BloodRayne: Betrayal - Test, Action-Adventure, 360, PlayStation3

BloodRayne: Betrayal
14.09.2011, Paul Kautz

Test: BloodRayne: Betrayal

Sieben Jahre ist das letzte Abenteuer der Dhampirin Rayne her, die danach folgenden Sinnesvergewaltigungen seitens Uwe Boll haben nie existiert. Jetzt ist der bissige Rotschopf wieder da, hat seinen Look und die Klamottenwahl überdacht, ist aber unverändert auf der Suche nach seinem mistigen Vater. Und hat den Blutsaugertrick immer noch ziemlich gut drauf.

Ich mag WayForward im Großen und Ganzen wirklich sehr; Contra 4, A Boy and His Blob sowie Shantae: Risky's Revenge sind exzellente Spiele - die aber, genau wie BloodRayne: Betrayal (BRB), nur zum Teil ihren Weg nach Deutschland finden. Warum? Im Falle des Schlitzfrolleins kann das kaum an der Gewalt liegen. Klar geht es blutig zur Sache, wenn Rayne ihre Armklingen sprechen lässt, aber zum einen passiert das Ganze in 2D, zum anderen ist das Gezeigte im Vergleich zu Spielen wie der Dishwasher-Serie ziemlich harmlos. Trotzdem findet sich das Spiel nicht auf dem deutschen Xbox 360-Marktplatz - merkwürdig.

Vorsicht, bissig!

Aber gut, wenden wir uns dem Spiel zu: Da steht Madam Rayne im Hauptmenü, atmet schwer vor sich hin, während hochwertige Klaviermusik angemessen dramatisch aufs Spiel einstimmt. Ein Druck auf die Start-Taste, keine Wahl des Schwierigkeitsgrades, stattdessen ein Schlitz-Stakkato: Zack, zack, zack - da fallen die lächerlichen Emporkömmlinge wie die Fliegen zu Raynes Füßen, die Armschwerter leisten gut geschliffene Arbeit. Kassiert Frollein Dhampir einen Treffer oder zwei, betäubt sie einen Feind und stößt ihm anschließend ihre beachtlich spitzen Beißerchen in den Nacken - schon ist die Lebensenergie wieder im Haus. Besonders garstig ist die Taktik, einen Feind nur anzubeißen, woraufhin er als lebende Blutbombe vor sich her wankt. Einen Knopfdruck später explodiert er in einem roten Schwall und reißt idealerweise ein paar seiner bedauernswerten Kollegen mit in den Untod. Auf Distanz wirkt auch ein Schuss aus der mickrig munitionierten Magnum Wunder, außerdem kann Rayne auf Knopfdruck einen flotten Sprint einlegen, während dessen sie zwar nicht angreifen, aber auch nicht angegriffen werden kann. Alles Paletti, schöner 2D-Schlitzspaß, Gold-Award gezückt, wir können nach Hause gehen?

BRB ist in erster Linie eines: Ein Test der persönlichen Frusttoleranz.  MegaMan 9 & 10, Hard Corps: Uprising, Castlevania: The Dracula X Chronicles, Contra 4 - ich habe sie alle irgendwie überlebt. Aber BloodRayne hat mich an die Grenze des Wahnsinns getrieben: Da schlitzt man gefühlte 800 Gegner nieder, während man von der Seite verhöhnt wird, trifft nach diesen aufreibenden Minuten auf den großmäuligen Bossgegner, wird von dem zu Klump gehauen - und muss alles noch mal von vorn machen! Da wird man von einer gigantischen Kreissäge verfolgt, muss sich von Stockwerk zu Stockwerk und von Plattform zu Plattform kämpfen, wobei Letztere immer kleiner und immer beweglicher werden - ein Fehlsprung, alles noch mal von vorn! Wäre ja alles kein Problem, wenn ich das Gefühl hätte, dass ich tatsächlich die Kontrolle darüber hätte, wann ich einen Fehler mache. Das habe ich hier nicht. Und das liegt am Animationssystem von BRB.

Nicht... ganz.

Viele der Geschicklichkeitseinlagen sind von Wahnsinnigen für Wahnsinnige gemacht.
Das Problem ist, dass die (sehr guten) Animationen unabhängig von Pad-Eingaben zuende gespielt werden: Man will eine schnelle Aktion ausführen, kann das aber nicht, weil gerade die Dash-Animation abgespult wird. Klar handelt es sich dabei nur um Sekundenbruchteile, aber die machen hier den Unterschied zwischen Weiterkommen und Ladebildschirm. Das ist unheimlich frustrierend, weil man dadurch quasi zum Zuschauer seiner eigenen Leidensgeschichte wird. Gerade dadurch, dass das Spieldesign so extrem starken Wert auf nahezu pixelperfekte Geschicklichkeitseinlagen legt, ist es mir komplett unverständlich, wie man im gleichen Atemzug die Steuerung derart träge zurücklassen konnte. Zwar ist es gut, dass man unendlich viele Leben hat und nach dem Ableben schnell wieder im Spiel ist, aber derartige Designideen (oder dass man auch am Boden liegend noch Treffer kassiert) sind der Grund für Gamepad-förmige Löcher in den Wänden dieser Welt.

Wer die bisherige Arbeit von WayForward kennt, der weiß, dass BRB ein sehr gut aussehendes 2D-Spiel sein muss: Stimmt, ist ein sehr gut aussehendes 2D-Spiel! Die Grafiker haben sich dieses Mal in Sachen Palettenvielfalt allerdings eingeschränkt; die Welt von BloodRayne ist in erster Linie düster - abgesehen von jeder Menge Rot, natürlich. Diese Beschränkung hat Vor- und Nachteile: Der Vorteil ist, dass das Ganze sehr stilvoll wirkt, es gibt coole Silhouettenspielereien, die ein wenig an die Schwarz-Weiß-Szene aus Kill Bill erinnern. Der Nachteil ist, dass es des Öfteren schwer ist, die Dinge zu unterscheiden - so latscht man immer wieder mal in eine Gasfalle, ohne dass man sie gut erkennen konnte.

Fazit

BloodRayne - früher ein Spaß für Blutsaugerfans mit High Heel-Fetisch, danach ein Trashfest für Boll-Jünger, jetzt  Frustgrenzenauslotung für Masochisten. So sehr ich WayForward auch normalerweise dafür liebe, dass sie als eine der wenigen Entwicklerfirmen noch das heilige Zepter der 2D-Grafik würdevoll in die Lüfte recken, so sehr sind sie in diesem Fall übers Ziel des Oldschool-Anspruches hinaus geschossen. Die Präsentation ist über weite Teile exzellent, gerade Rayne ist hervorragend animiert - aber just diese Pixelfreude entpuppt sich als Spielspaßhemmer, wenn nämlich Animationen bis zum Schluss abgespult werden müssen, während man selbst auf das Pad hämmert und keine Reaktion bekommt. Kombiniert man das mit teilweise völlig wahnwitzigen Geschicklichkeitsprüfungen und furchtbar platzierten Checkpunkten, erhält man ein Spiel, das unter der fabelhaften Hülle leider viel mehr frustriert als fasziniert. Sehr schade darum.

Pro

  • stilvolles Grafikdesign
  • abwechslungsreiche Szenarien
  • interessantes Kampfsystem

Kontra

  • höllischer Schwierigkeitsgrad
  • träge Steuerung
  • teilweise sehr frustrierende Geschicklichkeitseinlagen
  • gelegentlich sehr unübersichtlich

Wertung

360

Dieser Vampirbraut fehlt der Biss: Sieht super aus, ist aber eine fiese Zicke.