Sesamstrasse: Es war einmal ein Monster - Test, Musik & Party, 360

Sesamstrasse: Es war einmal ein Monster
21.10.2011, Mathias Oertel

Test: Sesamstrasse: Es war einmal ein Monster

Was haben Jack Black und das rote Knuddelmonster Elmo gemeinsam? Richtig: Sie haben zusammen zwei Auftritte in der amerikanischen Ausgabe der Sesamstraße hingelegt. Doch was verbindet die beiden noch? Ein gewisser Tim Schafer. Mit Jack Black in der Hauptrolle hat er das Rockepos Brütal Legend auf die Beine gestellt. Jetzt inszeniert er ein Spiel mit Grobi, Oscar und dem Krümelmonster.

Fast jedes Kind in Deutschland weiß etwas mit diesen Worten anzufangen und kennt die Figuren Ernie, Bert, Bibo oder das Krümelmonster. Der Sesamstraßen-Titelsong begleitet die Heranwachsenden bereits seit 1973, wobei die Puppen von Jim Henson in den USA bereits 1969 Premiere feierten.

"Wieso? Weshalb? Warum?"

Angesichts der ungebrochenen Popularität ist es höchst erstaunlich, dass die sympathischen Figuren abseits von Lernsoftware nahezu keine Rolle spielen, wenn es um interaktive Unterhaltung geht. Zumindest bislang, denn nachdem Nintendo das Altersspektrum der Spieler sowohl nach oben als auch nach unten erweiterte und Microsoft mit Kinect eine controllerloser Steuerung anbietet, scheint die Zeit nun reif für ein richtiges Sesamstraßen-Spiel zu sein.

Doch es braucht schon einen wahren Querkopf, der stur genug ist, ein Konzept um ein absolut kindgerechtes Spiel durchzuziehen - noch dazu, wenn mit der Sesamstraße die wohl mächtigste Lizenz aufgerufen wird, wenn es um Unterhaltung für die Kleinen geht.  Und dass Tim Schafer auch gerne mal gegen den Strom schwimmt, ist ebenso bekannt wie sein Ausnahmetalent. Hat er sich hier vielleicht übernommen?

Natürlich habe ich die sechs Episoden des in Fell verpackten Buches „Es war einmal ein Monster“ nicht alleine gespielt, sondern mir kompetente Hilfe besorgt. Nachdem das jüngste (und Elmo vollkommen verfallene) Mitglied der Familie meist nur mit Wii, den Kinectimals oder Dance Central vor dem Bildschirm vergnügen durfte, war sie hellauf begeistert, mich beim Test unterstützen zu können und mit Elmo, Krümelmonster, Grobi und Oscar auf Abenteuerreise zu gehen. So begeistert, dass ich irgendwann nur noch zum Helferlein degradiert wurde, das nur dann eingreifen durfte, wenn die im Großen und Ganzen gut reagierende Kinect-Steuerung einen ihrer wenigen Aussetzer zeigte. Diese führten jedoch schnell zu Frust vor dem Schirm führte, da die Bewegung eigentlich den Vorgaben entsprechend umgesetzt wurde, man aber kein Feedback bekommt, wieso dies oder jenes nicht akkurat gewertet wurde.

"Wer nicht fragt, bleibt dumm."

Das gab mir jedoch Gelegenheit, Konzept und vor allem Auswirkung gut zu beobachten. Und so sehr es mich persönlich nervte, dass mir (bzw. dem Spieler) nicht gesagt wird, was falsch gemacht wurde, so sehr macht es deutlich, dass die virtuellen Sesamstraßen-Figuren für die gleichen Werte und pädagogischen Normen stehen wie das Konzept der echten Serie.

Die sechs Episoden bieten ein breites Spektrum an kindgerechten Emotionen, ohne die jungen Spieler zu überfordern.
Hier wird man nicht bestraft, wenn man etwas falsch macht, sondern gelobt, wenn man etwas richtig macht. So wird natürlich der Fokus auf die positiven Erlebnisse gelegt, während der Frust minimiert wird. Andererseits jedoch hat man hier abermals keinen Schimmer, wieso im Zweifelsfall etwas schief läuft - auch nicht als beobachtendes Elternteil, das regulierend eingreift oder parallel mitspielt - hier wäre konstruktive Kritik durchaus wünschenswert, zumal dies nicht den Sesasmtraßen-Richtlinien widersprechen dürfte. Da die Kleinen jedoch nie scheitern können, sondern höchstens die maximale Sternenanzahl als Belohnung verpassen, bleibt für diese unter dem Strich ein positives Spielgefühl.

Und noch etwas ist mir aufgefallen: Ich habe mich immer wieder ertappt, wie ich bei den Dialogen und der mit viel Hingabe designten Kulisse lächeln musste. Der Charme, der von den Figuren seit gut 40 Jahren ausgeht, zieht (bei mir) noch immer und ist ein weiteres Indiz dafür, wie gut Schafer und seine Mannen die Sesamstraßen-Essenz auch bei der Gestaltung der neuen Figuren erfasst haben. Das beginnt beim Intro-Clip, bei dem Elmo und Krümel "live" agieren, bevor es mit ihren virtuellen Zwillingen direkt in die Geschichten und Minispiele geht. Das geht weiter bei der direkten Kommunikation, die in beide Richtungen geht: Die Monster auf dem Bildschirm sprechen direkt mit den Spielern vor dem Schirm und man hat ab und an Gelegenheit, über das Mikrofon in die Szene einzugreifen. Und das alles ohne Zeit- und Leistungsdruck für die Knirpse - schön!

"Tausend tolle Sachen, die gibt es überall zu sehen!"

Die Minispiele bieten einiges an Unterhaltung: Hier muss man flattern, um an einem Baum hochzufliegen, während man durch Beugen nach rechts oder links Früchte einsammelt. Dort reitet man auf einem Monster, das traurig ist, weil niemand zu seiner Geburtstagsfeier gekommen ist, durch einen Wald und muss Luftschlangen finden. Dort wartet ein Rhythmusspiel, hier zieht man Monstern Kostüme an, an anderer Stelle wartet ein Wurfwettbewerb oder eine Variante von "Ochs vorm Berg". Und natürlich gibt es auch den obligatorischen Tanz vor dem Sensor. Insgesamt ein abwechslungsreiches Programm, das mit erhöhtem und weniger kindgerechten Anforderungsgrad auch in Minispielsammlungen für ältere Zocker auftauchen könnte. Gelegentlich dauert ein Abstecher in die Sesamstraße allerdings einen Tick zu lang. Zumindest scheint die Aufmerksamkeitsspanne der Kleinzocker bei einigen der Minispiele bis an ihre Grenze geführt zu werden.

Das Design ist farbenfroh, kindgerecht und mit liebevollen Details versehen.
Doch davon abgesehen bemühen sich Elmo und seine Freunde redlich und bis auf wenige Ausnahmen erfolgreich, die jungen Spieler vor dem Bildschirm nicht zu überfordern. Weder inhaltlich noch mechanisch und schon gar nicht hinsichtlich der Botschaft, die vermittelt werden soll. Wie es sich für das reale Vorbild gehört, bekommt man spielerisch und ohne pädagogischen Holzhammer Werte wie Empathie, Freundschaft  oder Gemeinschaft vermittelt, so dass Eltern sich auch ruhig mal ein paar Minuten mit etwas anderem beschäftigen können, ohne Angst haben zu müssen, dass die ach so bösen Videospiele ihren Spross so verderben wie den Papa.

"Manchmal muss man fragen, um sie zu verstehen..."

Bei dem über die als Belohnung freischaltbaren Sterne zugänglichen Bonusmaterial hat Double Fine allerdings vollkommen am Publikum vorbeigedacht: Anstatt vielleicht Szenen aus der Sesamstraße, irgendwelche Gesangseinlagen mit Elmo & Co. oder gar eine weitere Episode anzubieten, verlässt man sich auf die Standard-Boni à la Entwickler-Tagebücher etc., die für die Kids gänzlich uninteressant sein dürften.

Fazit

Es scheint, als ob Tim Schafer ein goldenes Händchen hat. Denn "Es war einmal ein Monster" spielt als Lizenztitel beinahe in einer anderen Liga. Eingepackt in liebevolle Details und eine schicke Kulisse stehen die virtuellen Monster punktgenau für das, was die Sesamstraße seit Jahrzehnten zu dem erfolgreichen Begleiter der Kindheit gemacht hat: Hier wird nicht kritisiert, sondern gelobt und das Augenmerk auf positive Verstärkung sowie das spielerische Näherbringen positiver Werte und Verhaltensweisen gelegt. Und auch wenn sich die sechs Geschichten eher an ein jüngeres Publikum richten, das gebannt mit seinen Helden interagieren wird, konnte auch ich mich immer wieder bei einem Lächeln ertappen. Das Anforderungs-Niveau ist genau auf die jungen Spieler zurechtgeschnitten, wobei die Minispiele inhaltlich oft sogar das Zeug zu mehr hätten und durch ihre Länge gelegentlich die Aufmerksamkeitsspanne der Kids überstrapazieren. Im Gegensatz zur echten Sesamstraße (gleichgültig ob im Original oder der deutschen Variante), die durchaus auch für Ältere unterhaltsam sein kann, nimmt der Spaß hier proportional zum Alter ab. Dennoch stehen Elmo, Grobi & Co. für einen rundum gelungenen Einstieg der Jüngsten in die Welt der interaktiven Unterhaltung – auch wenn der Wiederspielwert sich in Grenzen hält und man immer wieder im Dunkeln gelassen wird, welche Fehler man hinsichtlich der Bewegung gemacht hat.

Pro

  • gute Bewegungserkennung...
  • Sesamstraße-Essenz punktgenau erfasst
  • hervorragende Lokalisation
  • liebevolles Design
  • kindgerechte Minispiele
  • gelungene Familienunterhaltung
  • kooperativ spielbar

Kontra

  • ... welche die jungen Spieler jedoch auch mit Fehlern frustiert
  • kein konstruktives Feedback bei fehlerhaften Bewegungen
  • unglücklich ausgewähltes Bonusmaterial
  • geringer Wiederspielwert

Wertung

360

Gelungene Unterhaltung für die Kleinen mit guten Minispielen, kindgerechten Geschichten, hohem Knuddelfaktor und größtenteils guter Bewegungserkennung.