Paris-Dakar Rally - Test, Rennspiel, PlayStation2

Paris-Dakar Rally
24.09.2001, Jens Bischoff

Test: Paris-Dakar Rally

Die Rallye Paris-Dakar ist wohl das bekannteste und härteste Offroad-Rennen der Welt. Acclaim ermöglicht es nun, diese einzigartige Herausforderung an Mensch und Technik mit Paris-Dakar Rally (ab 23,23€ bei kaufen) im heimischen Wohnzimmer nachzuspielen - ob der PS2-Titel dabei ganz vorn mitfährt oder schon vorzeitig Achsenbruch erleidet, klärt unsere schonungslose Testfahrt...

Alljährlich versuchen sich hunderte Fahrer in allen möglichen Vehikeln an der fast 7000 Meilen langen Strecke durch unwirtlichstes Terrain - doch nur wenige erreichen überhaupt das Ziel. Über 80% der Teilnehmer müssen vorzeitig aufgeben, zu hoch sind die Anforderungen, welche die afrikanische Wüste an die Fahrer und ihre Fahrzeuge stellt.

Wüstenmarathon für Sonntagsfahrer

Bei Acclaims etwas eigenwilliger Versoftung der berühmten Rallye sind die Anforderungen jedoch weitaus geringer. Nicht nur, dass man vom Sofa aus am Rennen teilnehmen kann, auch der Rennverlauf wurde vereinfacht und die Gesamtstrecke stark komprimiert. Zudem stammen aufsammelbare Reparatur-Kits und unfreiwillige Berge-Aktionen wohl ebenfalls kaum aus der realen Vorlage.

Originalgetreu sind hingegen die verschiedenen Fahrzeuge, die von allradgetriebenen Rallye-Boliden, über Wüsten-Buggys und Enduro-Maschinen bis hin zu wendigen Quads reichen. Anfangs stehen zwar gerade einmal vier Vehikel zur Verfügung, durch entsprechende Erfolge wächst der Fuhrpark im Spielverlauf jedoch auf über zwei Dutzend lizensierte Fortbewegungsmittel an, die alle mit unterschiedlichen Fahreigenschaften aufwarten.

Namhafter Fuhrpark

Mit dabei sind Fahrzeuge von BMW, Honda, Mitsubishi, Nissan, Toyota, Ford, Husqvarna, Kawasaki, KTM und Yamaha - authentische Team-Lackierungen inklusive. Zudem lässt sich das Setup der Fahrzeuge vor jedem Etappenabschnitt individuell einstellen. Die Möglichkeiten sind mit simplen Modifikationen an Fahrwerk, Stoßdämpfern, Bodenfreiheit, Schaltung und Reifendruck allerdings genauso bescheiden wie die völlig unzureichenden Streckenvorhersagen.

Insgesamt gilt es entweder im Kampagnen- oder im Arcade-Modus zehn Etappen mit jeweils vier eigenständigen Streckenabschnitten zu bewältigen. Der Startschuss fällt dabei im Senegal. Anschließend geht es gegen bis zu 400 Konkurrenten, denen man allerdings so gut wie nie begegnet, quer durch Mali, Burkina Faso, Niger und Libyen bis nach Ägypten. Das Terrain reicht dabei von staubigen Steppen über gebirgige Pässe bis hin zur tiefsten Sahara. Bei der Routenplanung hat man mal mehr, mal weniger freie Hand. Oft wird die Suche nach Abkürzungen jedoch durch unüberwindbare Hindernisse oder automatisches Zurücksetzen auf die Strecke jäh beendet.

Quer durch Nordafrika

Zudem gibt es im Kampagnen-Modus vier Bonusetappen, in denen man ohne irgendeine Streckenvorgabe von Checkpoint zu Checkpoint heizt und in der Wüste herumliegende Reparatursätze einsammelt. Die Anzahl der möglichen Fahrzeugreparaturen ist nämlich begrenzt und kann nur hier aufgefrischt werden. Wer vor Ablauf eines Countdowns den letzten Checkpoint erreicht, kann sogar seine Platzierung im Gesamt-Classement verbessern. Mit der Realität hat dies natürlich reichlich wenig zu tun und wirkt daher auch irgendwie albern.

Wirklich ärgerlich sind hingegen eklatante Mängel, wie eine fehlende Streckenkarte während des Rennens oder ein Co-Pilot, dessen Anweisungen entweder prinzipiell zu spät kommen oder einfach nicht stimmen. Dass man nach einer Bergung manchmal verkehrt herum auf die Strecke zurückgesetzt wird oder Zwischenzeiten so eingeblendet werden, dass man kaum mehr die Streckenführung erkennt, ist ebenfalls unentschuldbar.

Fatale Mängelliste

Die Fahrphysik geht zwar halbwegs in Ordnung, dass Gas und Bremse jedoch nur digital abgefragt werden, ist bei einer Rennsimulation geradezu ein Fauxpas. Ähnlich verhält es sich mit dem Schadensmodell, das zwar eine ganz passable Figur macht, eine Schadensanzeige allerdings völlig fehlt. Zudem sind immer nur Komplett-Instandsetzungen möglich - selbst wenn nur ein Reifenwechsel nötig wäre. Abgesehen davon laufen die Reparaturen aber ohnehin alles andere als realistisch ab.

Dass man auf den Etappen kaum einen Konkurrenten zu Gesicht bekommt, ist zwar schon eher realistisch, aber zumindest im Arcade-Modus hätte man auf diesen Realismus gern verzichtet. Auch bei der Streckengestaltung hätte es ruhig ein bisschen mehr sein können. Die karge Landschaft mag zwar authentisch sein, aber etwas detaillierter hätte man diese schon ausarbeiten können. Extreme Textur-Armut, grobpixlige Bitmap-Kulissen und Mager-Animationen müssen sich PS2-Piloten nun wirklich nicht mehr gefallen lassen. Lediglich der 60Hz-Modus und die realistischen Cockpit-Perspektiven verdienen Lob, auch wenn die Übersicht bei den internen Ansichten allzu leicht flöten geht.

Audiovisuelle Tristesse

Der dürftige Soundtrack und die laschen Sound-FX sind wiederum eher zum Abgewöhnen. Und dass die Sprüche des Co-Piloten auf deutsch erklingen, ist angesichts des meist unbrauchbaren Inhalts auch nicht positiv hervorzuheben. Bei der Lokalisierung wurde aber ohnehin geschlampt: Sind manche Übersetzungsfehler lediglich unfreiwillig komisch, sind andere einfach nur peinlich - aber angesichts der spielerischen Mängel sind solche Mankos fast schon belanglos. Ärgerlicher sind da schon eher die langen Ladezeiten und der überzogene Schwierigkeitsgrad, der das Erspielen von Bonusfahrzeugen zur Qual werden lässt.

Pro:

  • facettenreiches Schadensmodell


  • unterschiedliche Fahrzeugtypen


  • realistische Cockpit-Perspektiven


  • 60Hz-Modus


  • Kontra:

  • monotoner Spielablauf


  • schwache Grafik


  • eintöniger Sound


  • schwachsinniger Co-Pilot


  • keine Streckenkarte


  • kein analoges Beschleunigen


  • Vergleichbar mit:

    4x4 Evolution, Wild Wild Racing, ATV Offroad

    Fazit

    Eine solch lieblose Umsetzung wie sie Acclaim mit Paris-Dakar Rally abliefert, hat die wohl berühmteste Rallye der Welt einfach nicht verdient. Rallye-Puristen werden allein schon angesichts der mageren Simulationsaspekte und der eingeschränkten Routenplanung die Nase rümpfen. Arcade-Fans werden sich hingegen mangels echter Positionskämpfe und aufgrund des monotonen Spielablaufs schnell langweilen. Eklatante Gameplay-Mängel und die drittklassige Grafik werden sogar eingefleischte Paris-Dakar-Fans abschrecken. Lasst Euch auch von Jutta Kleinschmidts Empfehlung auf dem Cover nicht irritieren. Wartet lieber bis Colin McRae auf die PS2 kommt oder legt Euch einen seiner beiden hervorragenden PSone-Vorgänger zu - da bekommt Ihr Rallye-Feeling par excellence.

    Wertung

    PlayStation2