Need for Speed: Hot Pursuit - Test, Rennspiel, 360, PC, Wii, PlayStation3

Need for Speed: Hot Pursuit
10.12.2010, Michael Krosta

Test: Need for Speed: Hot Pursuit

Es ist eine Sache, wenn man ein Spiel von den anderen Konsolen auf die Wii umsetzt und dabei das technische Niveau zurückfahren muss. Aber es ist eine andere Sache, wenn man auf Nintendos Fuchtelkonsole unter gleichem Namen ein völlig anderes Spiel serviert und dabei gleichzeitig aus einer Nobel-Karosse einen Schrotthaufen macht. Welchen Weg geht EA mit Need for Speed: Hot Pursuit (ab 6,06€ bei kaufen)?

Illegale Straßenrennen, lizenzierte Boliden von der Anfängerkiste wie dem Madza RX-8 bis zum Geschoss vom Schlag eines Pagani Zonda Cinque, Cops und Barrikaden - das alles bietet Hot Pursuit nicht nur auf 360, PS3 und PC, sondern auch in der Wii-Umsetzung.

Mit dem doppelten Nitro geht es doch gleich noch etwas schneller durch die Rushhour.
Gute Voraussetzungen also für heiße Verfolgungsjagden und jede Menge Action, die man sowohl mit der Remote alleine, in Kombination mit dem Nunchuk- oder Classic-Controller und sogar auch mit dem guten, alten GameCube-Controller angehen kann. Doch schon nach dem unspektakulären Intro reibt man sich erstmals verwundert die Augen...

Gemeinsamkeiten & Unterschiede

Seacrest County? Gibt's hier nicht. Stattdessen tritt man im Karrieremodus mit den vier Schauplätzen Las Vegas, Dubai, Rio de Janeiro und ChongQing sowie einer abschließenden Grand Prix-Serie eine kleine Weltreise an. Dabei bietet jede Stadt eine Reihe von Wettbewerben, die erst nacheinander freigeschaltet werden und in der Regel aus vier Events bestehen. Darunter befindet sich mit Hot Pursuit das klassische Rennen, bei dem neben den sieben Konkurrenten auch die Cops mitmischen. Die Aufgabe beim Zeitfahren versteht sich von selbst und auch der Eliminator-Modus, bei dem nach und nach der jeweils Letztplatzierte aus dem Rennen fliegt, ist ebenfalls kein Unbekannter. Neu ist dagegen die Rushhour, die eine Mischung aus Positionskämpfen sowie Zeitfahren darstellt und entfernt an den Dreamcast-Raser Vanishing Point erinnert: Es gilt, 100 Autos zu überholen, wobei man bis zum nächsten Checkpunkt und damit vor Ablauf des Zeitlimits eine bestimmte Mindestposition erreicht haben muss - eine nette Idee. In jeder Stadt wartet außerdem ein Boss, der dem Spieler freundlicherweise sein Auto überlässt, wenn man ihn schlägt. Dies funktioniert jedoch nicht in einem klassischen Duell, sondern in einer Art Capture The Flag, bei der man sich halbwegs frei bewegen kann und die Flaggen vor dem Gegner einsammeln muss. Außergewöhnlich, ja - aber besonders spaßig ist diese Jagd nicht.

Weltreise

Innerhalb der Karriere spielen die Cops nur eine untergeordnete Rolle, da man ihnen lediglich in der Rolle des Rasers begegnet. Wer selbst mit Sirenengeheul Jagd auf die Verkehrssünder machen will, muss den Umweg über das "schnelle Spiel" gehen, wo nicht nur alle Fahrzeuge und Städte von Anfang an zur Verfügung stehen, sondern auch der Modus Interceptor angeboten wird. Als Hüter des Gesetzes stoppt man die Pistensäue relativ simpel, indem man sie drei Mal rammt. Allerdings sollte man sich dabei nicht zu viel Zeit lassen, denn sobald einer der Flüchtigen die Ziellinie

Mit den Power-ups hält man die Gegner in Schach.
überquert, ist das Rennen vorbei und man hat als Cop versagt. Leider hat man im Gegensatz zu den anderen Versionen hier keine Möglichkeiten, Nagelbänder auszulegen oder per Funk eine Straßensperre oder Hubschrauber-Unterstützung anzufordern.

Die andere Seite

Als Raser greift man ohnehin auf andere Mittel zurück, um sich gegen die Widersacher und Cops zur Wehr zu setzen: Genau wie bei Mario Kart oder Blur kann man diverse Power-ups durch einfaches Drüberfahren aufsammeln und gegen andere Fahrer einsetzen. Insgesamt stehen acht Systeme zur Verfügung, die vom Autopiloten über einen Schallwellenangriff bis hin zur resistenten Panzerung führen. Witzig: Mit der Cop-Ablenkung kann man die uniformierten Jäger einfach auf einen Gegner seiner Wahl hetzen oder sich mit einem Störsender quasi unsichtbar machen. Eines der wichtigsten Icons zum Einsammeln ist jedoch der Schraubenschlüssel, mit dem man seinen Wagen umgehend wieder repariert. Zwar hält sich das Schadensmodell in Grenzen und beeinflusst z.B. nicht die Lenkung, doch wer zu viel rempelt oder aufgrund des furchtbaren Streckendesigns zu oft die Bande küsst, muss mit Leistungseinbußen rechnen und mit Beschränkungen beim Nitro-Einsatz leben. Letzteren lädt man auch hier durch gefährliche Fahrmanöver sowie Drifts auf. Hat man genug Energie, darf man sogar einen doppelten Nitro für den ultimativen Geschwindigkeitsrausch zünden.  

Ein Hauch von Mario Kart

Letzterer wird durch Einbrüche in der Bildrate allerdings immer wieder ausgebremst. Unverständlich, denn grafische Brillanz hat Hot Pursuit auf der Wii nicht gerade zu bieten: Die matten Autos wurden ganz offensichtlich nur aus wenigen Polygonen zusammengeschustert und auch die Kulissen sehen unspektakulär aus - selbst einer Glitzer- und Glamourstadt wie Las Vegas fehlt hier jeglicher Charme. Diese schwache Präsentation lässt sich nicht mit der geringeren Leistungsfähigkeit der Konsole entschuldigen - hier haben sich die Entwickler einfach keine Mühe gegeben! Das scheint auch beim Fahrverhalten der Fall zu sein: Zum einen fliegen die Boliden schon beim Überfahren kleiner Unebenheiten meterweit durch die Luft und scheinen leichter zu sein als ein Spielzeugauto. Zum anderen ist auch die Kollisionsabfrage unter aller Kanone, denn die KI kann mich kinderleicht abschießen und die Zweikämpfe erinnern eher an Autoscooter. Selbst nach Arcademaßstäben ist das Fahrverhalten eine Katastrophe! Sogar die Drift-Mechanik ist ein Graus, denn man kommt kaum mit ihr um die Kurven. Die normale Lenkung kann man generell vergessen - sie eignet sich höchstens dazu, auf Geraden dem Gegenverkehr auszuweichen

Die Verfolgungsjagden werden ihrem Namen nicht gerecht. Die Cops agieren zu zahm und Straßensperren lassen sich zu leicht umfahren.
oder einen Überholvorgang einzuleiten. Da das grausige Streckendesign aber viele fiese Kurven aufweist, bei denen man selbst mit einer tadellosen Drift-Mechanik nicht viel ausrichten könnte, landet man entsprechend oft in der Leitplanke.

Spaßbremse

Als ob das furchtbare "Fahrerlebnis" nicht schon schlimm genug wäre, setzt die KI dem Ganzen noch die Krone auf: Wer sich auf den anderen Konsolen und dem PC schon über den unsäglichen Gummiband-Effekt beschwert hat, wird bei einem Blick auf die Wii-Version froh sein, dass Criterion sich nicht an ihr orientiert hat. Es ist einfach nur ein schlechter Witz, wie die anderen Fahrer völlig sinnfrei Gas geben oder auf das Bremspedal steigen. Dazu kommt ein stark schwankender Schwierigkeitsgrad: Während man die ersten Rennen dank der wartenden KI sogar locker gewinnen kann, wenn man den Controller mit den Zehen bedient, zieht sie in der nächsten Stadt noch kurz vor dem Ziel mit einem nicht nachvollziehbaren Geschwindigkeitsschub an mir vorbei. Zwei Rennen später dann wieder das gewohnte Bild, wenn die anderen Fahrer zwischendurch wieder ständig die Handbremse anziehen. Selbst bei den Verfolgungsjagden kommt keine Freude auf, weil die Cops sich erstens zu dämlich anstellen und zweitens auch die Straßensperren viel zu leicht passiert werden können. So versagt Hot Pursuit

Im Splitscreen dürfen bis zu vier Spieler gegeneinander antreten - einen Onlinemodus gibt es allerdings nicht.
auf Wii nicht nur als Rennspiel, sondern macht auch im Actionbereich beim Kampf gegen die Cops eine erbärmliche Figur. Warum man außerdem ausschließlich in Außenansichten fahren darf, erschließt sich mir ebenfalls nicht.

Gummiband-KI

Zumindest im Bereich Lackierungen kann man überzeugen, denn neben lizenzierten Felgen und Bodykits kann man seine Boliden auch mit diversen Stickern sowie Aufklebern optisch aufwerten. Die Bedienung mit der Remote funktioniert kinderleicht, so dass man die Objekte problemlos zoomen, drehen und sogar spiegeln kann. Hier macht die Wii-Version tatsächlich etwas besser als die Fassungen für die anderen Systeme, wo diese Funktionen fehlen. Auch die Splitscreen-Rennen für bis zu vier Spieler findet man nur hier, doch wird dafür auf einen Onlinemodus verzichtet, der dank Autolog auf den anderen Konsolen und dem PC eines des besten Features von Hot Pursuit darstellte. Beim Soundtrack wurde ebenfalls der Rotstift angesetzt: Wo auf 360 & Co noch namhafte Bands wie 30 Seconds to Mars mit ihrem Songs das Renngeschehen begleiteten, wirkt die Auswahl auf Wii vergleichsweise unspektakulär und langweilig.

Bastelstunde

  

Fazit

Es ist schon eine Frechheit, wie man bei EA zwei so unterschiedliche Spiele unter gleichem Namen veröffentlicht. Während Hot Pursuit auf 360, PS3 und dem PC rockt, krepiert der Titel auf Wii mit seiner furchtbaren Fahrphysik, der extremen Gummiband-KI sowie der unterirdischen Präsentation schon nach den ersten Metern. Insgesamt erinnert das Wii-Hot Pursuit mehr an eine Fortsetzung zum letztjährigen Need for Speed Nitro - alleine die Aufmachung und das Recyceln von Schauplätzen wie Dubai und Rio sind neben dem Decal-Editor deutliche Zeichen für die Verwandtschaft. Doch während Nitro alleine durch das visuell ansprechende Tag-System noch für ein schönes Arcade-Flair auf der Wii gesorgt hat, macht Hot Pursuit trotz vieler Gemeinsamkeiten sowohl inhaltlich als auch technisch so ziemlich alles falsch, was man falsch machen kann. Alleine das unmögliche Streckendesign disqualifiziert die Wii-Version schon für einen Zugang zum Fahrspaß-Club. Die paar netten, wenn auch nicht sonderlich kreativen Power-ups, die Unterstützung von Splitscreen-Rennen und das kinderleichte Erstellen von Decals können den Karren jedenfalls nicht mehr aus dem Dreck ziehen. Lasst den Zündschlüssel für Hot Pursuit also besser beim Händler, denn im Gegensatz zu den anderen Systemen ist der Name auf Wii leider nicht Programm.

Pro

  • lizenzierte Boliden
  • optisches Tuning
  • Cops spielbar
  • Splitscreen für vier Spieler

Kontra

  • Slowdowns
  • furchtbare Kollisionsabfrage
  • schlimme Fahrphysik
  • übles Streckendesign
  • extreme Gummiband-KI
  • schwankender Schwierigkeitsgrad
  • kein Onlinemodus
  • matte Fahrzeugmodelle
  • öde Kulissen
  • lächerliche Verfolgungsjagden
  • keine Innenansicht
  • gewöhnungsbedürftige Drift-Mechanik
  • wirkt auf ganzer Linie billig

Wertung

Wii

Bis auf den Namen hat die Wii-Version von Hot Pursuit nicht viel mit dem tollen Criterion-Racer gemeinsam. Letzterer gehört aufs Podest, dieser hier in die Schrottpresse!