Krater - Test, Rollenspiel, PC

Krater
20.06.2012, Jens Bischoff

Test: Krater

Lust auf ein postapokalyptisches Rollenspiel-Abenteuer abseits staubiger Einöden und verlassener Betonruinen? Dann könnte das jüngste Werk der schwedischen Hamilton-Macher genau richtig sein. Wir verraten, was der exotische Endzeittrip zu bieten hat.

Trotz postapokalyptischem Szenario ist die im einstigen Schweden verortete Spielwelt von Krater (ab 1,29€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) keine typische Fallout-Wüste, sondern eine von dichten Wäldern und saftigen Wiesen dominierte Enklave inmitten eines riesigen Bombenkraters. Dank des unglaublich fruchtbaren Bodens gedeihen dort herrliche Ernten und sichern so das Überleben in den idyllisch schroffen Siedlungen.

Einsame Oase

Viele Überlebende verbringen ihre Zeit inzwischen damit, wertvolle Artefakte früherer Tage auszugraben und zu verwerten oder zu tauschen. Unter dem Krater erstreckt sich nämlich ein endloses Geflecht aus verschütteten Tunneln, Bunkern und Höhlen, die jede Menge Reichtümer, aber auch Gefahren bergen.

Neben skrupellosen Räuberbanden und verfeindeten Fraktionen treiben auch mutierte Wölfe, Bären und andere Kreaturen in den finsteren Gängen ihr Unwesen. Die Hoffnung, einen wertvollen Schatz zu bergen, ist jedoch größer als die Angst hier sein Leben zu lassen und so wagt man sich mit seinem dreiköpfigen Gräberteam immer weiter ins Erdinnere vor.

Wer nebenher die Aufträge der Dorfbewohner erledigt, kann lukrative Belohnungen einstreichen.
Dort sucht man aber nicht nur nach Ruhm und Reichtum, sondern erfüllt auch viele kleinere Aufgaben der Ortsansässigen, um stetig Geschick und Ausrüstung zu verbessern und damit vor immer größeren Bedrohungen gewappnet zu sein. Ehe man es sich versieht, ist man nämlich schon mitten drin im Machtgerangel der Reichen und Starken.

Ödes Drumherum

Die notdürftig inszenierte Rahmenhandlung hat dennoch lediglich Alibicharakter und bleibt die meiste Zeit unauffällig im Hintergrund. Die wenigen Figuren von Bedeutung und Interesse bleiben blass und austauschbar wie die eigenen Helden, die je nach Schwierigkeitsgrad dauerhaft sterben können, aber auch lebendig mehrmals ersetzt werden müssen, sofern man der Begleitstory bis ans Ende folgen will.

Zwar sammeln die Charaktere eine Art Erfahrungspunkte, mit denen sie Rang um Rang aufsteigen, aber bei der Startgruppe ist der Zenit schon mit Rang fünf erreicht und eine Weiterentwicklung unmöglich. Die nächste Heldengeneration reicht dann aber schon bis Rang 10 und beim Finale dirigiert man schließlich sogar Rang 15-Veteranen.

Stetiger Wechsel

So richtig überzeugt hat mich der mehrfache Heldenwechsel jedoch nicht. Da jede neue Generation wieder ganz von vorn anfängt, wird die auch sehr kostenintensive Charakterentwicklung quasi nur künstlich in die Länge gezogen. Auch eine persönliche Bindung fällt natürlich entsprechend schwer, optische Charakteranpassungen sind ebenfalls tabu. Selbst der je nach Schwierigkeitsgrad permanente Tod eines Charakters bedeutet eigentlich nur nochmalige Auflevelarbeit statt eines einschneidenden Verlusts.

Insgesamt gibt es vier recht traditionelle Charakterklassen, die man in sein dreiköpfiges Team berufen kann: Der robuste Bruiser zieht in klassischer Tank-Manier die Aufmerksamkeit der Gegner auf sich, während der Slayer ihnen großen Schaden zufügt. Der Medikus übernimmt hingegen das Heilen, während der Regulator Gegner schwächt.

Zudem ist der Tod recht einfach vermeidbar, wenn man sich nur immer rechtzeitig um Verletzungen kümmert. Und selbst die zieht man sich erst zu, wenn man mehrmals in Folge K. O. geht und trotzdem unbeirrt weiterkämpft.

Qual der Wahl

Die Kämpfe laufen dabei in Echtzeit ab. Die Heldengruppe setzt sich bei Feindkontakt automatisch zur Wehr, kann aber auch manuell auf bestimmte Ziele angesetzt oder zur Flucht bewogen werden. Ansonsten dirigiert man lediglich den Einsatz individueller Spezialfertigkeiten, von denen jeder Charakter zwei beherrscht. Die Steuerung per Maus und Tastatur ist einfach und handlich.

Durch den Fog of War bleibt das Erkunden der Schauplätze spannend.
Darüber hinaus kann man jede Figur auch noch mit speziellen Hilfsmitteln wie Granaten, Heilsalben und Aufputschmitteln ausrüsten, um sich hin und wieder einen zusätzlichen Boost bzw. dem Gegner zusätzliches Leid zu verpassen. Die Optionen sind insgesamt zwar überschaubar, aufgrund des flotten Kampftempos samt kurzer Reaktivierungszeiten kann es aber trotzdem schnell hektisch werden - vor allem wenn unerwartet starke oder zahlreiche Widersacher auf den Plan treten.

Was einen genau hinter der nächsten Ecke erwartet, ist aufgrund zufälliger Levelstrukturen sowie des traditionellen Nebel des Krieges nie ganz sicher, auch wenn man bei behutsamem Vortasten gefährliche Situationen meist rechtzeitig erkennen kann. Selbst die Zufallsbegegnungen auf der Weltkarte, wo man in Cursorform gemächlich von Schauplatz zu Schauplatz zieht, werden in kleinen vernebelten Top-Down-Arealen mit lauernden Gegnern und versteckten Schätzen ausgefochten.

Spannendes Erkunden

Auch Siedlungen und Dungeons erkundet man aus klassischer, frei rotierbarer Draufsicht. Die Interaktionsmöglichkeiten hätten zwar großzügiger, das Design abwechslungsreicher sein können, Spannung und Atmosphäre können aber überzeugen - vor allem wenn man nicht weiß, was einen erwartet.

Bei der Orientierung hilft eine praktische, sich aber bei Stockwerkswechseln immer wieder zurücksetzende Automap, die alle Entdeckungen fleißig mitzeichnet und auch diverse Auftragsziele markiert. Die meisten Quests bestehen aber nur aus generischen Jagd- und Sammelaufgaben.

Mit erbeuteten Materialien lassen sich Waffen, Implantate und andere Hilfsmittel herstellen.
Zwar ist auch das Herstellen von Gegenständen ein wichtiger Bestandteil von Krater, die Möglichkeiten sind jedoch überschaubar, die Zutaten universell. Immerhin kann man sich neben neuen Waffen und Hilfsmitteln auch leistungssteigernde Implantate basteln, die teils deutlich effizienter als ihre im Laden erhältlichen Pendants sind. Je nach Rang kann man unterschiedlich viele Implantate verkraften und so immer stärker werden.

Individuelle Maßarbeit

Durch klassische Stufenaufstiege steigende Charakterwerte gibt es nämlich nicht, die Stärke der Gruppe wird ausschließlich über innere und äußere Ausrüstungsgegenstände bestimmt. Auch im Kampf einsetzbare Fertigkeiten sind unveränderlich vorgegeben. Gerade bei den Implantaten hat man jedoch viel Freiraum und kann mit ihnen auch auf Fertigkeiten Einfluss nehmen. Später entdeckt man sogar Figuren mit alternativen Fertigkeiten, die wieder ganz andere Ansätze ermöglichen.

Ähnliches dürften auch die zwei bereits fest eingeplanten, kostenpflichtigen Zusatzepisoden bewirken, die wohl nicht nur Story und Spielwelt komplettieren werden. Im Moment sind die Entwickler aber wohl noch mit Nachbesserungsarbeiten beschäftigt. Immerhin sind eine Woche nach Veröffentlichung bereits drei Patches erschienen. Die Fehleranfälligkeit hat im Vergleich zur Beta zwar deutlich abgenommen, trotzdem läuft noch lange nicht alles rund.

Kooperative Entdeckungsreisen werden leider erst später möglich sein.
Neben Grafikfehlern, KI-Aussetzern, Kamerahängern und Spielabstürzen haben auch Quest-, Level- und Menüdesign noch so manche Macken. Nervig ist auch, dass man seinen Aufenthaltsort weder in Dungeons, noch auf der Weltkarte speichern kann. Auf letzterer findet man sich selbst nach Kämpfen nicht immer dort wieder, wo man zuvor war.

Unvollendetes Werk

Schade ist auch, dass im Spiel kaum gesprochen wird. Selbst Story-Dialoge sind nur teilweise vertont und brechen oft sogar mitten im Satz ab, während die eigenen Helden immer wieder dieselben paar Bemerkungen ablassen. Der bei längeren Kampfpausen immer wieder "Boring" grummelnde Bruiser ist da quasi bezeichnend. Eine deutsche Lokalisierung gibt es übrigens nicht, auch die Texte im Spiel sind auf Englisch.

Die größte Enttäuschung ist der wohl wegen technischer Schwierigkeiten nach wie vor gesperrte kooperative Online-Modus, der aus einem soliden, aber durchwachsenen, doch noch ein lange unterhaltsames Spielvergnügen hätte machen können. Allzu lange soll man sich zwar nicht mehr gedulden müssen, aber ob sich das Warten lohnt, ist völlig unklar...

Fazit

Krater ist ein solides Action-Rollenspiel vor interessanter Endzeitkulisse, das vor allem ambitionierte Jäger und Sammler ansprechen dürfte. Es gibt viel zu entdecken, zu erbeuten und zu experimentieren in der bizarren Trichterwelt. Die Geschichten hinter den fruchtbaren Böden, maskierten Bewohnern und verheißungsvollen Tunneln sind hingegen ziemlich blass und auch die austauschbaren Auftragshelden von der Stange sorgen nicht gerade für Begeisterung. Wirklich enttäuschend ist aber nur das Fehlen des versprochenen Koop-Modus', der immerhin noch vor der inhaltlichen Komplettierung durch zwei große Bezahl-Add-Ons kostenlos nachgereicht werden soll. Bewerten lässt sich aber natürlich nur der aktuelle Zustand und da klafft zumindest für Teamspieler ein großes Loch...

Pro

  • interessantes Szenario
  • motivierende Item-Hatz
  • individuelle Charakterentwicklung

Kontra

  • verhaltene Story
  • maue Inszenierung
  • fehlender Koop-Modus
  • mangelnde Charakterbindung
  • überschaubare Aktionsmöglichkeiten

Wertung

PC

Solides Endzeit-Rollenspiel für erkundungsfreudige und bislang einsame Jäger und Sammler.