Test Drive Ferrari: Racing Legends - Test, Rennspiel, 360, PC, PlayStation3

Test Drive Ferrari: Racing Legends
06.07.2012, Michael Krosta

Test: Test Drive Ferrari: Racing Legends

Die (meist) roten Flitzer aus Maranello genießen nicht nur bei Autonarren, sondern auch auf PCs, Konsolen und in der Spielhalle einen gewissen Kultstatus - man denke nur an Outrun oder das fantastische Ferrari F355 Challenge, das vor allem auf Segas Dreamcast eine nahezu perfekte Umsetzung der Automatenvorlage darstellte. Mit Test Drive: Ferrari Racing Legends nehmen sich jetzt die Slightly Mad Studios der ruhmreichen Historie der Italiener an. Ist das Ergebnis der Marke würdig?

Gut 50 Modelle, angefangen von Klassikern wie dem Ferrari 125 S (1947) über den kultigen Ferrari Testarossa (1984) bis hin zu modernen Sportwagen wie dem Ferrari 458 Italia und Ferrari 150° Italia Monoposto - da geht nicht nur den Tifosi das Herz auf. Selbst die roten Formel-Boliden aus verschiedenen Jahrzehnten haben den Weg in den übersichtlichen, aber hochwertigen Fuhrwerk gefunden, der nicht nur klasse aussieht, sondern mit kernigem Motorenbrummen auch entsprechend klingt. Ja, die aufwändig modellierten Ferraris sind die Stars des Spiels und wurden sogar mit einer ansehnlichen Cockpitperspektive inklusive vollwertiger Innen- und Außenspiegel ausgestattet. Die Inszenierung der Fahrt fällt mit fehlendem Tunnelblick und dem Verzicht auf die Wackel-Helmkamera hier aber nicht mehr so intensiv aus wie beim artverwandten Need for Speed: Shift 2, das ebenfalls von Slightly Mad stammt und das gleiche technische Grundgerüst verwendet. Leider kann man die traumhaften Boliden nicht in einem Fotosmodus in Szene setzen und in Aufnahmen festhalten, doch lassen sich dafür wenigstens die Wiederholungen speichern.

Ich sehe rot!

Kleine Zeitreise gefällig?
So schön all die Modelle auch aussehen, vergeben die Entwickler die Chance, sich detaillierter mit der Evolution der Sportwagen zu beschäftigen. Bis auf das Baujahr und die Höchstgeschwindigkeit gibt es keine weiteren Informationen zu den Fahrzeugen, obwohl es zu jedem von ihnen sicher einige interessante Fakten und Geschichten zu erzählen gäbe. Schön dagegen, dass man nicht nur Zeuge der Weiterentwicklung von Ferrari wird, denn auch bei vielen der lizenzierten Rennstrecken wie Monza, Silverstone oder Spa wird neben der modernen Variante eine alte Streckenführung angeboten, die teilweise mehrere Jahrzehnte zurückreicht. So rase ich hier u.a. wieder über die lange Gerade vom Hockenheimring mit Vollgas durch den Wald oder statte der französischen Piste Rouen der 50er Jahre einen Besuch ab. Zwar stören hin und wieder Pop-ups und Flimmerkanten, doch können sich die Kulissen durchaus sehen lassen, obwohl man technisch mit Forza, Gran Turismo und selbst Shift 2 nicht mithalten kann. Zudem leidet vor allem die Xbox 360-Version unter teils heftigen Einbrüchen der Bildrate, wenn man in einem maximalen Starterfeld von 16 Fahrern unterwegs ist. Hinzu kommt, dass das Bild hier unabhängig von der gewählten Tageszeit (morgens, mittags, abends) meist zu dunkel wirkt - vor allem im direkten Vergleich mit dem PS3-Pendant. Auf der Sony-Konsole muss man zwar eine Zwangsinstallation in Kauf nehmen, bekommt aber im Gegenzug ein runderes Spielerlebnis als auf der 360, obwohl auf beiden Plattformen neben dem Controller auch Lenkräder (inkl. Kupplung!) unterstützt werden. Eine coole Idee ist zudem der Übergang von einem alten Schwarzweiß-Filter zum bunten Bild, wenn man in einem älteren Ferrari unterwegs ist. Ich hätte es sogar toll gefunden, optional komplette Rennen mit dem aktivierten „Alt-Filter“ zu bestreiten.

Der Wandel der Zeit

Monaco steht ebenfalls im Rennkalender - wenn es erstmal freigeschaltet ist.
Wer bereits in Shift seine Runden gedreht hat, dürfte hinter dem Steuer der Ferraris ein Déjà-vu erleben: Zwar ist die Fahrphysik durchaus anspruchsvoll und jeder der Ferraris fühlt sich einzigartig an, doch neigen die Boliden erneut zu einem starken Übersteuern. Man rutscht hier also mehr durch die Kurven und fühlt sich bei den ständigen Drift-Einlagen mehr an ein Go-Kart erinnert als einen Renner aus Maranello. Im Zusammenspiel mit der nervösen Lenkung ist es daher nicht gerade einfach, den Wagen auf der Strecke zu halten - besonders dann, wenn man sich mit der Profi-Fahrphysik auf die Piste begibt, bei der sämtliche Hilfen deaktiviert sind. Leider lässt sich Unterstützung wie ABS und Traktionskontrolle nicht gezielt anpassen - stattdessen werden lediglich drei Stufen des Fahrmodells geboten, die man nicht weiter anpassen darf. Einzig beim Getriebe darf man sich zwischen manueller und automatischer Schaltung entscheiden.

Wie im Go-Kart

Es stehen nur die Standardlackierungen zur Verfügung.
Doch mit Einstellungen hat man es hier eh nicht so. Mit der Begründung, Ferrari würde jedes Fahrzeug bereits mit einem perfekten Setup ausliefern, dürfen Mechaniker hier weder am Fahrwerk noch an den Bremsen, der Übersetzung oder Aerodynamik Hand anlegen. Auch in optischer Hinsicht sind bis auf eine Auswahl an Standardlackierungen keine Anpassungen möglich - von Umbauten und Tuning ganz zu schweigen. Es scheint ein so, als würde man hier auf Sparflamme kochen.

Arbeitslose Mechaniker

Und wenn man schon keine Mechaniker braucht, dann gilt das auch für Boxenstopps. Aber warum auch? Einen Reifenverschleiß gibt es nicht, der Benzinverbrauch spielt höchstens in vorgefertigten Karriere-Missionen eine Rolle und das schwache Schadensmodell beschränkt sich ausschließlich auf Kratzer sowie Beulen, hat also keinen Einfluss auf die Fahrphysik. Ziemlich schwach für ein Spiel, das sich als Simulation versteht. Die Inkonsequenz geht beim Strafsystem weiter: Manchmal bekomme ich für ein Abkürzen nur eine Verwarnung, beim nächsten Mal werde ich beim gleichen Event an der gleichen Stelle umgehend disqualifiziert, wenn ich den Asphalt verlasse. Zwar hat man die Wahl, ob man morgens, mittags oder abends auf die Piste will, doch gibt es hier weder echte Nachtfahrten noch darf man über nasse Straßenbeläge schlittern - trotz Wolken bleibt es hier immer trocken.

Die KI ist leider wieder sehr aggressiv unterwegs.
Neben Einzelrennen (ohne Qualifikation) und Zeitfahren gegen Geisterwagen, ist die Karriere das Herzstück von diesem Test Drive. In drei verschiedenen Kampagnen erlebt der Spieler über 60 Jahre Ferrari-Geschichte: Angefangen bei der goldenen Ära (1947-1974) über die silberne Ära (1975-1990) bis hin zur modernen Ära stellt man sich den vorgefertigten Missionen. Diese reichen von Aufgaben wie das Erreichen eines Podestplatzes über das Unterbieten von Rundenrekorden bis zu Vorgaben, einen bestimmten Abstand zum vorausfahrenden Teamkollegen nicht zu unterschreiten. Eigentlich bringt die Karriere mit ihrem großen Umfang und den verschiedenen Missionen alles mit, um an den Bildschirm zu fesseln, doch leider kann sich das Potenzial aufgrund vieler Frustmomente und fragwürdiger Designentscheidungen nicht entfalten. Das erste Problem ist die Abwechslung: Die Anzahl der Pisten ist ohnehin nicht gerade üppig, aber warum werde ich am Anfang der goldenen Ära ständig nur nach Monza oder Silverstone geschickt? Schon nach einer halben Stunde hatte ich mich daran satt gesehen und die Strecken kamen mir zum Hals raus. Genauso der furchtbar redundante und unprofessionelle Boxenfunk. Das zweite Problem betrifft den Schwierigkeitsgrad: Zwar hat man die Wahl zwischen drei Stufen, doch sind die einzelnen Wettbewerbe furchtbar ausbalanciert. Während ich einige Missionen auf der normalen Stufe locker mit Vorsprung gewinne, beiße ich mir bei anderen selbst auf der leichtesten die Zähne an den hohen Vorgaben aus.

Umfangreiche Karriere mit Macken

Der Fuhrpark umfasst Modelle aus über 60 Jahren Ferrari-Geschichte.
Das dritte Problem betrifft nicht nur die Karriere, sondern das ganze Spiel, denn beim Thema KI bleiben die Slightly Mad Studios der alten Tradition treu und schicken einen Haufen kompromissloser Rowdys auf die Strecke, die rempeln, schubsen und drängeln, was das Zeug hält - und damit den Frustfaktor rapide ansteigen lassen. Dabei haben sie es nicht nur auf den Spieler abgesehen, sondern machen sich auch selbst das Leben schwer, was immer wieder zu unvorhersehbaren Unfällen führt. Leider gibt es hier keine optionale Rückspulfunktion, die dem entgegenwirken könnte. Hinzu kommt, dass die KI-Piloten schon auf der normalen der drei Stufen ein rasantes Tempo vorgeben und jedes Überholmanöver aufgrund ihrer Abschussmentalität im Desaster enden kann. Positiv dagegen, dass im Gegensatz zu vielen anderen Rennspielen hier mal kein künstlicher Gummiband-Effekt greift. Wer schnell und gut fährt, kann sich absetzen und Rennen gewinnen. Wer dagegen über die Strecke kriecht und Unfälle baut, braucht hier nicht darauf zu warten, dass das Feld brav wartet, bis man wieder Anschluss gefunden hat.

Vorsicht: Rammböcke

Die Boliden wurden aufwändig modelliert.
Passend zur öden Präsentation in Form von Texten und langweiligen Menüs gestaltet sich die Karriere über weite Strecken als dröge und frustrierend. Dennoch ist sie ein notwendiges Übel, denn nur hier schaltet man in langwieriger Arbeit die Autos und Strecken für die Verwendung in anderen Modi frei. Entsprechend steht zu Beginn nur ein kleiner Teil des Fuhrparks und Pistenprogramms zur Auswahl. Es wäre sinnvoller gewesen, zumindest für das Zeitfahren den Zugang zu allen Inhalten zu gewähren, die Ferrari Racing Legends zu bieten hat.

Notwendiges Übel

Selbst im Mehrspielermodus für bis zu acht Teilnehmer hat man lediglich Zugriff auf freigespielte Kurse und Boliden. Doch viel wird hier ohnehin nicht geboten: Zwar lässt sich das Feld mit KI-Fahrern füllen und man darf Beschränkungen der Wagenklasse festlegen, doch werden lediglich Einzelrennen ohne optionale Qualifikation ausgetragen. Meisterschaften oder Variationen wie Elimination sowie Team-Wettbewerbe sucht man genauso vergeblich wie eine Splitscreen- oder LAN-Option.

Fazit

Test Drive: Ferrari Racing Legends hätte ein schöner Lückenfüller für den Sommer werden können, denn was den Ansatz und Umfang der Karriere betrifft, befinden sich die Slightly Mad Studios auf dem richtigen Weg. Hätte man doch nur für mehr Abwechslung gesorgt und die billige Präsentation aufgepeppt. Bei der Modellierung der Traumwagen aus Maranello hat man sich dagegen nicht lumpen lassen. Zwar werden kaum Informationen geboten, doch sieht die Auswahl an Ferraris zwischen 1947 und heute nicht nur klasse aus, sondern klingt auch so. Die Fahrphysik kann da leider nicht mithalten: Zwar ist sie durchaus anspruchsvoll und tendiert mehr zur Simulation als zur simplen Arcade-Raserei, doch leidet sie an dem übertriebenen Übersteuern, das typisch für die Rennspiele der Slightly Mad Studios ist und mit dem ständigen Ausbrechen des Hecks und Rutscheinlagen mehr an Go Kart-Fahren erinnert. Der Verzicht auf Setup-Einstellungen, Reifenabnutzung, ein vollwertiges Schadensmodell und Benzinverbrauch macht es ebenfalls schwer, den Titel als ernsthafte Simulation anzuerkennen. Schön dagegen, dass man Strecken-Layouts aus verschiedenen Jahrzehnten anbietet, doch hätten es insgesamt ruhig ein paar mehr Pisten sein dürfen. Dass man aus alten Fehlern nicht lernt, beweist auch die KI, die immer noch äußerst ruppig auftritt und als Folge dessen neben dem schlecht ausbalancierten Schwierigkeitsgrad für viele Frustmomente sorgt. Der rudimentäre Mehrspielermodus ohne Splitscreen-Option macht die Sache auch nicht besser - es wird einfach zu wenig geboten. Und dieses Gefühl einer Light-Variante zieht sich durch das ganze Spiel. Ferrari Racing Legends hätte eindeutig das Potenzial zu mehr gehabt, muss sich aber in dieser Form mit einem Platz im hinteren Mittelfeld begnügen.

Pro

  • umfangreiche Karriere
  • alte und moderne Versionen vieler Strecken
  • klasse Auswahl an Ferrari-Modellen (inkl. F1-Boliden)
  • kernige Motorenklänge
  • anspruchsvolle Fahrphysikâ€Å 
  • diverse Fahrhilfen
  • (kosmetisches) Schadensmodellâ€Å 
  • Cockpitansicht

Kontra

  • zu wenig Abwechslung innerhalb der Karriere
  • aggressive Rempel-KI
  • schlecht ausbalancierter Schwierigkeitsgrad
  • keine Setup-Einstellungen möglich
  • â€Å die stark zum Übersteuern neigt
  • mitunter starke Schwankungen in der Bildrate (360)
  • â€Å ohne Auswirkungen auf die Fahrphysik
  • redundanter Boxenfunk
  • keine verschiedenen Witterungsverhältnisse
  • keine Boxenstopps
  • Benzinverbrauch spielt kaum eine Rolle
  • kein Reifenverschleiß
  • inkonsequentes Strafsystem
  • Fahrhilfen lassen sich nicht separat einstellen
  • nur rudimentärer Mehrspielermodus
  • Bild oft zu dunkel (360)

Wertung

360

Ferrari fährt hinterher: Zu wenig Tiefgang, eine Pöbel-KI und eine schlechte Balance verhindern, dass die roten Flitzer aus Maranello ihr Leistungspotenzial entfachen können.

PlayStation3

Technisch leichte Vorteile gegenüber der 360 dank hellerem Bild und einer weniger anfälligen Bildrate.