Bully: Die Ehrenrunde - Test, Action-Adventure, 360, Android, Wii, PC
Denkt denn keiner an die Kinder?
Was ist Bully? Ist das wirklich ein GTA auf dem Schulhof? Columbine - Das Spiel? Oh mein Gott, rettet die Jugend vor diesem Spiel! Verständigt Pfeiffer! Bewahrt die Familie! Sagt der Bild-Zeitung Bescheid!
Nö. All die Panik, all der Terz - völlig sinnlos. Bully war und ist ein intelligentes, außergewöhnliches und lässig designtes Action-Adventure in einem zugegebenermaßen in Computerspielen selten genutzten Szenario - einer runtergekommenen Schule, gegen die die Rütli-Lehranstalt wie ein Streichelzoo wirkt. Held ist der 15-jährige Jimmy Hopkins, der von seiner Mutter und seinem neuen, verhassten Stiefvater auf dem Weg zu ihrer Hochzeitsreise an den Toren der Schule ausgesetzt wird. Da steht er nun, der arme Tor - und muss sich ein Jahr lang bestmöglich durchschlagen.
Wenn ihr wissen wollt, wie sich Bully spielt, wie die Missionen aufgebaut sind oder kurz, um was für ein Spiel es sich handelt, dann verweisen wir euch auf unseren ausführlichen Test des PS2-Originals Canis Canem Edit. Denn das grundlegende Bully entspricht seinem Sony-Vorbild auf den Pickel genau, die anderthalb Jahre Wartepause haben die Designer für Feinschliff, zusätzliche Missionen und Extras sowie systemspezifische Verbesserungen genutzt. Aber eines nach dem anderen.
Der musikalische Rabauke
Beginnen wir mit den Zusatzinhalten, die sowohl in der 360- als auch der Wii-Fassung enthalten sind: Am wichtigsten sind die vier neuen Unterrichtsstunden; neben Englisch, Kunst oder Sport paukt ihr neuerdings auch Biologie, Musik, Mathematik und Geographie. Natürlich auch wieder in Form von Minigames: In Bio müsst ihr unter Zeitdruck Frösche oder Tauben sezieren, in Mathe schnellstmöglich Rechenaufgaben lösen, Musik präsentiert sich als eine Art Dance Dance Revolution light - begleitet von einem quälend falsch spielenden Schülerorchester müsst ihr gut getimt herunterfallende
Richtungsangaben erwischen. Unterhaltsam, einfach zu steuern, insgesamt ziemlich leicht - genau wie der Rest des Spiels, was Bully ideal für Genre-Neulinge macht. Darüber hinaus gibt es noch acht frisch designte Missionen, die zum größten Teil während der verlängerten Winterperiode spielen und gut in die bekannte Levelstruktur einfügen, sowie zusätzliches freischaltbare Klamotten und Frisuren. Außerdem wartet im Hauptmenü neuerdings der Menüpunkt »Mehrspieler«, der zwei Schülern die Möglichkeit gibt, in acht Minigames, zum größten Teil die Unterrichtsstunden, gegeneinander anzutreten - nett, aber auch nicht mehr. 360-Spieler bekommen natürlich auch die obligatorischen Achievements, die sehr angenehm auf das gesamte Spiel verteilt sind - wer also die vollen 1000 haben will, muss etwa 20 bis 25 Spielstunden investieren. Zwar kommt man auch wesentlich schneller durch Bully, indem man sich auf die Hauptstory konzentriert und Unterricht sowie Nebenaufträge unbeachtet lässt, doch dann entgeht einem locker das halbe Spiel. Wie auch das Original erschallt auch der neue Bully komplett auf Englisch, optional dürft ihr deutsche Untertitel dazuschalten. Auf 360 gibt es als Bonus noch einen merkwürdigen Soundbug, der dafür sorgt, dass immer wieder mal der Ton für einen Sekundenbruchteil komplett aussetzt - zwar kein Beinbruch, aber hörbar.Das schöne Leben
Die Wii-Fassung hat das Problem nicht, sieht sie doch im Großen und Ganzen ihrem PS2-Bruder sehr ähnlich: Auch hier profitiert man von runderneuerten Texturen, Modellen und Effekten, das Resultat sieht aufgrund der Wii-Auflösung aber nur solide aus. Beiden Varianten gemein sind die langen Ladezeiten, die bereits die PS2-Fassung plagten: Es wird dauernd und ständig nachgeladen, bei jedem Betreten eines Gebäudes, bei jedem Starten einer Mission, bei jedem Unterricht - zwar sind das immer nur ein paar Sekunden, aber die häufen sich mit der Zeit enorm. Die Wii-Version kommt gelegentlich sogar gar nicht hinterher: Fade-Ins sind ja eher normal, aber hin und wieder kam es im Test vor, dass ein Raum beim Betreten komplett leer war, wie das Konstrukt in der Matrix. Und genau wie der füllte sich der Raum nach ein paar Sekunden mit Wänden, Texturen und Figuren - zwar irgendwie recht unterhaltsam, aber natürlich nicht schön anzusehen.
Knapp acht Monate nach 360 und Wii geht der Unterricht auch endlich für PC-Schüler los. Und spielerisch hat sich nichts verändert: Es gibt keine PC-spezifischen Extras oder Sondermissionen, das Abenteuer entspricht zu 100% der 360-Version. Mit zwei großen Ausnahmen: Da wäre zum einen natürlich die Grafik, deren Auflösung ihr ordentlich
hochkurbeln könnt. Dazu gibt's noch bis zu sechsfaches Anti-Aliasing sowie Schatten in verschiedenen Qualitätsstufen. Das Endergebnis mit allen aktivierten Verschönerungen sieht sehr ordentlich aus, aber natürlich kann Bully auch hier seine PS2-Wurzeln nicht verleugnen. Dafür sind die Hardwareanforderungen wunderbar niedrig, selbst mit vollen Optionen flitzt die Grafik wie ein 100m-Sprinter dahin. Allerdings gibt es auf ATi-Karten bei vollem Anti-Aliasing gelegentliche Grafikfehler an Polygonübergängen, auf die man im Detail achten sollte. Das Intro-Video, das nicht in Echtzeit berechnet, sondern als Film abgespielt wird, wird bei hohen Auflösungen mysteriöserweise gestaucht angezeigt. Und wie schon auf den Konsolen gibt es auch hier gelegentlich gut sichtbare Pop-Ups und Fade-Ins - an der Sichtweite der Engine wurde nicht geschraubt.Die PC-Version
Ausnahme Nummer 2 ist die Steuerung: Habt ihr ein gutes Gamepad (wie mittlerweile gewohnt wird das 360-Pad nativ unterstützt), dann ist alles wunderbar und spielt sich exakt wie auf der Konsole. Mit Tastatur und Maus macht das Schulleben etwas weniger Freude, denn einige Standard-Funktionen, die auf den Pad analog ausgeführt werden, müssen hier digital erledigt werden. Man gewöhnt sich daran, aber die Tastatursteuerung ist nicht optimal.
Fazit
Ein Revival dieser Art macht dem faulen Redakteur das Leben leicht, kann er doch Teile seines damaligen Fazits einfach recyceln, die heute nichts an Wahrheit verloren haben: Die überwältigende Liebe zum Detail, die tolle Inszenierung, der tiefschwarze Cartoon-Humor, die brillanten Dialoge, die groovyfunkyrocknrolly Musik - all das und mehr machen Bully zu einem einzigartigen Spiel, das einen ganz speziellen Charakter entfaltet, den es weder in Liberty City noch in San Andreas gibt. Eine Art Mini-GTA, ganz ohne die fiese Brutalität, Knarren, Blut, Autos und Helikopter, dafür mit vielen frischen Ideen und noch mehr Zynismus - eine schöne Abwechslung! Allerdings ist es viel zu einfach (es gab nur eine Hand voll Missionen, die ich nicht beim ersten Anlauf gepackt hätte) und der Mehrspielermodus zwar eine nette Ergänzung, aber immer noch weit von den Möglichkeiten entfernt, die das Spielkonzept geboten hätte. Die grafischen Verfeinerungen der 360- und PC-Fassungen schaffen es zwar nicht ganz, den PS2-Staub zu kaschieren, jedoch ist das Spiel auch weit davon entfernt hässlich zu sein. Und die Wii-Steuerung? Nun, wenn man auf das Skateboard verzichtet, dann funktioniert sie ganz gut. Alles in allem also nach wie vor ein exzellentes, ungewöhnliches und durchdachtes Spiel, das dieses Mal hoffentlich ein breiteres Publikum erreicht - und genau zum richtigen Zeitpunkt erscheint, stimmt es doch optimal auf GTA 4 ein.
Pro
- schöne, sinnvolle Erweiterungen gegenüber dem Original
- abwechslungsreiches Missionsdesign
- tolle Atmosphäre
- liebevoll und elegant designte Spielwelt
- ausgezeichnete (englische) Sprachausgabe und Dialoge
- einfache Steuerung
- bemerkenswert umfangreich
- groovige Musik
- interessant-witzige Story
- niedrige Hardwareanforderungen (PC)
Kontra
- lange Ladezeiten
- nicht durchgehend flüssige Grafik
- wenig spektakuläre Präsentation
- teils fummelige Wii-Kontrolle
- regelmäßige Soundaussetzer (360)
- sehr leicht
- suboptimale Tastatur/Maus-Steuerung (PC)