nur den Raum abschirmt, lässt dem Gegner viel Zeit für die neuen tödliche Zuspiele. Effizienter wirkte da schon die optional automatische Grätsche, die manche Verteidiger von selbst einsetzen, wenn man sie wie gehabt über Viereck auf den Gegner schickt.
Einstürzende Neuboxen
Immerhin liegen die Japaner im Bereich der Gesichter wieder vor FIFA 11: Die Profis sehen ihren Vorbildern unheimlich ähnlich, vor allem in den Katakomben und bei den Zeitlupen, die übrigens von einer ruhigeren Kamerafahrt profitieren. Allerdings sieht man auch immer wieder dieselben Katakomben und man vermisst vor allem in der angeblich "runderneuerten" Karriere "Werde zur Legende" immer noch eine Dramaturgie. Zwar bekommt der selbst erstellte Profi diesmal Feedback von seinen Kollegen in der Umkleidekabine und es gibt einen Trainer, der Schwerpunkte wie "rechter Flügel" setzt, den man möglichst bespielen sollte.
Karriere ohne Dramatik
Meinen Profi kann ich allerdings auch in der Meisterliga verwenden. Da bleibt nahezu alles beim Alten, bis auf eine wesentliche Neuerung: Man kann sie endlich online spielen! Es ändert sich bis auf unterschiedliches Startbudget nicht viel: Man muss seinen Verein wirtschaftlich führen, auf Transfers und auslaufende Verträge achten, Training und Taktiken festlegen und natürlich gut mit seinem Team spielen, um möglichst aufzusteigen.
Allerdings spielt man hier online gegen andere Vereine und je hochkarätiger der eigene Kader ist, desto mehr muss man für so eine Begegnung zahlen. Hier muss man also auf die richtige Balance zwischen Qualität der Mannschaft und Ausgaben für
Spiele achten, die in der Offline-Meisterliga natürlich kostenlos sind. Leider können wir an dieser Stelle nicht einschätzen, wie sich das auf lange Sicht auswirkt. Wir konnten dem Netzcode erst seit heute aktiv auf den Zahn fühlen und er ist sowohl auf den Konsolen als auch PC sehr solide; leider muss man sich auf dem Rechner einer langwierigen Regisitrierungsprozedur unterwerfen. Wer es online gemütlicher als in der Meisterliga oder Ranglisten mag, kann seine eigene Community gründen und nur mit Freunden spielen, wobei die Statistiken aufgezeichnet werden.Konami holt bei den Lizenzen endlich wieder etwas auf: Im Gegensatz zum Vorjahr sind sowohl der FC Bayern als auch Bremen als deutsche Mannschaften dabei. Hinzu kommen viele englische, italienische und spanische Clubs, die im Champions League-Modus mit originalen Namen ihre Aufwartung machen; außerdem sind die deutsche, englische, holländische, italienische und portugiesische Nationalmannschaft komplett integriert. Und erstmals ist die komplette Copa Libertadores mit all ihren südamerikanischen Vereinen dabei. Wer das Ganze auffüllen will, muss nicht ganz von vorne anfangen, sondern kann editierte Datensätze des Vorgängers hochladen und diese anpassen.
Der Kampf um Lizenzen
Fazit
Es funkt wieder zwischen mir und PES. Es ist zwar nicht so, dass das alte Feuer lodert, aber seit zwei Jahren gibt es endlich wieder magische Momente auf dem Platz! Konami hat ähnlich wie FIFA 11, nur wesentlich radikaler, sein Pass-System geöffnet und damit den Weg frei gemacht für einen kreativen Spielaufbau, der von rasanten Tempowechseln lebt, die man so nicht bei der Konkurrenz von EA findet. Allerdings sorgt die neue Drucksensitivität auch für eine höhere Fehlerquote und selbst Kenner werden ein paar dutzend Spiele brauchen, um richtig abzutauchen. Aber wenn dieses eine coole Dribbling sitzt und der Pass aus dem Nichts dann für ein Tor sorgt, jubelt man umso lauter. Außerdem haben die Japaner die Animationen endlich lebendiger und die Finten nicht nur vielfältiger, sondern auch effizienter gestaltet. All das ist mir einen Gold-Award wert, aber für die ganz große Euphorie reicht es deshalb nicht, weil der Spielfluss noch immer etwas brüchig und die Ballphysik etwas sprunghaft ist. Konami schleppt trotz lobenswerter Lizenzaufstockung um Bremen und Bayern sowie der Online-Premiere der Meisterliga immer noch zu viele Altlasten mit sich - sterile Karriere, lahme Kommentare, statische Standards, kein Training und vor allem eine grausame Fankulisse. Aber unterm Strich ist dieses PES 2011 nicht nur erstmals Gold wert, sondern verdammt nah dran an FIFA 11. Und auf dem PC hat Konami mit seiner konsequenten Umsetzung erneut klar die Nase vorn.
Pro
- offenes Pass-System
- kreativer Spielaufbau
- rasante Tempowechsel möglich
- gute Zweikampfanimationen
- vielfältigere Finten mit Kombinationen
- viele Taktik-Optionen & Komfort
- besseres Offensiv-Laufverhalten
- Meisterliga erstmals online spielbar
- klasse Spielergesichter
- viele unberechenbare Situationen
- wuchtige Schüsse, scharfe Flanken
- Bayern und Bremen dabei
- guter Netzcode zum Start
- stark erweiterter Editor (Stadien etc.)
Kontra
- etwas zu fehleranfälliges Pass-System
- seltsame Ballphysik im Mittelfeld
- immer noch steriler Karrieremodus
- grausam eintönige Fangesänge
- schwache Torhüter bei Kopfbällen
- kein ausführliches Training der Finten