Bus-Simulator 2012 - Test, Simulation, PC

Bus-Simulator 2012
02.03.2012, Mourad Zarrouk

Test: Bus-Simulator 2012

Der Omnibussimulator (OMSI)  hatte letztes Jahr eindrucksvoll demonstriert wie eine Berufssimulation auszusehen hat. Jetzt schickt Astragon mit dem Bus-Simulator 2012 (ab 7,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) ein Konkurrenzprodukt auf den Markt. Kann man dem OMSI das Wasser reichen? Handelt es sich auch hier um eine echte Simulation?

Freyfurt gibt es zwar nicht, aber Freyfurt ist schön groß!
Die Erfurter TML-Studios entwickeln seit Jahren Simulationen. Am besten gelingen ihnen U-Bahn-Simulationen wie der  London Underground Simulator, aber schon mit dem dem  City Bus Simulator stellten sie unter Beweis, dass sie auch mit Bussen etwas anfangen können. Mit dem Bus- & Cable Car Simulator legten sie zwar noch einmal eine Schüppe drauf, doch insbesondere die Busse waren ihnen letztes Jahr nicht so überzeugend gelungen wie die Schienenfahrzeuge - der OMSI war ihnen in diesem Bereich deutlich überlegen. Mit dem Bus-Simulator 2012 soll sich das ändern, auch wenn dies unweigerlich dazu führen könnte, dass erstmals eine Astragon-Simulation tatsächlich eine wäre!

Die erste Simulation von Astragon?

"Nur" zwei Busse stehen zur Auswahl: Ein regulärer Omnibus und ein Gelenkbus. In Ermangelung der Original-Lizenz  darf der Begriff "Mercedes-Benz Citaro" nicht genannt werden, tatsächlich stand aber genau dieses Modell in der Standard- und Gelenkbus-Variante bei der Entwicklung Pate. Nach etwa drei Jahren Erfahrung mit Alltags- und Berufssimulationen weiß ich: Das ist eine gutes Omen! Ich starte meine künftige Karriere als Berufskraftfahrer in der fiktiven Stadt "Freyfurt". Ich bin ja eher ein Freund realer Szenarien: Ich fand es wunderbar im OMSI bestimmte Läden in Spandau wiederzuerkennen. Ich finde es Klasse, wenn man in X-Plane 10 die kleine Abfertigungshalle des  Paderborner Flughafen überfliegt und deutlich erkennt. Nun hat man sich hier für eine fiktive Stadt entschieden. Das ist schade, aber es ist nicht schlimm, solange diese Stadt realistisch aufgebaut ist und mir eine glaubwürdige Kulisse bietet.

Willkommen in Freyfurt

Im Depot muss zunächst der Bus und die Kasse startklar gemacht werden.
Ob Straßenkehrer, U-Bahn-Schaffner, oder  Fahrer der historischen Cable-Cars in San Francisco: Wie bei jeder TML-Simulation beginne ich meine Arbeit auf dem Betriebsgelände. Gespräche mit Vorgesetzten, Einsatzbesprechungen oder andere Formen der Interaktion sucht man hier vergebens. Ich darf zwischen Männlein oder Weiblein wählen, ich darf meinem Alter Ego einen Namen geben und einen Startmonat wählen, dann bekomme ich Personalnummer und Sicherheitscode. Vorsicht: Wenn ich die Startzeit nicht vorher manuell verändere, wird automatisch die Systemzeit aktiviert und wer Nachts spielt, möchte unter Umständen dennoch tagsüber fahren. Nun habe ich die Wahl zwischen einem Einsteiger- und Experten – Modus. In einer Art Reflex wähle ich  sofort letzteren, denn hey...ich habe letzte Woche noch Jetliner in X-Plane gelandet, das hier ist eine Astragon "Simulation"...was kann da schon schief gehen? Eine Menge! Fahrtenschreiber? Lenk- und Ruhezeiten?Additive zum Treibstoff ? Mal ganz sachte! Mit eingezogenem Schwanz beginne ich erneut und wähle diesmal den Einsteiger-Modus. Uff...wer hätte das gedacht? Komplexität bei einer Astragon-Simulation!

Einsteiger oder Experte?

Achtung Foto! In Freyfurt werden auch Busfahrer geblitzt.
Also begebe ich mich erneut in meinen Bus und komme auch in den Genuss eines umfangreicheren Tutorials. So etwa zehn Schritte müssen da durchexerziert werden, bevor ich überhaupt losfahren darf und kann. Da muss der Bus natürlich betriebsbereit gemacht werden, da muss die Kasse "programmiert" werden, indem meine persönliche Fahrernummer plus Sicherheitscode eingegeben wird. Die Linie muss eingegeben und schließlich die Türen geschlossen werden, aber so ist das eben auch im realen Leben - und erst dann kann es losgehen. Praktischerweise zeigt mir eine oben rechts eingeblendete Karte den Weg zu meiner Starthaltestelle. Etwas versteckt innerhalb der zahlreichen Funktionen (nahezu jede Taste der Tastatur ist belegt, häufig sogar doppelt) kann ich mir auch meine Ist-Zeit und meine Soll-Zeit anzeigen lassen. Spätestens wenn ich die Starthaltestelle erreicht habe, wird von da an für jede kommende Haltestelle meine "Verfrühung" oder eben Verspätung deutlich angezeigt, so dass ich innerhalb der Haltestellen die Möglichkeit habe, solche Differenzen auszugleichen. Schon nach den ersten hundert Metern wird klar: Nur mit Maus und Tastatur geht hier gar nichts – und das ist auch gut so! Eine vernünftige Simulation darf auch vernünftige Peripherie erwarten. Einen tonnenschweren Bus steuert man eben auch nicht digital per Pad oder Tastatur, sondern eben mit einem Lenkrad inklusive Pedalen.

Ohne Lenkrad geht gar nichts

Blick in den Fahrgastraum: Sogar die Haltewunschknöpfe passen.
An der Starthaltestelle angekommen, beginnt die automatische Haltestellen-Ansage. Ich öffne die Türen und die ersten Fahrgäste steigen zu. Einige verfügen über Dauerkarten, andere müssen einen Fahrschein lösen. Artig sagen sie an, was sie benötigen, denn es gilt zwischen Normal, Student, Rentner oder Invalide zu unterscheiden. Dann muss der vorgelegte Betrag eingegeben werden, die Kasse errechnet das Rückgeld und dies muss natürlich korrekt ausgegeben werden – was auch schon mal hektisch werden kann, wenn ein Rentner es mal wieder eilig hat, aber per 20 Euro-Schein bezahlen möchte. Das Repertoire der Fahrgäste könnte zwar etwas umfassender sein und auch die Darstellung ist alles andere als perfekt, aber bereits ein deutlicher Gewinn gegenüber dem City Bus Simulator und natürlich den "Zombie-Passanten" aus dem OMSI. So klappere ich dann eine Haltestelle nach der anderen ab, achte auf meine Geschwindigkeit (es wird geblitzt!), auf Passanten (Freyfurt muss die Hauptstadt der Zebrasteifen sein) und die zahlreichen PKW (Motor- und Fahrräder gibt es hier genauso wenig wie im OMSI-Spandau der späten 80'er). Kurzum: Es ist anspruchsvoll, aber es passt! Ich fühle mich wie ein Busfahrer, der seinen Job so gut er kann erledigt – was wiederum bedeutet, dass die Entwickler ihren Job gemacht haben. Immersion in die  Simulation  gelungen. Chapeau!

Hausaufgaben gemacht!

An alles wurde gedacht: Das Display der Rückfahrkamera liefert das korrekte Bild in Echtzeit.
Ich traue es mich kaum zu schreiben, aber schon der Einsteiger-Modus richtet sich an Experten. Der Experten-Modus sowieso! Hier wird tatsächlich alles simuliert, was so ein moderner Bus hergibt: Ob Sonnen-Rollo, Rückfahrdisplay,  verstellbarer Fahrersitz, Klimasystem in der Fahrerkabine (Stichwort: Scheibenbelüftung), dem Fahrgastraum (Stichwort: Wohlfühltemperatur für die Gäste) oder im Experten-Modus solche Feinheiten wie Fahrtenschreiber-Programmierung inkl. Ruhe- und Fahrzeiten sowie anschließender Auswertung –  an alles Wichtige haben die Erfurter diesmal gedacht. Haben sie dabei beim OMSI-abgekupfert, oder vielmehr nachgeschaut, was alles in der Realität  vorkommt und dies (ebenfalls) eingebaut? Wie z.B. die Tatsache, dass die Scheiben nun einmal beschlagen, wenn es draußen zu Regnen beginnt und man  aktiv werden muss, um dem entgegenzuwirken? Mir als Tester kann das vollkommen egal sein – Hauptsache, es ist drin! Dass sich das Wetter dynamisch verändert sowie der Jahreszeit entsprechend dargestellt wird und sich der Bus auch wirklich wie ein Bus anhört und anfühlt (Brems- und Lenkweg) ist da schon fast eine Selbstverständlichkeit. Davon war der Bus-Simulator 2009 noch Lichtjahre entfernt.

Astragon für Experten

Der Kassiervorgang wurde sehr detailliert umgesetzt.
Natürlich ist auch dieser Simulator nicht frei von Fehlern. Zwar wird mein Fortschritt konsequent aufgezeichnet und mein "Status bei der Verkehrsgesellschaft" steigt mit korrekt absolvierten Dienststunden, aber  eine lebendige Karriere mit Beförderungen, Lob und Tadel sucht man nach wie vor vergebens. Der Bau-Simulator 2012 zeigt, wie so etwas durchaus auch in einer Simulation stattfinden kann. Dann ist die Gewichtung im Fehlerprotokoll bei der Auswertung nach abgeschlossener Linienfahrt etwas sonderbar: Da wird z.B der Versuch den Motor zu starten, obwohl er bereits läuft, angekreidet. Aber die Tatsache, dass ich einen Passanten auf dem Zebrastreifen umgefahren habe, findet keine Erwähnung (was im übrigen auch nicht animiert wird). Auch werden Schäden nach Unfällen nicht dargestellt, aber immerhin muss ich warten, bis eine Stoppuhr 30 Sekunden rückwärts zählt bis mein Unfallgegner sich in Luft auflöst, somit sind Unfälle zumindest nicht egal – in der Auswertung tauchen sie indes ebenfalls nicht auf, das ist schon merkwürdig. Hauptstraßen sind meist breit genug, um meinem Unfallgegner nach der Kollision aus dem Weg zu gehen. Es gibt aber auch viele kleine verwinkelte Einbahnstraßen, wo das nicht möglich ist und dummerweise ereignen sich ja gerade dort die meisten Kollisionen – hier hilft nur sehr umsichtiges und vorausschauendes Fahren. Schade, dass hier das Track-IR-System nicht nativ unterstützt wird. Lediglich per Maus-Emulation ist es zu verwenden; das ist aber nur halb so gut wie es eigentlich möglich wäre. Ich hoffe sehr, dass dieses für ernstzunehmende Simulationen unersetzliche Gerät in nachfolgendenden Versionen voll unterstützt wird, wie auch schon im OMSI. Schließlich wäre es zu begrüßen, wenn ich auch mitten im Fahrplan speichern kann und dort die Fahrt auch wieder aufnehmen könnte.Nicht immer nur am Ende der Tour, bzw. inmitten der Tour, dann aber auf Kosten der Auswertung.

Licht und Schatten

Fazit

Wer hätte das gedacht? Die TML Studios machen es möglich: Eine ernstzunehmende Vollblut-Simulation aus dem Hause Astragon. Ich gebe zu, ich hatte nicht mit so einem Qualitätssprung in so kurzer Zeit gerechnet. Zwar geht dem Bus-Simulator 2012 etwas der authentische Charme des OMSI ab, doch man fühlt sich wie in einem echten Bus. Es handelt sich um aktuelle Busse mit Rückfahrkamera, Klimaanlage, Retarder-Bremssystemen, die auch korrekt bedient werden wollen und Fahrtenschreibern, das ist bislang einmalig. Dafür habe ich allerdings auch keine reale Stadt mit realem Streckenfahrplan. Auf der anderen Seite dafür ein deutlich erweitertes Operationsgebiet. Fans dürfen sich jedenfalls freuen: Sie haben die Wahl zwischen zwei richtig guten und günstigen Bus-Simulationen. Eine wirklich positive Entwicklung nach vier Jahren Pseudo-Simulationen. Weiter so!

Wertung

PC

Endlich mal kein Etikettenschwindel bei Astragon: Der Bus-Simulator 2012 hält, was er verspricht - glaubwürdig, realistisch, gut.