Pirates of the Burning Sea - Test, Rollenspiel, PC

Pirates of the Burning Sea
28.02.2008, Sebastian

Test: Pirates of the Burning Sea

Piraten sind nicht nur dank Pirates!-Remake und Fluch der Karibik wieder ein attraktives Thema. Daher hat sich Flying Lab Software (FLS) seeräuberische Gedanken gemacht und in der hauseigenen Werft ein Online-Rollenspiel rund um Schatzjäger, Einäugige und Breitseiten entwickelt: Pirates of the Burning Sea (ab 14,95€ bei kaufen) (PotBS). Wir sind in die sonnige, aber auch von Pulverdampf erfüllte Karibik gesegelt. Erleidet das Abenteuer Schiffbruch oder meinen die Götter der Meere es gut mit ihm?

Im Jahre 1720 streiten sich hauptsächlich drei Nationen um die Herrschaft in der Karibik: Spanien, England, Frankreich. Und genau für eine davon darf man sich zu Beginn entscheiden. Die Wahl hat keine Auswirkungen auf euren Charakter oder seine Fähigkeiten, denn die drei Klassen (Marineoffizier, Freihändler oder Freibeuter) spielen sich leider auf jeder Seite gleich - nur der Starthafen ist ein anderer, sieht aber überall ähnlich aus. Das ist schade, denn so wirken alle maritimen Einstiege ins Abenteuer optisch gleich.

Bart, Papagei und Dreispitz - die Auswahl für das eigene Aussehen ist groß.


Setzt die Segel - aber welche Fahne?

Aber Moment einmal! Wo sind die Träger des schwarzen Totenkopfbanners aus dem Titel geblieben? Keine Panik an Bord! Die Piraten stellen die vierte Fraktion, bieten aber nur eine Berufswahl: Pirat. Leider sind die Unterschiede zwischen den Nationen und den Piraten weniger deutlich als es auf den ersten Blick den Anschein hat, denn auch bei den Seeräubern geht nichts ohne eine funktionierende starke Wirtschaft. Rein auf Plünderungen können auch die Piraten nicht bauen.

Die Karrierewahl ist entscheidend für die spätere Rolle im Spiel, denn nicht jeder darf auch jedes Schiff befehligen und manche Klasse genießt Vorteile, die anderen versagt bleiben. Während der Marineoffizier mit Rang 50 (dem derzeitig höchsten Level) die dicken Linienschiffe mit bis zu 100 Kanonen fährt, aber natürlich nicht gleich jedes Schiff anfallen darf, genießt der Freihändler besondere Konditionen bei Produktion und Handel und steuert die Schiffe mit den größten Laderäumen, ist aber auf Schutz angewiesen.

Kanonendonner oder Dublonenklimpern?

Der Freibeuter hingegen ist ein auf Schnelligkeit und List bedachter Kämpfer, der im Auftrag seiner Nation auch unbescholtene Händler anderer Nationen plündern darf. Dem Freibeuter ähnlich sind die Piraten, denn diese dürfen fast alles angreifen, was nicht schnell genug wegsegeln kann. Im Kampf zählen Beweglichkeit und geschickte Manöver, so dass die Piraten mit den schwächeren Schiffen auch größere Gegner bezwingen können. Dafür ist die Wirtschaft der Piraten schwächer und kann nicht auf die Möglichkeiten eigener Freihändler zurückgreifen. Piraten können wiederum verlassene oder geenterte Schiffe übernehmen.

Kanonenkugeln sind auf allen Seiten ein beliebtes "Geschenk" bei "Verhandlungen".

Viele MMORPGs haben keinen wirklichen roten Faden, aber FLS gibt dem eigenen Charakter eine interessante Hintergrundgeschichte, die euch von Beginn an bis zum Erreichen von Rang 50 begleitet. Sie leitet euch auch ein wenig zu den Städten mit Missionen für den aktuellen Rang. Etwas schade ist, dass die abwechslungsreiche Geschichte mit allen Nebenmissionen und -aufgaben (inklusive einer Liebesgeschichte) für alle Spieler, egal welche Nation oder welcher Beruf, gleich abläuft - abgesehen von den Städten in denen die Auftraggeber stehen.              

Was mach ich eigentlich hier?

Abseits der Geschichte gibt es in fast jedem Hafen eine Menge Menschen, die euch Aufträge erteilen. Die Missionen sind liebevoll mit einer kurzen Geschichte versehen (oft ist es eine Reihe von Missionen), die von Rache an einem untreuen Liebhaber über das Durchbrechen einer Blockade bis hin zum Einfangen von desertierten Kapitänen reichen. Dabei sind Betrug, Fallen und Überraschungen an der Tagesordnung, aber dank der kompletten Instanzierung der Missionen ist man hier wenigstens vor feindlichen Spielern sicher. Allerdings teilt auch PotBS die genretypische Krankheit, dass die Missionen sich allzu bald wiederholen. Aber wenigstens bleiben die Seekämpfe spannend.

Die Gebäude sind schön gestaltet und belebt. Was die beiden Damen wohl so erheitert? Hoffentlich sitzt die Augenklappe nicht schief?

Leider sind die Gebiete der Landmissionen dabei extrem einfallslos: es gibt eine Dschungelkarte, eine Höhle und zwei oder drei verschieden Gebäude in denen sich die Landmissionen abspielen. Die Karten der Seegefechte ähneln sich zwar, aber auf Grund der unterschiedlichen Schiffe und Anzahl der Gegner ist jeder Seekampf wieder aufs Neue spannend, auch wenn die KI der Gegner oftmals wirkt als hätte man das Hirn etwas zu lange in Rum eingelegt. Hier muss FLS eindeutig noch nachlegen, denn NPCs sind noch zu einfach zu besiegen.

Hier war ich doch schon mal?

Wem die Missionen zu leicht sind, der kann vor Beginn den Schwierigkeitsgrad erhöhen oder auch wieder reduzieren, falls man sich übernommen hat. Je schwerer, desto mehr oder höhere Ränge haben die Gegner oder desto weniger Hilfe von NPCs bekommt man zur Seite. Dafür winken mehr Erfahrungspunkte und mehr Dublonen.

Die Städte und Häfen die vom verwinkelten Tortuga über prächtige Hauptstädte der Nationen bis hin zu kleinen Piratennestern reichen sind alle liebevoll gestaltet. Einziges Manko dabei ist, dass es auch hier zu viele Wiederholungen gibt und sogar die Händler, Ausbilder usw. exakt an den gleichen Orten stehen. Ebenso sind die Texturen - so schön sie anzusehen sind - etwas zu arm an Variationen und an mancher Stelle stimmen Außenansicht (verfallene quadratische Bretterbude) und Innenansicht (prächtiger sechseckiger Wohnraum mit großen Glasfenstern) nicht überein.

Bei den Piraten geht es etwas rauer zu - leider sind die Städte teils nicht nur ähnlich sondern sogar identisch


Da hebt sich die Augenklappe &

Ganz anders sind die Schiffe, die an Detailreichtum und Effekten kaum lebendiger zu erschaffen wären. Dort gibt es viele kleine Verziehrungen zu sehen, Matrosen klettern die Rahen rauf und runter, sitzen auf dem Ausguck und Kanonen rutschen nach dem Abschuss zurück in die Kanonenlucken, um dann langsam wieder nach vorne geschoben zu werden. Schlagen die Kugeln ein, hinterlassen sie Löcher in Rumpf und Segel, fliegen Splitter durch Gegend, Mannschaftsmitglieder gehen über Bord und ganze Masten brechen. Nie waren Seegefechte schöner!           

In keinem MMORPG ist der Ausgang eines Kampfes so ungewiss wie bei PotBS, denn auf Grund der hohen Dynamik und der Freiheiten bei den Gefechten bestimmt im hohen Maße die Planung und Taktik den Sieger: Windrichtung, Bewaffnung, Einsatz von Fähigkeiten und Wissen über den Gegner sind elementare Teile der Kämpfe, wie auch das Timing und seglerische Können der einzelnen Spieler. Nelson hätte sicher seine Freude gehabt, vor allem wenn in den Entscheidungsschlachten in Hafengefechten bis zu 24 Schiffe pro Seite ins Gefecht segeln.

Ein kleines Seegefecht am Abend sorgt für Stimmung. Aber jetzt nur nicht ablenken lassen!


Das nasse Grab ruft

Natürlich spielt die Wahl des Schiffes eine große Rolle bei den Kämpfen und die große Auswahl an Schiffen (es gibt ca. 150 Varianten) und Erweiterungen für diese erlaubt es einem das passende Schiff für sich zu finden. Ebenso darf man sich aus ca. 100 Fähigkeiten (wobei nicht jede Fähigkeit jeder Klasse zur Verfügung steht) mit jedem Rang eine auswählen. So findet jeder Spieler seine eigene Taktik und für seine Spielweise das passende, egal ob es der Enterkampf ist oder Kanonenduelle über weiter Distanzen. Dabei ist die Steuerung so einfach und bequem gehalten, dass man sich gut auf das Ausmanövrieren der Gegner konzentrieren kann.

Die Eroberung von fremden Häfen ist der Kern des Spiels, aber auch derzeit einziger Inhalt des Endgames, also der finalen Phase, für Spieler mit dem höchsten Rang. Jede Nation hält zu Beginn einige Städte und kann fremde Städte erobern - sofern dort vorher durch Missionen oder das Versenken von Schiffen genug Unruhe erzeugt wurde. Natürlich können die Verteidiger ihrerseits dem entgegenwirken und sogar gegen die Angreifer selber vorgehen, sofern die erste oder zweite Stufe der Unruhe erreicht wurde.

Knapp vorbei ist auch daneben. Die Details in den Seegefechten sorgen für Herzklopfen. Am Heck des Schiffs weht übrigends eine Fahne die ein Spieler gezeichnet hat.
Denn mit jeder Stufe der Unruhe gibt es ein wachsendes Gebiet um die belagerte Stadt in dem am Ende jeder Spieler jeden anderen Spieler angreifen darf.

Die Häfen brennen!

Allerdings wird man nicht gezwungen an den Kämpfen zwischen den Spieler teilzunehmen, denn wer die Gefahrengebiete meidet kann ohne Gefahr von anderen Spielern angegriffen zu werden seinen Geschäften in der Karibik nachgehen. Dies ist eine Besonderheit des PvP von PotBS, die das PvP Geschehen hoch dynamisch gestaltet. Fast jeder Hafen kann jederzeit unter Feuer geraten und geschickt planende Nationen, was natürlich der Koordination der Spieler bedarf, können so der gegnerischen Wirtschaft großen Schaden zufügen.                

Die Wirtschaft in PotBS ist - nur vergleichbar mit EVE Online - fast ausschließlich von Spielern getrieben. NPC verkaufen nur schwächere Versionen von Schiffe und nur einfache Ausrüstungen und die Beute von NPC Schiffen ist weder in Dublonen noch in Waren ausgiebig genug um die Kriegswirtschaft zu halten. Daher müssen Spieler Rohstoffe abbauen (in jeder Stadt gibt es nur einige wenige Rohstoffquellen - deshalb kann der Verlust einer Stadt eine Nation hart treffen), verarbeiten und daraus dann Schiffe und Verbrauchsgüter herstellen.

Feuer frei für eine Breitseite. Im Kampf um die Herrschaft in der Südsee zählen harte Fakten: Kanonen, Kanonen und noch mehr Kanonen.
Dabei sind die Produktionsketten sehr lang und komplex und jeder Spieler hat nur 10 Bauplätze für Wirtschaftsgebäude für alle seine Charaktere pro Server. Ein Spieler wird es nicht schaffen - zumindest nicht sehr effektiv - ein Schiff alleine zu bauen. Wie in den Kämpfen um den Sieg ist auch in der Wirtschaft die Zusammenarbeit der Spieler der Schlüssel.

Geld regiert die Welt - und auch die Meere

Es gibt, anders als bei allen anderen MMORPGs, bei PotBS ein Ziel: Die Herrschaft über die Karibik. Die Nation die als erstes 300 Siegpunkte erreicht (beherrschte Häfen geben zehn Punkte, die Eroberung eines Hafens drei Punkte) hat gewonnen und die Spieler der Siegernation erhalten eine Belohnung. Nach einer kurzen Übergangsphase wird dann der Status der Städte zurück auf Start gestellt (Rang, Schiffe, Dublonen usw. bleiben erhalten) und der Tanz beginnt erneut, wobei die Verlierer der letzten Runde einen Siegpunktebonus erhalten, um die Chancen auszugleichen.

Bleibt noch eine weitere Besonderheit von PotBS zu erwähnen: Spieler-Inhalte. Jeder Spieler hat die Möglichkeit, seiner Phantasie freien Lauf zu lassen und selber Motive für Segel und Flaggen zu entwerfen - wer sich traut, kann sich sogar an eigenen Schiffsmodellen versuchen. Diese werden dann nach einem Abstimmungsverfahren auf der offiziellen Webseite und nach Begutachtung durch FLS ins Spiel eingebracht und können vom Spieler dann verwendet werden. Damit, sowie der Möglichkeit den Anstrich des Schiffes zu ändern und der großartigen Auswahl an Kleidung (inklusive Holzbein, Augenklappe usw.) für den Avatar, gibt es viel Raum für Individualisten.

Mein Segel, meine Flagge, meine Sprache?

Was tut man nicht alles aus Langeweile - Surfen im Jahre 1720. Dieses Schiff hab besonders reiche Verzierungen am Heck - hoffentlich überstehen sie auch das nächste Gefecht.
Das Spiel wäre sehr gut, wenn es nicht einige Dinge gäbe, die Lecks in den Rumpf schlagen. Zum einen ist - trotz einfacher Bedienung im Seekampf - die restliche Bedienung etwas umständlich und zu verschachtelt; vor allem die Handhabung des Chat ist teilweise gewöhnungsbedürftig. Für Einsteiger ist nicht nur das ein Hindernis, auch die Lernkurve ist - trotz kurzem Tutorial und rotem Faden durch die Story-Missionen - recht steil. Auch wenn die Soundkulisse hervorragend ist, hätten gerade die Einführung oder die Story-Missionen einen markanten, bärbeißigen Sprecher verdient und nicht nur trockenen Text. Und selbst der schwankt in der deutschen Version zwischen hervorragend und grauenvoll. Wieder einmal hat Sony Online Entertainment die Lokalisation an sich gerissen und es teilweise versaut. Wieder war wohl das "Übersetzungs"-Team von EQ2 am Werk, denn die Fehler sind zu typisch: da steht Hafenseite statt Backbord, Dauer statt Haltbarkeit, "Antonio LastName^#CatIsl_NPC_Nachname" will uns eine Mission aufdrücken und andere Variablenzeichen versauen die Meldungen über die "Eroberung von Havana durch das #(französichen".         

Fazit

Das hätte ich nicht gedacht: Pirates of the Burning Sea fesselt mich in fast allen Bereichen, auch wenn es seine Längen und Täler hat. Aber das Spielgefühl ist gerade zu beginn ein erhabenes: Mit der eigene Fahne am Heck und qualmenden Kanonen durch das Meer zu pflügen und dabei Breitseite um Breitseite auf Feinde zu schießen, das sieht nicht nur klasse aus, sondern macht einfach Spaß! Hinzu kommen die taktischen Kämpfe: Gegen andere Spieler anzutreten ist aufregender als in jedem anderen Online-Rollenspiel, da hier wirklich einmal das Denken, Vorausplanen und Geschick belohnt werden! Auch das politische Drumherum kann sich sehen lassen: Der Server-Sieg als Ansporn für die Nationen, auch wirklich zusammen zu arbeiten, das dynamische PvP sowie die komplexe Wirtschaft sind fordernd und schaffen spannende Abhängigkeiten zwischen Spielern und Gilden. Ein großes Leck droht aber den Spielspaß zu versenken: die drohende Langeweile nach Erreichen des höchsten Rangs, denn allzu viel Abwechslung darf man auf hoher See nicht erwarten: Andere Klassen spielen sich viel zu ähnlich, die Wirtschaft kann zur Routine verkommen und neben dem PvP gibt es keine Abwechslung. Flying Lab Software bringt aber bereits jetzt erste wichtige Änderungen ein und will diese Lücken weiter stopfen und die Spannung erhalten. Wer forderndes PvP mag, das Thema Schiffe und Piraten als wohltuende Abwechslung vom Fantasy-Allerlei erleben will und vor einer komplexen Wirtschaft nicht zurückschreckt, der sollte sein Holzbein polieren, den Säbel schärfen und sofort anheuern!

Pro

  • <P>
  • Schiffsmodelle sehr reich an Details
  • Kampf belohnt Taktieren
  • dynamisches PvP
  • komplexe Wirtschaft von Spielern getrieben
  • epische Story-Questline mit Nebenquests
  • Server-Sieg als Ziel für die Nation</P>

Kontra

  • Missionen nur bedingt abwechslungsreich
  • etwas steile Lernkurve
  • Übersetzung stellenweise grauenhaft
  • Kampf-AI unterdurchschnittlich
  • Unterschiede bei den Nationen zu gering
  • Story für alle gleich

Wertung

PC

Piraten-MMORPG mit spannenden Kämpfen, viel Atmosphäre und wenig Schwächen