Steel Battalion: Heavy Armor - Test, Simulation, 360

Steel Battalion: Heavy Armor
22.06.2012, Jan Wöbbeking

Test: Steel Battalion: Heavy Armor

Zwei Jahre nach dem Start von Kinect wollen From Software und Capcom endlich einen echten Hardcore-Titel liefern. In den Vorgängern bediente man den Kampfroboter noch mit einem monströsen Steuerpult, diesmal kommen Gesten und der 360-Controller zum Einsatz. Wir haben überprüft, ob das Wohnzimmer zum Cockpit oder zum Hort der Verzweiflung wird.

Nach links, verdammt, nach links! Nein, nicht den dämlichen Monitor! Du sollst die Kamera nach links drehen, dass kann doch nicht so schwer sein. Hier – ich bewege die Hand haar-ge-nau so, wie ich es im Tutorial gelernt habe. Trotzdem greift die Bildschirmhand zum Monitor. Und jetzt sogar nach unten zur Gangschaltung – was zum…?  Links neben mir wird gleich ein Crewmitglied erschossen, weil sich ein Gegner an das klaffende Loch in der Metallwand herangeschlichen hat – während ich direkt daneben sitze und zum dritten mal den Monitor herausziehe. Argh!!!

Harte Geduldsprobe

Das war‘s: Der Quicktime-Event ist vergeigt, Mapleton ist tot. Das ist nicht nur schade, weil ich ihr Gebrabbel von der Seite unterhaltsam fand. Meine Kameraden sind eine wichtige Unterstützung: Einer kümmert sich um die Navigation, zwei andere um den Munitions-Nachschub. Wenn sie ausfallen, muss ich schlimmstenfalls selbst nachladen – und zwar mit hakelig erkannten Gesten. Viel zu häufig verliere ich einen Kollegen in Not, weil Kinect nicht mitspielt. Auch im Gefecht sorgt die fehlerhafte Erkennung für zahllose Tode und Flüche.

Manche Missionen lassen sich kooperativ angehen.




Zukunft ohne Mikrochips

Bevor ich näher auf die Steuerung eingehe, erkläre ich erst einmal die Hintergründe für den Krieg: Im Jahr 2082 befinden sich die USA im Machtkampf mit einer „UN“ genannten asiatischen Supermacht. Da ein Parasit sämtliche Feinelektronik zerstört hat, gibt es weder Microchips noch Computer. Stattdessen bekriegen sich die Feinde mit mechanischen Kolossen: Dazu zählen Panzer und die fetten Kampfrobbis – hier Vertikal Tank, VT oder „Veet“ genannt.

Ich schlüpfe in die Rolle von Captain Powers, welcher aus dem Ruhestand eingezogen wird, um ahnungslosen Grünschnäbeln auszuhelfen. Nachdem ich einem begeisterten Untergebenen per Kinect die Hand geschüttelt habe, lerne ich den Rest der Crew kennen, welcher wie eine Ansammlung von Klischees wirkt. Parker übernimmt die Rolle des in New Orleans geborenen Afro-Amerikaners und brabbelt wie Eddie Murphy ohne Punkt und Komma. Rainer ist passend zum deutschen Namen ein notorischer Miesepeter. Wenn ein Kamerad fällt oder ich eine bestimmte Mission erreiche, kommen neue Mannschaftsmitglieder hinzu.

Winke winke!

Die Quicktime-Events sorgen für besonders viel Frust: Zieht man den panischen Kameraden nicht rechtzeitig am Bein, stirbt er.

Ohne Kinect lässt sich das Spiel gar nicht erst starten, doch zum Glück bauen die Entwickler nicht komplett auf Gesten: Das Laufen sowie die Blickrichtung steuere ich ganz klassisch mit den beiden Sticks. Auch die Kanonen feuern auf Knopfdruck. Im Cockpit wird aber alles mit Gesten erledigt. Die Gangschaltung, das Licht, eine Lüftung gegen tödlichen Rauch und vieles mehr bediene ich, indem ich Schaltpulte zu mir heran ziehe oder Hebel und Schalter umlege. Dabei kann ähnlich viel schief gehen wie bei den hektischen Rettungsaktionen. Selbst, wenn ich die Bewegungen langsam und streng nach Vorschrift ausführe, wird ständig etwas falsch erkannt. Als größter Design-Fehler erweist sich das Umschauen im Cockpit mit Handbewegungen: Um die Kamera zu einem Kameraden zu drehen, muss ich den Arm in die Luft halten und dann zur Seite wischen. Danach rette ich ihn z.B. vor einer Attacke. Oder ich halte ihn am Bein fest, wenn er Panik bekommt und stiften gehen will.

Auch das Auswählen der alternativen Kanonen-Munition wird zur echten Geduldsprobe – obwohl ich theoretisch nur den Arm ausstrecken und einen Knopf drücken muss. Das größte Problem scheint Kinect damit zu haben, dass ich im Sitzen spiele. Ein angewinkelter Arm lässt sich offenbar schwerer erkennen als einer, der seitlich neben dem Körper baumelt. Ab und zu muss ich auch aufstehen, um das Fernglas zu zücken und nach feindlichen Truppen Ausschau zu halten. Dann stellt sich auch mein Alter Ego hin, öffnet die Klappe und lugt heraus.

Meist sieht man die Action durch eine kleine Sichtluke.




Normandie reloaded

Zu Beginn landen wir mit dem Schiff am vom Feind gehaltenen Strand von Manhattan. Die grünbraune Farbgebung und der heftige Beschuss aus den Bunkern erinnern auf Anhieb an die typische Normandie-Mission in Weltkriegs-Shootern. Wer hier unbedacht über den Strand donnert, wird in null Komma nichts in einen Schrotthaufen verwandelt. Ich bekomme zwar grobe Anweisungen, doch bei der Ausführung bin ich auf mich gestellt. Am Strand ist es z.B. sinnvoll, erst einmal das Periskop heran zu ziehen und die an der Mauer postierten Panzer und Roboter zu zerbröseln.

Danach bahne ich mir behutsam einen Weg durch die Minen (vor denen mich ein Detektor mit Piepstönen warnt) und mache den Weg für die Infanterie frei, welche kurz darauf die Bunker stürmt. Vor der Aktion sollte ich tunlichst aus der Schusslinie der dicken Bunkergeschütze bleiben. Schön ist, dass man sich wie mitten in einem schweren Stahlkoloss fühlt: Langsam und mit starkem Schwanken donnern die Beine Schritt für Schritt den Strand entlang. Nachdem ein Panzerfaust-Schütze das kleine Sichtfenster zersplittert hat, schließe ich die Frontklappe aus Metall und schaue lieber durchs Periskop.

Ausschau halten und zuschlagen

Steht man vom Stuhl auf, schaut die Spielfigur aus der Luke. Mit dem Feldstecher muss man gelegentlich anrückende Feinde ausspähen.

Trotz linearer Laufwege gestalten sich die Missionen sehr unterschiedlich – und genau diese Ungewissheit sorgt für Kriegs-Atmosphäre. Wie ein echter Soldat muss ich ab und zu einfach nur Geduld haben und wachsam bleiben. Auf einer Anhöhe in New York warten wir z.B. minutenlang auf einen feindlichen Mech. Wenn er angestapft kommt, müssen wir ihn blitzschnell erledigen, bevor er das Feuer eröffnen kann. Klappt das, ist die Mission sofort abgeschlossen.

Bevor ich schießen kann, muss ich allerdings den Feind mit dem Fernglas entdecken und meinen Kameraden ein Signal geben. Doch diese wichtige Aktion ist reichlich umständlich gelöst: Wenn ich nur das Sehrohr auf den Feind halte, verrät mein Alter Ego dem Team nämlich überhaupt nichts. Stattdessen muss ich zurück in den Panzer, die Kamera mit zwei Wischbewegungen drehen und Rainer mit ausgestrecktem Arm auf die Schulter klopfen. Natürlich klappt das nur, wenn die Gestenerkennung mitspielt, bevor uns der Feind zerbröselt hat. Dann darf ich wieder von vorne beginnen. In manchen Levels gibt es sogar Checkpoints, doch sie sind sehr spärlich verteilt.

Nicht gerade elegant: Von der Seite wirkt der "Vertical Tank" wie eine riesige Stahlkröte.




Behutsames Vorantasten

In einer anderen Mission stapfe ich durch einen verminten, vom Einsturz gefährdeten Tunnel nach Norfolk. Ein Schuss zu viel kann die Decke zum Einsturz bringen, daher muss ich mich vorsichtig vorantasten. Und auf jedes noch so kleine Blinken achten, welches von den Scheinwerfern eines Mechs stammen könnte. Da ich hier selten ins Cockpit wechseln muss, macht das Spiel in solchen Momenten richtig Spaß. Vor allem, wenn ich nach der Zitterpartie das Licht am Ende des Tunnels sehe, ins Freie schreite und durch das verkratzte Visier den Ausblick über die Küste genieße. Obwohl meine Kameraden meist platte Sprüche ablassen, bringen ihre Kommentare Leben ins Spiel. Ähnlich wie in Uncharted hatte ich beinahe das Gefühl, Seite an Seite mit ihnen zu kämpfen. Deutsche Sprache gibt es übrigens nur in den Menüs und Untertiteln.

Schön auch, dass die eigentlich linearen Missionen bei jedem Anlauf ein wenig anders verlaufen. Mal rette ich einen eingekeilten Verbündeten, beim nächsten Versuch komme ich zu spät und muss seinen zerbombten Mech links liegen lassen. Mal jage ich sämtliche Gegner zur Hölle, bei einem anderen Durchgang  ziehen sie sich zurück und ich tapse in eine Mine. Den Rest des Levels muss ich mich danach stark humpelnd  durch die Gassen schleppen. Manche Aufträge wie der Angriff auf eine Antennenfarm lassen sich kooperativ übers Netz

Im Cockpit werden sämtliche Instrumente mit Gesten bedient. Nur Laufrichtung, Sicht und Kanone steuert man mit dem 360-Controller.
oder mit drei KI-Mechs bestreiten. Ersteres funktionierte bei einem Testspiel recht gut. Nach dem Bestehen eines Koop-Auftrages darf ich meinen Koloss mit einem hinteren Mörser, Wüsten-Tarnung und anderen Extras aufrüsten.

Gelegentlich wird die Illusion des Krieges durch die schrecklich debilen Gegner zerstört. Sie machen nicht die geringsten Anstalten, in Deckung zu gehen, sondern laufen mir schnurstracks vor die Flinte oder bleiben fein säuberlich aufgereiht in meinem Schussfeld stehen. Technisch wirken die Gefechte ebenfalls nicht besonders beeindruckend: Die Gesichts- und Laufanimationen wirken etwas steif und die glänzende Haut von Freund und Feind erinnert ans Wachsfigurenkabinett. Auch die pixeligen Schatten und nicht immer scharfen Texturen bieten kein schönes Bild.



Debile Widersacher

Fazit

Schade, dass From Software das neue Steel Battalion ins Kinect-Korsett gezwängt hat. Ohne die Bewegungssteuerung hätte ein passabler Mech-Shooter daraus werden können. Durch das schwerfällige Stampfen und halb zerborstene Armaturen fühle ich mich tatsächlich wie in einem Stahlkoloss. Manchmal macht es sogar richtig Spaß, sich behutsam voranzutasten und einen lauernden Feind in Stücke zu schießen, bevor er mich entdeckt. Ein Teil der Aktionen lässt sich schließlich mit dem Controller steuern, doch immer wenn Kinect ins Spiel kommt, verdirbt es den Spaß. Ständig werden Gesten falsch erkannt, was durch den unerbittlichen Schwierigkeitsgrad sofort bestraft wird. Oft musste ich eine Mission vier oder fünfmal angehen, nur weil ich wieder dreimal am falschen Hebel gezogen habe – und währenddessen durchlöchert wurde. Auch die debile Gegner-KI und die durchwachsene Technik motivieren nicht gerade zum Weiterspielen. Im Vorgänger versetzte der Riesen-Controller den Spieler direkt aufs Schlachtfeld, Kinect reißt ihn dagegen immer wieder heraus. Tanzspiel-Verweigerer wie ich müssen also weiter auf einen Kaufgrund für Microsofts Bewegungs-Controller warten.

Pro

  • man fühlt sich wie in einem Stahlkoloss
  • behutsames Vorantasten erzeugt Spannung
  • Missionen verlaufen bei mehreren Anläufen anders
  • gut vertonte Gespräche machen die Action lebendig

Kontra

  • frustig hakelige Kinect-Steuerung
  • viele Gesten werden falsch erkannt
  • nervige Quicktime-Events
  • extrem debile Moorhuhn-Gegner
  • Charaktere sind wandelnde Klischees
  • steif animierte, glänzende Gesichter
  • grobpixelige Schatten

Wertung

360

Die schrecklich hakeligen Kinect-Gesten machen den eigentlich passablen Mech-Shooter zum Frusterlebnis.