Dragon Quest 6: Wandler zwischen den Welten - Test, Rollenspiel, NDS

Dragon Quest 6: Wandler zwischen den Welten
26.05.2011, Jens Bischoff

Test: Dragon Quest 6: Wandler zwischen den Welten

Nach den 2008 und 2009 erschienen Remakes von Dragon Quest IV und V schließt Dragon Quest VI: Wandler zwischen den Welten die so genannte Zenithia-Trilogie nun ab. Wie seine Vorgänger erscheint das 16 Jahre alte SNES-Original damit erstmals auch in Europa und bietet einmal mehr klassische japanische Rollenspielkost in zeitgemäßer Hülle. Doch kann der Inhalt auch heute noch begeistern?

Das Spiel beginnt mit einer fatalen Niederlage, welche die in ein düsteres Schloss eingefallene Heldentruppe in Stein verwandelt. Und doch erwacht der Anführer am nächsten Morgen, als wäre nichts geschehen. Doch was ist genau passiert? Wo sind seine Gefährten? Ist der Ort, an dem er wieder zu sich kam, wirklich sein Zuhause? Oder hat er vielleicht nur geträumt?

Zwischen Traum und Wirklichkeit

Wie der Titel bereits andeutet, gibt es nicht nur eine Welt in Dragon Quest VI, sondern zwei: Eine reale Welt und eine Traumwelt. Welche davon die echte ist und welche Rolle man darin spielt, gilt es herauszufinden. Fest steht nur, dass beide Welten eng miteinander verknüpft sind und Taten in der einen Auswirkungen auf die andere haben. Zu Beginn ist man sogar nur in einer der beiden wirklich existent, während man die andere als unsichtbarer Geist durchwandert. Auch Wechsel zwischen den Welten sind zunächst nur über mysteriöse Brunnen oder Abgründe möglich.

Später kann man hingegen jederzeit zwischen Traum und Wirklichkeit wechseln, in beiden Welten Gestalt annehmen und andere Schicksalsgenossen von ihrem Fluch befreien. Die Geschichte um eine aus den Fugen geratene Welt, die es auf mehreren Ebenen zu retten gilt, während man seiner eigenen Vergangenheit immer näher kommt, ist auch heute noch interessant konzipiert. Erzählerisch bleibt das epische Abenteuer hingegen ähnlich blass wie seine beiden Vorgänger. Auch die Charaktere entwickeln kaum Tiefe - allen voran der einmal mehr völlig stumme Protagonist.

Die Spielwelt erstreckt sich über beide Bildschirme.

Glücklicherweise ist der allgemeine Spielfluss ähnlich straff wie im fünften Teil - stundenlanges, ereignisloses Dauerleveln wie in Teil vier entfällt. So zieht man ohne großartige Leerlaufphasen von Ort zu Ort, meistert verschiedene Haupt- und Nebenaufgaben, während man immer weiter in die beiden Spielwelten vordringt, um deren Geheimnisse und Zusammenhänge zu lüften. Ist man anfangs noch zu Fuß unterwegs, reist man später auch mit Schiffen oder fliegendem Teppich umher, was nicht nur Zeit spart, sondern auch weitere Schauplätze eröffnet. Bereits besuchte Orte kann man sogar im Handumdrehen per Teleportationszauber erreichen.

Entdeckungsreise mit Hindernissen

Weniger komfortabel ist hingegen das Speichersystem, das dauerhafte Spielstandsicherungen nach wie vor nur in Kirchen erlaubt, die natürlich nur in Städten und Dörfern anzufinden sind. Wer sich durch monsterverseuchte Dungeons kämpft und am Ende den meist obligatorischen Bosskampf verliert, weil die Ausrüstung nicht passte, man nicht mehr genug Mana hatte oder man einfach noch zu schwach war, muss die ganzen Strapazen nochmals auf sich nehmen...

Das birgt trotz des allgemein eher moderaten Schwierigkeitsgrads natürlich jede Menge unnötiges Frustpotential. Dabei sind die Dungeons eigentlich sehr kompakt, teils geradezu mickrig. Durch die ständigen Zufallsbegegnungen, die einen alle paar Sekunden in Kampfhandlungen verstricken, ziehen sich die Erkundungen der meist unterirdischen Gemäuer jedoch extrem in die Länge und zehren nachhaltig an den Ressourcen. Zudem gibt es in den Dungeons keine Kartenfunktion und auch die sonst frei rotierbare Kamera verwehrt jegliche Einflussnahme.

Die kompakten Dungeons bieten einige interaktive Elemente.


Auf Schritt und Tritt verfolgt

Die rundenbasierten Kämpfe sind zwar meist nicht sonderlich lang und lassen sich durch zuweisbare Aktionsmuster auch automatisieren, schwache Gegner durch Weihwassereinsatz sogar zeitweise vermeiden, aber die allgemeine Frequenz ist extrem hoch und der Kampfverlauf die meiste Zeit sehr monoton. Man kann zuschlagen, Magie und Items anwenden oder sich verteidigen. Fluchtversuche sowie Stellungs- und  Ausrüstungswechsel sind ebenfalls vor jeder Runde möglich.

Das Kampfgepäck ist allerdings recht knapp bemessen, das Formationssystem äußerst primitiv und Abwehrstellungen werden erst eingenommen, wenn der entsprechende Charakter mit seiner Aktion am Zug ist. Zudem nervt es, dass durch Spezialmanöver durcheinander gewürfelte Formationen nach Kampfende nicht wieder automatisch geordnet werden und man stets manuell nachbessern muss. Auch dass man nach wie vor nur Gegnergruppen, nicht aber einzelne Widersacher als direkte Ziele auswählen kann, schränkt die Kampfplanung unnötig ein. So wird stets das vitalste Mitglied einer Gruppe angegriffen, auch wenn man eventuell lieber einem stärker angeschlagenen Feind den Gnadenstoß verpassen würde.

Interessant ist hingegen der Wechsel zwischen Waffen mit unterschiedlicher Reichweite: Soll ich mit meinem Bumerang allen Gegnern Schaden zufügen, mich mit dem wuchtigen Breitschwert auf einen bestimmten Widersacher konzentrieren oder mit einer schwächeren Klinge Statusbeeinträchtigungen erwirken? Auch der situationsbezogene Einsatz von Zaubern oder Spezialfertigkeiten hält bei Laune - vor allem, da man das Spektrum durch das Einschlagen verschiedener Laufbahnen nach eigenem Ermessen erweitern kann.

Der Touchscreen wird nur für Minispiele genutzt.


Karriere nach Maß

In einer speziellen Abtei lässt sich jedem Charakter eine Profession wie Krieger, Zauberer, Priester oder Dieb zuteilen, in der er fortan Erfahrung sammelt und entsprechende Fertigkeiten lernt - letztere bleiben auch bei späteren Jobwechseln erhalten. Zudem kann man jederzeit eine bereits begonnene Laufbahn an der Stelle wieder aufnehmen, wo man sie verlassen hat. Jeder Job bringt zudem spezifische Talente wie verbessertes Ausweichverhalten, geringeren Manaverbrauch oder erhöhte Lebensregeneration mit sich und wirkt sich auch entsprechend auf die Charakterattribute aus. Interessant ist auch die Möglichkeit, miteinander harmonierende Laufbahnen zu meistern und dadurch noch mächtigere, fortgeschrittene Berufe wie Schwertmagier, Paladin oder Held zu erlernen.

Zudem kann man auch wieder über die ganze Welt verstreute Minimedaillen sammeln, sein Glück im Kasino herausfordern oder neuerdings an modebewussten Stilwettbewerben teilnehmen. Via Drahtlos-Link kann man auch digitale Visitenkarten austauschen oder Schleimmonster groß ziehen und gegeneinander kämpfen lassen. Wer auf Minispiele steht, freut sich neben einarmigen Banditen und Pokertischen im Kasino auch über eine Art Eisstockschießen auf diversen Bahnen, die mit Hindernissen und Sammelobjekten gespickt sind. Dies ist auch die einzige Möglichkeit vom Touchscreen Gebrauch zu machen, der im eigentlichen Spiel leider überhaupt nicht zum Einsatz kommt.

Der Dualscreen wird hingegen gut genutzt und bietet nicht nur einen entsprechend großen Bildausschnitt der rotierbaren 3D-Kulissen, sondern auch eine aktivierbare Kartenfunktion samt Aufruf örtlicher Shopangebote sowie übersichtliche Menüaufteilungen. Auch die deutschen Texte glänzen einmal mehr mit liebevoller Übersetzung samt individueller Umgangstöne, Akzente und anderer sprachlicher Besonderheiten. Sprachausgabe gibt es aber leider keine und auch sonst ist die Soundkulisse abgesehen von der musikalischen Untermalung eher spärlich. Grafisch gibt es hingegen nicht viel auszusetzen, außer dass man sich die ein oder andere aufwändigere Zwischensequenz gewünscht hätte, um der recht klanglos inszenierten Story mehr Präsenz und Atmosphäre zu verleihen.

Fazit

Dragon Quest VI fußt im Wesentlichen auf identischen technischen und spielerischen Grundpfeilern wie seine beiden Vorgänger. Die größten Unterschiede stellen die duale Weltstruktur und das flexible Jobsystem dar, was insgesamt für ein dezent abwechslungsreicheres Spielerlebnis sorgt. Trotzdem merkt man auch dem Wandler zwischen den Welten sein Alter deutlich an: Die Inszenierung der Story wird heutigen Maßstäben kaum mehr gerecht, die biederen Zufallskämpfe beginnen schnell zu nerven und das limitierte Speichersystem kann trotz insgesamt moderaten Schwierigkeitsgrads schnell für Frust sorgen. Auch der Touchscreen wird lediglich für optionale Minispiele genutzt. Die Einbindung des Dualscreens weiß hingegen nach wie vor zu gefallen und auch die deutsche Lokalisierung verdient abermals Lob. Der Zahn der Zeit hat jedenfalls deutlich stärker an Dragon Quest VI genagt als beispielsweise an einem Final Fantasy IV oder Chrono Trigger. Trotzdem lohnt sich die liebevoll präsentierte Reise in die Vergangenheit, in der nicht nur Retro-Fans ein Stück Videospielgeschichte charmant aufbereitet nacherleben können.

Pro

  • duale Weltstruktur
  • flexibles Jobsystem
  • charmante Präsentation
  • unverwüstliches Spielprinzip

Kontra

  • mickrige Dungeons
  • mäßige Storyinszenierung
  • antiquiertes Kampfsystem

Wertung

NDS

Charmanter Rollenspielklassiker, der trotz Kämpfen im Sekundentakt mit interessanter Spielwelt und flexibler Charakterentwicklung bei Laune hält.