Skullgirls - Test, Prügeln & Kämpfen, 360, PS_Vita, PC, XboxOne, PlayStation4, Switch, PlayStation3

Skullgirls
08.05.2012, Paul Kautz

Test: Skullgirls

Der Prügelspielring sollte mittlerweile zum Platzen gefüllt sein: Street Fighter hier, Tekken da, Guilty Gear dort, dazu tummeln sich noch Soul Calibur, Blaz Blue, Darkstalkers und Dutzende anderer Reihen in der Arena. Ist da überhaupt noch für einen brandneuen Herausforderer eine Ecke frei?

Der Impuls fällt sehr leicht, aber man sollte Skullgirls (SG) nicht nach dem ersten Blick auf eine belanglose Moe -Klopperei reduzieren: Ja, die acht Kämpferinnen sind sehr überzogen dargestellt - mit langen Beinen, knappen Kleidchen und bis unter die Nasen quellenden Brüsten. Aber unter dieser leichten Hülle verbirgt sich ein beeindruckend anspruchsvolles Beat-em-Up.

Profis an den Stick!

Kein Wunder, denn das Kampfsystem entstammt den anerkanntermaßen fähigen Händen von Mike Zaimont - einem bekannten und erfolgreichen Turnierspieler, der seine Expertise bereits den Entwicklern der BlazBlue-Spiele zur Verfügung stellte. So ist es kein Wunder, dass SG an vielen Stellen wie ein Best-Of bekannter Serien wirkt: Kloppsystem mit sechs Buttons (Street Fighter 2), starke Sprint-Lastigkeit (BlazBlue), viel Luftaction (Marvel vs. Capcom), starke Betonung von Kombos in verschiedenen Angriffshöhen. Das ist für Einsteiger nicht nur in der reinen Masse zu viel des Guten; wer bislang noch nicht viel mit Beat-em-Ups zu tun hatte, der wird hier nicht glücklich. Das liegt nicht nur daran, dass es gegenwärtig merkwürdigerweise noch keine abrufbare Move-Liste

Das Design der Kämpferinnen ist zum Teil höchst abgefahren, die Technik allerdings makellos - hier gibt es 2D-Animation auf höchstem Niveau!
im Spiel gibt (sie ist auf der offiziellen Website verfügbar). Sondern vor allem auch an den kompromisslos unbarmherzigen KI-Gegnern: Zwar gibt es fünf Schwierigkeitsgrade, aber bereits der leichteste davon ist schon fordernd und für Neulinge deutlich zu hoch angesetzt. Den Ausgleich dafür findet man im vorbildlichen Tutorial. Zwar sind die Ladezeiten zwischen den Lektionen etwas zu lang, aber das Training selbst führt einen geduldig Schritt für Schritt nicht nur in das SG-Kampfsystem ein, sondern bringt einem auch noch die wichtigsten Techniken von Beat-em-Ups im Allgemeinen bei. Allerdings vermisst man programmierbare Trainingspartner.

In Zeiten, in denen Tekken und Street Fighter mit Kämpferzahlen im mehrfachen Dutzend-Bereich protzen, wirkt SG geradezu niedlich: Gerade mal acht Fighter stehen zur Wahl. Genau genommen Fighterinnen, und die könnten abwechslungsreicher kaum sein: »Ms. Fortune« ist eine Art Lara-Croft-Zombie, die nicht nur wahnwitzig schnelle

Mehr abgefahrene Kombos bitte: Ninja-Krankenschwester Valentine greift u.a. mit einem Defibrillator an.
Kombos aus ihren flexiblen Beinen zaubert, sondern auch noch ihren Kopf abtrennen und ihn separat weiterkämpfen lassen kann. Ninja-Krankenschwester Valentine hat ein Frontlastigkeitsproblem, das sie aber ausgleicht, indem sie mit Spritzen, Defibrillatoren, gefüllten Leichensäcken und Infusions-Ständern attackiert. Filia hat einen mächtigen (und sarkastischen) Dämon im Haar, Parasoul ist die unterkühlte Rothaarige, die ihre Pikenhauben-Einsatztruppe zur Verstärkung rufen kann. Und Peacock wirkt wie ein verschrobener Cartoon-Charakter aus den 20er Jahren: Beängstigendes Grinsen, gigantische Handschube, riesige Pistolen und Comicbomben, Zähne fletschendes Gigantokrawummschwerter. Abgefahren.

Die Mädchenschule des Wahnsinns

Und komplett in 2D. Arc System Works mag vor einiger Zeit mit BlazBlue die Messlatte für 2D-HD-perfektion nach oben gelegt haben, aber Skullgirls kommt da locker auch drüber. Okay, die Hintergründe wirken hin und wieder hingerotzt und detailarm. Aber dieser Malus wird durch die Kämpferinnen problemlos wieder ausgeglichen: Das ideenreiche Design, die makellosen Animationen, die satten Farben, die Abwechslung -

Jede Kämpferin verfügt über mehrere freischaltbare Kostüme.
klasse! Wirklich klasse. Im Vergleich dazu sieht das ähnlich gelagerte Arcana Heart 3 nochmals ein ganzes Stück veralteter aus.

Man darf auf zwei Arten gegeneinander antreten: Lokal und online. Leider beschränken sich beide Varianten auf das absolute Minimum, online darf gerade mal zwischen Ranglisten- und freien Spielen gewählt werden - keine Replays, kein Zuschauen, kein nix. Dafür gibt es mit GGPO eine aus der Beat-em-Up-Community entstandene Middleware zur Vermeidung von Lags - die zwar ein paar manuelle Eingaben mehr braucht als von Prügelspielen gewohnt, aber dafür auch exzellente Online-Partien ermöglicht. Eine echte Wohltat, gerade nach den letzten Namco- und Capcom-Pleiten.

Harte Fäuste, sanfte Klänge

Wie gesagt: Abgefahrenes Design. Nirgends wird das deutlicher als bei Monster-Gegnerin Double.
Beim Gegeneinander hat man auch die Wahl, ob man mit einer, zwei oder drei Kämpferinnen antritt. Je mehr man in seinen Kader packt, desto schwächer werden die Individuen, ähnlich den Capcom-vs.-SNK-Spielen. Allerdings können angeschlagene Teamfiguren einen Teil ihrer Lebensenergie regenerieren, und natürlich sind auch gemeinsame Angriffe möglich. Sehr schön: Passt einem der aktuelle Gegner nicht (oder möchte man seinen unerfahreneren Kumpel ärgern), kann man diesen per Tasteneingabe aus dem Spiel schmeißen, woraufhin die nächste Klopperin automatisch eingewechselt wird.

Natürlich darf man auch ganz allein Spaß haben: Neben dem Arcade-Modus (eine Hand voll Kämpfe, gefolgt von übermächtiger Endgegnerin, die Seths Schwester sein könnte) gibt es auch eine Story-Variante. Auch hier warten wenige Auseinandersetzungen, die aber von schön gezeichneten Bildern und schnippischen Dialogen umrahmt werden. Apropos: Der interessante Jazz-Soundtrack hebt sich stilistisch sehr wohltuend von Genre-Standards ab.

Fazit

Obacht, Capcom, SNK & Co., Obacht - ein neuer Herausforderer hat den Ring betreten! Und obwohl man ihn auf Titten und Arsch reduzieren könnte, würde man damit einen gewaltigen Fehler begehen - denn Skullgirls hat nicht nur beeindruckende äußere, sondern auch verdammt gute innere Werte! Dem Kampfsystem merkt man sofort an, dass es von Turnier-Profis für mindestens fortgeschrittene Spieler entwickelt wurde; nur die werden die Tiefe der Kombos, Blocks und Blockbuster zu schätzen wissen. Die gerade mal acht Figuren sind nicht nur sehr abwechslungsreich designt, sondern echte Individuen. Allerdings gibt sich das Spiel alle Mühe, Einsteiger mit langen Krallen von sich zu weisen: Zwar ist der Trainingsmodus in fast jeder Hinsicht erstklassig, aber der Anspruch in den Solo-Modi schon auf der einfachsten Stufe bereits jenseits dessen, was in anderen Prüglern »normal« wäre. Außerdem ist auffällig, dass sich das Spiel gerade im wichtigen Gegeneinander auf die absoluten Basics beschränkt: Online gibt es zwar GGPO, was für lagfreie Matches sorgt, aber außer Ranglisten- und freien Spielen nichts. Von bizarren Lücken wie den nicht vorhandenen Move-Listen mal ganz zu schweigen. Skullgirls kann sein vorhandenes Potenzial zwar nicht völlig ausschöpfen, zeigt aber beeindruckende Muskeln: Die Präsentation ist exzellent und auf einem Niveau mit den BlazBlues dieser Welt, das Kampfsystem vorbildlich, der schmissige Jazz-Soundtrack eine wohltuende Abwechslung zum üblichen J-Rock-Geschrammel. Gut zu wissen, dass hochwertige Beat-em-Ups nicht nur aus Japan kommen müssen - ich hoffe sehr, dass dies nicht der letzte Auftritt der neuen Prügelmädels sein wird.

Wertung

360

Interessantes, außergewöhnliches Beat-em-Up von Profis für Profis - Einsteiger dürften sich schnell überfordert fühlen.

PlayStation3

Interessantes, außergewöhnliches Beat-em-Up von Profis für Profis - Einsteiger dürften sich schnell überfordert fühlen.