Jenga: World Tour - Test, Logik & Kreativität, NDS, Wii
Er fällt einfach nicht
Diese Situation beschreibt zwar einen Ausnahmefall, aber sie demonstriert, dass das wesentliche Erfolgsmerkal des Turmbauspiels Jenga, die gnadenlose Erdanziehungskraft, von Atomic Planet nicht gut genug simuliert wird. Dazu gehört auch, dass eine dampfende Kaffeetasse nicht umstürzt, wenn dutzende Klötzchen auf sie fallen - das sieht in den Zeitlupen einfach schlecht aus. Dabei hat das britische Entwicklerteam die physikalischen Elemente überzeugend visualisiert: Immer dann, wenn ich einen Stein innerhalb des Turms mit der Remote anvisiere und anklicke, wird der Quader umrandet und ein Faden erscheint in seiner Mitte - also da, wo der Schwerpunkt ruht.
Rausziehen! Rausziehen!
Wohin? Zur Turmspitze! Jeder Stein, der entfernt wird, muss danach wieder ganz oben abgelegt werden; erst dann ist der Gegner an der Reihe, und zwar so lange, bis jemand den entscheidenden Fehler macht - das ist das Spielprinzip von Jenga. Und das funktioniert auch auf Wii über weite Strecken recht gut. Auch hier hält man ab und zu den Atem an, denn der Turm wackelt bedrohlich, wenn man durch das Ablegen der Steine den Schwerpunkt verändert. Allerdings kann das virtuell zu unrealistischen Schieflagen führen. Und falls man gegen eine KI spielt, dann wird schon mal geschummelt, indem sie die oberen zwei Steine automatisch auseinander schiebt, oder es kommt zu seltsamen Endlosablegversuchen, wenn ein Stein partout nicht passen will - da muss man spätestens nach dem zehnten Versuch viel Geduld haben.
Pinnen & Prüfen
Leider kann man das vom Drumherum nicht sagen. Wenn ich schon knapp 50 Euro auf den Tisch lege, dann will ich etwas für mein Geld hören und sehen. Die deutsche Sprachausgabe ist so nervig, dass man sie schnell runterschraubt; die Hintergrundmusik ist unspektakulär. Und ich will mehr sehen, als eine Vulkankulisse, in der ich vor lauter grellen Rot- und Orangetönen die Lava nicht mehr erkenne. Mehr als ein fades Unterwasser-Szenario, das selbst auf dem N64 interessanter und detailreicher hätte dargestellt werden können. Mehr als ein paar sporadische Animationen hier und da im Hintergrund. Und wer hat bitte die Spielhalle designt? Warum gibt es Grafikfehler in der Urzeitwelt? Arrgh! Kurzum: Die Präsentation ist bis auf wenige Ausnahmen, wie etwa das verschneite Nepal, einfach schlecht.
Saurier & Shooter?
All das sorgt theoretisch für etwas mehr Nervenkitzel als im Original. Aber irgendwie will der Funke dennoch nicht so überspringen, dass man begeistert weiter spielt. In der Kampagne öden nicht nur die Kulissen und sporadischen Physikaussetzer, sondern auch die Minispiele an, die mir diverse Shooter- und Schiffe-Versenken-Varianten aufzwingen. Haben sie einen Bezug zur Welt-Tour? Nein. Mach sie Spaß? Nein. Da hätte man lieber etwas mehr Art & Design in das Drumherum und vor allem weitere Turm- & Steintypen investieren können - zu Beginn gibt es gerade mal den Holz- und Glaslook.
Hinzu kommt, dass man während des Baus in der Kampagne, die einen um die ganze Welt führt, nicht abspeichern kann. Sollte man also nach 52 Zügen plötzlich von einem Beben oder einem Fehler kalt erwischt werden, muss man alles noch mal spielen. Und da die Anfangsphase bei Jenga immer dieselbe langweilige, weil unspektakuläre ist, verliert man schnell die Geduld - da hätte eine Quicksavefunktion nicht geschadet. Es gibt leider keinen Online-Modus, aber immerhin noch das freie oder schnelle Spiel, wo man alle Parameter wie die Anzahl der Teilnehmer (bis zu vier; auch mit einer Remote), Turmtyp und Regeln anpassen kann.
Fazit
Ich habe einige klassische Jenga-Varianten zuhause. Es macht einfach Spaß, gegeneinander an einem Tisch um den Turmfall zu kämpfen. Und auch mit Remote und Nunchuk kommt ab und zu diese Spannung auf, wenn man einen Stein aus einem windschiefen Gebilde ziehen muss - vor allem dank der fiesen Zusatzelemente wie Vereisung, Telekinese oder Hitze. Aber diese Version ist unterm Strich zu teuer, zu hässlich, zu inkonsequent in ihrer physikalischen Umsetzung. Das Brettspiel Jenga kostet knapp zwölf Euro, dieses Wii-Spiel kostet um die 50 Euro - angesichts der faden Kulissen und des Umfangs ist das eine Frechheit! Unterm Strich serviert Atari hier einen ersten, zwischendurch unterhaltsamen, aber gerade noch befriedigenden Versuch, das Wesen der Statik und das Phänomen der Erdanziehungskraft in ein Videospiel zu packen. Noch gibt es zu viele Inkonsequenzen, was den Schwerpunkt von Körpern angeht. Und anstatt der sinnfreien Shooterminispiele hätte man sich lieber um ein edles Art & Design kümmern sollen, denn selbst manche Lowprice-Puzzler sehen besser aus. Ist das Thema Klötzchenbauspiel damit durch? Nein. Steven Spielberg kann demnächst mit Boom Blox beweisen, dass die Steine physikalisch besser, optisch spektakulärer und spielerisch unterhaltsamer fallen können. Wir sind gespannt!
Pro
- gute Steuerungsmechanik
- einige interessante Extras wie Vereisung, Telekinese & Erdbeben
- bis zu vier Spieler gleichzeitig
Kontra
- <P>- meist fade, kaum bewegte Kulissen
- ab und zu physikalisch unrealistische Steinkonstellationen
- keine physikalische Reaktion der Umgebung
- KI wiederholt manchmal unmögliche Züge in Endlosschleife
- zu wenig Auswahl an Stein-Sets
- sinnlose Shooterminispiele</P>