Lionheart: Kings' Crusade - Test, Taktik & Strategie, PC

Lionheart: Kings' Crusade
15.10.2010, Bodo Naser

Test: Lionheart: Kings' Crusade

Nach King Arthur wünschte man sich, das nächste Spiel von Neocore Games möge sich an diesem atmosphärischen Strategie-Mix orientieren. Jetzt ist Lionheart: King's Crusade bei Paradox erschienen, das wiederum eine legendären mittelalterlichen Herrscher zum Thema hat - Richard Löwenherz. Kann es sich trotz ähnlicher Thematik vom verkorksten Vorvorgänger Crusaders lösen?

Der erste Kreuzzug hatte zur Folge, dass Jerusalem schließlich von den Kreuzrittern blutig eingenommen wurde.

Wer Löwenherz sein möchte, sollte auch Belagerungen mögen. Allerdings halten die Mauern weniger aus als gedacht - Breschen sind viel zu schnell geschlagen.
Doch dieses christliche Königreich geriet immer mehr in Gefahr und nach der Rückeroberung der Heiligen Stadt durch Saladin 1187 drohte ihm die Auslöschung. Um das zu verhindern, wurde ab 1189 ein dritter Kreuzzug initiiert, den der Deutsche Friedrich Barbarossa, Phillip II. von Frankreich und Richard Löwenherz von England gemeinsam anführten. Nach dem plötzlichen Tod des staufischen Kaisers übernahm Richard I. die Leitung, der auf dem Seeweg ins Heilige Land zog. Nach der handstreichartigen Einnahme Zyperns wandte sich der Normanne der Belagerung Akkons zu, die bereits Jahre dauerte. Im Juli 1191 fiel die Hafenstadt in die Hände der Kreuzfahrer, was mit einem Blutbad an muslimischen Gefangenen endete.

Königreich des Untergangs

Genau diese Belagerung kann man in Lionheart zuerst nachspielen, wenn man sich für die Kampagne der Kreuzfahrer entscheidet. Allerdings läuft das Ganze etwas anders ab als in der Realität, denn man kann im Spiel natürlich nicht monatelang belagern, da das zu langweilig wäre. Also landet man flugs an der Küste, kämpft sich durchs hügelige Hinterland und beschießt die Stadt. Dann stürmt man rein, tötet alle sarazenischen Besatzer und besetzt den Marktplatz wie man das von Spielen à la Total War kennt. Allerdings halten die Mauern Akkons weniger aus, als die jahrelange Umklammerung vermuten ließe, denn sie fallen schon kurz nach dem ersten Beschuss zusammen. Hier hätte man sich doch mehr Realismus erwartet, denn so hätte man sich das Belagern auch sparen und immer gleich zum Sturm übergehen können.

Und fiktiv geht's weiter, denn es folgt gleich die nächste Belagerung - dieses Mal Jerusalems.

Löwenherz wäre sicher erfreut: Das Spiel meint es nämlich gut mit den Kreuzrittern, denn sie dürfen noch einmal Jerusalem einnehmen.  
Richard Löwenherz war das leider nie vergönnt, denn in der Realität schloss er zuvor einen Waffenstillstand mit dem Lieblingsfeind Saladin. Der König hatte es eilig, denn er musste zurück nach England, um sich dem Machtkampf mit seinem aufmüpfigen Bruder Johann zu widmen, wofür er im Herbst 1192 unerkannt durch Europa reiste. Doch in Österreich wurde er erkannt und festgesetzt, was aber eine andere Geschichte ist. Jedenfalls tut das Spiel so, als ginge es nach dem Fall Akkons mit dem Einsacken munter weiter. Man muss der Reihe nach alle Länder im Nahen Osten erobern, was vorgegeben ist, da man die Reihenfolge zunächst nicht wählen darf. Nur die Ungläubigen dürfen von Anfang an das nächste anzugreifende Land wählen - die Christen müssen drei Missionen warten, bis sie die heiligen Stätten haben.

Löwenherz vor Jerusalem

Obgleich die heilige Stadt eine Ecke größer aussieht als Akkon, läuft die Eroberung ziemlich ähnlich. Wieder muss man ein paar Ziele hintereinander einnehmen, um weiter zu kommen. Man beschießt die Festung mit Katapulten, vernichtet die Besatzung und nimmt alle mit einer Flagge gekennzeichneten Ziele ein. Anders als vor Akkon kann man die Schlacht aber einer anderen Partei widmen, indem man sich für deren Plan entscheidet. So stammte die Belagerungsidee von Akkon vom Papst, der dafür die Priester aufwertet, die man rekrutieren kann. Vor Jerusalem haben alle abendländischen Fraktionen ihre Taktik vorgeschlagen: Franzosen, Deutsche, Tempelritter und Papst. Je nachdem unterscheidet sich das zu befreiende Endziel, das eine Kirche sein kann, ein Pilgerhaus aber auch ein Ordenssitz; ansonsten bleibt die Taktik aber oft gleich.

Die Kämpfe laufen ganz ähnlich wie bei Crusaders vom selben Studio ab,

Wenn man mal nix belagert, kann man schon zufrieden sein. Ab und an darf man sogar mal eine Furt gegen eine Übermacht verteidigen.
da man immer eine kleine eingespielte Truppe befiehlt, die sich gegen eine feindliche Übermacht bewähren muss. Jede zeitgenössische Einheit hat spezielle Fähigkeiten, aber auch Schwächen: so sind Speerkämpfer gegen Reiter gut, tun sich aber im unwegsamen Gelände schwer. Die gepanzerten Ritter, Schwertkämpfer und Richard Löwenherz, der mitkämpft, sind Dreh und Angelpunkt des Gefechts, da sie zwar wenige Kämpfer, aber eben auch (fast) unbesiegbar sind. Neben Angriffen befiehlt man auch mal die Verteidigung einer Furt gegen einen Feind, der mit unendlichem Nachschub anrückt. Leider fehlt bisweilen die Übersicht, da man einige Truppen gar nicht sieht, die direkt unterm Startpunkt liegen - man muss erst umständlich rausschwenken.

Recht oberflächliche Schlachten

Das Ganze erinnert entfernt an Medieval 2: Total War, ohne aber dessen Spieltiefe zu erreichen. Zwar motiviert auch hier der Anführer seine Truppen, aber das ist dann auch schon alles, was er neben seiner Kampfkraft draufhat. So sind geschlagene Truppen einfach plötzlich weg, als hätte sie der Wüstenboden verschluckt - ohne dass man sie wieder sammeln könnte. Das ganze System des Kampfes ist viel statischer als bei der Konkurrenz von Creative Assembly, da es auch egal ist, von welcher Seite man angreift. Eine Gruppe Ritter, deren Formation man immerhin wie beim großen Vorbild auf Keil einstellen kann, ist also von hinten genau so wirksam wie von vorne, wenn sie auf die Soldaten prallt. Schlachtentscheidend ist allein die Moral - wenn die flöten geht, löst sich die Einheit auf.

                   

Nach geschlagener Schlacht darf

Rollenspiel superlight: Zwischen den Missionen darf man Fußgänger Löwenherz eine neue Fähigkeit, bessere Werte oder ein paar Pferde verpassen. 
man zwischen zwei Missionen seine Armee aufrüsten, die in der Kampagne immer mitgenommen wird, wie man das seit Panzer General kennt. So kann man jeder Einheit ein Training verpassen, das etwa ihre Werte in Verteidigung steigen lässt. Oder man kauft ihr einen Priester, der die Moral hebt. Hier lassen sich zudem neue Einheiten kaufen und alte aufwerten, so kann man dem armen Löwenherz endlich Pferde spendieren oder aus der leichten eine schwere Einheit machen kann. Allerdings ist auch hier die Auswahl begrenzt, so dass man schnell alles gesehen hat. Hobby-Generäle warten dann nur noch, dass neue Einheiten hinzukommen, was nur nach eroberten Gebieten passiert.

Zwischen zwei Gefechten

Da während des Kampfes Erfahrung verteilt wird, steigen die Truppen irgendwann auf. Dann kann man ihre Werte in Nahkampf, Stehvermögen oder Moral verbessern. Allerdings geht das nur bis Stufe 12, so dass der Aufstieg allenfalls zum Rollenspiel superlight taugt. Zudem kann der Anführer neue Spezialfähigkeiten erwerben wie schnelleres Zuschlagen im Kampf, was sich aber im Getümmel selbst kaum bemerkbar macht. Der Anführer ist daher kaum mehr als eine Übereinheit, die scheinbar unzerstörbar ist, immer mitkämpft und seine Truppen motiviert. Leider funktionieren seine Spezialfähigkeiten automatisch, so dass man nicht bestimmen kann, wann sie beginnen. So geht der verbesserte Defensivmodus genau dann los, wenn man ihn vielleicht gar nicht braucht.

Dieses Mal darf man auch die Sarazenen spielen, die eine eigene Kampagne haben.

Kämpfer mit Turban: Die zweite Kampagne bringt doch etwas Abwechslung ins Kreuzzugseinerlei. 
Diese lässt sich von Anfang an etwas freier an, läuft sozusagen entgegengesetzt und beginnt in Babylon, wo man gegen Aufständische kämpft, die -warum auch immer- Kreuzritter sind. Vermutlich gibt es sonst gar keine Einheiten, die die Feinde spielen könnten. Danach kann man sogar wählen, ob man als Saladin lieber Arabien, Mesopotamien oder Armenien angreifen will. Die Einheiten unterscheiden sich sogar ein bisschen, denn die Muslime führen weniger gepanzerte Truppen, sondern eher leichte Kämpfer und Reiter ins Gefecht.

Saladin spielen

Anders als die Christen dürfen die Muslime sogar etwas erforschen, was eine Hommage an die goldene Zeit des Islams ist, als der Osten dem Westen kulturell voraus war. Löwenherz selbst hielt seine britische Heimat für barbarisch und weilte lieber im Ausland. Dennoch ist die Forschung kaum ausgefeilt, da es nur ein paar Optionen gibt - wie etwa neue Einheiten. Zudem ist nicht ganz klar, woher die Forschungspunkte überhaupt stammen, da man gar keine Gebäude wie eine Universität bauen kann. Die Sarazenen darf man übrigens auch in den Szenarien spielen, die es neben den zwei Kampagnen noch gibt. Allerdings fehlen sonst weitere Inhalte: So ist ein Multiplayer zwar eingezeichnet, er bleibt aber nicht anwählbar; es soll jedoch in Zukunft noch Zusatzinhalte geben.

Optisch bietet Lionheart eine recht stimmungsvolle Kulisse,

Schauplatz ist der Nahe Osten vor grob 800 Jahren.  
die einen in den Orient früherer Zeiten führt. Das gibt es alt anmutende Städte, die schmale Küste oder die sandige Wüste. Die mittelalterlichen Gebäude wirken dennoch nicht so detailreich, wie man sich das bei einem echten Spitzenspiel erwarten würde. Auch die Einheiten sehen nicht sonderlich authentisch aus; zudem bietet das Spiel keinerlei Filmsequenzen, die die Geschichte der zwei großen Herrscher erzählen könnten - stattdessen gibt es spärliche Infos im Heldenmenü.

Orient mit Schwächen

Zudem wird der Spielspaß durch stetiges Ruckeln getrübt, das sich immer dann verstärkt, wenn viel auf dem Bildschirm los ist. Solche Passagen sind dann kaum noch zu bewältigen, da es fast nur Standbilder mit ein wenig Spielfluss gibt - und das, obwohl bei ähnlicher Performance andere Echtzeitstrategie mit mehr Details besser läuft. So ist man froh, wenn man die Straßen von Jerusalem endlich verlassen hat. Allerdings hat man auch dann bisweilen das Nachsehen, da das Spiel vorzugsweise nach Schlachten abstürzt. Hier hilft nur beständiges Speichern.

           

Fazit

Lionheart Kings Crusade versucht einen Mittelweg zwischen einem Rollenspiel und der Abfolge von historischen Schlachten. Allerdings gelingt das weit weniger als bei King Arthur, weil vieles im gut gemeinten Ansatz stecken bleibt. Positiv ist, dass man bedingt die Geschichte verändern kann, da man mit Richard Löwenherz Stück für Stück das Heilige Land erobern kann. Allerdings darf man nicht gleich wählen, was man einnehmen möchte, was unverständlich ist, da es bei den Sarazenen von Anfang funktioniert. Die muslimische Kampagne bietet ohnehin den freieren Ablauf, da man nicht so eingepfercht ist, mal andere Einheiten befehligt und mehr Abwechslung bekommt. Löwenherz wiederum eilt mit seinen Rittern zunächst von Belagerung zu Belagerung, weil er die befestigten Städte Palästinas einnehmen muss, deren Mauern schon nach drei Katapulttreffern wie Staub zerbröseln. Leider dürfen weder der König noch die Ungläubigen ihr Land ausbauen, auch wenn es für Letztere eine Hand voll Forschungsoptionen gibt, die aber noch keinen Unterschied machen. Obwohl man dieses Mal jede Schlacht einer Fraktion widmen kann, ist auch das eher Spielerei. Zudem unterscheidet sich das Vorgehen von Mission zu Mission kaum: Man muss immer mit seiner kampfstarken Truppe alle Feinde besiegen, was ungute Erinnerungen an das zu statische Crusaders aufkommen lässt. Das Spiel bietet zwei Kampagnen plus freie Szenarien, was nicht gerade viel ist, da ein Multiplayer zwar angegeben, aber nicht wählbar ist. Das Zauberwort scheint auch hier DLC zu sein, da weitere Inhalte kommen sollen. Leider kann man auch die morgenländische 3D-Kulisse nicht nur genießen, da ihr Aussehen zu Lasten der Performance geht, so dass es zum Ruckeln oder noch schlimmer zum Absturz kommt. Es gibt leider auch keine filmischen Erzählelemente, die die Geschichte der Helden veranschaulichen. Man wird auch hier den Eindruck nicht los, dass der Name Löwenherz nur der Vermarktung einer allenfalls durchschnittlichen Spielidee dient, denn man vermisst die deutlich höhere Qualität eines King Arthur.

Pro

  • Mischung aus Realität und Fiktion
  • auch Sarazenen spielen
  • Völker unterscheiden sich
  • Taktik der Eroberung wählen
  • Armee mitnehmen und aufrüsten
  • Sarazenen können forschen

Kontra

  • monotone Kreuzfahrerkampagne
  • zu wenig Aufbau und Forschung
  • zu einfache & immergleiche Belagerungen
  • militärische Taktik unterscheidet sich kaum
  • schlechte Performance (Ruckler trotz gutem System)

Wertung

PC

Trotz Löwenherz und Saladin kommt es nicht mal ansatzweise an den Vorgänger King Arthur ran.