TrackMania 2 - Test, Rennspiel, PC

TrackMania 2
23.09.2011, Benjamin Schmädig

Test: TrackMania 2

Als Sony einen gigantischen Bastel- und Tauschmarkt namens LittleBigPlanet vorstellte, war das Prinzip Eigenbau eigentlich längst kalter Kaffee. Denn PC-Raser donnerten zu diesem Zeitpunkt schon seit Jahren durch eigene und von Mitspielern gebaute Levels. Eine punktgenaue Steuerung und der einzigartige Editor machten es möglich. Nach einigen Erweiterungen legt TrackMania jetzt endlich nach und geht in die offizielle zweite Runde...

Wo soll ich anfangen, das zweite TrackMania zu beschreiben? Bei der großartigen Community, die wie ein Schwarm fleißiger Arbeitsbienen einfallsreiche Strecken erschafft? Bei dem umfangreichen Baukasten, der aus wenigen Handgriffen Asphaltkunst macht? Bei den rasanten Onlinerennen, dem spannenden Gerangel in weltweiten Ranglisten, dem packenden Kampf um die Bestzeit auf der Strecke?

Aller Anfang....

Denn darin lag für Entwickler Nadeo die Crux: Wie sollte er etwas fast Perfektes noch besser machen? Eine Antwort hat man scheinbar nicht gefunden. Selbstverständlich erkennt man an der deutlich schöneren Kulisse, dass TrackMania jetzt eine Zwei im Namen hat: Mit einer sagenhaften Geschwindigkeit katapultiert man sich an den namengebenden Canyons vorbei, donnert durch enge Tunnel und schlittert über riesige Steinmauern. Je nach Tageszeit erlebt man stimmungsvolle Dämmerungen, High Noon oder atmosphärische Nachtrennen. Und obwohl man die gesamte Zeit in der einen felsigen Kulisse unterwegs ist, bestehen die Strecken aus gerade so vielen Bauteilen, dass man keine Ermüdungserscheinungen spürt. Die Abwechslung von Highways über Stadionelemente bis hin zu einer Art Landstraße reicht auf lange Sicht aus.

Oder dabei, dass all das genau so schon auf den Vorgänger zutraf?

Dennoch hält TrackMania 2 einem Vergleich mit der All-Inclusive-Kiste TrackMania United nicht stand. Natürlich war United nur eine Sammelbox sämtlicher Erweiterungen des Vorgängers und damit klar im Vorteil. Trotzdem muss man fragen: Wofür braucht man den Canyon-Nachfolger, wenn er inhaltlich lediglich eine weitere Umgebung einführt?

Abrieb-Raser

Eine Antwort könnte die neue Fahrphysik sein, mit der Nadeo ähnlich wie auf der grafischen Seiten einen Schritt nach vorne macht. Als heimliche Rennfahrerseele ist mir das schnurgerade Verhalten der Nations-Boliden zwar lieber - die Präzision, mit der man hier über den Asphalt schlittert, verdient allerdings Respekt. Selbst Ridge Racer könnte sich davon eine dicke Scheibe abschneiden, weil die Mechanik auf nachvollziehbarer Physik basiert und trotzdem haarsträubende Ideallinien bei wahnwitzigen Geschwindigkeiten erlaubt. Wie in jeder TrackMania-Umgebung gibt es dabei genau einen Wagen: Den darf man zwar nach Lust und Laune lackieren und mit Logos bekleben - Modder verändern gar die Form -, das Fahrverhalten bleibt aber unangetastet. Richtig so, denn die Vergleichbarkeit von Bestzeiten hat nach wie vor höchste Priorität.

Denn im spielerischen Vordergrund steht das Zeitfahren. Ob man im Alleingang die erfreulich zahlreichen Herausforderungen angeht oder im Onlinerennen startet, ob man einfach nur vom Start ins Ziel fahren oder eine bestimmte Anzahl Runden absolvieren muss: Weil es noch immer keine Kollisionsabfrage gibt, zählt nur das Meistern der Streckenführung. Kontrahenten darf man sogar einfach ausblenden. Schade, dass Nadeo so vehement auf dem Kollisionsfrei-Credo beharrt. Was hätten „echte“ Wettrennen als zusätzliche Variante denn geschadet?

Fokus

Selbstverständlich ist der Wettlauf gegen die Zeit weiterhin unverschämt spannend! Das liegt nicht nur am Onlinekampf, in dem man mit jedem Rennen um einen Rang in der Gesamtwertung des aktuellen Servers fährt. Es liegt auch an den Solo-Herausforderungen, die mit ihrem Medaillensystem ein überzeugendes Wettkampfgefühl erzeugen. So muss man zunächst im Training die Zeit für eine Goldmedaille erreichen – dann erst darf man im offiziellen Wertungslauf antreten. Teil eins ist auf einigen der fortgeschrittenen Kurse schon schwierig genug! So richtig spannend wird es aber erst im offiziellen Rennen, denn ein solches darf man nur aller fünf Minuten angehen. Zwischendurch wird nur trainiert. Auf diesem Weg schafft es TrackMania 2, die knisternde Spannung der Qualifikationsrunden realer Rennwochenenden einzufangen. Denn auch wenn Vielspieler natürlich auf etliche Versuche kommen, ist da ein paar Sekunden lang immer die Notwendigkeit höchster Konzentration.

Zeitrennen statt echter Wettläufe: TrackMania setzt ausschließlich auf Altbewährtes. Neue Einfälle gibt es kaum.
Dieses System gefällt mir sogar besser als das tolle United-Prinzip.

Weltweite Ranglisten halten Fortschritte und Misserfolge selbstverständlich gnadenlos fest - das kann besonders bitter sein, wenn man als Mitglied einer Gruppe fährt. Denn auch innerhalb der Gruppen geht es um Platzierungen und die besten Freunde sind bekanntlich die fiesesten Gewinner! Zusätzlich sortiert  TrackMania 2 seine Piloten entsprechend ihres Landes und ihrer Stadt. Aber ja: Auch das gab es schon.

Selbst das Herzstück des Spiels, der fantastische Editor, lässt sich jetzt leichter bedienen - bietet im Kern aber nichts Neues. Da sind immer noch verschiedene Kurven, ein gigantischer Looping, Tunnel... alles Elemente, die schon aufgezählt wurden. Weil sich der Umfang eben in Grenzen hält und weil echte Änderungen fehlen. Man kann Straßen an Felswänden montieren - cool! Man darf sie aber nur innerhalb einer bestimmten Höhenlage bauen, was die kreativen Möglichkeiten einschränkt. Und wieso gibt es keine beweglichen Streckenteile? Weshalb darf man nicht durch flaches Wasser rasen? Warum hat sich TrackMania in acht Jahren kaum verändert? Trotz der vielen Bauteile erstellt man im Canyon letztendlich die gleichen Streckenführungen, die man schon in den anderen Umgebungen gebaut hat.

Herz. Und Seele?

So gut man die eigenen Werke im Onlinespiel verwenden kann, indem man einfach einen Server mit den gewünschten Strecken öffnet, so unverständlich ist es zudem, dass es keinen Marktplatz für erstellte Inhalte gibt. TrackMania ist das LittleBigPlanet der Rennfahrer und hat in Ubisoft einen starken Partner - trotzdem verzichtet Nadeo auf einen solchen Service. Und so fantastisch der Parcourbaukasten, so sperrig ist der Fahrzeugeditor: Wo Photoshop-Laien in Forza fantastische Vehikel bekleben, müssen sie hier auf die Kreationen von Experten zurückgreifen. Überhaupt wird Komfort bei Nadeo scheinbar klein geschrieben, denn die Menüführung ist mit ihren kleinen Text-Stichpunkten wie schon im Vorgänger zumindest eine Idee zu unhandlich.

Ein unbedeutendes Detail - das die Ermüdung der Serie allerdings perfekt unterstreicht.

Fazit

Warum ich nach wie vor begeistert den Bestzeiten hinterher rase? Weil TrackMania in ganzen acht Jahren nichts von seinem Charme verloren hat. Das Erstellen eigener Strecken, der sekundenkurze Weg von der Idee zur Schikane ist ungeschlagen. Und betrachtet man TrackMania 2 als Einzelkind, ist die Vielfalt unter den Streckenelementen bemerkenswert! Auf der Testfahrt schlittert man schließlich im atemberaubenden Tempo haarscharf an Abgründen vorbei, verliert aber nie die Kontrolle über den Wagen. Das ist Arcade-Rennsport par excellence! TrackMania 2 ist aber kein Einzelkind. Es ist der jüngste Spross einer Serie, die sich seit ihrer Entstehung kaum verändert hat. Canyon sieht schöner aus und verbessert am Detail - entwickelt sich inhaltlich aber nicht weiter. Ganz dringend fehlt ihm die Zusammenführung der bastelnden Community direkt im Spiel. Alles andere ist nach LittleBigPlanet auch am PC nicht zeitgemäß. Ihm fehlen einfallsreiche neue Elemente im Streckenbaukasten, ein guter Fahrzeugeditor und endlich eine Kollisionsabfrage für Wettrennen ohne Geisterfahrer. Ihm fehlt ein echter zweiter Teil.

Pro

  • umfangreicher Streckeneditor
  • nahtlose Einbindung der Mehrspieler-Rennen
  • zahlreiche Solo-Herausforderungen
  • wettbewerbsähnliches Qualifikationsfahren
  • verschiedene Rennvarianten
  • präzises, direktes Fahrverhalten
  • ultraschnelle Geschwindigkeiten
  • Fahrzeugeditor

Kontra

  • keine wesentlichen Neuerungen
  • Streckeneditor mit weitestgehend bekannten Elementen
  • Strecken können nicht direkt im Spiel online getauscht werden
  • keine Wettläufe mit Kollisionsabfrage
  • Fahrzeugeditor ist vergleichsweise eingeschränkt und unhandlich

Wertung

PC

Schönere Grafik und eine neue Fahrphysik: TrackMania entwickelt sich vorsichtig weiter. Für einen echten zweiten Teil fehlen allerdings wichtige inhaltliche Neuerungen.