The Fight - Test, Sport, PlayStation3

The Fight
12.11.2010, Benjamin Schmädig

Test: The Fight

Da steht er: verschwitztes Feinripphemd, tiefe Furchen im Gesicht, das Bild flackert, Farben sind praktisch nicht vorhanden. Danny Trejo - Machete höchstpersönlich - starrt mir ins Gesicht und forscht mir Anweisungen zu. »Es funktioniert nicht, wenn du dich bewegst. Also bleib’ am Platz stehen!« Clever, Sony! Ihr macht aus der Not eine Tugend; komplett bewegen kann man sich trotz »Move« nämlich nicht. Bleibt die Frage: Wie groß ist denn die Not?

Männer, wenn ihr in diesem Monat ein Tutorial spielen müsste, dann startet The Fight (ab 6,82€ bei kaufen), und zwar im englischen Original. Es ist nicht nur herrlich, dass Trejo überhaupt als Trainer im Spiel ist - er legt sich auch noch so präzise zwischen Ironie und Coolness ins Zeug, dass es eine Freude ist!

Männer!

The Fight ist aber kein Tutorialspiel, sondern ein beinhartes Kampfspiel. Also geht es auf die Straße: unter schmutzige Ziegelbrücken, in verdreckte Hinterhöfe und wo es sonst noch nach Schweiß riecht, wenn sich grimmige Muskelprotze an abgedunkelten fast-Schwarz/Weiß-Kulissen blutig schlagen. Selbst der Sandsack in der Trainingshalle

hängt vor groben, schwarzen Backsteinen. Sorry, Ubisoft, aber nur The Fight ist das, was ihr mit Fighters Uncaged als Kampfspiel für Erwachsene anpreist.

Video. »Zappel nicht rum - schlag richtig zu!«

Das ist aber alles nur Zucker auf dem Kuchen - und ist der Teig verbrannt, schmeckt auch die Glasur nicht mehr. Also, was steckt im Teig? Wie gut schlägt The Fight, wenn ich es mit zwei Move-Controllern vormache? Ich könnte übrigens auch Move in die eine und ein Gamepad in die andere Hand nehmen - nicht jeder besitzt zweimal Move und im Gegensatz zu Nintendos Nunchuck erkennt der Navigation-Controller keine Bewegungen im Raum - mit Sixaxis sackt der Spielspaß allerdings rapide nach unten. Zwei Controller der neuen Generation sollten es also besser sein.

Die süße Lust am Prügeln

Beim Kalibrieren lässt The Fight dann schon mal die Muskeln spielen, denn um zu prüfen, ob auch alles funktioniert, soll ich meine Arme frei bewegen. Treffer: Mein Kämpfer macht alle Bewegungen nach! Das Alter Ego durfte ich übrigens selbst erstellen; später verpasse ich ihm neue Klamotten, trainiere seine Fähigkeiten - Fighters Uncaged verliert auch die zweite Runde. Die dritte Runde findet dann endlich im Ring statt, oder vielmehr: auf einem grau asphaltierten Quadrat. Vor dem Kampf kann ich noch auf meinen Sieg wetten und das Risiko erhöhen, indem ich z.B. einen schnellen Sieg oder eine hohe Trefferquote vorhersage. Ich kann jeden Dollar gebrauchen!

Und dann schaue ich meinem Kämpfer über die Schulter, wahlweise die linke oder die rechte oder sehe das Geschehen aus einer Art Vogelperspektive. Leider kann ich den Kampf nicht mit den Augen meines virtuellen Ichs betrachten, so dass ich nicht immer den nötigen Überblick habe.

Leider hat man besonders in den coolen Kameraperspektiven nicht immer den vollständigen Überblick.


K.O. für Sony?

Egal, aus welcher Perspektive: Geschlagen wird, indem geschlagen wird. Geblockt wird, indem man die Hände in die entsprechende Position bringt. Einfach - gut! Zumal hier keine vorgerechneten Animationen wie in Fighters Uncaged abgespult werden, sondern eine glaubwürdige Physik Einfluss auf die Bewegungen und die Entscheidung über Treffer oder nicht hat. So spielt auch die Geschwindigkeit beim Schlagen eine wichtige Rolle. The Fight ist genau das. Und manchmal auch ein harter Kampf gegen den muskelverkaterten Schweinehund!

Knockout für Sony also? K.O. in der dritten Runde, weil die Movebewegungen genau erfasst werden? Nein, so einfach hat es The Fight leider nicht. Bei weitem nicht. Ja, die Bewegungen werden im Gegensatz zu Fighters Uncaged mit kleiner Verzögerung ins Spiel übertragen, während im Ubisoft-Prügler nur vorgefertigte Aktionen ausgelöst werden. Doch wo Kinect viele Bewegungen fehlinterpretiert und damit den Spielfluss stört - kämpft die Move-Erkennung mit ganz ähnlichen Problemen. So machen die Fighter schon mal gar nichts, obwohl man den Arm gerade und schnell nach vorne gezogen hat und manche Schläge landen nicht genau da, wo man vermeintlich hinzielt.              

Der große Stolperstein sind aber die ständigen Fehlerkennungen der Position der Arme. Im Angriff funktioniert die Erkennung dabei meist zuverlässig genug. In der Verteidigung fühlt man sich allerdings oft im Stich gelassen. Wenn die Arme im Spiel einfach nicht schnell genug, manchmal auch gar nicht dorthin gelangen, wo sie für die wichtige Deckung hin müssen, ist das enorm frustrierend! Mag sein, dass die nach unten sinkenden Arme meines Kämpfers mit seiner sinkenden Ausdauer zu tun haben. Dann darf ich sie aber nicht trotzdem vors virtuelle Gesicht halten können, wenn ich meine Arme über den Kopf ziehe! Das fühlt sich falsch an, weil das Spiel nicht genau das zeigt, was ich vormache. Es fehlt das Gefühl der echten Kontrolle - für Spiele wie The Fight ist das ein Kardinalfehler!

Der Kardinal geht zu Boden

Und es kommt leider schlimmer, weil die Move-Erkennung gelegentlich völlig versagt. Immer dann, wenn ein Arm oder beide Arme des Fighters weit weg vom Körper weg zeigen, obwohl man die Controller zur Deckung zieht, hilft nur die erneute Kalibrierung - von Spielfluss oder Glaubwürdigkeit kann in diesen Momenten keine Rede sein. Fehleranfällig ist auch die wahlweise Erkennung meiner Kopfbewegungen: Zu oft schaltet sie sich ab, weil sie die fehlende Präzision spätestens dann selbst bemerkt, wenn man die Hände vor den Kopf hält.

Dreckig, brachial, männlich: The Fight ist das, was Fighters Uncaged sein soll.
Das Spiel ahmt die Bewegungen ohnehin nicht präzise nach - Kopfbewegungen dienen ähnlich wie in Fighters Uncaged nur als Auslöser, hauptsächlich für Ausweichbewegungen.

Es gibt noch weitere Kleinigkeiten, die dem »Real-Tekken« im Weg stehen. Denkbar unglücklich wird die Starttaste z.B. als Pauseknopf genutzt. Wer den Controller einfach nur fest umschließt, unterbricht deshalb schon mal das Duell. Schade außerdem dass man für das »Dirty Boxing« eine Schultertaste ziehen muss. Hier werden die Grenzen sichtbar, an denen Move vor dem realen Spielgefühl kapitulieren muss - und das ist ärgerlich. Auch wenn es natürlich cool ist, dem Gegner eine Kopfnuss zu verpassen oder ihn mit der einen Hand zu greifen und ihm mit der anderen die Leviten zu lesen! Nicht zuletzt ist da das Manko, über das Sony im Tutorial so geschickt hinweg geht: Bewegen kann ich mich nur, indem ich einen Knopf gedrückt halte und einen Controller in die gewünschte Richtung kippe. In Runde drei nehmen sich The Fight und Fighters Uncaged unterm Strich nicht viel.

Das dreckige Umfeld passt also und auch die belanglose, aber offene Karriere, in der ich jederzeit zwischen verschiedenen Kämpfen an verschiedenen Schauplätzen wählen kann, ist bedeutend motivierender als das einfache Abspulen des Immergleichen bei Fighters Uncaged. Runde vier geht deshalb wieder an The Fight. Hier verdiene ich mir Geld, von dem ich am Sandsack oder mit einem Sparringspartner trainiere und mit den so erworbenen Punkten steigere Fähigkeiten wie Kraft, Ausdauer oder Präzision. Außerdem muss ich meine Verletzungen versorgen lassen - gegen Geld, versteht sich - weil ich in folgenden Kämpfen sonst schneller zu Boden gehe.

Pleite?

Pleite? Macht nichts! Selbst mit ein paar Niederlagen kann man genug Geld aufbringen, um Arzt oder Training zu bezahlen. Eine besonders clevere Art, an Kohle zu kommen, sind die Onlinekämpfe. Nicht die eigenen, wohlgemerkt, sondern jene, in denen man beim Zuschauen um Geld wettet! Umso bedauerlicher, dass man derzeit kaum Netzkämpfer findet. So konnte ich mich online noch nicht beweisen - oder vermutlich eher eine bittere Niederlage einstecken. Und schließlich bringt auch die Tatsache, dass sich zwei Spieler auf dem geteilten Bildschirm duellieren können, The Fight einen weiteren Punkt ein. Kein K.O. - aber ein klarer Sieg nach Punkten.          

Fazit

Ich bin so kurz davor, mir zwei Move-Controller zu kaufen! Es liegt nicht daran, dass The Fight eine neue Generation der Kampfspiele einleiten würde: Die Ungenauigkeiten in der Bewegungserkennung machen es eher zu einem interessanten Workout für zwischendurch als zu einer Kampfsimulation. Besonders die Defensive gleicht viel zu oft einem Glücksspiel. Wenn The Fight die Bewegungen richtig umsetzt, macht es das allerdings sehr überzeugend, denn die eigene Kraft und Präzision werden ausreichend genau auf den Bildschirm übertragen - eine meist glaubwürdige Physik setzt die Bewegungen um. Auch The Fight kommt der Geschwindigkeit echter Bewegungen dabei nicht hinterher und die mitunter komplett aussetzende Positionserkennung ist unverzeihlich. Die im Grunde belanglose Karriere - von MMA oder UFC 2010 ist es weit entfernt - spornt mich aber mit einer soliden Charakterentwicklung an, wo mich Fighters Uncaged längst im Stich ließ. Außerdem darf ich mich in Mehrspieler-Kämpfen beweisen und die wunderbar dreckige Männerwelt hat so aufrichtig wenig mit Knuddelnect und FamilienWiikend am Hut... Der verzögerten Bewegungserkennung stehe ich nach wie vor sehr skeptisch gegenüber. The Fight deutet aber an, was mit dem geschickten Einsatz der richtigen Mittel in Zukunft möglich sein könnte. Und es hat Danny Trejo.

Pro

  • Erkennung von Genauigkeit und Geschwindigkeit
  • dreckige Street Fight-Atmosphäre
  • Karriere mit Charakterentwicklung Geldverwaltung
  • meist glaubwürdige Physik statt vorberechneter Bewegungen
  • Mehrpsieler-Duelle auf geteiltem Bildschirm oder Online-Turniere
  • Wetten beim Zuschauen von Online-Kämpfen

Kontra

  • Fehler bei Bewegungserkennung
  • Kalibrierung wird gelegentlich aufgehoben
  • keine Story, keine Sidekicks, nada
  • einige Bewegungen nur über gedrückte Knöpfe möglich
  • keine Egoperspektive / manchmal fehlt vollständige Übersicht

Wertung

PlayStation3

Die Bewegungserkennung erlaubt sich schwere Fehler. Schade! Denn im Ansatz ist The Fight ein herrlich brachialer Workout.