The Last Guardian - Test, Action-Adventure, PlayStation4

The Last Guardian
07.12.2016, Jörg Luibl

Test: The Last Guardian

Mein Freund die Bestie

Mit ICO und Shadow of the Colossus hat Fumito Ueda kreative Spuren hinterlassen, die bis heute prägen. Seine Spiele unterscheiden sich nicht nur aufgrund ihres reduzierten Designs, sondern zeigen auch eine künstlerische Ausdruckskraft, die eindringliche Abenteuer in monumentalen Fantasywelten entstehen lässt. Man fühlt sich wie ein Teil einer uralten Sage. Nach einem Jahrzehnt des Wartens stellt sich die Frage, ob The Last Guardian (ab 10,00€ bei kaufen) diese faszinierende Tradition fortführen kann.

Wie soll ich bloß aus diesem steinernen Kolosseum entkommen? Ich bin umgeben von steilen Felswänden. Aus ein paar hundert Metern dringen Lichtstrahlen durch ein Gitter von der Decke auf den Boden, bilden ein schachbrettartiges Muster im Staub. Aber ich erkenne keine Leiter, keinen Aufgang. Ich schaue mich in der Stille um. Alle Wächter sind tot, ihre Rüstungen liegen verstreut am Boden. Wie Golems erwachten sie plötzlich in ihren Nischen mit einem Glimmen in den Augen und verfolgten mich. Ob ich vielleicht wieder einen ihrer Helme einsetzen muss? Oder habe ich einen Hebel übersehen?

Gefangen im Kolosseum

Es war schon längst abgeschrieben, wartende Fans wurden nur noch müde belächelt, aber am 7. Dezember ist es so weit: The Last Guardian erscheint exklusiv auf der PlayStation 4.
Immerhin bin ich nicht allein, sonst hätten ich keine Chance in diesen uralten, für Riesen in den Fels geschlagenen Fluren und Hallen. Diesmal ist man nicht wie in Shadow of the Colossus der zu allem entschlossene Held mit dem Schwert, der ein Ungetüm nach dem anderen fällt. Oder der tapfere Beschützer eines Mädches wie in ICO. Diesmal ist man einfach nur ein unbewaffneter Junge, der eine Bestie und darin einen Freund findet, wie ihn die Spielewelt nie zuvor gesehen hat.

An einer Mauer schnüffelt Trico. Er sieht aus wie ein Fabelwesen aus einem mittelalterlichen Bestiarium. Er erinnert an Hyäne, Katze und Vogel, hat zwei gestutzte Flügel auf dem Rücken und trägt ein Federkleid. Mein Streicheln hat ihn nach dem Kampf wieder beruhigt. Er scheint diese Steinwächter regelrecht zu hassen, zerfetzt sie voller Wut, ist danach immer so aufgewühlt, dass ich kaum an ihn herankomme. Er

Ein Jahrzehnt nachdem Shadow of the Colossus auf der PlayStation 2 weltweit begeisterte und auch unser Spiel des Jahres wurde, wird die Handschrift von Fumito Ueda nochmal sichtbar. Schon in ICO wurde seine spezielle Art von Spieldesign deutlich (mehr dazu in diesem Special), das sich auf das Wesentliche beschränkt und in erster Linie das Visuelle erzählen lässt - daran knüpft er an.
ist Raubtier und Gefährte zugleich - selbst ich bin nicht vollkommen sicher. Irgendetwas in dieser Welt mit ihren seltsamen Symbolen und an Myst erinnerenden Apparaten kann ihn in eine Bestie verwandeln. Und vor allem vor diesen Buntglasaugen hat er so eine Angst, dass er sich fauchend zurückzieht.

Wir sind eine ungleiche Schicksalsgemeinschaft, die ihre Fähigkeiten vereinen muss, um aus diesem Tal mit seinen labyrinthisch verwobenen Ruinen, Türmen und Burgen zu fliehen. Schon als ich Trico das erste Mal traf, war er furchterregend. Ich bin als kleiner Junge in einer Höhle erwacht, zunächst ohne Erinnerungen. Wie kam ich hierher? Warum war mein Körper voller Tätowierungen? Ich tapste auf Zehenspitzen umher, suchte nach Ausgängen, wollte nur in mein Dorf zurückkehren. Dann erwachte die von Speeren verwundete Bestie, ihre riesigen Augen fixierten mich und ich war froh, dass sie angekettet war. Dieser Respekt vor der Kreatur wurde umso größer, wenn sie wie ein Löwe brüllte.

Der Junge und das Monster

Der Junge erwacht in einer Höhle mit der Bestie.
Eines war klar: Was da wie ein Berg aus Federn und Krallen in der Dunkelheit lauerte, war ein Menschen fressendes Fabelwesen namens Trico. Das erfuhr ich von der Stimme eines männlichen Erzählers, dem zum Mann gereiften Jungen, der sein eigenes Abenteuer rückblickend in einer indianisch klingenden Fantasiesprache mit deutschen Untertiteln kommentiert - so entsteht zwischendurch fast eine Art Lagerfeuerstimmung. Und diese Monologe sind zudem eine sehr elegante Methode, um dezente Hinweise sowie Hintergründe zur Spielwelt einzuflechten. Die Story bleibt bis zum Finale ähnlich mysteriös wie jene in ICO oder Shadow of the Colossus, aber gewinnt u.a. durch filmische Rückblicke klare Konturen, so dass viele Fragen beantwortet werden. Bis zum sehr guten Finale entsteht ein Bild von dieser archaischen Kultur.

Diese Beziehung zur Bestie beginnt damit, dass man Wunden heilt. Im Einstieg lernt man, wie man die Speere aus seinem Rücken entfernt und den entkräfteten Trico mit Fässern füttert. Darin befindet sich ein für ihn unwiderstehliches Futter. Damit kann man langsam Vertrauen aufbauen, ihn stärken und irgendwo hin locken. Und es ist schön, wie man schrittweise immer mehr akrobatische Möglichkeiten in der Kooperation mit ihm kennenlernt. Die Regie lässt sich die Zeit, ein Verhältnis aufzubauen. Dass sich etwas verändert, wird auch visualisiert: Die abgeschlagenen Hörner von Trico wachsen sichtbar nach, je länger man mit ihm unterwegs ist und ihn füttert. Und auch seine Flügel heilen.

Die Entwicklung einer Beziehung

Das Fabelwesen Trico sieht aus wie eine Kreatur aus einem mittelalterlichen Bestiarium.
Mittlerweile kann ich an ihm hoch klettern, bis auf seinen gehörnten Kopf hinauf, um von dort weiter zu springen. An ihm finde ich sicheren Halt, wenn er in spektakulären Sprüngen weite Abgründe überwindet, mit mir in die Tiefe eines Sees taucht oder sich im Kampf aufbäumt, um unsere Feinde zu töten. Er zwängt sich sogar durch so enge und lange Tunnel, dass man schon vom Zusehen Platzangst bekommt. Ich kann ihn auf Knopfdruck rufen, ich kann ihm auch eine Richtung anzeigen, aber er ist weder Pferd noch Hund. Manchmal hat er eigene Ziele und man muss geduldig sein, ihn beobachten und warten, ob er oder man selbst eine Route findet. So wie jetzt, in diesem Kolosseum ohne Ausgang. Trico putzt sich wie eine Katze, setzt sich gähnend auf alle Viere. Ihm fällt also auch nichts ein. Wie komm ich also aus diesem Kessel raus?

Auch Trico droht manchmal zu stürzen. Dann muss man hinauf klettern und oben für Halt sorgen.
Ich schaue mir die Nischen, aus denen die Wächter kamen, nochmal genauer an und entdecke einen alten Karren aus Holz. Na toll, fehlt ja nur noch ein Pferd, das Mauern sprengt, und ich steige hinten wie Ben Hur auf...oder was? Ich schiebe den Karren einfach mal raus ins Licht. Wenn er da so auf eine Seite gekippt steht, sieht er fast aus wie ein...ähm...Katapult! Aber ich soll doch wohl nicht? So weit hoch? Wie auch? Woher soll die Kraft dafür kommen? Moment mal: Ich rufe Trico. Der schaut kurz, richtet sich langsam auf, stakst heran - und es ist jedesmal aufs Neue erstaunlich, wie natürlich sich dieser tierische Gigant bewegt, wie die Muskeln unter seinen Federn arbeiten, wie die Krallen aufsetzen und sich die Federn aufbauschen.

Das geduldige Grübeln

Aber er weiß nicht so recht, was ich von ihm will und blickt unschlüssig von links nach rechts. Ich rufe ihn erneut und zeige auf den Karren vor mir. Er schnüffelt daran, berührt das Holz misstrauisch und ganz leicht mit seiner Klaue - wie eine Katze, die das neue Spielzeug noch nicht kennt. Es ist verblüffend wie vielfältig seine Bewegungen auf die Umgebung abgestimmt sind, wie behutsam sich dieser Kolosse regen kann. Dann wendet er sich wieder ab. Aber ich weiß, dass ich manchmal Geduld mit ihm haben muss. Also versuche ich es erneut.

Gerade in diesen unentschlossenen Momenten wirkt dieses digitale Wesen besonders lebendig. Und ich genieße das Grübeln, denn bisher gab es immer einen logischen Weg. Aber im Gegensatz zu üblichen Spielen glitzern hier keine interaktiven Ziele aus der Distanz, werden keine Routen eingeblendet. Trotzdem gibt es manchmal angenehm subtile Hinweise, von farbigen Steinen oder Scherben bis hin zu bunten Schmetterlingen. Nur diesmal ist davon nichts zu sehen.

Archaische Raketentechnik

Oder könnte ich doch klettern? Wie so oft vielleicht erst auf seinen Rücken und dann, wenn er sich erhebt, noch weiter an seinem Federkleid hinauf? Aber warum dann dieser Karren? Der muss doch etwas bedeuten! Ich rufe Trico noch einmal

Wohin will Trico? Manchmal lohnt es sich, ihm zu folgen...
und stelle mich diesmal direkt auf die hintere Planke - so als wäre ich abflugbereit. Erneut schnüffelt er, diesmal auf der anderen Seite, spielt mit seinen Krallen, so dass das Holz schon wackelt. Dann lässt er es wieder sein - arghs!

Hey, rede ich auf ihn ein, hau doch mal richtig da...plötzlich kracht es! Ich jage schnurstracks wie eine Rakete in die Luft und hänge ein paar Sekunden später weit oben an dem Gitter. Die Entwicklung dieser Situation gehört zu den vielen großartigen Highlights des Abenteuers. Ich ziehe mich hoch, drehe die Kamera nach unten und schaue in Tricos dunkle Augen. Ich liebe diesen Kerl einfach. Von hier oben sieht er fast klein und so putzig wie ein Welpen aus. Dann brüllt er und ich weiß, dass er einen Weg zu mir sucht. Jetzt kann ich uns helfen und vielleicht irgendwo eine Öffnung für ihn freimachen.

Egal ob Kopf oder Schwanz: Man kann überall an Trico hinauf klettern.
Ich habe schon viele kooperative Abenteuer gespielt, aber noch nie eine dermaßen intensive Bindung zu einem digitalen Wesen aufgebaut. Es ist gerade seine Sturheit, sein suggeriertes Eigenleben, das ihn als Tier so glaubwürdig macht. Hinzu kommen viele kleine Regungen, denn er wird müde und gähnt, legt sich ins Wasser und putzt sich. Nicht nur die Körpersprache von Trico gibt Hinweise auf seinen Gemütszustand, auch die Augen: Je nach Farbe ist er hungrig, ängstlich, aggressiv oder neugierig. Und wenn er mit reflektierenden Pupillen durch einen dunklen Tunnel langsam auf mich zukommt, wird mir trotz der vermeintlichen Freundschaft etwas mulmig. Auch dieses Gefühl der Unberechenbarkeit macht das Erlebnis trotz klarer Skripte und absehbarer Muster so einzigartig.

Die wichtige Sturheit

Trico ist kein Befehlsempfänger, kein Haustier, kein "Pet". Immer wieder merkt man das. Auch wenn man ihm ab einer gewissen Stelle eine Richtung vorgeben kann, ihn also auf eine Stelle aufmerksam machen kann: Man braucht Geduld, wenn er eigensinnig agiert. Auch kleine Aktionen wie das Streicheln wirken sich aus: Trico reagiert auf bestimmte Stellen unterschiedlich und beruhigt sich so schneller nach Kämpfen. Zu den besonderen Momenten gehören auch die Szenen, in denen man Trico die Führung überlassen muss - ganz einfach, weil es um unüberbrückbare Distanzen geht. Wenn er Anlauf nimmt und über eine Schlucht auf einen Felsen springt, während man sich an seinem Nacken festhält, sind das tolle Momente.

Jetzt gilt es zu fliehen: Die steinernen Wächter jagen den Jungen und verschleppen ihn in blaue Tore.
Neben den tiefen Schluchten und Abgründen stellen vor allem die steinernen Wachen eine Gefahr da: Sobald man sich in ihre Nähe begibt, erwachen sie zum Leben und jagen den Jungen. Bekommen sie ihn fassen, leuchten Symbole um ihn herum auf, die man über schnellen Druck auf das Steuerkreuz sowie sie Knöpfe zerstören kann - nur so kann man sich befreien. Auch aus der Distanz feuern die Wachen ihre Magie ab, so dass man in Bewegung bleiben muss; gelingt einem dann der rechtzeitige Druck, zeigt der Junge elegante Ausweichmanöver. Zwar führt er keine Waffe, aber er kann zumindest auf die Wachen stürmen und sie so ins Wanken bringen - bei einem zweiten Bodycheck kann er sie sogar in Abgründe stürzen.

Steinerne Wachen und spektakuläre Akrobatik

Es gibt auch eine Vielzahl an klassischen Rätseln, die angenehm logisch aufgebaut sind und die mit der Zeit deutlich an Anspruch gewinnen - bis hin zu Situationen, in denen man auch die Physik des Wassers für seine Zwecke einsetzen muss. Mal gilt es lediglich den Weg zu einem Schalter zu finden, um Tore für Trico zu öffnen, man muss aber auch mit Objekten wie Vasen, Kisten oder Loren an Ketten oder Schienen interagieren. Selbst abgeschlagene Köpfe können sich als hilfreich erweisen und manchmal gilt es, das in Fässern abgefüllte Futter für Trico geschickt über mehrere Plattformen zu werfen. Besondere Spannung kommt auf, wenn der Junge auf der Flucht vor den Wachen von A nach B gelangen muss, indem er sie z.B. clever umrundet. Und spektakulär sind immer wieder die Szenen, in denen man mit Trico akrobatisch kooperiert.

Wer ICO und Shadow of the Colossus kennt, darf sich nicht nur über viele Déjà-vus freuen: Nicht nur das Monumentale, das Reduzierte sowie die Überleuchtung tauchen wieder auf, auch Kleinigkeiten wie die Echsen aus Shadow of the Colossus oder die Tauben aus ICO. Es ist schön zu sehen, wie Fumito Ueda auch spielerische Elemente seiner bisherigen Abenteuer aufgreift, ergänzt oder umkehrt. So wird aus roher Gewalt erste Hilfe: War man in Shadow of the Colossus noch ein gnadenlosen Monstertöter, der sein Schwert in verwundbare Stellen gigantischer Kreaturen rammen musste, gilt es hier die Speere aus dem Leib von Trico zu ziehen. Manchmal wird er von mehreren Wachen ins Visier genommen, getroffen und verwundet, bis er blutet - dann muss man schnell an seinen Federn hinab klettern und sie mit aller Kraft entfernen, was ihm sichtbar Erleichterung verschafft.

ICO und Shadow of the Colossus lassen grüßen

Gut, dass Trico so aufmerksam ist: Nach manchen stürzen ist der die letzte Rettung.
Auch das Prinzip des reflektierten Lichts taucht in veränderter Form wieder auf, wenn der Junge einen Schild einsetzt, um zerstörbare Hindernisse zu markieren: Dann feuert Trico einen lila Stromschlag ab, der den Weg frei macht. Seltsamerweise verliert man dieses auch für kleinere Raumrätsel eingesetzte Hilfsmittel recht früh, doch es kehrt im letzten Drittel zurück und wird auf vielfältige Art zum Aktivieren und Zerstören eingesetzt, kann sogar Wächter in die Knie zwingen. Noch ein Motiv kehrt zurück: Wird der Junge von den Wächtern geschnappt, versuchen sie ihn in blaue Türen zu verschleppen, so dass man sich schnell befreien muss - das erinnert an die schwarzen Löcher der Dämonen in ICO. Sehr schön ist, dass es erneut keinerlei Blinken aus der Distanz für mögliche Interaktionen, eingeblendete Hilfen oder Zielmarker gibt. Wer die Räume und die Objekte untersucht, wird aber immer einen Weg finden.

Ob man gleich abspringen muss? Manchmal bringt einen Trico in die Nähe von Plattformen.
So lobenswert dieses Weiterführen von Traditionen ist, bleiben die Entwickler auch einigen Defiziten treu. Die Kamera und die Steuerung lassen manchmal zu wünschen übrig: Zum einen muss man seine Sicht ja ständig anpassen, kann sie aber manchmal nur recht träge schwenken und den Blick nicht immer an einen Punkt halten, weil er flatterhaft wechselt. Zum anderen bewegt sich der Junge wie ein nervöses Eichhörnchen, weil es zwischen dem ganz langsamen Schleichen auf Zehenspitzen und dem Rennen kein normales Spazieren gibt. Selbst wenn man den Analogstick ganz sanft weiter drückt, gibt es keinen harmonischen Übergang. Das ist deshalb nicht allzu frustrierend, weil er vor Abgründen automatisch hält und nicht gleich fällt - man kann sich daran gewöhnen.

Kamera, Steuerung & Technik

Etwas nervig ist, dass man die eingeblendeten Steuerungshinweise nicht komplett abschalten kann - dass sie zu Beginn auftauchen ist klar, aber irgendwann weiß man ja, über welchen Knopf man sich festhält oder etwas bewegt. Unglücklich ist zudem, dass der Sprecher manchmal schon vor einer Aktion ihre geglückte Ausführung kommentiert. Ich konnte The Last Guardian nur auf der PlayStation 4 Pro testen: Ab und zu kann es dort Probleme mir der Bildrate geben, die in wenigen Situationen auch mal in die Knie geht, aber über die dreizehn bis fünfzehn Stunden nie so oft und stark, dass es das Spielgefühl negativ beeinflusst. Es ist angesichts der Größenunterschiede zwischen dem Jungen und Trico sowie der vielen verwinkelten Räumlichkeiten übrigens erstaunlich, wie wenig klassische Grafikfehler es gibt - es gibt ganz selten Clipping & Co.

Fazit

Ich verneige mich vor Fumito Ueda. Er hat mit Trico ein lebendiges Wesen voller Charakter erschaffen. Viel zu oft werden Pionierleistungen in der Spielebranche an der Technik festgemacht - an größer, schneller, prächtiger. Dabei entsteht die wahre Magie hinter dem Offensichtlichen, wenn eine künstlerische Vision über den kreativen Geist ihre Gestalt annehmen kann. Und Trico ist für mich die faszinierendste Gestalt der Videospielgeschichte. Ich habe stellenweise wie ein kleines Kind gestaunt, das zum ersten Mal in einem Zoo einen Elefanten sieht. Man entdeckt ständig neue Regungen, Bewegungen und spürt im Laufe des Abenteuers, wie die Beziehung zwischen Junge und Fabelwesen immer stärker wird. The Last Guardian ist der totale Kontrapunkt zu einem hektischen Spieldesign, das mich ständig mit Klimbim berieselt und belohnt. Hier muss man viel Geduld mitbringen, sich auch mal zurücklehnen und grübelnd verharren. Denn man ist nicht der alles beherrschende Meister, der mit jedem Knopfdruck präzise Befehle erteilt - man ist ein kleiner Junge, der seinen störrischen Gefährten beobachten und auch mal warten muss. Fumito Ueda hat nicht einfach einen Koloss mit Federn animiert, sondern ihm über verblüffend authentisches Verhalten digitales Leben eingehaucht. Trico ist in seinem ganzen Wesen ein technisches Meisterwerk. Denn auch im Kleinen und Stillen gibt es sehenswerte Momente, die plötzlich in spektakuläre Akrobatik in architektonisch atemberaubenden Kulissen übergehen. All das wird nicht kitschig, sondern angenehm zurückhaltend inszeniert, als würde man am Lagerfeuer einer Sage aus alter Zeit lauschen. Ja, es gibt Defizite hinsichtlich der Kamera und der Steuerung. Hinzu kommen Bildratenprobleme. Aber all das verschwindet über 13 Stunden im Schatten von etwas Großartigem. Auch wenn eine Freundschaft mit einem Fabelwesen vielleicht nicht die dramatische Sogkraft der heroischen Duelle aus Shadow of the Colossus entfachen kann: Das, was The Last Guardian auf den Bildschirm zaubert, hat es in dieser Form noch nicht gegeben. Es sind diese einzigartigen Erlebnisse, für die ich Videospiele liebe.

(Wir haben The Last Guardian auf der PlayStation 4 Pro getestet. Anm.d.Red.)

Pro

  • das lebendigste Wesen der Videospielgeschichte
  • märchenhafte Story mit Lagerfeuercharme
  • angenehm reduziertes Spieldesign
  • gute Regie lässt sich Zeit mit Beziehungsaufbau
  • Trico ist kein willenloser Befehlsempfänger
  • ausgezeichnet animiertes Fabelwesen
  • verblüffend natürliche Regungen, Gesten und Aktionen von Trico
  • viele Bezüge und Symbolik aus ICO & Shadow of the Colossus
  • abwechslungsreiche Akrobatik in atemberaubenden Höhen
  • spannende Verfolgungssituationen
  • auch SChwimmen und Tauchen mit Trico
  • viele Umgebungs- und Schalterrätsel
  • Interaktionen und Kämpfe mit dem Schild
  • tolle Übergänge vom Dunklen ins Helle
  • an Myst erinnerende Apparate und Konstruktionen
  • tolle akrobatische Kooperationen
  • Erzähler gibt in Rückblicken einige Hinweise zur Spielwelt
  • kein dämliches Blinken, keine Zielmarkierungen
  • kein Inventar, kein Sammelkram
  • prächtige monumentale Kulissen, klasse Architektur
  • stimmungsvoller Sprecher, deutsche Untertitel
  • anpassbare Kamerageschwindigkeit/ausrichtung
  • kaum Clippingfehler oder Bugs
  • spannendes Finale und sehr gutes Ende

Kontra

  • Kamera
  • und Steuerungsdefizite
  • Steuerungshinweise nicht abschaltbar
  • einige Bildratenprobleme
  • Sprecher kommentiert manchmal zu früh
  • recht unspektakulärer Soundtrack
  • nur ein stets überschriebener Spielstand

Wertung

PlayStation4

Ich verneige mich vor Fumito Ueda. Trico ist für mich die faszinierendste Gestalt der Videospielgeschichte. Auch wenn es technische Defizite gibt: The Last Guardian zaubert etwas bisher nicht Erlebtes auf den Bildschirm.

Kommentare
Abysswalker77

tacc hat geschrieben: Also ist es nicht ganz unrealistisch wenn es irgendwo mal eine Aktion gibt. Zumal die Lebenserwartung der PS4 Pro sicher zugunsten einer PS5 eh nicht so lang sein wird.
Ohoh wenn du dich da mal nicht verrechnet hast, die Pro bekommt noch zwei Revisionen denke ich mal und verlängert somit den Status der PS4-Generation. vor 2020 würde ich nicht mit einer PS5 rechnen.

P.s.: 4K Streams kann die PS4 schon länger abspielen, aber der DRM war ein Problem, was stellenweise mit der Pro aktualisiert wurde, doch wenn demnächst das neue HDCP von Netflix und Co. Gefordert wird könnte es erneut Probleme geben. Aber das Problem ist auf allen Plattformen gleich, also auch auf dem PC usw..
Hab mir eigentlich nur Kommentare zu einem alten Review reinziehen wollen, aber falls hier noch jemand aktiv ist. Treffer

vor 3 Jahren
TheoFleury

"Subjektivität"
Die Quintessenz der "Diskussion". Vielleicht sollten wir uns endlich damit abfinden, dann sind diese Diskussionen auch endlich vorbei.

Ok hab es kapiert. Es ist eine Mischung aus objektiver, technischer Analyse die einhergehend mit der persönlichen Präferenz des Testers eine Symbiose ergibt, die anschließend in einer Prozent Wertung gipfelt je nach mentaler Tagesform Nicht zu vergessen das persönliche Fazit

Interessant ist es wie Eurogamer es gemacht hat...Die verzichten mittlerweile auf Zahlen. Könnte ja sein das dann jemand den gesamten text liest und sich am Ende nicht mehr darüber mokiert

Zuletzt bearbeitet vor 4 Jahren

vor 4 Jahren
Usul

"Subjektivität"
Die Quintessenz der "Diskussion". Vielleicht sollten wir uns endlich damit abfinden, dann sind diese Diskussionen auch endlich vorbei.

vor 4 Jahren
TheoFleury

Hui habe es mir mal vergünstigt gekauft, angespielt und im Anschluss sofort gedacht "What das Spiel bekommt eine meisterhafte Wertung, ist aber objektiv gesehen technisch Unzulänglich und es gab trotz Patch kaum Besserung... Da floss wieder mal zu viel "Subjektivität" und persönliche Liebe ins Spielemagazin Review.

Verstehe Jörg's Euphorie , trotzdem hat man hier das negative zu sehr wohlwollend untergraben und es am Ende mit einer extrem hohen Wertung belohnt was es im nachhinein evtl. gar nicht verdient hat im Kontrast zu anderen Spielen die evtl. besser waren und in einem zumutbaren technischen Zustand erschienen....Ich mein ja nur, PS4 Spiele sind , besonders zu Release, nicht günstig...Es hab sicherlich einige Enttäuschte die aufgrund solcher sehr hohen Bewertungen geglaubt haben es ist ein nahezu perfektes Meisterwerk...

Naja die Welt war schon immer ungerecht und in Teile gespalten...Wollt's nur erwähnt haben

Das Spiel selber ist natürlich interessant genug und hat seine Höhepunkte und Stärken. Aber die Technik war trotzdem furchtbar und nicht akzeptabel...Akzeptabel zum halben Preis oder vergünstigt ZB... Ja da lief leider einiges schief, man kann es eh alles nachlesen im Internet. Ein ungeschliffener Diamant der nicht zu Ende gedacht wurde. Trotzdem eines der besseren Spiele vom Konzept und Grundgedanken her...

vor 4 Jahren
CritsJumper

Die Kamera und das Vieh werden eher störrischer als gezähmter.
Ja das ist für mich aktuell auch etwas das den Spielfluss stört. Bei einem Tomb Raider fand ich es wesentlich entspannter die Gegend abzusuchen nach Klettermöglichkeiten, oder Rätseln wie es denn weiter geht.

Bei The Last Guardian, als auch bei Shadow of Colossus, habe ich als, Spieler mit Y-Achse der invertierten Kamera ein großes Problem. Da die Kamera zwar Invertiert wird, aber nicht das Zielen mit dem Schild. In etwa ist das auch so bei Shadow of Colossus mit dem Zielen des Bogens und das stört mich so sehr und es gibt dafür keine Option. Das ich dieses Spiel nicht weiter spielen kann ohne mich wirklich zu zwingen.

Dazu wirkt die ganze Steuerung halt sehr schwammig und Unsauber.

Mal schauen ob ich mich durch beißen kann.

vor 4 Jahren