Resonance - Test, Adventure, PC

Resonance
22.06.2012, Benjamin Schmädig

Test: Resonance

Ich habe sämtliche Gesprächsmöglichkeiten erschöpft, habe miteinander kombiniert, was zusammengehören kann und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen Raum übersehen. Wie könnte ich den Kerl also dazu bringen, mir von seinem Computer zu erzählen? Ach, natürlich: Ich ziehe den Computer einfach in mein Kurzzeitgedächtnis - denn vieles, was dort steht, kann ich in einer Unterhaltung ansprechen. Und tatsächlich: Es klappt. Clever!

Durchdachte Denkaufgaben sind die Stärke dieses Knobelthrillers: Wenn ich an einer Kopfnuss grübele, ergibt sich die Lösung fast immer aus dem, was vorher gesagt wurde, was irgendwo gekritzelt steht oder was sich aus logischen Zusammenhängen erschließt. Ganz am Anfang besteht der Hausmeister darauf, dass sein Schraubenschlüssel in seiner Werkzeugkammer liegt. Der liegt schließlich immer da. "Ohne Ausname!" Aber da ist er nicht. Erst als ich mich an die frühere Schilderung seiner Flucht erinnere, daran dass er in seiner Angst Schraubenschlüssel voraus aus dem Fenster türmte - in der Tat: das gesuchte Werkzeug steckt noch in seiner Tasche.

60 Stunden bis?

Die Aufgaben werden natürlich vertrackter und mitunter führen erst mehrere Schritte zum Ziel. Es bleibt aber dabei, dass man auf der Suche nach einer neuen Superwaffe wie ein Detektiv kombinieren darf. Immerhin geht es um eine Katastrophe internationalen Ausmaßes, denn in zahlreichen Metropolen wurden Anschläge verübt. Als hätte eine riesige Energiekugel ganze Gebäudeteile verschluckt, klaffen kugelrunde Lücken in

Resonance spielt geschickt mit Tragik und Humor - nutzt dafür allerdings nur herkömmliche Mittel.
Häusern oder Straßen. Das Spiel beginnt 60 Stunden vor diesen Ereignissen - kann Ed das Unglück vielleicht sogar verhindern?

Ed ist der Assistent von Dr. Morales, dem Erfinder der Superwaffe. Als der erkennt, welche Gefahr von seinem wissenschaftlichen Durchbruch ausgeht, will er seine Aufzeichnungen vernichten. Längst weiß er, dass er verfolgt wird und bittet Ed um Hilfe, der sich gemeinsam mit einer Ärztin, einem Polizisten und einem Journalisten auf die Suche nach Morales' versteckem Experiment macht. Der Zufall führt das Quartett zusammen und spielerisch weckt die Gruppe wohlige Erinnerungen an Day of the Tentacle. Immerhin zeichnet Vince Twelve sein klassisches Point&Click-Adventure in kantigen Pixelstufen. Genauer gesagt ließ er zeichnen, gestaltete das eigentliche Spiel aber im Alleingang.

Vier Gefährten

So trickreich wie im Klassiker arbeiten die Figuren dabei nicht zusammen. Mitunter müssen sie ihre Aktionen zwar aufeinander anstimmen, aber selten mehrere Aktionen miteinander kombinieren. Die Rätsel sind zudem durchaus anspruchsvoll, aber selten

Hör zu!

Die Rolle des Polizisten Bennet übernimmt allerdings ein Neuling im Team: Logan Cunningham, der dem markanten Bastion-Erzähler seine Stimme lieh.fordernd. Alles in allem habe ich mich recht flott durch den Krimi geklickt. Auf pixelpräzises Suchen verzichtet Resonance zum Glück - das Durchschneiden eines Seils unter Zeitdruck sowie andere aktive Aktionen lockern das Abenteuer auf.

Drei der vier Hauptrollen sprechen Schauspieler, die bereits in einem früheren Adventure desselben Publishers auftraten: Blackwell Deception.

Begeistertert bin ich vor allem von den Unterhaltungen: Ich kann jederzeit zwischen Ed und seinen Begleitern wechseln und jede Person ansprechen. Ich wähle dann entweder eine der vorgegebenen Antworten oder klicke auf einen Gegenstand meines Tascheninhalts. Manchmal verweigert meine Figur natürlich mit dem offensichtlichen "Das hilft mir nicht weiter." Oft genug erhalte ich aber wichtige Informationen, wenn ich sinnvoll nachforsche. Zum einen muss ich beim Wechselspiel der Protagonisten also der richtigen Figur die richtigen Gegenstände in die Hand drücken...

Großer Small Talk

… zum anderen gibt es noch zwei weitere Gesprächsoptionen: das Lang- und das Kurzzeitgedächtnis. Dabei speichert jeder Charakter in seinem Langzeitgedächtnis Informationen, die für ihn oder sie unmittelbar mit der Handlung zu tun haben. Auch

In Albträumen entschlüsselt man die Vergangenheit einer der Figuren.
darüber kann ich mich unterhalten. Im Kurzzeitgedächtnis hingegen muss ich selbst tätig werden, denn hier tauchen nur Objekte auf, die ich vorher hinein ziehe - das kann von einer Tür über Stifte oder Terminals bis hin zu Personen alles sein. Auf diese Weise kann ich mein detektivisches Vorgehen viel genauer planen, als wenn ich nur vorgegebene Gesprächsoptionen wählen dürfte.

Abseits der cleveren spielerischen Unterhaltungen erzählt Vince Twelve seinen Thriller allerdings auf sehr altbackene Art und Weise. Die Geschichte ist immer spannend und überrascht in einem kritischen Moment mit einer richtig starken Szene. In Albträumen blickt  man außerdem aktiv in die Kindheit der Ärztin zurück. Abgesehen davon kratzt Twelve aber nur an der Oberfläche: Er entwickelt seine Charaktere kaum und sowohl aufkommende Sympathie als auch wachsendes Misstrauen nutzt er fast ausschließlich als funktionales Mittel in starren Dialogszenen - in einem Erzählspiel ist das heute zu wenig.

Fazit

Es steckt viel Feingefühl in Resonance: Von der durchdachten Geschichte über die ungleichen Protagonisten bis hin zum hervorragenden Kurzzeitgedächtnis, das aus gewöhnlichen Point&Click-Unterhaltungen spannende Denkaufgaben macht. Wie in einem guten Buch ergibt sich die Lösung fast aller Rätsel zudem aus der Handlung heraus. Schade, dass sich der erzählerische Charakteraufbau auf einige Dialogszenen beschränkt und kaum in die Tiefe geht. Äußerlich und auch spielerisch steckt Resonance in einer ziemlich spröden Schale; da helfen selbst die pixelfreudigen Bilder nicht. Die meisten Kopfnüsse knackt man zudem so schnell wie geröstete Pistazien. Dennoch: Unterm Strich ist Resonance ein bezaubernder Retrotrip mit cleveren Ideen!

Pro

  • logische Rätsel
  • einbeziehen beliebiger Objekte, Personen usw. in Gespräche
  • spannende Geschichte
  • farbenfrohe, angenehm altmodische Pixelbilder

Kontra

  • starre, herkömmliche Erzählung
  • kaum wirklich harte Kopfnüsse
  • keine nennenswerte Entwicklung der Figuren

Wertung

PC

Eine spannende Geschichte und clevere Rätsel machen aus dem etwas zu leichten, etwas zu starr erzählten Adventure einen guten Krimi.