Insanely Twisted Shadow Planet - Test, Arcade-Action, 360, PC

Insanely Twisted Shadow Planet
04.08.2011, Paul Kautz

Test: Insanely Twisted Shadow Planet

Den Sommer, die traditionelle Saure Gurken-Jahreszeit der Spielebranche, behält sich Microsoft seit einigen Jahren für seine heimlichen Arcade-Highlights vor - im »Summer of Arcade« erscheinen gewöhnlich sehr ungewöhnliche, teilweise auch ungewöhnlich gute Zeitvertreibe. Und »ungewöhnlich« trifft auf Insanely Twisted Shadow Planet (ab 2,59€ bei kaufen) auf jeden Fall zu, nicht nur aufgrund des Namens...

Viele Spiele wollen eine epische Geschichte erzählen, nur die wenigsten schaffen das. Insanely Twisted Shadow Planet (ITSP) nimmt von derlei Ambitionen von vornherein Abstand: Ein cooles, von »Mars Attacks!«-kompatibler Ramtamtam-Musik (die den Federn der norwegischen Black Metal-Band Dimmu Borgir und dem Prager Philharmonieorchester entspringt) untermaltes Intro leitet das Spiel ein, viel mehr Geschichte als hier angedeutet gibt es nicht. Was muss man wissen? Man steuert ein UFO durch eine bizarre Scherenschnitt-Welt, in der alles erstmal fremd und potenziell gefährlich ist.

Ein Spiel weniger Worte

Das Metroid-Prinzip gehört zu den Klassikern der Spielebranche, auch wenn es außerhalb der Namen gebenden Serie sowie neueren Castlevanias nur selten zitiert wird. Das vor zwei Jahren ebenfalls im Rahmen von Microsofts Sommerspaß erschienene Shadow Complex war eine klare Verbeugung vor dem Vorbild, ITSP ist es ebenfalls: Die Welt ist im Großen und Ganzen von Anfang an offen, man kann allerdings bestimmte Bereiche erst befliegen, wenn man die dafür benötigten Werkzeuge erhält. In diesem Falle sind das keine Ballbomben oder Gefrierstrahlen, sondern ein im Stile von 50er Jahre-Panikfilmen »Pew!« machender Laser, ein Greifarm, ein Traktorstrahl oder eine Kreissäge - neun Helferlein sind es insgesamt, von denen man sich vier zum schnellen Zugriff auf die Digiknöpfe legen darf. Allerdings muss man später des Öfteren schnell zwischen mehreren Werkzeugen wechseln, was außerhalb der Knöpfe über ein etwas fummelig zu bedienendes Ringmenü erledigt werden muss.

Diese Gerätschaften dienen in erster Linie dem Weiterkommen: Mit der Kreissäge raspelt man störendes Felswerk von dannen, mit der Rakete werden Blockaden gesprengt. Die meisten Tools lassen sich mit etwas Kreativität aber auch als Waffe benutzen - auch wenn das Kämpfen nur die zweite Geige spielt; die Suche nach dem richtigen Weg zum Weiterkommen ist das Hauptziel des Spiels.

Wie weit man schon ist und wo es potenziell weitergeht, kann man auf der jederzeit einsehbaren Übersichtskarte nachverfolgen - wie bei Metroid wird diese nach und nach aufgedeckt. ITSP ist zwar innerhalb der einzelnen Abschnitte offen, aber es gibt immer nur einen Weg, um weiter zu kommen; Shadow Complex war in dieser Hinsicht flexibler. Nichtsdestotrotz gibt es auch hier innerhalb der Welten sehr viele Kopfnüsse: Oft sieht man ein verführerisch aussehendes Extra (wie ein Laser-Upgrade oder freispielbares Artwork) in der Nähe funkeln, aber der direkte Weg führt natürlich nur selten zu diesem Ziel. Es gibt nur wenige Hinweise zum weiteren Vorgehen, was zwangsläufig zu viel Ausprobieren führt. Eine große Hilfe ist in dieser Hinsicht der Scanner, den man von Anfang an zur Verfügung hat: Mit dem kann man jedes interessante Objekt anfunzeln, woraufhin einem stilisiert gezeigt wird, was man damit machen kann - ist es ein Feind, kann man es tragen, sollte man es mit Raketen sprengen?

Wo bin ich?

Letzteres mag bei Standard-Gegnern meist funktionieren, spätestens bei den regelmäßig auftauchenden Bossgegnern ist man damit aber meist aufgeschmissen: Mal versucht eine Riesenspinne, den Spieler einzusagen, mal wird mal von einem gigantischen Bohrer an den Spielfeldrand gedrängt, mal muss man die Schallwellen einer bizarren Maschine gegen sie selbst nutzen - Köpfchen und Beobachtung der Angriffsmuster sind gefragt!

Neun verschiedene Werkzeuge bekommt man im Laufe des Spiels, u.a. den extrem wichtigen, wenn auch etwas fummelig zu bedienenden Greifarm.

Wie bei Metroid sind auch hier die einzelnen Welten stilistisch sehr verschieden: Flüssig wechselt man zwischen Industrie-Zonen, Eis- und Kristallwelten oder Unterwasser-Abschnitten, in denen man durch wilde Strömungen vom Weg abkommt und in denen anmutig blubbernde Quallen und Fische treiben. »Anmutig« ist generell das richtige Adjektiv für die Präsentation: Der wunderbar minimalistische Scherenschnitt-Stil, die edlen Animationen (größtenteils aus der Hand von Cartoon-Größe Michel Gagné ), das herrlich kreative Gegner-Design - Style, hier bist du spielbar! Wer seine Freude an ungewöhnlichen Kunstwerken wie Limbo oder Outland hatte, wird hier juchzend vor dem Fernseher sitzen!

Das Speichersystem ist sehr fair, an allen Ecken und Enden und vor jeder größeren Herausforderung wird der Spielstand automatisch gesichert. Gewinnen die Feinde mal die Oberhand, wird man zum letzten Checkpunkt versetzt, ein Game Over gibt es nicht.

Ich flieg mit meiner Laterne...

Und das nicht mal zwangsläufig allein, denn neben der nur für Solisten spielbaren Kampagne bietet ITSW auch einen Mehrspielermodus: »Lantern Run« bietet Platz für bis zu vier UFO-Helden, sowohl off- als auch online. Jeder bekommt eine der dem Titel entspringenden Laternen an den Greifarm - und los geht's! Man muss so schnell wie möglich von links nach rechts preschen, immer auf der Flucht vor teuflischen Tentakeln aus der Dunkelheit, die einen unbarmherzig verfolgen. Es gibt kein Ziel, man muss nur so lange wie möglich mit der Laterne im Gepäck entkommen. Aber einfach nur Fliegen wäre zu einfach, weswegen massig Hindernisse das Vorwärtskommen erschweren. So muss man die Funzel immer wieder fallen lassen, um kleinere Gegner zu bekämpfen oder Steine aus dem Weg zu räumen. Verlischt das letzte Licht oder sind alle vier Spieler gefallen, ist das Ganze auch schon vorbei - und der Puls darf wieder in normale Regionen sinken.

Fazit

War das vorletzte Woche veröffentlichte Bastion die große Labertasche des diesjährigen Summer of Arcade, ist ITSP der Stummfilm: Stylische Scherenschnitte, kein einziges Wort oder Text, behutsam eingesetzte Soundeffekte - in Sachen Präsentation gehen die Entwickler sehr elegante Wege. Vom Spiel kann man das nicht behaupten, denn hier stand überdeutlich die Metroid-Serie Pate, auch Another World wird zitiert. Grafisch geht's in die Richtung von Limbo, spielerisch folgt man Shadow Complex. Es steht sehr viel Erkundung auf dem Tagesplan, sehr viel Ausprobieren und manchmal eine Portion Frust. Im Großen und Ganzen ist das Spiel der offenen Welt zum Trotz sehr straff designt, selbst bei gemütlicher Spielweise dürfte man nicht sehr viel länger als sechs Stunden brauchen. Danach gibt es aber noch den witzigen, angenehm hektischen Mehrspielermodus.

Pro

  • abgefahrenes, minimalistisches Grafikdesign
  • exzellente Animationen
  • umfangreiche, größtenteils frei erkundbare Welt
  • sehr viel Erforschung
  • unterhaltsamer, anspruchsvoller Mehrspielermodus

Kontra

  • verhältnismäßig kurz
  • recht einfache Kampagne
  • gelegentlich fummelige Steuerung

Wertung

360

Einzigartige Präsentation, unterhaltsames Spielprinzip - das Ganze ist allerdings ziemlich schnell vorbei.