rFactor - Test, Rennspiel, PC

rFactor
25.01.2008, Michael Krosta

Test: rFactor

Vom Downloadspiel unabhängiger Entwickler zur Verkaufsversion in die Läden: Die Renn-Simulation rFactor (ab 53,00€ bei kaufen) genießt einen exzellenten Ruf unter den PC-Rasern und zeichnet sich vor allem durch das benutzerfreundliche Erstellen und Nutzen von Modifikationen aus. Doch was bietet die DVD-Version für Offline-Piloten? Bekommt ihr nur ein kleines Basispaket oder wurden auch noch gleich die besten Modifikationen mit auf die Scheibe gepackt?

Wer heute als Simulationsfetischist und PC-Besitzer seine Hoffnungen in große Publisher wie EA, THQ oder Activision für Nachschub anspruchsvoller Rennkost setzt, der wird leider enttäuscht. Zu groß scheint das Risiko, einen kommerziellen Totalschaden einzufahren. Zu klein scheint die Gruppe an Spielern zu sein, die sich eine Hardcore-Simulation kaufen würde. Nein, mit dem Massenmarkt kann man Geld verdienen. Und so wundert es kaum, dass ehemalige Simulationen wie die Colin McRae-Serie, TOCA (heute: DTM Race Driver) oder auch die Formel 1-Titel immer mehr Kompromisse zwischen Realismus und Spielvergnügen eingegangen sind, um das Fahren zugänglicher für die Allgemeinheit zu machen. Doch es gibt noch ein paar Ausnahmen: Sony wird bei Gran Turismo 5 den Hardcore-Fahrern eine realistischere und anspruchsvollere Fahrphysik spendieren, die sich auf Wunsch zuschalten lässt und auch Microsoft geht mit Forza Motorsport keine großen Kompromisse ein, sondern geht immer noch voll auf Simulation. Und am PC? Da halten die Schweden von SimBin die Flagge hoch und zeigen mit Titeln wie GTR 2 und den WTCC-Titeln, wie Rennsimulationen am PC auszusehen haben. Verlässt man die Straße der großen Publisher und biegt auf den Weg unabhängiger Entwickler ab, fahren eigentlich nur zwei ernst zu nehmenden Konkurrenten um den Sieg als beste Simulation mit starker Community: Live for Speed (LFS) und rFactor. Das Verkaufskonzept ist bei beiden ähnlich: Ihr könnt euch kostenlos eine Download-Version

Bei bis zu 35 Fahrern im Multiplayer kann es schon mal ganz schön eng auf der Strecke werden.
laden und wenn euch das Spiel gefällt, erwerbt ihr eine Lizenz samt Key, die alle Inhalte freischaltet. Mit der DVD-Version geht rFactor jetzt einen Schritt weiter. Aber ist dieser Schritt auch der richtige?

Vom Aussterben bedroht

In Kombination mit den unzähligen, teilweise hoch qualitativen und vor allem kostenlosen Modifikationen im Internet ist rFactor ohne Zweifel ein Mekka für alle Racing-Enthusiasten. Doch der Inhalt der DVD-Version ist für sich allein betrachtet eher enttäuschend. Zwar hat man mittlerweile Lizenzabkommen mit BMW und Panoz abgeschlossen und bietet neben dem sportlichen Esperante-Fuhrpark auch den 2007er Formel 1-Boliden von BMW Sauber. Wer sich jetzt allerdings auch weitere BMW-Modelle oder lizenzierte Karossen anderer Autohersteller erhofft, wird enttäuscht. Ihr bekommt lediglich fiktive Fahrzeuge vom Sport- über Formel- bis hin zu Stock-Car-Wagen geboten. Diese wurden zwar alle ordentlich modelliert und punkten mit einer individuellen Fahrphysik, doch wird man ganz schnell das Verlangen verspüren, das Internet nach Mods zu durchforsten, um in "echten" Boliden Platz zu nehmen.



Kaum Lizenzen

 Ein ähnliches Bild zeichnet sich bei der Streckenauswahl ab, die zwar neben den lahmen Fantasiekursen auch einige Umsetzungen realer Pisten wie den Nürburgring, Monza, Barcelona sowie den kanadischen Circuit Gilles Villeneuve umfasst, aber insgesamt zu wenig Abwechslung bietet. Folglich ist auch der Karrieremodus schnell abgehakt, in dem lediglich fünf Meisterschaften angeboten werden. Doch auch hier findet man massig Nachschub im Internet - vom Porsche Carrera Cup bis zur DTM-Saison ist mit den entsprechenden Rennmaschinen, Fahrern und Strecken praktisch jede Rennserie vertreten, die man im Motorsport finden kann. Die Qualität schwankt dabei jedoch relativ stark - sowohl inhaltlich als auch grafisch. Während manche Mods nur eine grottige Figur machen, stellen manche selbst entwickelten Modifikationen selbst das Basispaket von Imagespace in den Schatten. Vor allem die Modellierung der Fahrzeuge samt Innenausstattung wird von einigen Moddern oft mit viel mehr Liebe zum Detail betrieben und so wirken die meisten der mitgelieferten Boliden etwas grob zusammengeschustert - vor allem, wenn man sich manche verwaschene und grobe Textur in der Cockpitansicht betrachtet. Die Strecken machen da schon einen besseren Eindruck, auch wenn sie grafisch nicht mit Konsolentiteln

Mit dem dynamischen Tag-/Nachtwechsel stehen authentischen 24-Stunden-Rennen nichts im Wege.
wie PGR 4 mithalten können. Doch dafür ist die Framerate selbst auf schwächeren Systemen angenehm flüssig und so sorgt die Engine vor allem in den flotten Formel-Wagen für ein gutes Geschwindigkeitsgefühl.

MODIFIKATIONEN GESUCHT?

Anlaufstelle Nummer 1 für Modifikationen und die Community ist die Webseite rfactorcentral.com

Auch wenn der Umfang der DVD-Edition bescheiden ausfällt und man grafisch nicht auf die Pole Position rast, kann rFactor in einem Punkt zweifellos überzeugen: der Fahrphysik! Hier ist man locker auf Augenhöhe mit kommerziellen Simulationen vom Schlag eines GTR 2 und macht das Kontrollieren der PS-starken Flitzer zu einer echten Herausforderung. Vor allem mit einem guten Force Feedback-Lenkrad spürt ihr jede Bodenwelle und habt alle Hände voll zu tun, mit gefühlvollem Umgang mit Gas und Bremse den Wagen auf der Strecke zu halten. Mit entsprechender Hardware dürft ihr sogar manuell die Kupplung bedienen. Wer immer wieder zu stürmisch in eine Kurve einfährt, kann sich auch gleich eine Jahreskarte fürs Kiesbett reservieren. Doch auch das Anbremsen will mit Gefühl gemacht werden, da auch hier die Wagen noch ausbrechen können. Anfänger freuen sich auf Fahrhilfen wie ABS, Traktionskontrolle, Stabilitätssystem und sogar Brems- und Lenkhilfen, die alle in mehreren Stufen hinzu oder abgeschaltet werden können. So tastet ihr euch langsam vom Rookie- ans Profi-Niveau heran. Auch KI-Stärke und deren Aggressivität dürfen neben dem Schadensmodell den eigenen Wünschen angepasst werden. Allerdings ist die KI nicht sonderlich helle, sondern brettert euch vor Kurven auch schon mal unbedacht ins Heck. Eines aber sind eure Kontrahenten: Verdammt schnell unterwegs und so werdet ihr als Anfänger einige Probleme haben, mit dem Fahrerfeld mitzuhalten. Bei der Jagd nach flotten Rundenzeiten solltet ihr es aber nicht übertreiben, denn Abflüge können böse Konsequenzen nach sich ziehen: Wer sich ohne Unverwundbarkeit auf die Strecke wagt und einen schweren Fahrfehler begeht, bekommt im schlimmsten Fall die Quittung in Form eines Totalschadens. Bei kleineren Kollisionen ist das Schadensmodell dagegen recht nachgiebig. Trotzdem ist es schön anzusehen, wenn Teile wie Stoßstangen durch die Gegend fliegen und Scheiben zerbersten. Doch auch außerhalb des Cockpits versprüht rFactor Realismus-Flair: Wer z.B. bei Rot über die Ampel der Boxenausfahrt fährt, darf mit einer Geldstrafe rechnen. Diese fällt sogar noch einen ganzen Tick saftiger aus, wenn ihr ohne den Begrenzer durch die Boxengasse heizt. Außerdem müsst ihr auf Wunsch alle möglichen Flaggenregeln während des Rennens beachten. Auch findet ihr euch nicht sofort in der Startaufstellung wieder, sondern dürft an einem Rennwochenende auch an diversen Trainings- und Qualifikations-Sessions teilnehmen. Zudem gibt es einen dynamischen Tag-/Nachtwechsel, was natürlich bei 24-Stunden-Rennen richtig gut kommt, die rein theoretisch möglich sind. Schade nur, dass man nicht auch verschiedene Witterungsverhältnisse eingebaut hat. Ihr habt zwar oft die Wahl zwischen sonnigen oder bewölkten Kulissen, aber Regen- und Schneerennen werdet ihr hier nicht finden.

Realismus pur!

     

Hmm, um Strafen zahlen zu können, muss man auch Geld haben. Und genau das verdient ihr in den Rennen, um euch auch neue Wagen anschaffen zu können. Doch das ist nicht alles: Im Gegensatz zur GTR 2 & Co dürft ihr bei rFactor das Geld auch für den Kauf von Tuning-Teilen zücken. Die reichen von optischen Gimmicks wie neuen Front- und Seitenschürzen bis hin zu effektiveren Bremsanlagen, Fahrwerken, Getrieben, Endschalldämpfern oder Schwungscheiben. Mittlerweile weiß jeder, wie viel Einfluss auch die Reifen(mischungen) auf die Performance der Wagen nehmen, so dass auch hier diverse Ausführungen angeschafft werden können. Dabei nehmen vor allem Veränderungen an Motor und Auspuff direkten Einfluss auf den ohnehin grandiosen Sound der Wagen. Schlummern dann richtig viele PS unter der Haube, röhrt das Boliden-Herz noch kerniger und aggressiver. So müssen sich echte Rennmaschinen anhören! Schade ist nur, dass sich Funksprüche auf die Durchsage von Rundenzeiten beschränken. Hier hätte ich mir manchmal etwas mehr Feedback meiner Crew gewünscht, die sich bei Boxenstopps auch leider nicht voll animiert blicken lässt. Mit der Anschaffung der Tuning-Teile ist es aber noch nicht getan! Ein essentieller Bestandteil in rFactor ist das Setup: Nur wer die Komponenten seines Boliden ordentlich auf die Gegebenheiten der einzelnen Strecken und des eigenen Fahrstils anpasst, hat eine Chance auf den Sieg. Mechaniker werden ihre helle Freude daran haben, denn genau wie bei GTR 2 lässt sich hier überall rumschrauben. Sei es am Drehzahlbegrenzer, der Aerodynamik, dem Differential, der Bremsbalance oder detailgenaue Einstellungen der Federrate, Bodenfreiheit, des Reifendrucks, der Stabilisatoren oder des Radsturzes - hier kommen Setup-Profis voll auf ihre Kosten. Praktisch:

In den Genuss von Rallye-Events und schneebedeckten Pisten kommt ihr erst durch die vielen Modifikationen, die ihr kostenlos im Internet laden könnt.
Wer sich mit dem ganzen Technikkram nicht auskennt oder schlichtweg zu faul ist, in vielen Testrunden optimale Einstellungen selbst zu ermitteln, findet auch hier im Internet vorgefertigte Setups, die sich auch schon aus dem Spiel heraus unkompliziert mit anderen Fahrern während Online-Sessions tauschen lassen.

Tuning

Apropos: Online gibt rFactor erst richtig Gas und offenbart sein ganzes Potenzial. Die Duelle gegen die KI-Piloten mögen ja schon aufregend sein und auch zum Trainieren reichen die Offline-Runden, doch die echte Herausforderung und der größte Spaß findet ihr erst in den Onlinerennen gegen andere Fahrer aus Fleisch und Blut. Dank der großen Community findet ihr auch immer reichlich (freie) Server, auf denen ihr meist lagfrei mit bis zu 35 Spielern Gas geben könnt. Insgesamt lassen sich sogar bis zu 100 Spieler pro Session verbinden. Wer nicht an den Start geht, schaut halt im TV-Kanal zu und fiebert mit. Allerdings wird man spätestens bei der reichlichen Auswahl an Servern feststellen müssen, dass man ohne Mods nicht weit kommt. Offene Spiele, in denen nur mit den langweiligen Standardkisten der DVD-Version gefahren wird, findet ihr nur sehr selten. Es ist schade, dass Imagespace nicht schon ein paar der beliebtesten Modifikation mit auf die DVD packen konnte, doch hätte dies sicher ein lizenzrechtliches Nachspiel gehabt. Allerdings funktioniert das Einbinden von Erweiterungen in der Regel sehr simpel. Auch die Möglichkeit, sich aus Replay-Schnipseln eigene Filme eurer fahrerischen Leistungen anzufertigen, geht unkompliziert von der Hand. Einen Rüffel verdient sich allerdings das Handbuch, das viele Sachverhalte nicht nur völlig unverständlich erklärt, sondern auch von vielen Rechtschreibfehlern geprägt ist.    

Ein Online-Traum

Fazit

rFactor macht es mir nicht leicht! Soll ich das ganze Potenzial dieser Simulation mit all ihren kostenlosen Modifikationen bewerten oder nur das, was ihr mit der Verkaufsversion geboten bekommt? Ich habe mich für Letzteres entschieden! Und was ihr hier bekommt, ist ein anspruchsvolles Rennspiel mit einer traumhaft realistischen Fahrphysik, kernigen Motorenklängen und einem genialen Netzcode für ein Starterfeld von mehr als 30 Spielern. Allerdings hapert es am Umfang, denn die Entwickler haben nur wenige Strecken und Meisterschaften auf die DVD gepackt – nicht zu vergessen, dass der Großteil des Fuhrparks aus nicht lizenzierten Fahrzeugen besteht. BMWs F1-Bolide und die Panoz-Modelle sind da nur ein kleiner Ausgleich. Wer also keinen Internetanschluss hat – ja, so was soll es heute auch noch geben – und keinen Zugriff auf die vielen hochklassigen Modifikationen hat, wird nur deutlich eingeschränkten Fahrspaß erleben. Habt ihr dagegen eine flotte DSL-Leitung und pimpt diese Standard-Edition mit Porsche Carrera-Cup, DTM, WTCC und anderen namhaften Serien sowie Strecken von der Nordschleife bis Daytona oder Laguna Seca, bekommt ihr eine der besten Rennsimulationen, die als MOD-getuntes PS-Gesamtpaket sogar ein Platin-Kandidat ist.

Pro

  • hervorragende, realistische Fahrphysik
  • stabiler Netzcode
  • Tuning möglich
  • extrem viele Setupmöglichkeiten
  • gelungenes Force Feedback
  • dynamische Tag-/Nachtwechsel
  • röhrende Motorenklänge
  • Fahrhilfen für Anfänger zuschaltbar
  • gute Grafikengine mit flüssiger Darstellung
  • gutes Schadensmodell
  • sehr modfreundlich
  • Cockpitansicht

Kontra

  • geringer Umfang
  • kaum lizenzierte Fahrzeuge
  • wenige Strecken & Meisterschaften
  • keine Regenrennen
  • Schadensmodell manchmal inkonsequent
  • KI-Aussetzer

Wertung

PC

Als Download-Spiel mit zig Mods ein sicherer Hit! Die eingeschränkte DVD-Version leidet am zu geringen Umfang.