NBA Jam - Test, Sport, 360, PlayStation3, Wii

NBA Jam
21.01.2011, Jörg Luibl

Test: NBA Jam

Es kostete 149 DM und es war 1994 mein Kaufgrund für das SNES: NBA Jam (ab 39,99€ bei kaufen). In einer Zeit, als ich eigentlich nur am Rechner spielte, aber privat mit Freunden ganze Sommer unter dem Korb verbrachte, sorgte dieser Arcade-Basketball von Midway für Spaß pur. Michael Jordan hatte gerade seine Karriere beendet, aber es war immer noch eine goldene Ära mit all den großen Namen von Pippen und Ewing bis Olajuwan. Kann Electronic Arts an diese Faszination anknüpfen?

Auch auf Wii geht es hoch her: Ihr habt bei der Steuerung die Wahl zwischen reiner Remote-, Remote- & Nunchuk sowie Class Controller - und der Wurf mit der Remote wird gut simuliert.
Ich muss nochmal zurück in die Vergangenheit, zum originalen NBA Jam. Es ist für mich bis heute eines der besten Arcade-Sportspiele aller Zeiten. Mir schwirren noch all die Sounds und Kommentare wie Slamdunkbienen durchs Ohr: Sobald ich an "He's on Fire!" oder "Boom Shakalaka!" denke, sehe ich meterhohe Sprünge mit Feuerschweif und irre akrobatische Dunks, die den Ring zum Glühen bringen. Wie im aktuellen Spiel von EA suchte man sich schon vor sechzehn Jahren ein aktuelles NBA-Team aus und spielte zwei gegen zwei fast ohne Regeln, wobei man einen Star steuerte.

Die goldene Slamdunk-Zeit

Ich erinnere mich noch genau an den einzigen Wermutstropfen (neben dem Preis): Michael Jordan war aufgrund seines Abschieds nicht im Aufgebot der Bulls - nur deshalb waren die New York Knicks damals das statistisch beste Team. Wir haben uns jedenfalls ganze Wochenenden wilde Matches zwischen den Knicks mit Ewing/Starks, den Bulls mit Pippen/Grant, den Rockets mit Olajuwan/Maxwell oder den Phoenix Suns mit Barkley/Johnson geliefert. Unsere Freundinnen haben NBA Jam gehasst - immer das beste Zeichen für grandiose Spiele.

Allerdings darf man gerade die etwas unglückliche Classic Controller-Steuerung nicht frei belegen - schade.
Warum ich so weit aushole? Weil ich mich wirklich auf dieses NBA Jam gefreut habe. Weil ich dachte, dass es an die Faszination alter Tage anknüpfen könnte. Weil ich mich mit dem Gamepad ins Jahr 1994 zurückdunken wollte. Aber in den ersten Minuten des ersten Spiels sitze ich schon ernüchtert auf der Couch: Was zur Hölle ist das für ein Artdesign? Nichts gegen den Versuch, die alte Zeit auch stilistisch in der HD-Moderne einzufangen, aber diese Mischung aus (nicht mal besonderen) 3D-Animationen und statischem 2D sieht einfach schrecklich aus.

Der moderne Airball

Wenn man Nowitzki und Kidd für die Dallas Mavericks über das Feld rasen lässt, hat man das Gefühl, einen dreidimensionalen Körper mit einem ausgeschnittenen, viel zu großen Kopf aus Pappe zu steuern (dass man noch größere Köpfe freischalten kann, ist da fast ein Hohn). Oder eine animierte Scherenschnittfigur. Oder irgendetwas anderes Unharmonisches, was zwanghaft nach Retro aussehen soll, aber wie ein stilistischer Airball wirkt - ein freier Fall der Hässlichkeit. Dazu gehört auch das binär geschaltete Publikum, das entweder komplett bewegungslos verharrt oder frenetisch jubelt bzw. im Kollektiv zuckt.

Was NBA Jam auf Wii fehlt: Ein Online-Modus!
Das soll mich anno 2010 grafisch beeindrucken? Ich passe, werfe, dunke und alley-oope mich ernüchtert durch die "Klassik-Kampagne", die nichts weiter ist als der Weg eines Teams an die Spitze einer der sechs NBA-Divisionen. Ja, man kann wie anno dazumal den Turbo taktisch einsetzen, um sich kurzfristig schneller, dribbelstärker oder wurfsicherer zu machen. Ja, man kann auch 36 geheime Mannschaften, neue Moves und Grafikfilter freischalten. Ich sitze dennoch gelangweilt, fast angewidert auf der Couch. Und das, obwohl EA sogar den Originalsprecher von damals, Tim Kitzrow, vor das Mikro gezerrt hat, um von "He's on Fire!" bis "Kabooom!" alte und neue Sprüche zu all den Aktionen auf dem Platz abzufeuern. Aber all das zündet nicht, denn diesem Arcade-Basketball fehlt das Knistern der grafischen Explosivität, es fehlt auch an einer fordernden KI. Man darf nicht vergessen, dass hier immer nur vier Spieler auf dem Platz stehen - und die müssen hinsichtlich Animationen und Aktionen rocken!

Solide Spielmechanik

Aber das tun sie nicht. Selbst die einfachen Dribblings und Dunks sehen nicht besonders elegant, nicht cool genug aus - egal ob Spin oder Crossover. Es kommt auch zu Szenen, in denen der zweite, vom Computer gesteuerte Mann sekundenlang gegen den Center läuft als wäre dieser eine Wand - warum bewegt er sich nicht geschmeidig um ihn herum? Das nervt genauso wie die kleinen Zicken der Steuerung: NBA Jam ist ein Spiel der schnellen Knöpfe, aber die Aktionen über die Sticks, also das Vor- und Zurückziehen, wirken zu Beginn viel zu sensibel. Immerhin gewöhnt man sich daran.

Immerhin kann man mit vier Mann kooperativ zwei gegen zwei spielen.
Auf der einen Seite ist es lobenswert, dass EA für Wii diverse Steuerungen anbietet: Man kann sowohl mit Remote quer, Remote/Nunchuk als auch Classic Controller loslegen. Allerdings lässt sich gerade die auf den ersten Blick für so einen Klassiker optimale Classic Controller-Belegung nicht ändern - schade. Trotzdem ist die Spielmechanik in ihren Grundzügen solide, zumal das Werfen in der Variante Remote plus Nunchuk sehr gut gelöst wurde, indem man Erstere schnell hoch bewegt bzw. für einen Sprungwurd erst hoch und dann nach vorne - das wirkt sehr intuitiv und sogar etwas authentisch. Man kann den zweiten Mann indirekt steuern, indem man einen Pass oder Wurf fordert. Wie anno dazumal kann man nicht nur in der Offensive spektakuläre Alley-Oops, akrobatische Dunks und mehrstufige Pässe inszenieren, sondern auch in der Defensive freche Steals, gemeine Schubser und natürlich Monsterblocks setzen. All das sorgt auch heute noch für jede Menge rasanter Action zwischen Rebound und Korb, zumal bis auf das schmerzhafte Goaltending kaum Regeln gelten. Und wer von der Kampagne genug hat, darf sich noch in der "Remix-Tour" an Herausforderungen versuchen.

Interessante Spielmodi

Mal geht es um die clevere Ausnutzung von Power-ups, die Spieler nicht nur schneller oder robuster, sondern auch winzig klein machen. Mal spielt man mit veränderter Kamera oder Teamgröße. Hinzu kommen einige interessante Spiele für zwischendurch: In "Dominanz" geht es darum, farbig markierte Bereiche des Feldes zu erobern, indem man von dort aus Punkte erzielt - das macht richtig Laune, weil man sich hier wunderbar ärgern kann. Auch die Halbfeld-Duelle zwischen zwei Spielern oder das Schmettern, wo man so lange gegen das Brett dunkt bis es bricht, sorgen für Unterhaltung. All diese Minispiele retten NBA Jam auf ein gerade noch solides Niveau, obwohl auf Wii etwas Wichtiges fehlt Der Online-Modus. Auf 360 und PS3 konnte man über Internet in Ranglisten oder mit Freunden entweder eins gegen eines oder zwei gegen zwei spielen; also mit vier Mann losdunken. Auf Nintendos Konsole geht das nur offline vor einem Bildschirm, kooperativ in zwei Teams mit vier Leuten.

Fazit

Ich habe mich auf diese Wiedergeburt von NBA Jam gefreut! Dieser Klassiker aus dem Jahr 1994 gehört für mich zu den besten Arcade-Sportspielen aller Zeiten - ganze Wochen habe ich mich zwischen "He's on Fire!" und "Boom-Shakalaka!" in Ekstase gedunkt. Umso größer ist meine Enttäuschung angesichts dieses schrecklichen Artdesigns, das einen faulen Kompromiss zwischen dreidimensionaler Moderne und statischer 2D-Nostalgie eingeht. Die Animationen der Wasserkopfstars rocken einfach nicht, selbst bei Monsterdunks springt der explosive Funke nicht über. Soll das ein vollwertiges Spiel sein? Natürlich ist das kein Totalreinfall, weil die Spielmechanik auf den soliden Fundamenten des Klassikers beruht und weil die vielen Herausforderungen abseits der Kampagne einiges an Unterhaltung bieten. Leider fehlt auf Wii ein Online-Modus, stattdessen können bis zu vier Mann nur offline gegeneinander antreten. Immerhin gibt es gleich mehrere Steuerungsvarianten, von denen das Nunchuk/Remote-Duo dank intuitiver Wurfbewegungen die beste darstellt - den Classic Controller darf man auch nutzen, aber nicht frei belegen. Aber diese stilistisch misslungene Wiederauferstehung hätte man nicht wie ein goldenes Remake in der Box, sondern für zehn Euro über WiiWare anbieten sollen. Wenn ich Arcade-Basketball genießen will, spiele ich lieber das sechzehn Jahre alte, aber immer noch magische Original oder eine Version von NBA Street.

Pro

  • solide Arcade-Spielmechanik
  • orignale NBA Jam-Sprüche
  • einige interessante Minispiele
  • kooperativ Splitscreen 2 vs. 2
  • gute Nunchuk/Remote-Wurfmechanik

Kontra

  • - misslungenes Artdesign
  • hässliches, halbstatisches Publikum
  • Animationen nicht elegant genug
  • Dunks wirken nicht explosiv genug
  • schwache KI in der Karriere
  • kein Online-Spiel möglich

Wertung

Wii

Wo ist der explosive Zauber von Boom-Shakalaka? Der Arcade-Funke will nicht überspringen...