Twisted Metal - Test, Rennspiel, PlayStation3, PlayStation4

Twisted Metal
09.03.2012, Michael Krosta

Test: Twisted Metal

Laut dröhnt „Dragula“ von Rob Zombie aus den Lautsprechern. Und es scheint fast so, als würde jeder einzelne Beat passend von einer Explosion begleitet: Es kracht, es scheppert, es rummst im Sekundentakt - und ich bin mitten drin, in einem klobigen Eiswagen, der bis zur Kühltruhe mit Raketen, MGs, Minen und anderen tödlichen Spielzeugen bewaffnet ist. Twisted Metal (ab 39,00€ bei kaufen) feiert mit dem gewohnten Krawumm sein Comeback – aber schlägt es auch ein?

In den letzten Jahren drehten Autos und Motorräder vornehmlich in klassischen Rennspielen ihre Runden. Sie mit abgedrehten Waffensystemen auszustatten und die Fahrer aufeinander zu hetzen, war nicht mehr angesagt. Höchstens das spaßige Blur von Bizarre Creations griff das Prinzip in leicht veränderter Form auf, doch die Zeiten eines Full Auto oder Carmageddon schienen vorbei zu sein. Lange hat es gedauert, doch nach einigen Verschiebungen meldet sich mit Twisted Metal jetzt eine der Größen des Genres zurück, um erstmals die PS3 zu erschüttern. Psycho-Clown Sweet Tooth, das entstellte Supermodel Dollface und der ehemalige Stuntman Mr.Grimm – diese alten Bekannten stehen mit ihrer jeweils eigenen Geschichte im Mittelpunkt der kurzen Kampagne, die in trashigen aber unterhaltsamen Zwischensequenzen mit realen Schauspielern erzählt wird. Zwischen den Clips geht es hinter dem Steuer in den Arenen zur Sache, in denen die Widersacher mit Hilfsmitteln vom Raketenwerfer über montierte Geschütze bis hin zur Kettensäge und futuristischen Strahlenwaffen zerlegt werden. Auch vor der Umgebung macht die Zerstörungsorgie nicht Halt – allerdings nur dort, wo es von den Entwicklern um God of War-Vater David Jaffe gewollt ist.

Wiederbelebung

Auch auf Zweirädern wird sich in den chaotischen Kampf gestürzt.
Es wird mehr geboten als nur das klassische Deathmatch, in dem einfach jeder gegen jeden kämpft. So gilt es z.B. in einigen Missionen, innerhalb eines künstlichen Käfigs zu bleiben, der durch Lichtschranken begrenzt wird. Verlässt man die Zone, läuft eine Gnadenfrist ab – ist diese aufgebraucht, geht’s der Lebensleiste des Boliden an den Kragen, die darüber hinaus auch nach jedem Treffer in Mitleidenschaft gezogen wird. Das Problem: Der Käfig befindet sich nicht statisch an einer Stelle, sondern wechselt nach wenigen Minuten immer wieder dynamisch die Position, so dass man praktisch gezwungen wird, sich neben den Gegnern auch der Gnadenfrist zu stellen. Zudem muss man abwägen, ob man das „Gefängnis“ kurz verlässt, um bessere Waffen oder Heilpakete einzusammeln. Nicht zu vergessen die Lastwagen, die die Gesundheit komplett regenerieren, wenn man über ihre Laderampe rast. Auch der Kampf gegen den Juggernaut basiert auf einem interessanten Konzept: Hier rast ein gepanzerter Truck durch die Gegend, der alle paar Minuten einen zusätzlichen Standardgegner auf den Spieler loslässt und nicht auf dem Radar erscheint. Zerstört man ihn nicht schnell genug, kann man sich bald nicht mehr der Übermacht erwehren. Dazu gesellen sich Bosskämpfe gegen XL-Gegner wie eine gigantische Roboterpuppe, in denen die Entwickler ihrer kranken Fantasie freien Lauf gelassen haben.

Kreative Ansätze

Ja, in Twisted Metal stecken einige tolle Ideen. Doch die Umsetzung hat das Team von Eat Sleep Play verbockt: Größter Kritikpunkt ist der schwankende Schwierigkeitsgrad, der im Rahmen der Kampagne für viele Frustmomente sorgt. Obwohl auf den Schlachtfeldern eigentlich jeder gegen jeden kämpfen sollte, hat es die KI ausschließlich auf mich abgesehen und attackiert mich im Rudel von allen Seiten. In diesem Chaos aus Raketen, Schüssen und Attacken weiß ich oft gar nicht, wie ich mich überhaupt zur Wehr setzen soll. Kommen Faktoren wie der Juggernaut oder Käfig hinzu, zeigt sich das Spiel endgültig von seiner unfairen Seite – und das schon auf dem niedrigsten der drei Schwierigkeitsgrade. Den Vogel schießen aber die Standardrennen ab, die dank Problemen bei der Wegfindung und der aggressiven Konkurrenz zu einem reinen Glücksspiel werden – und Glück hat man hier nur selten.

Umsetzung gescheitert

Dazu gesellen sich weitere Vehikel der Kategorie "Abgedreht".
Die grottige (Fahr-)Physik trägt ebenfalls ihren Teil dazu bei, dass ich mit diesem Twisted Metal nicht warm werde, denn sie ist quasi nicht vorhanden. Stattdessen hat man das Gefühl, als würde der fahrbare Untersatz wie von einem Magnet am Boden gehalten. Wenn es kracht, ist es genau andersherum: Ich werde selbst in schweren Fahrzeugen entweder wie eine Feder durch die Luft geschleudert, hüpfe hilflos wie ein Tischtennisball im Kreuzfeuer hin und her oder fahre nach einer heftigen Explosion plötzlich eine Häuserfassade hinauf oder hinab. Ein Großteil des Spielablaufs ist ein hoffnungloses, unfaires Chaos, in dem man ständig die Orientierung verliert – und damit auch die Lust.  

Fahrphysik? Nicht vorhanden!

Hinzu kommt eine völlig überladene Steuerung, an die man sich selbst nach dem Absolvieren des Tutorials nur schwer gewöhnen kann. Gas geben, bremsen, Nitro, schnelle Drehung, Arsenal nach links oder rechts durchschalten, Haupt- und Sekundärwaffe abfeuern, springen, nach hinten ballern: Hier wird der Dualshock an seine Grenzen getrieben – sogar so weit, dass selbst die Bewegungssteuerung für eine Funktion eingebunden werden musste. Umständlicher geht es kaum… Das automatische Zielsystem hat ebenfalls seine Macken und springt oft willkürlich zwischen Gegnern hin und her. Oft habe ich sogar wertvolle Munition verschwendet, weil die Erfassung genau beim Abfeuern versagt hat.

Die Umgebung lässt sich zwar teilweise zerstören, doch bieten die Kulissen nur wenige Details.
Trotz ihrer Detailarmut, Pop-ups und leichten Einbrüchen in der Bildrate haben die Schauplätze durchaus ihre Qualitäten: Neben der Zerstörung gibt es nicht nur viele versteckte Winkel zu entdecken, sondern auch eine gewisse Dynamik, wenn z.B. die Architektur spontan verändert wird, fiese Fallen gestellt werden oder man plötzlich auf einer rutschigen Eisoberfläche die Bodenhaftung verliert. Auf diesen Schlachtfeldern findet sich in der Regel auch eine Garage, in denen man in ein anderes der zuvor gewählten drei Vehikel hüpfen darf. Praktisch: Während man draußen ums Überleben kämpft, werden die beiden Ersatzfahrzeuge automatisch repariert. Fahrzeuge? Ach, was red ich denn da? Neben Eiswagen, Muscle Car & Co wird die Auswahl später auch noch um Motorräder, Hubschrauber und sogar einen Mech erweitert, wobei man die Lackierung den eigenen Wünschen anpassen darf. Zudem unterscheiden sich die Vehikel hinsichtlich Geschwindigkeit, Panzerung und Bewaffnung.

Licht und Schatten

Genau wie der Ur-Vater auf der PlayStation ist auch die PS3-Variante in erster Linie für Mehrspieler-Chaos ausgelegt. Rein theoretisch dürfen sich bis zu 16 Raser ihr Waffenarsenal um die Ohren hauen, wenn…ja wenn es doch nur funktionieren würde. Auch mit dem Patch zum europäischen Release hat man es bei Sony noch nicht geschafft, die Verbindungsprobleme zu beheben, mit denen sich schon die US-Version herumschlagen musste. Die Folge: Möchte man einer Lobby beitreten, scheitert ein Großteil der Versuche mit einem Netzwerkfehler. Bessere Chancen bekommt man bei einem Quickmatch, doch muss man hier mit dem Zufallsfaktor leben und landet meist nicht in dem Spielmodus, den man sich gewünscht hat. Allerdings ist die Auswahl ohnehin nicht sonderlich groß: Neben (Team-)Deathmatch stehen noch Last Man Standing (bzw. Driving) und eine Variation von „Jäger und Gejagter“ zur Auswahl, bei der es die Gruppe auf das Kopfgeld eines bestimmten Spielers abgesehen hat.

Verbindung gescheitert

Erstmals greift man auch aus der Luft in die Kämpfe ein.
Von diesem Standardprogramm ragt lediglich der Nuke-Modus als CTF-Variante heraus: Hier gilt es zunächst, den Anführer des gegnerischen Teams zu entführen und brutal zu opfern. Erst danach erhält man die Möglichkeit, das gewaltige Maskottchen der Gegenspieler mit einer manuell gelenkten Rakete zu attackieren. Diese Prozedur muss so oft wiederholt werden, bis die Statue endgültig zerstört wird. Keine leichte Aufgabe, da dem Feind immer noch die Möglichkeit eingeräumt wird, den tödlichen Flugkörper noch vor dem Einschlag zu vernichten. Spaßige Geschichte – aber was hilft es, wenn ein Großteil der Sessions entweder durch technische Probleme oder durch unaufmerksame Lobby-Leiter nicht zustande kommen? Alternativ kann man sich lokal am Splitscreen mit bis zu vier Spielern austoben oder kooperativ die Kampagne angehen. Im Herausforderungsmodus gibt es außerdem die Möglichkeit zu schnellen Spielen gegen die KI nach eigenen Regeln.

Fazit

Die Wiederauferstehung von Twisted Metal ist eine herbe Enttäuschung, die nicht mehr als gute Ansätze zeigt: Waffen und Action? Herrlich, zwischen durchschlagend und abgedreht. Der Soundtrack? Gelungen, auch wenn es ein paar mehr Stücke von Rob Zombie, Wolfmother & Co hätten sein dürfen. Nette Ideen wie der dynamische Käfig oder der Kampf gegen den Juggernaut sowie XL-Bossgegner sind neben den trashigen Zwischensequenzen ebenfalls kleine Lichtblicke innerhalb der kurzen Kampagne. Wo man scheitert, ist das Spiel an sich: Der stark schwankende Schwierigkeitsgrad sorgt oft für unfaire Duelle und damit Frust – auch deshalb, weil die KI einzig den Spieler ins Visier nimmt, anstatt sich auch untereinander die Hölle heiß zu machen. Dem Dauerbeschuss von allen Seiten kann man teilweise gar nicht entkommen – alles versinkt in einem heillosen Durcheinander, bei dem man nicht nur seine Lebensenergie, sondern auch die Übersicht und Lust verliert. Theoretisch würde sich das Ausweichen auf die Online-Schlachtfelder anbieten, doch praktisch scheitert der Plan an Netzwerkfehlern, die Sony selbst nach ersten Updates immer noch nicht in den Griff bekommen hat – und das bei einem Titel, der von Anfang an auf die PSN-Scharmützel ausgelegt war! Immerhin werden lokale Matches am geteilten Bildschirm als Alternative geboten. Doch auch hier trübt die grottige (Fahr-)Physik in Kombination mit der überladenen Steuerung den Spaß an der Zerstörungsorgie, zumal auch die Technik mit detailarmen Kulissen und Rucklern höchstens am Durchschnitt kratzt.

Wertung

PlayStation3

Zu chaotisch, zu unfair und zu viele Probleme beim Netzcode: Twisted Metal kann auf der PS3 mit einigen kreativen Ideen nur im Ansatz zeigen, was möglich gewesen wäre.