Legend of Grimrock - Test, Rollenspiel, PC, iPad

Legend of Grimrock
17.04.2012, Jörg Luibl

Test: Legend of Grimrock

Wie komme ich hier bloß raus? Wie soll ich das nur überleben? Und warum bebt die Erde schon wieder? Ich stecke mal wieder fest. Zwischen Skeletten und Spinnen, zwischen Fallen und Rätseln. Außerdem werden die Vorräte langsam knapp: Nur noch ein Giftheiltrank, eine Fackel, ein paar Pilze gegen den Hunger – das war’s. Ein resignierter Blick auf die Karte: Hey, da ist ja noch diese Notiz über den Hebel! Vielleicht komme ich weiter, wenn ich ihn betätige…

…also bewege ich meine angeschlagene Gruppe durch die verflixten Katakomben. Geradeaus, dann links, viermal geradeaus, dann rechts - dann müsste ich gleich da sein. Mist, jetzt geht die Fackel auch noch aus! Trippelten da hinten nicht die ekelhaften Spinnen im Schatten? Wenn sie mich von mehreren Seiten angreifen, habe ich keine Chance. Außerdem spucken sie ihr elendes Gift. Also zurückziehen in eine Nische und dort eine kleine Rast einlegen, damit alle bei vollen Kräften sind, wenn ich auf sie treffe. Und diesmal werde ich sie in einen langen Gang locken, damit ich vor dem ersten Schlag genug Pfeile, Shurikens  und Zauber loslassen kann.

Der Dungeon ruft

Diese lebensgefährliche Odyssee durch einen Berg namens Grimrock ist quasi die letzte Chance für meine beiden Krieger, den Magier und den Dieb. Nur wenn die vier verurteilten Verbrecher die unterste von knapp einem Dutzend Etagen erreichen, werden sie frei gesprochen – dafür wurden sie extra mit einem Luftschiff auf einem Gipfel ausgesetzt; mehr Story gibt es zunächst nicht. Die finnischen Entwickler katapultieren Neugierige ohne Umschweife in ein

Schon wieder tot? Man kann zwischen drei Schwierigkeitsgraden wählen und sowohl das Automapping als auch visuelle Hilfen abschalten. Außerdem kann man jederzeit speichern.
längst vergessen geglaubtes Genre der Rollenspielpionierzeit, das ältere Abenteurer mit Dungeon Master, Eye of the Beholder oder Black Crypt verbinden: den Dungeon-Crawler. So erkundet man 2012 plötzlich ein Labyrinth in Echtzeit wie anno 1988. Und das macht richtig Laune.

Als ich raste, spricht plötzlich jemand im Schlaf zu mir. Wer ist das, der mir scheinbar helfen will und der so viel über diesen Ort weiß? Schade, dass es keine Sprachausgabe, sondern nur Text gibt, aber die Neugier wächst mit jedem Traum, der weitere Hinweise des mysteriösen Fremden offenbart. Was erwartet mich ganz unten? Außerdem finde ich ab und zu die halb vergammelten Notizen eines Abenteurers namens Toorum. Und hatte er nicht noch etwas an die Wände gekritzelt, das mir helfen könnte? So ganz allein gelassen wird man erzählerisch also nicht, aber im Kern geht es um Kampf und Rätsel, Party- und Item-Management – ohne ein episches Drumherum wie etwa in Lands of Lore.

Der mysteriöse Unbekannte

Fest steht, dass Grimrock voller Fallen steckt und dass es bisher niemand lebend raus geschafft hat. Auf dem Weg in die Tiefe findet man die Überreste gescheiterter Verbrecher sowie noch mehr Monster von fliegenden Gargoyles über bissige Tentakel und feuernde

Runen an der Wand? Manchmal geben sie wertvolle Hinweise.
Pilzsporen bis zum kriechenden Schleim. Aber was soll’s, mittlerweile habe ich mich mit Helmen und Schilden, Bögen und Bomben eingedeckt, die so lange mein Inventar füllen, bis die Traglast erreicht ist. Auch auf den Hunger muss ich achten, indem ich regelmäßig etwas verzehre - man findet jedoch genügend Brot, Fleisch & Co.

Hilfreich ist nicht nur, dass mein Magier heilende Tränke aus Pflanzen zubereiten, sondern dass er auch für künstliches Licht sorgen kann. Etwas ärgerlich ist, dass man angesichts all der Zutaten, Waffen, Schriftrollen und Kleidung später nicht mehrere Behälter wie Kisten oder Beutel nebeneinander öffnen kann, um sie zu sortieren. Ansonsten flutscht die simple Steuerung ohne Probleme, zumal man die Tastaturbelegung frei ändern kann.

Gegen die Dunkelheit helfen Fackeln oder ein Lichtzauber - beides hält allerdings nicht ewig.
Aber die Runenkombination dafür musste ich erst mal aus neun Symbolen herausfinden. Theoretisch beherrscht er z.B. schon drei Zauber der Feuermagie, aber bei einem fehlt mir noch die richtige Runenfolge. Welche ist es bloß? Und welchen Zauber wird sie freischalten?  Zwar findet man ab und zu eine Spruchrolle mit dem konkreten Hinweis, aber es gehört zum Reiz des sympathisch archaischen Abenteuers, dass man vieles ausprobieren muss – wer will, kann sogar das Automapping abschalten. Aber Vorsicht:  Selbst inklusive Kartenzeichnung ist der Anspruch auf dem normalen Schwierigkeitsgrad knackig.

Runenzauber & Kartenrätsel

Wer sich keine Notizen auf der Karte macht, wird irgendwann ziellos zwischen all den Teleportern, Fallen und Hinweisen umher irren. Es gibt z.B. versteckte Brocken im Fels, die manchmal direkt vor einem geheime Areale öffnen, aber manchmal hört man auch nur ein lautes Malmen in der Ferne. Wo ist jetzt was aufgegangen? Das Abenteuer fasziniert vor allem aufgrund seiner Rätselvielfalt: Es gibt nicht nur einfache bis komplexe Schalter- und Hebelaufgaben, die mit Druckplatten und Mechanismen kombiniert werden, sondern eine Fülle an Herausforderungen, die auch schnelle Reaktionen und Timing erfordern.

Teleporter, Hebel und Bodenplatten: Die Rätselkultur auf den 13 Etagen ist vielfältig uns steckt nahezu jedes aktuelle Rollenspiel in die Tasche.
Da muss man erst einen Schalter bedienen und dann ganz schnell drei Schritte rückwärts oder einen Knopf im exakten Timing mehrmals drücken, damit der von ihm ausgelöste Energieball so auf ein Ziel trifft, dass das Gitter tatsächlich lange genug oben bleibt, so dass man hindurch schlüpfen kann. Man muss Gegenstände in Teleporter werfen, damit diese wiederum auf einer Bodenplatte landen und etwas in der Ferne auslösen oder in der richtigen Schrittfolge dafür sorgen, dass sich mehrere Gruben schließen. Es gibt regelrechte Druckplattenwegerätsel, die noch auf dem wackligen Weg zum Ziel eine Drehung samt Knopfbedienung verlangen – ob man das so schnell schafft, ohne in die Grube zu fallen?

Fallen & Feinde

Man fällt und flucht in diesem urigen Abenteuer oft. Und das ist gut so, denn nachdem die meisten Dungeons der letzten Jahre zum Einschlafen animierten, vor allem die unterirdische Langweile von Risen über Two Worlds bis Arcania, bekommt man hier endlich wieder eine stimmungsvolle Herausforderung unter Tage. Mit dem lauernden Tod oder dem fantastischen Geheimnis um die Ecke beschwören die Finnen erfolgreich den Geist von Klassikern wie Eye oft he Beholder. Und schon damals ging es auch im Kampf fordernd und taktisch zur Sache. Denn selbst wenn es sich um Echtzeit-Action handelt, sind Köpfchen und Timing gefragt.

Nicht nur Pilzsporen, Spinnen und Skelette lauern in den Katakomben.
Zum einen sollte die Gruppe natürlich so aufgestellt sein, dass die Krieger vorne und die Unterstützer hinten postiert sind. Außerdem sollte man die Bewaffnung anpassen: Es kann hilfreich sein, dem Zauberer oder dem Dieb in der zweiten Reihe mal einen Speer zu geben, der aufgrund seiner Reichweite auch Feinde ganz vorne trifft. Es kann aber auch effizient sein, alle vier mit Wurfwaffen oder Bögen auszustatten, um einen nahenden Feind vor dem ersten Schlag schon viermal aus der Ferne zu schwächen – das schnelle Wechseln der Waffen gehört also genauso zur Herausforderung wie die effiziente Anpassung der Ausrüstung an die eigenen Fähigkeiten.

Vier Mann, zwei Reihen

Schön ist, dass man auch im Kampf über gutes Timing sehr viel gewinnen kann: Wer den Dieb mit der hinterhältigen Attacke ausstattet, sollte behäbige Gegner einfach mal schnell umrunden und ihn in die vorderste Reihe setzen, damit er von hinten doppelten Schaden anrichtet. Es gibt auch kleine Arenaszenen, die man nur bestehen kann, wenn man geschickt ausweicht und in Bewegung bleibt. In den besten Momenten werden Kampf und Rätsel so kombiniert, dass man während eines Gefechts über die clevere Flucht und Betätigung von Hebeln auch Monster in Fallen locken kann.

Die Charaktererschaffung bietet vier Völker und drei Klassen.
Wer nicht die vorgefertigte Party wählt, darf selbst vier Abenteurer erstellen: Leider hat man hier nur vier Völker (Mensch, Minotaure, Echse, Insekt) und drei Klassen (Kämpfer, Magier, Dieb) zur Verfügung. Schade ist zudem, dass es sehr wenige und dazu statische Portraits gibt, die sich auch nicht nach der Klassenwahl ändern  – wer sich für einen Menschen entscheidet, bekommt z.B. nur zwei weibliche Bilder. Die vier Völker unterscheiden sich markant angesichts ihrer Widerstände und Werte, so dass die Insekten ideale Magier, die Echsen ideale Diebe abgeben.

Spartanische Charaktererschaffung

Neben allgemeinen Statistiken zu Gesundheit oder Energie gibt es die vier Attribute Stärke, Geschicklichkeit, Vitalität und Willenskraft, auf die man zu Beginn je zehn Punkte verteilen darf. Das hat zwar umgehend Auswirkungen auf Angriffskraft, Genauigkeit, Verteidigung oder Ausweichen. 

Später lassen sich diese allerdings lediglich über die Fähigkeiten verbessern. Denn bei einem Aufstieg verteilt man seine Punkte je nach Klasse auf sechs Fähigkeiten wie z.B. Athletik, Rüstung, Äxte, Keulen, Schwerter sowie unbewaffneter Kampf beim Krieger.

Schön ist, dass man die Karte beschriften kann. Schade ist, dass es keine Sprachausgabe und nur englische Texte gibt.
Jede einzelne bietet wiederum einen geraden Pfad an Verbesserungen, wie z.B. den kräftigen Hieb, wenn man zehnmal in die Schwerter investiert hat. Und darunter befinden sich auch Erhöhungen wie Gesundheit, Stärke oder Willenskraft.

Es gibt keine Verzweigungen innerhalb der Fähigkeiten, aber man kann über die Fokussierung einzelner Disziplinen durchaus einen spezialisierten Feuermagier, Schwertkämpfer oder Wurfexperten entwickeln. Trotzdem wird man aufgrund des linearen Systems manchmal gezwungen, bestimmte unnötige Dinge mitzulernen – warum muss der Dieb z.B. vier Punkte in „Assassination“ investieren, um dann einen Stärkepunkt zu gewinnen?

Fazit

Vorsicht: Wer hier einmal reinbeißt, wird gnadenlos in die Tiefe gezogen! Das ist ein sehr gutes Abenteuer alter Schule, das wohlige Erinnerungen an Dungeon Master weckt. Hier gibt es nicht nur Hack’n Slay in stimmungsvoller Kulisse, sondern viele clevere Rätsel, tolle Geheimnisse und tödliche Fallen hinter der nächsten Ecke. Wie schwierig die Restauration alter Tugenden sein kann , demonstriert aktuell die Beta zu The Age of Decadence – ambitioniert und lobenswert, aber spröde in der Präsentation. Da hat es Legend of Grimrock natürlich leichter, da es nicht als episches Rollenspiel, sondern als Hommage an Dungeon-Crawler gedacht ist. Trotzdem gebührt den Finnen für diese Reise in die Vergangenheit ein großes Lob, denn sie ist nicht nur ansehnlich, sondern versprüht genau jene labyrinthische Faszination unter Tage, die vielen modernen Abenteuern in ihren kilometerlangen Schläuchen der Langeweile abgeht. Auch wenn die Charaktererstellung etwas mager ist und die Fähigkeiten zu linear entwickelt werden: Das hat richtig Spaß gemacht, das war endlich mal wieder ein Dungeon!

Wertung

PC

Klasse Rätsel und spannende Kämpfe in einem vertrackten Labyrinth - eine stimmungsvolle Hommage an Dungeon Master & Co!