Panzer Corps - Test, Taktik & Strategie, PC

Panzer Corps
22.06.2011, Bodo Naser

Test: Panzer Corps

Eigentlich macht mir der Zweite Weltkrieg als Szenario keinen Spaß mehr. Es sei denn, es gäbe eine Neuauflage von Panzer General. Kann ich haben? Tatsächlich: Sie heißt nur Panzer Corps (ab 85,95€ bei kaufen) und kommt nicht von SSI, sondern von Lordz Game Studios. Ansonsten ändert sich zum Glück nichts. Also: Antreten zur Operation Kriegsgewinn!

Virtueller Blitzkrieg

Der Zweite Weltkrieg erwartet euch. Kannst du ihn gewinnen?

Was habe ich nicht alles besetzt? Polen, Norwegen, Frankreich. Nach einem kurzen Gastspiel auf dem Balkan, ging es dann an die Ostfront. Dort habe ich Smolensk und Kiew im Sturm genommen und stieß im Herbst 1941 sogar auf Moskau vor. Obwohl ich es nach zähem Kampf im Winter eroberte, war ich leider zu langsam, so dass ich 1942 wieder in den russischen Weiten antreten musste. Nach Sewastopol und Baku fiel schließlich sogar Stalingrad – von dort schlug ich einen Brückenkopf auf das andere Ufer der Wolga. Zum Glück geschah das alles nur virtuell, denn man mag sich gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn die Wehrmacht die Rote Armee tatsächlich besiegt hätte. Am Computer kann man das immerhin gefahrlos herausfinden, so dass man sogar gern in fremde Länder einrückt. Man kann den Zweiten Weltkrieg virtuell auch für die Wehrmacht gewinnen.

Ungewöhnlich: Das optisch an den ersten Teil von Panzer General erinnernde Panzer Corps zieht einen von der ersten Minute an richtig rein ins Kriegsgeschehen, so dass man nur schwer aufhören kann. Man denkt sich nur noch diese Runde, dieses Gefecht, diesen Panzer abschießen, die eine Stadt besetzen... Die Zeit verfliegt wie im Sauseschritt und Stunden sind vergangen, seit man sich an den Rechner gesetzt hat. So, Kursk gewinne ich auch noch und dann gehe ich aber ins Bett. Natürlich wird nix draus, da man zu lange braucht. Es klappt nicht und ich lande im Jahr 1944, als die Deutschen im Osten ganz schlechte Karten hatten. Ich muss es noch mal versuchen! Beim nächsten Krieg wird alles anders, wenn ich noch schneller bin: Mehr motorisierte Einheiten und Fallschirmspringer einsetzen, dann klappt es bestimmt in der Zeit. Schließlich will ich London einnehmen. Und Washington ruft auch noch! Einzig Rommel wäre enttäuscht, denn Afrika fehlt, obwohl es bei Panzer General vorkam.   

Motivierend bis Kriegsende

Man startet auf Seiten der Deutschen in Polen und spielt bis zum Schluss.

Wer Panzer General gar nicht kennt, dem sei das geniale Prinzip kurz beschrieben: Man kämpft in berühmten Schlachten des Zweiten Weltkriegs auf Seite der Deutschen, wobei man zunächst eine Truppe gestellt bekommt. Eine alliierte Kampagne gab es erst ab Allied General, sie fehlt auch bei Panzer Corps. Ab der zweiten Schlacht kann man dann aber selbst bestimmen, welche Einheiten man einsetzen will. Jede eingenommene Stadt bringt Prestige aufs Konto, mit dem man einkaufen kann. Es gibt Infanterie, Panzer und Geschütze, Jagdflieger, Stukas und strategische Bomber, Schlachtkreuzer, U-Boote und Flugzeugträger, die sich im Laufe der Zeit immer mehr verbessern. Am Anfang kämpft man mit dem leichten Panzer I und zum Schluss mit dem schweren Tiger II, was auch bitter nötig ist, denn auch der Feind wird immer besser. Die mit jedem Gefecht erfahrener werdenden Einheiten kann man nach jeder Schlacht mitnehmen und aufwerten. 

Die große Kampagne beginnt 1939 mit dem Einmarsch in Polen und zieht sich dann durch den ganzen Krieg bis Mai 1945. Der Spielverlauf ist aber nicht immer linear, denn wer sich anstrengt, darf zusätzliche Schlachten ausfechten, was besonders zum raschen Vorrücken motiviert. Grundsätzlich folgt zwar Schlacht auf Schlacht, aber wenn man schneller ist als die Vorgabe, wird man belohnt. So kommt nur nach Norwegen, wer in der ersten Schlacht alle Ziele rasch einnimmt. Schließlich ist es ja ein Blitzkrieg, was nur gelegentlich etwa vor Kursk mal zum verlustreichen Stellungskrieg mutiert. Die Krönung ist natürlich, wenn eine gewonnene Schlacht dorthin führt, wo in der Militärhistorie nie ein Gefecht stattgefunden hat - wie etwa in London, wenn man Frankreich flugs besetzt. Man hat es selbst in der Hand, sogar nach einer Niederlage geht’s weiter, bis man irgendwann Deutschland gegen die Alliierten verteidigt. So kann man auch später noch einsteigen, wie etwa zum Russlandfeldzug, in Kursk oder an der Westfront.   

Denken ist Gold

Auch in Russland gewinnt die Taktik. Nur wer den Raum nützt, fährt Siege ein.

So eingängig das Prinzip grundsätzlich sein mag, bei Panzer Corps gewinnt aber nur der, der die richtige Taktik fährt. Die Karten sind vom Ausmaß her mit Panzer General vergleichbar, was durchaus genug Platz für eigenes Vorgehen lässt. So kann man selbst entscheiden, wo man angreifen oder verteidigen möchte. Das Gelände bietet verschiedene Möglichkeiten wie Wald, Ebene oder Berge, wo es sich unterschiedlich gut kämpft. Infanterie fühlt sich im Wald wohl, während Panzer dort Probleme haben; Sümpfe sollte man meiden. Es gibt Brücken, die den Übergang über den Fluss erst ermöglichen, auch wenn die Einheiten genau im Moment der Überquerung verletzlich sind. Im Bachbett kann man dann auch einen russischen KW-2 Panzerkoloss knacken, der sonst immer ungeschoren davon kommt – bis auf die 8,8er Flak versteht sich.Immer wieder geht es um die Frage, ob man eine Stadt oder einen Flugplatz bis zum letzten verteidigt oder flexibler vorgeht. Es gibt Plätze, die für eine Verteidigung geeignet sind und welche, die man schnell verlassen sollte. Für die Defensive braucht man eine gute Besatzung, die sich am besten eingräbt. Gedeckt wird sie von einer Artillerie, die Feuerschutz gibt, wenn der Ort angriffen wird. Dazu braucht man Flugabwehr und zwei, drei Panzer oder Panzerjäger für die Flanken. Der Angreifer geht meistens nach einem festen Plan vor, um die Waffen richtig einzusetzen: Zuerst wird die Flugabwehr ausgeschaltet, um bei gutem Wetter bombardieren zu können. Dann wir mittels Luftangriffen und Kanonenbeschuss der Verteidiger ausgegraben, damit eigene Soldaten teils mit Flammenwerfern versuchen, in die Stadt zu gelangen. Denn ist der Verteidiger zu gut eingraben, steigt die Chance, dass er sich verlustreich wehrt.

Fähige KI

Die Alliierten kämpfen gut mit, weshalb man immer die neusten Waffen einsetzen sollte.

Die Computergeneräle halten gut dagegen bzw. gehen sogar selbst in die Offensive, je nachdem wie hart man die KI möchte. Es gibt fünf Schwierigkeitsstufen, die sich stilecht von Unteroffizier bis zum Feldmarschall ziehen. Bereits auf der mittleren Stufe starten die Gegner massive Angriffe, die einen ins Schwitzen bringen. Je nach Nation ist das mehr oder weniger bedrohlich, so dass man vor Polen weniger Angst haben muss, weil einfach die Waffen fehlen, als vor den Russen. Gerade einer Masse von Feindfahrzeugen gelingt immer wieder ein Durchbruch, der verheerend sein kann. Man sollte daher immer auch im Hinterland noch Reserve haben, die dann zur Not eingreifen können.

Eine Unart hat die KI: Sie stellt immer ihre ungeschützten Einheiten in Lastwagen direkt vor die Front, so dass man wertvolle Einheiten mit einen Schuss der Pak vernichten kann. Sie sollte die Gardetruppen oder Artillerie lieber abladen, da sie so Gegenwehr leisten können. Zudem nutzt der Computer fast nie die Einheiten zur Attacke, die als Stadtbesatzung agieren, obwohl es oft erfahrene Einheiten sind. Sie greifen noch nicht mal an, wenn man stark geschwächt mit nur noch zwei Lebensenergie direkt vor der Stadt lagert. Hier könnten die Feinde von der Computerfront etwas mehr Flexibilität zeigen.Welchen Panzer hätten sie gern?

Alle wichtigen Waffen des Weltkriegs sind dabei. Nur wer sie richtig kombiniert, erzielt einen Durchbruch.

Was unterscheidet einen deutschen Panzer III (eigentlich Panzerkraftwagen) der Ausführung M von einem N? Ganz einfach, der M hat die lange 5cm-Kanone, während der N die kurze 7,5cm-Stummelkanone hat. Das spielt sogar bei Panzer Corps eine Rolle, da die längere Kanone, obwohl vom Kaliber her geringer, eine höhere Durchschlagskraft besitzt. Mit ihr lassen sich harte Ziele also besser bekämpfen, weshalb der Tank im Spiel gegen diese eingesetzt werden sollte. So handelt es sich eigentlich um eine Verschlechterung, die sich aber dadurch erklärt, dass der Panzer III nach 1943 nicht mehr produziert wurde. Wer hier nur Bahnhof versteht, hat wohl als Kind nie Plastikbausätze der Panzer aus dem Zweiten Weltkrieg zusammengeklebt und bemalt.

Die Waffen sind zeitgenössisch und haben ihre Stärken und Schwächen. Die Übereinheit gibt es nicht, wenn man mal von Josef Stalin 2, Messerschmidt 262 oder den Riesengeschützen absieht, die kaum kaputt zu kriegen sind. Die Detailtreue der Macher geht sogar so weit, dass man Waffen-SS-Truppen als Belohnung für einen Sieg bekommt, was nicht jedermanns Geschmack sein dürfte. Ob man die  Soldaten und Panzer mit gescheckter Tarnung einsetzt, hängt vom persönlichen Geschmack ab, immerhin sind es Eliteeinheiten, die man nicht kaufen kann. Auch sonst werden die Truppen immer erfahrener und bekommen Auszeichnungen, etwa wenn sie fünf Flieger auf einmal abschießen. Das sind dann nach unzähligen Schlachten gestandene Veteranen mit Eisernem Kreuz, die einem aber nicht sonderlich ans Herz wachsen, weil das Spiel dafür zu nüchtern ist.     

Gut integrierter Multiplayer

Auch zu mehreren machen die Schlachten Spaß, wo neue Karten hinzukommen.

Neben dem guten alten Hotseat-Modus, bei dem man zu zweit an einem Rechner spielen kann, gibt es auch die Möglichkeit übers Internet zu spielen. Hierbei handelt es sich um eine Art von E-Mail-Spiel, das aber richtig eingebunden ist – weit besser als zuletzt bei Pride of Nations. Hier ist alles schon vorbereitet: Im eigenen Menü kann man Partien annehmen oder selber welche initiieren, was kinderleicht geht. Dafür stehen neben den Schlachten des Singleplayers eigene Multiplayer-Schlachten zur Verfügung, die besonders ausgeglichen sind, damit auch jeder eine Siegchance hat. Hier entbrennen besonders heiße Gefechte, die auch deshalb spannend sind, da es neue Karten wie Nordatlantik gibt. Auch kann man mit italienischen Panzern versuchen, den russischen Bären aufzuhalten. Mittels des Editors lassen sich weitere Szenarios machen.  

Einen simultanen Multiplayer gibt es derzeit zwar nicht, aber wenn man gegen jemand spielt, der immer gleich seinen Zug macht, ist es fast so. Das ist freilich nur der Idealfall, denn meist bekommt nur alle paar Stunden oder gar täglich Post vom Gegenspieler. Man hat so aber dann immer genug Zeit, um seinen Zug in Ruhe planen zu können, was auch nötig ist, denn die Multiplayer-Karten sind nicht gerade klein und man kann oft auch noch Truppen zukaufen. Mitspieler aus aller Herren Länder sind eigentlich fast rund um die Uhr zu finden – auch jetzt schon, da das Spiel noch in der finalen Betaphase steckt. Nach Release dürfte das noch zunehmen, so dass für die Zukunft des MP gesorgt scheint.            

Fazit

Ich hätte nicht gedacht, dass mir der Zweite Weltkrieg nochmal so viel Spaß macht! Panzer Corps ist eine unheimlich gute Neuauflage des alten SSI-Klassikers Panzer General. Man fühlt sich sofort wieder zu Hause – sogar die nüchterne Kulisse scheint dieselbe zu sein, auch wenn die Fahrzeuge neu gemacht sind. Aber die Hex-Schlachtfelder, die taktisch fordernden Gefechte und die angenehm motivierende Weltkriegs-Kampagne – all das erinnert an alte Zeiten. Ob des einfachen Prinzips ist das Runden-Strategiespiel auch für Neulinge geeignet, da man sich schrittweise steigert. Nur die Kombination der richtigen Waffen führt zum Sieg, der einen immer weiter Richtung Moskau, London oder Washington bringt. Man spielt seinen eigenen Weltkrieg durch, der je nach taktischem Können anders läuft als in der Realität, was enorm motiviert. Ärgerlich ist lediglich, dass die KI manchmal etwas unflexibel auf eigene Schwächen reagiert. Und schade ist, dass das Afrikakorps sowie eine alliierte Kampagne fehlen. Zudem hat sich das Spiel gegenüber dem Klassiker kaum entwickelt, aber das ist genau das, was mich reizt, weil heutzutage kaum eine Rundenstrategie an diese Komplexität und Detailtreue heran kommt. Diese Einfachheit gepaart mit Komplexität sorgt auch im Multiplayer für spannende Unterhaltung.     

Pro

  • anspruchsvolle Strategie à la Panzer General
  • historische Kampagne und Schlachten
  • motivierender Erfahrungsgewinn mit Orden
  • aggressive und meist clevere KI
  • alternativer Kriegsverlauf möglich
  • effiziente Kombination der Waffengattungen
  • gut recherchierte Einheiten
  • Online-Modus mit speziellen Schlachten

Kontra

  • wenig Entwicklung gegenüber Panzer General
  • KI reagiert manchmal unflexibel

Wertung

PC

Eine rundum gelungene und süchtig machende Neuauflage von Panzer General - taktisch, komplex, sehr gut!