Infinity Blade - Test, Action-Adventure, iPhone, iPad

Infinity Blade
11.01.2011, Paul Kautz

Test: Infinity Blade

iPhone-Spiele. Das ist doch so Zeugs wie Angry Birds, Flight Control oder Doodle Jump. Simpler Kinderkram, der genauso simpel aussieht, nicht wahr? Tja. Teilweise schon. Und dann gibt es auch noch Spiele wie Infinity Blade.

Mächtiges Schwert gegen mächtigen Gegner - Infinity Blade ist ein Actionspiel der ganz besonderen Sorte.
Rache ist ein Gericht, das über mehrere Generationen serviert werden muss. Jedenfalls in der Welt von Infinity Blade. Papa wurde vom »God King« dahingemeuchelt, jetzt liegt es an Sohnemann, diese Schmach wieder auszubürsten. Er nimmt Vadders alte Sachen, setzt sich seinen Helm auf, nimmt Schwert und Schild undmacht sich auf den Weg zum Übelwicht, der auf seinem Thron ganz oben in einer verfallenen Burg wartet. Auf dem Weg dahin fällt ein knappes Dutzend seiner Schergen dem sicher geführten Schwert des Jünglings, bis ebendieser vor dem Götterkönig persönlich steht. Die Stunde der Rache ist gekommen: Hier ein Hieb, da ein Stich, dort eine Parade - äh. Schlatz-schlatz-schlitz, zack ist der Spross im Eimer. Noch ein höhnischer Spruch des God Kings hinterher, der kaum eine Schramme  aufweist, und schon beginnt das Spiel von vorn: Der eigene Sohn schwört Rache für den ermordeten Vater, nimmt seine alten Sachen, setzt seinen Helm auf, nimmt Schwert und Schild...

Und täglich grüßt der God King

Diese ständige Wiederholung nennt sich »Blutlinie« und ist ein gerissener Kniff der Entwickler - aus zwei Gründen: Erstens greift das System nur beim God King. Verliert man den Kampf gegen einen vorherigen Gegner, wird einfach der direkt davor liegende Checkpunkt geladen. Beim God King aber hat man nur einen Versuch - versagt man, ist die nächste Generation an der Reihe, und zwar wohlgemerkt von ganz vorne am Schlosseingang. Der andere Punkt ist, dass alle Ausrüstungsgegenstände, Geldvorräte und Heiltränke im Erbe enthalten sind - scheint ein gutes Testament gewesen zu sein. Allerdings haben in der neuen Blutlinie auch alle Gegner an Kraft und Erfahrung gewonnen, wodurch sie nach dem Sieg mehr Gold und Erfahrungspunkte abwerfen, wodurch man schneller im Rang aufsteigt und wiederum mehr Punkte in die persönlichen Eigenschaften investieren kann - das gilt auch für den Fall, dass man den God King schlägt, was nach ein paar Blutlinien möglich ist. In der nächsten werden dann alle Gegner (inkl. des neuen God King) nur nochmals stärker, allerdings gibt es auch einen sehr wertvollen Ausrüstungsgegenstand. All das entwickelt eine beträchtliche Sogwirkung: Okay, bloß nicht treffen lassen, schön ausweichen, argh, wieso kommt der so schnell wieder zu sich, neiiiiiin, nicht treffen, arrrrrrrgh, verdammt, schon wieder verloren - aber nächstes Mal erwische ich dich, du Drecksack!

Grafisch gibt es auf den iPlattformen gegenwärtig keine Konkurrenz zu dem Spiel - die neue Unreal-Engine zaubert höchst beeindruckende Bilder auf die Touchscreens.
Infinity Blade nimmt den Spieler an die sehr kurze Leine: Frei herumlaufen darf man nicht, die Wege sind klar definiert. Genau genommen darf man nur leuchtende Punkte antippen, um von A nach C zu kommen. Und was ist mit B? Das sind gelegentliche Abzweigungen, die man erkunden darf, um Extrakämpfe zu führen und dafür Boni zu kassieren - Erfahrungspunkte, Geld, Heiltränke, gelegentlich auch neue Ausrüstungsgegenstände. Steht  man in männlicher Pose vor einem Gegner, geht der Kampf noch lange nicht los: Man darf sich noch ein wenig umsehen (um weitere Extras einzusacken) undInformationen über den Feind einsehen. So erfährt man, auf welcher Stufe er ist, mit welchen Zaubern er angreifen kann und gegen welche Attacken er resistent ist - den einen juckt Feuer nicht, der andere lacht nur über Gift. Aber wer will denn nur studieren, Action ist angesagt!

Der Wischer des Todes

Und genauso schnell wieder abgesagt, denn Infinity Blade ist kein Buttonmasher. Genau genommen verpasst man dem Feind bestenfalls einen Kratzer, wenn man einfach drauflos schlägt - und kassiert einen mächtigen Hieb als Antwort. Hier wird der Spruch umgedreht: Verteidigung ist der beste Angriff! Hat man eine Zeit lang erfolgreich verteidigt, ist der Widersacher kurzzeitig geschwächt - dann ist es an der Zeit, ihn mit

Größe: 331 MB

Getestete Version: 1.1

Preis (11.1.2011): 4,99 Euro

erfordert iPod touch 3G oder höher


einzelnen Attacken, Kombos oder Zaubersprüchen einzudecken. Um ihn soweit zu bekommen, stehen einem drei Möglichkeiten zur Verfügung: Blocken, ausweichen und parieren.

Jeder Gegner hat individuelle Stärken und Schwächen, die man z.T. vorab erfährt, aber zum größten Teil selbst herausfinden muss.
Das Blocken ist die simpelste Form der Verteidigung: Ein Tippser auf das unten mittig befindliche Abwehr-Symbol, und schon wird der Angriff abgewehrt - aber je nach Stärke desselben bröckelt der Schild mehr oder weniger, bis er ganz kaputt ist. Das Ding taugt also nur als System für den Notfall - es sei denn, man spielt nicht weiter als bis zur dritten Blutlinie. Nützlicher ist da schon das Ausweichen: Zwei Symbole laden zu schnellen Bewegungen nach links und rechts ein, die aber a.) gut getimt sein und b.) in die richtige Richtung aus geführt werden müssen - denn sonst gibt's ebenfalls aufs Maul. Die wirkungsvollste Gegenstrategie ist die Parade, aber natürlich ist sie auch die schwierigste: Dafür muss man das Schwert im richtigen Augenblick gegen die Klinge des Feindes kreuzen. Ist nicht einfach, aber gerade gegen mächtige Feinde wie den God King mehr oder weniger die einzige Möglichkeit, zumal sie den Gegner beim erfolgreichen Ausführen am längsten betäubt. Darüber hinaus hat man noch die Möglichkeit, den Widersacher mit einem »Super-Angriff« sofort zu betäuben bzw. mit unterschiedlicher Magie stark zu verletzen. Die Anwendung der Zauberei ist im Grunde sehr einfach: Man aktiviert die Magie, zeichnet ein bestimmtes Symbol auf den Bildschirm und los geht's. Oder auch nicht, denn die Gestenerfassung funktioniert lange nicht so zuverlässig wie sie sollte - viel zu oft wurde bei mir ein Feuer- statt eines Heilzaubers ausgelöst, was gerade im Kampf gegen den God King fatal ist.

Das Kampfsystem ist interessant und erstaunlich tiefschürfend.
Schnell lernt man, die einzelnen Stärken und Schwächen der Gegner einzuschätzen: Ein Golem lässt sich schlecht parieren, seinen Angriffen kann man aber leicht ausweichen. Der Assassine nutze fast immer die Links-Rechts-Oben-Folge. Und der God King ist gegen jegliche Magie immun, reagiert aber sehr allergisch auf Paraden. Vor jedem Angriff verrät sich jeder Gegner auf unterschiedliche Art und Weise, wodurch man weiß, aus welcher Richtung die Attacke erfolgt - aber das braucht Zeit und Blutlinien. Für sich genommen wäre das dauernde Schnetzeln nicht motivierend genug - bloß gut, dass es noch weitere Antriebe gibt: Mit wachsendem Erfahrungspunkte-Konto steigt man im Rang auf, wodurch es frische Fertigkeits-Punkte gibt, mit denen man sich mehr Lebensenergie, Angriffskraft, Magie oder Schildstabilität verleihen kann. Außerdem erhält (und findet) man immer mehr Geldbeutel, wodurch man sich immer bessere Waffen, Schilde, Rüstungen oder magische Ringe leisten kann.



Reich an Erfahrung

Der wahre Kniff aber lauert im Level-System, denn nicht nur der Spieler, sondern auch jedes einzelne Ausrüstungsteil verfügt über eigene Erfahrungspunkte.  Kauft man sich einen neuen Gegenstand, kassiert man für ihn nach einem erfolgreichen Kampf XP, zusätzlich zu denen, die man ohnehin für einen Sieg kassiert. Allerdings ist irgendwann Schluss damit, denn jeder Gegenstand kann nur eine bestimmte Menge Erfahrung halten. Hat man diese Grenze erreicht, gibt's keine zusätzlichen Punkte mehr - ein gerissener Anreiz, sich neue Gegenstände zu kaufen, um die Bonus-XP nicht vor die Hunde gehen zu lassen. Diese wiederum kosten mehr und mehr Geld - eine Tatsache, die sich die Entwickler durch Münzsäcke zunutze machen, die man mit realem Geld kaufen kann. Man muss also ständig abwägen: Behalte ich jetzt das volle Schwert, bis ich mir ein besseres leisten kann, verzichte dadurch aber auf die Zusatz-XP? Oder investiere ich die schon vorhandene Kohle in ein nicht ganz so gutes Ersatzstück, verliere dadurch aber wenigstens keine Erfahrungspunkte, so dass ich schneller im Rang aufsteige? Fragen über Fragen...

Da sitzt er, der Hund - und hohnlacht! Der God King ist der Endgegner von Infinity Blade - und der Grund für das immer neue Durchspielen.
Dass die Apple-Plattformen grafisch einiges draufhaben, sollte mittlerweile auch der letzte Skeptiker akzeptiert haben - Titel wie N.O.V.A. 2 oder Rage HD präsentieren Bilder, mit denen auch eine Xbox oder eine PS2 zu kämpfen hätte. Infinity Blade steckt sie alle in die Tasche. Problemlos. Okay, teilweise gibt es sehr matschige Texturen zu sehen. Und so glaubwürdig wie die Welt auch aufgebaut ist, man vermisst doch Schatten. Und irgendwie ist es ironisch, dass das Spiel auf dem iPad schlechter aussieht als auf dem iPhone 4 (das Ganze ist eine universale App) - durch die höhere Auflösung und den größeren Bildschirm sind die matschigen Texturen besser erkennbar, die Menüelemente sehen leicht zerfusselt aus. Aber davon abgesehen: Wahnsinn. Einfach der Hammer! Das Schloss ist grandios designt, manche Abschnitte könnte man problemlos in den God of War-Abenteuern vermuten. Jeder einzelne Gegner (von denen es zugegebenermaßen nicht viele gibt) exzellent animiert und ideenreich gestaltet, die Kämpfe werden exzellent choreographiert. Ja, die Unreal-Engine kann was, wenn sie in den Händen von Könnern landet. In Sachen Ohrenschmeichler müssen die Superlative etwas zurückgekurbelt werden: Das Gestöhne und Gegrunze der Gegner erinnert eher an chronisches Darmdrücken als an einen wilden Kampf. Aber dafür dröhnt und wummert der orchestrale Soundtrack umso besser aus den Kopfhörern, teilweise wird man auch nur von einem einsamen, traurigen Piano begleitet.

Fazit

Es gibt sie, diese Spiele, die man sieht und sofort haben muss - einfach nur, weil sie so verdammt geil aussehen! Infinity Blade ist eines davon: Die Grafik  ist absolut bewundernswert, der technische Meilenstein, der hier erreicht wurde, dürfte so schnell nicht überboten werden. Besonders wenn man bedenkt, dass man es hier mit einem verdammten Telefon zu tun hat - und doch steckt die Pracht von Infinity Blade den größten Teil der Xbox- und PS2-Spiele in die Tasche. Dass sich hinter den höchst beeindruckenden Äußeren auch noch ein bemerkenswertes Inneres verbirgt, ist eine unerwartete Überraschung: Das Kampfsystem ist einfach und durchdacht, das Aufleveln wunderbar motivierend. Allerdings ist die Gestenerfassung gerade beim Wirken von Magie nicht zuverlässig genug, außerdem ist die Kürze des Spiels auch seine größte Schwäche. Zwar ist das Konzept von Blutlinien ein cleverer Kniff, es kann allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass Infinity Blade kein Spiel für längere Zugfahrten ist. Das liegt nicht nur daran, dass die Prachtgrafik den iPhone-Akku schneller leerlutscht, als man »Der God King stinkt!« sagen kann, sondern vor allem, dass es den Kämpfen auf Dauer deutlich an Abwechslung fehlt. Für die halbe Stunde zwischendurch (also einen Schlossdurchlauf) gibt es gegenwärtig aber kein besseres iActionspiel.

Pro

  • <P> höchst beeindruckende Grafik
  • elegantes Kampfsystem
  • massig Aufrüst-Möglichkeiten
  • durchdachtes Aufleveln</P>

Kontra

  • <P>
  • sehr kurze »Durchspielzeit«
  • immergleiche Feinde
  • gelegentlich schlechte Gestenerfassung</P>

Wertung

iPhone

Prachtgrafik, cleveres Kampfsystem, motivierendes Aufleveln - Infinity Blade ist ein Vorzeigespiel auf den iPlattformen, dem es auf Dauer allerdings an Abwechslung mangelt.