Der Herr der Ringe: Die Abenteuer von Aragorn - Test, Action-Adventure, PlayStation3, Wii, PlayStation2, PSP, NDS

Der Herr der Ringe: Die Abenteuer von Aragorn
05.11.2010, Mathias Oertel

Test: Der Herr der Ringe: Die Abenteuer von Aragorn

Als seinerzeit Peter Jackson's Herr der Ringe in die Kinos kam, durfte man dank EA parallel dazu mit dem Pad durch Mittelerde streifen. Seitdem ist viel Wasser den Anduin hinunter geflossen und das Fantasy-Universum für Konsolenspieler beinahe in Vergessenheit geraten. Zusammen mit Headstrong Games schickt Warner Bros. abermals kleine und große Hobbits mit Remote und Move-Controller in den Kampf gegen Saurons Schergen.

Comicstil und gut eingesetzte Effekte zeichnen die Kulisse des neuen Mittelerde-Abenteuers aus.
Das dunkle Tor öffnet sich, eine Horde an Orks, Uruk-hai und Höhlentrollen kommt auf die ums Überleben kämpfenden Bewohner Mittelerdes zugestürmt. Nachdem er eine flammende Rede gehalten hat, stürzt sich Aragorn, der zukünftige König, ins Schlachtgetümmel und dezimiert mit gezielten Schwerthieben die Gegnermassen. Die Waagschale scheint zu Gunsten der Gefährten auszuschlagen als plötzlich ein Balrog auftaucht und sich den Weg durch das Schlachtfeld bahnt...

Mittelerde-Ausflug mal anders



Der Kampf um Mittelerde steht kurz vor dem Ende. Aragorn, Legolas, Gandalf und die anderen Gefährten stehen vor den Toren Mordors, während Frodo Beutlin und Sam Gamdschie versuchen, den Einen Ring im Feuer des Schicksalsberges zu zerstören.

Moment mal? Ein Balrog? Beim letzten Gefecht gegen Sauron? Das stimmt doch nicht! Da hat doch irgendjemand etwas durcheinander gebracht. Richtig. Und sie wird auch gleich dafür abgestraft! Denn wie sich herausstellen sollte, ist dieser Kampf nur Kinderkram. Nachgespielt von Sam Gamdschies Nachwuchs, der sich mit den Erlebnissen der Ringsaga die Zeit vertreibt, bis der König höchstpersönlich zu einem Festival nach Hobbingen kommt.

Dieses Stilmittel nutzt das Team von Headstrong Games für "Die Abenteuer von Aragon" (AvA) sehr konsequent und größtenteils sehr gelungen, um die wesentlichen Geschehnisse  der Film-Trilogie in den knapp neun bis elf Stunden Spielzeit unterzubringen. Meist beginnt der gute Sam seinen Kindern die Geschichte "seiner" Erlebnisse und natürlich den Kämpfen von Aragorn bei seinem Abenteuer zu erzählen, bevor es in die Vergangenheit geht und damit in ein weitestgehend klassisches Action-Abenteuer geschaltet wird.

Und die Schweste Elanor, deren überbordende Balrog-Fantasie das Spiel mit den Brüdern zu einem jähen Ende gebracht hat, wird von Frodo, Sams ältestem Sohn, auch entsprechend erbost darauf hingewiesen.

Erzählerische Neugier

In der Anfangsphase ist man in der Rolle Aragorns allerdings sehr häufig mit irgendwelchen Hol- und Bring-Aufträgen beschäftigt, die von Scharmützeln unterbrochen werden. Erst ab etwa einem Drittel nimmt der Kampfanteil immer mehr zu, bis es schließlich zur entscheidenden Schlacht kommt.

Dabei bildet man einen gelungenen Querschnitt der wesentlichen Elemente aus den drei Filmen ab: Die zwergischen Minen Morias werden genauso besucht wie Helms Klamm oder die Pelennor-Felder.

Bereits im Tutorial, das man mit Frodo (Gamdschie, wohlgemerkt)  im Auenland verbringt, um alle Elemente der Steuerung und vor allem des Kampfes kennenzulernen, wird deutlich, dass die Grafikabteilung nicht ganz sicher war, in welche Richtung man gehen wollte. Einerseits werden Farbgebung, die teils wunderschönen Lichteffekte und Figurendesign von einem starken Comic-Look geprägt. Der orientiert sich zwar hinsichtlich des grundlegenden Designs an der Filmvorlage, schafft es aber häufig, sich davon zu lösen und eine Stimmung ähnlich des 2004 bei Vivendi erschienenen "Hobbits" zu erzeugen.

Idyllisch, comichaft, zwiespältig

Die Remote-Steuerung setzt die Bewegungen gut in Aktionen um.
Schade ist allerdings, dass die Figuren z.B. eine nur rudimentäre Mimik haben: Wird gesprochen, bleiben die Lippen eng aufeinander gepresst und man fragt sich, wieso Tolkien nicht erwähnte, dass die Bewohner Mittelerdes allesamt hervorragende Bauchredner sind. Das ist umso bedauerlicher, da sowohl die deutsche als auch die englische Sprachausgabe durchweg gelungen sind, für die Warner u.a. den Sam Gamdschie-Darsteller Sean Astin hinter das Mikrofon zerrte. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls schade, dass trotz der guten Sprecher viele Dialoge nur über Sprechblasen ablaufen.

Allerdings war man sich mitunter uneinig, wie weit man mit dem Comicstil gehen sollte. Während z.B. Gimli, Gandalf und auch Aragorn sich zwar an ihren Filmvorbildern orientieren, aber dennoch wunderbar in diese Welt eingefügt wurden, sind Frodo Beutlins und Legolas Gesichter erschreckend realistisch. Diesen Brüchen innerhalb der ansonsten stimmungsvollen Spielwelt begegnet man immer wieder und wird dementsprechend aus der Atmosphäre herausgerissen, die nicht nur von der Kulisse, sondern auch von der Musik aufgebaut wird, die komplett aus Elementen des Film-Soundtracks besteht.

     

Die Pflichtaufgabe, klassische Elemente des Action-Abenteuers in die Welt von Mittelerde zu bringen, erledigt AvA  mehr als zufrieden stellend: Wer will, kann sich abseits der Hauptaufgabe mit zahlreichen Nebenmissionen beschäftigen oder auch nur die Gebiete nach Geheimnissen durchsuchen, von denen es viele zu finden gibt.

Kampf, Kampf, Krampf?

Doch im Mittelpunkt steht schließlich immer der Kampf. Zwar wird Motion Plus dabei nicht unterstützt, doch auch ohne diese zusätzliche Genauigkeit werden die Remote- und Nunchuk-Gesten gut bis sehr gut erkannt sowie adäquat umgesetzt.

Idyllisches Auenland: Für Wii-Verhältnisse zaubert die Engine sehenswerte Kulissen auf den Bildschirm.
Schwertstreiche in der Horizontalen stehen ebenso zur Verfügung wie in der Vertikalen und auch der Schwertstoß nach vorne ist ein probates Mittel, um seinen Gegnern den Garaus zu machen.

Wer zu zweit durch Mittelerde streifen möchte, kann einem Kumpel jederzeit eine zweite Remote-Nunchuk-Kombo in die Hand geben, so dass er fortan als Gandalf unterstützend eingreift. Dieser Modus gewinnt nicht nur durch die Heilfähigkeit des Zauberers oder seine Unterstützungmagie zusätzlichen Reiz, sondern auch durch zahlreiche Geheimnisse, die man nur zu zweit finden kann.

Alternativ kann man seinen Feinden auch mit dem Bogen zu Leibe rücken, wobei die Mechanik hier nicht versucht, das Spannen der Sehne etc. nachzuempfinden, sondern eher einer klassischen Shooter-Mechanik ähnelt.

Doch selbst, wer keinen Freund zur Hand hat, wird nur wenige Probleme haben, diese besonderen Artefakte etc. einzuheimsen. Denn der Schwierigkeitsgrad ist gelinde gesagt, sehr kindgerecht. Selbst in späteren Abschnitten, in denen man gegen für Wii-Verhältnisse beeindruckend viele Gegner auf dem Schirm antritt, ohne dass die Engine in die Knie geht, wird man nie wirklich gefordert. Ich wage sogar zu behaupten, dass selbst Einsteiger sich auf dem Standard-Schwierigkeitsgrad verdammt anstrengen müssen, damit Aragorn sich den Massen ergibt. Selbst die höchste Anforderungsstufe stellt für gelegentlich mit Remote und Nunchuk fuchtelnde Jungspieler nur selten ein Problem dar.

Dass Aragorns Abenteuer bei den ersten Messen nur auf Wii gezeigt wurde und die PS3-Version erst mit Sonys Ankündigung von Move Form annahm, hätte mich skeptisch machen müssen. Doch selbst all diese Skepsis hätte mich nicht auf diese halbherzige Umsetzung vorbereiten können. Das beginnt bereits bei der Kulisse, die nicht für PS3 optimiert, sondern letztlich nur hinsichtlich der Texturen aufskaliert wurde. Und das verfehlt in diesem Fall seinen Zweck. Oder anders ausgedrückt: Was auf Wii beeindruckt und für Atmosphäre sorgt, ist ohne große Veränderungen auf PS3 einfach nicht genug. Denn solche ausdruckslosen Gesichter haben auf einer Highend-Konsole nichts zu suchen. Auf Wii kann man sie noch durchgehen lassen, da hier mit anderen Elementen gepunktet wird, die dafür sorgen, dass der Remote-Aragorn innerhalb des technischen Umfelds zu den ansehnlicheren Titeln gehört.

Die PS3-Version, der ungeliebte Zwillingsbruder

Auf PS3 hingegen ist das nicht mal genug, um überhaupt in durchschnittliche Bereiche vorzustoßen. Und zu alledem ist die Move-Steuerung aus Gründen, die wohl nur das Entwickler-Team beantworten kann, eine ganze Klasse schwächer als ihr Wii-Pendant. Hatte ich vorhin noch bemerkt, dass das Spielerlebnis mit Motion Plus noch eine Ecke stärker ausgefallen wär, obwohl die einfache Remote-Steuerung nur wenig Anlass zur Klage gibt, wäre ich hier schon froh, wenn das Schwertschwingen per Move überhaupt die Qualität und Genauigkeit der Remote-Nunchuk-Kombo erreichen würde.

Die PS3-Fassung ist eine kleine Enttäuschung: Sowohl Kulisse als auch die optionale Move-Unterstützung wurden schwach auf die HD-Konsole umgesetzt.
Doch weit gefehlt: Immer wieder wird eine Bewegung missinterpretiert, was auf Wii zwar auch ab und an der Fall ist, aber hier zu häufig passiert. Wer einen Beweis für die These benötigt, dass es nicht ganz so einfach ist, mal so eben "einen auf Wii" zu machen, wird hier fündig.

Immerhin kann man im Gegensatz zur Nintendo-Version, das keinen Classic Controller unterstützt, auf der Sony-Konsole auch pur mit dem Standard-Pad spielen. Dass dies tatsächlich mehr Spaß macht als mit dem Lichtbolzen ist jedoch bedenklich. In jedem Fall ist die PS3-Version jedoch nicht mehr als der Zwillingsbruder, den man immer versteckt, wenn jemand zu Besuch kommt. Die zur Verfügung stehende Technik wird in keinem Bereich auch nur annähernd ausgenutzt. Das ist sehr schade, da man hier die Chance ungenutzt verstreichen ließ, der ohnehin schmalen Move-Bibliothek einen guten Titel hinzuzufügen.    

Fazit

Wer auf Wii einen Abstecher nach Mittelerde unternehmen möchte und dabei über den geringen Anforderungsgrad hinwegsehen kann, wird mit Aragorns Abenteuer einige unterhaltsame Stunden erleben. Zwar schien es visuelle Uneinigkeit im Team zu geben, ob man sich nun für den zumeist in den Vordergrund spielenden Comic-Stil oder einen Hang zum Realismus entscheiden sollte. Aber dennoch ist das Herr der Ringe-Epos für Remote-Schwertschwinger technisch einer der sehenswerteren Titel. Doch das Wichtigste: Abseits der sich zu sehr auf Hol- und Bringdienste verlassenden Anfangsphase, gibt einem das Action-Adventure auch inhaltlich Grund zur Freude. Das Kampfsystem erkennt die Gesten gut, obwohl es keine Motion Plus-Unterstützung gibt, man kann abseits der Hauptstory viel erleben, noch mehr finden und ein zweiter Spieler kann jederzeit ein- oder aussteigen. Letztlich ist es nur der sehr niedrige Schwierigkeitsgrad, der dem Spaß einen deutlichen Dämpfer verpasst. Wer die Systemwahl hat, sollte sich allerdings von der PS3-Version fernhalten. Zwar unterstützt sie im Gegensatz zu Wii auch die Kontrolle per Pad. Doch das hätte angesichts der ungenauen Gesten-Erkennung des Lichtstabes auch nicht vergessen werden dürfen. Zusätzlich wird die HD-Technologie der Sony-Konsole durch die nur aufskalierte Kulisse fahrlässig ignoriert. 

Pro

  • größtenteils gelungene Kulisse (Wii)
  • saubere Gestenerkennung (Wii)
  • gute Sprachausgabe
  • viel zu entdecken
  • zweiter Spieler kann jederzeit ein- und aussteigen
  • Melodien aus dem Film-Soundtrack

Kontra

  • kaum herausfordernd
  • viele Hol
  • und Bringdienste in der Anfangsphase
  • Grafikstil mitunter unstimmig
  • ungenaue Gesten-Erkennung (PS3)
  • Kulisse nicht für PS3 optimiert, sondern nur aufskaliert

Wertung

PlayStation3

Inhaltlich identisch zur Wii-Version, machen die unoptimierte Kulisse sowie die marode Move-Unterstützung die PS3-Variante zur zweiten Wahl.

Wii

Das kämpferische Abenteuer sorgt dank guter Remote-Kontrollen sowie ansprechender Kulisse für Unterhaltung, ist aber viel zu leicht.