Arcania: Fall of Setarrif - Test, Rollenspiel, PC

Arcania: Fall of Setarrif
10.11.2011, Bodo Naser

Test: Arcania: Fall of Setarrif

Arcania, der vermeintliche Gothic Nachfolger, hat auf voller Bandbreite versagt. Jetzt versucht es Spellbound mit der Erweiterung "Fall of Setarrif", das nach der JoWood-Pleite bei Nordic Games erscheint. Gibt es doch noch Hoffnung für die gute alte Rollenspielereihe?

Fehlende Wahl

Obschon man ab und an was entscheiden darf, fehlt es doch an echter Entscheidungsfreiheit.

Gothic war das erste Rollenspiel mit einer Sozialstruktur, der man entweder folgen (Lagerwache), entfliehen (Sumpflager) oder gegen die man sich auflehnen konnte (Rebellen). Der namenlose Held musste sich also irgendeiner  Vereinigung anschließen, um in der Haupthandlung weiterzukommen. In der Barriere war das notwendig, denn dort konnte nur der überleben, der Freunde hatte. So schloss man sich etwa der Palastwache an, da man sich davon eine bessere Ausrüstung und einen schnelleren Aufstieg versprach. Man bekam sogar ein Haus zum Wohnen, wo man nachts Kraft tanken konnte – selbst einen kurzzeitigen Ausstieg konnte man sich genehmigen, um sich z.B. als Gelegenheitsjäger, Sumpfkrautphilosoph oder Minenarbeiter zu betätigen. Ja, dort wurden noch Abwechslung und Entscheidungsfreiheit geboten.   

Arcania ist auch deshalb kein Gothic 4, weil gerade diese Wahlfreiheit entfällt. Das gilt auch für Fall of Setarrif, da sich diesbezüglich nichts geändert hat: Zwar kann man zwischen drei  Charakteren (Krieger, Schütze  und Magier) wählen, aber Unterschiede in der Story gibt es nicht. Das Add-On verläuft so linear, wie man es sonst nur von Point & Click kennt. Auch wenn man mal Erz von der Wand klopft, wird man dadurch nicht zum Mineur. Es bietet noch nicht mal ein Mindestmaß an Freiheit, die das unselige Gothic 3 bot, das zumindest eine große wenn auch leere Welt bot. Die Schwäche soll dadurch beseitigt werden, dass man auch andere Leute spielen kann. So schlüpft man z.B. in die Rolle von Lester, was aber viel zu kurz ist, um einen Eindruck zu hinterlassen. Zudem stellt er sich bei den Orks selten blöd an, weshalb man doch wieder alle platt machen muss.

No Gothic Tale

Man startet schon als gestandener Held, weshalb vieles zu leicht fällt

Von der Story her knüpft die Erweiterung zwar an Arcania an, obwohl sie ohne das Grundspiel auskommt. Arcanias Ende dürften aber die wenigsten kennen, da  das langweilige Epos wohl niemand ernsthaft durchgespielt hat. Jedenfalls wird man von König Rhobar in die Stadt Setarrif geschickt, die von bösen Mächten heimgesucht wird. Scheinbar hat dort jemand, mit dem Willen Gutes zu tun, versehentlich Dämonen gerufen, die jetzt durch die Ruinen der Stadt geistern. Nach der Ankunft sind jedenfalls alle besessen - selbst die blitzenden Ritter der Palastwache attackieren mich wild gestikulierend. Dennoch wollen die Bewohner ihre Heimat nicht aufgeben, weshalb sie Hilfe vom König erbeten haben. Klar, dass sich der Namenlose darum kümmert, der ja nicht das erste Mal Myrtana rettet, wofür er diesmal  an die acht Stunden braucht. Freilich ist es nur der Held aus Arcania und nicht der von Gothic.         

Innerhalb der dünnen Geschichte trifft man immer wieder auf Gesichter, die einem im Lauf der ersten beiden Teile von Gothic ans Herz gewachsen sind. Allerdings ist es ein wenig so wie bei einem Klassentreffen: Die Leute sind zwar gut zu erkennen, scheinen aber jeglichen Biss verloren zu haben.  So scheint der gute Diego nur noch ein Schatten einstiger Größe - sogar der Zombies aus Setarrif hat mehr Feuer! Wo er früher immer noch einen lockeren Spruch auf der Lippe hatte, kommt hier nur noch dröger Einheitsbrei aus seinem Mund: Wie die anderen Charaktere redet auch er nur noch das Nötigste und längst nicht mehr übers große Geld, das er doch früher immer machen wollte. Trotz bekannter deutscher Stimme scheint ihm wie auch allen Figuren sämtliche Menschlichkeit abtrainiert worden sein. So ist das Wiedersehen durchaus zweifelhaft.         

Kämpfe zum Wegklicken

Man metzelt sich halt so durch und links und rechts sterben die Feinde, ohne dass man selber mal in Gefahr gerät.

Wie schon Arcania bietet auch Fall of Setarrif kein Kampfsystem, wie man es von einem echten Rollenspiel erwarten könnte. Das System erinnert eher an ein Action-Rollenspiel, da man den Gegner einfach wegklickt. Einzige Schwierigkeit dabei ist, wieder rechtzeitig einen Trank einzuwerfen. Anders wie bei Gothic ist es auch gar nicht nötig, die Schläge des Gegners zu parieren, da man auch so überlebt. Man kann zwar zur Seite rollen, aber das ist nur bei den seltenen Bossgegnern nötig. Ansonsten schlägt  man einfach wild drauf los, bis das Monster irgendwann platt ist. Danach heilt man sich mit Bandagen, von denen es reichlich gibt. Das klappt sogar bei harten Feinden wie Feuerwaranen oder Lurkern, die man noch aus Gothic 1 kennt, aber jegliche Gefährlichkeit eingebüßt haben.

Obwohl man jederzeit den Schwierigkeitsgrad ändern kann, bringt das nicht viel, da er selbst auf höheren Stufen zu simpel bleibt.  Was hilft es, wenn man die Schwierigkeit auf  Höchststufe „Gothic“ stellen kann, aber das Spiel dadurch nicht deutlich anspruchsvoller wird. Die Kämpfe sind gänzlich ohne Reiz: Das erste Mal gestorben bin ich nach geschlagenen drei Stunden Spielzeit, als mich die Königin der Minecrawler überraschte. Ich lud das Ganze einfach nochmal, worauf ich jeden Arbeiter einzeln plättete, danach war die Königin kein Gegner mehr. Mit solch einer heiklen Stelle hätte man sich früher tagelang beschäftigt - jetzt macht man das noch vorm Frühstück kurz mal nebenher.      

Pseudo-Quests

So rudimentär wie manch Gespräch verläuft, so einfallslos sind auch die Quests, die keine große Leistung erfordern.

Zwar führen einen die Quests immer wieder in die schöne 3D-Landschaft, die von Küste über Vulkan zur Festung wechselt, aber eigentlich sind sie es nicht wert, auch nur eine virtuelle Meile zu gehen. Gothic war bekannt für seine beinharten Quests, bei denen man von Hinz zu Kunz lief, einen halben Stamm kampfstärkster Orks ausrottete und die sich schon mal über echte Tage hinziehen konnten. Aber hier sind sie quasi nur noch dazu da, damit keiner sagen kann, man hätte sie vergessen. Meist sind es nur ein paar Meter, bis man die gesuchte Person gefunden hat, was einfach lächerlich ist. Diese gibt einem meist auf, ein paar Monster zu plätten, was in der Welt kein Problem ist. Und dafür gibt’s auch noch Punkte, was einfach nur der Hohn ist.

Ein Beispiel  sind gleich zu Beginn die fünf Dämonenwölfe, die man für den Bauern killen soll, da sie seine Schafe bedrohen. Man geht los, sucht die Wolfsschatten und bleibt zunächst auf Abstand, weil man Respekt hat. Wie im guten alten Myrtana erkundet man erst mal die Lage, damit man nicht unvermutet in die Arme eines Trolls stolpert. Aber das wäre eigentlich gar nicht nötig, denn wir sind hier ja bei einem Gothic light, wo man sorglos drauflos stürmen kann, um die fünf Isegrims hintereinander zu töten. Man muss noch nicht mal einen Trank einwerfen, da sie keine große Bedrohung darstellen. Noch harmloser sind nur die Scavenger, die am Anfang abseits der Straße grasen und bei denen nicht mal der Lebensbalken nach unten geht, wenn man sich ihnen stellt.              

Crafting für die Tonne

Man kann zwar wieder allerhand herstellen, was aber auch recht unnötig ist.

Zwar kann man auch dieses Mal wieder allerhand Dinge vom einfachen Trank bis zur Rüstung selbst herstellen, aber auch das ist eher oberflächlich geraten: Hauptproblem ist beim Handwerken,  dass die gefundenen Waffen, Gold und Ausrüstung eigentlich schon dicke reichen, so dass man keine Not leidet. Man findet immer wieder magische Waffen, die extra  für Krieger, Fernkämpfer und Magier gemacht sind. Einzig die Tränke werden öfters knapp, aber dann heilt man sich halt mit Verbänden, die man stets im Überfluss hat. Bei Gothic 1 musste man vielleicht noch jeden Taler zweimal umdrehen, um für bessere Waffen zu sparen, aber hier hat man stets genug Geld, da man die besten Rüstungen immer in Kisten findet, die man wie bei Arcania nicht mal aufbrechen muss.

Wenn man Rohstoffe sammeln will, ist das auch nicht besonders schwer. Musste man sich bei Gothic noch etwas einfallen lassen, um an die Sachen zu kommen, sackt man hier die Sachen quasi nebenher ein. Man muss weder jemand beschwatzen, noch etwas für ihn erledigen oder ihn gar beklauen, was ohnehin nicht möglich ist, da Diebstahl wie im Grundspiel ohne Konsequenz bleibt. Immerhin kann man nun jederzeit Rüstungen schmieden und muss nicht mehr zu einem Schmied, um den Stahl zu hämmern. Auch Tränke kann man jederzeit mixen, wenn man die Schriftrolle gelesen und die Zutaten beisammen hat, was tatsächlich eine sinnvolle Erleichterung ist.  

Zutritt verboten!

Warum sich friedliche Schildkröten plötzlich in Monster verwandeln, erfährt man ebensowenig wie viele andere "Geheimnisse".

Obwohl  Arcania Fall of Setarrif optische Details bis hin zum einsetzendem Regen oder auch heraufziehender Nacht bietet, bekommt man kaum die Möglichkeit, die Welt abseits der Wege zu erkunden. Was man sieht, darf man oft gar nicht betreten. So gibt es zu Beginn einen Turm am Meer, der sehr mysteriös in der Landschaft wirkt, aber zu dem man nicht hingehen darf. Früher hätte es dort eine amtliche Nebenquest gegeben, die man im Add-On ohnehin mit der Lupe suchen muss. Zudem ist die Barriere auch noch sehr plump gemacht, da man einfach wie von Zauberhand festgehalten wird. Solch lästigen Sperren gibt es immer wieder: Hier darf man nicht rein, dort nicht hin und da nicht runter  So fühlt man sich eher wie im Levelschlauch eines Shooters anstatt einem echten Rollenspiel mit einer freien Spielwelt.

Trotz einer gewissen Atmosphäre, die man ihm sicher nicht absprechen kann, ist das Add-On ein Spiel, das kaum Mysterien bietet. Einmal erreicht man beispielsweise den gelben  Strand, wo Gefangene in Käfigen sitzen. Nachdem man alle weiblichen Feinde ausgeschaltet hat, darf man aber die Leute nicht etwa befreien oder sie gar fragen, ob sie Hilfe brauchen.  Scheinbar ist es den Machern egal, denn schließlich ist es alltäglich, dass man Gefangene befreit. Vieles bei Fall of Setarrif sieht also auf den ersten Blick interessanter aus, als es sich schließlich entpuppt.   

Fazit

Obwohl der Unmut über das misslungene Arcania nicht mehr ganz so schlimm ist wie noch letztes Jahr, wird daraus durch Fall of Setarrif kein echter Gothic-Nachfolger. Das kurze Add-On spielt sich zwar ein wenig runder, was sich hauptsächlich mit der inzwischen vergangenen Zeit erklärt, aber die Hauptkritikpunkte bleiben bestehen: Die Kämpfe sind nach wie vor anspruchslos, die Quests haben ihren Namen nicht verdient und die Dialoge bleiben schwach, auch wenn man mal auf ein altes Gesicht aus Gothic 1 trifft. Man metzelt sich halt so durch, wobei die abwechslungsreiche Umgebung mehr verspricht, als sie anschließend halten kann. Zu oft steht man vor ominösen Sperren, weil man irgendwo nicht hin darf. Meist besteht aber gar nicht die Möglichkeit, von der Hauptquest abzuweichen, da man schon wieder weiter muss. Trotz dreier spielbarer Charaktere bleibt die Handlung immer dieselbe. Immerhin kann man wieder jederzeit Gegenstände herstellen oder auch seine Fähigkeiten ausbauen und muss nicht mehr zurück. So bleibt unterm Strich ein flaches Rollenspiel, das so gern Gothic sein möchte, dafür aber viel zu wenig vom Spieler fordert und stattdessen nur ein 08/15-Action-Rollenspiel bietet.    

 

Pro

  • Schwierigkeit jederzeit ändern...
  • jederzeit Sachen herstellen
  • Wiedersehen mit Diego und Co.
  • andere Charaktere spielbar
  • abwechslungsreiche Szenerie
  • Wetterwechsel
  • Arcania-Charakter lässt sich importieren

Kontra

  • ...trotzdem oft zu leicht
  • lineare Story
  • eher Action-Rollenspiel
  • anspruchslose Kämpfe
  • wenig mysteriös
  • künstlich eingeschränkte Spielwelt
  • Pseudo-Quests
  • lahme Gespräche
  • Heldenwechsel zu kurz

Wertung

PC

Ein Möchtegern-Gothic-Nachklapp, durch den man sich recht lustlos metzelt.