The Amazing Spider-Man - Test, Action-Adventure, 360, PlayStation3, Wii, PS_Vita, NDS, 3DS, Wii_U, PC
Beenox hat ein Problem: So richtig geil sind die Spiele der Kanadier nicht. Nie wirklicher Mist, aber auch nie ernsthaft in „Muss man gespielt haben!“-Bereiche vordringend. Schade, denn die Ansätze für Exzellenz sind meistens da. Auch The Amazing Spider-Man: Manhattan sieht einfach fantastisch aus! Und wenn man sich ohne den kleinsten Ruckler in die mächtig gewaltigen Hochhausschluchten stürzt, der Boden wahnsinnig auf einen zurast, man im letzten Moment die rechte Schultertaste drückt und danach von herrlichem Gejubel und Gejuchze seitens des Spinnenmanns durch die faszinierenden Straßen der Stadt schwingt und zischt, in die strahlende Sonne hinein – dann, ja dann zeigt das Spiel echte Größe. Ärgerlicherweise beginnt das Spiel nicht so. Stattdessen muss man einen langatmigen Prolog im Innern eines Forschungslabors ertragen.
Aus großer Lizenz folgen große Spiele?
Zäumen wir den Gaul doch mal von hinten: Die Handlung ist gar nicht schlecht. Das Spiel schließt direkt an den aktuell in den Kinos laufenden Film an (und beinhaltet dadurch zwangsläufig den einen oder anderen Spoiler) und dreht sich um das Hin und Her zwischen Spider-Man (der übrigens im ganzen Spiel nicht ein Mal seine Maske abnimmt), Gwen Stacy, Alistair Smythe und Curt "The Lizard" Connors. Eine eklige Infektion ergießt sich über den Bewohnern von Manhattan,
Der bunte Ritter
Womit wir beim zweiten Punkt wären: dem Kampfsystem. Dass die Entwickler große Fans von Batmans Arkham-Abenteuern sind, sah man schon am Vorgänger Edge of Time. Auch dieses Mal kommt einem das von Feind zu Feind fließende Gekloppe bekannt vor, was ja per se nichts Schlechtes ist. Allerdings ist das Ganze hier extrem simpel gehalten: Timing spielt beim Kloppen keine Rolle, ein pausenlos behämmerter Angriffsknopf reicht normalerweise. Lediglich wenn der Spinnensinn aufleuchtet, ist etwas zusätzliche Aktion gefragt – nämlich der Druck auf den Ausweichknopf, durch den Spidey der nahenden Attacke entgeht und ohne Unterbrechung weiter arbeitet. Das Ganze ist hübsch anzusehen, aber aufgrund der quasi nicht vorhandenen Gegner-KI wirklich keine Herausforderung.
Spinnen mögen kein Wasser
Neu ist der "Netzsprint": Das ist ein System, mit dem der Blaurotling noch schneller (und spektakulärer) durch die Straßen Manhattens reisen kann. Man visiert einfach einen der auf Wunsch deutlich markierten Netzsprint-Punkte an (von denen es massenhaft gibt) und schon hetzt Spidey los – an Wänden entlang, zwischen Autos hindurch, wilde Luftsprünge und dramatische Dreher machend, bis er schließlich, tiefenentspannt wie ein bekifftes Chamäleon, am Zielpunkt ankommt. Wer auf diesen fetzigen Automatismus keine Lust hat, kann die entsprechende Taste auch gedrückt halten, wodurch man die Welt durch die Spinnenaugen zu sehen bekommt – deutlich verlangsamt. Wodurch man alle Zeit der Welt hat, um sich in Ruhe nach einem Zielpunkt umzusehen, während die Umgebung mit der Hektik einer Kontinentalverschiebung an einem vorbei gleitet.
Und wozu das Ganze? In erster Linie, um punktgenau bei Zielen anzukommen. Denn in Manhattan wartet jede Menge Arbeit: Man muss Passanten retten, die gerade überfallen werden. Aus der Irrenanstalt entflohene Patienten finden und zurück in die gut gummierten Wände bugsieren. Infizierte Zivilisten in eine Klinik schaffen. Oscorp-Labors nach wichtigen Upgrades durchforschen. Foto-Herausforderungen von Reporterin Whitney Chang meistern. Der Polizei helfen, Straßengefechte und Verfolgungsjagden schnell zu beenden.
Schwingen für die Erstausgabe
Fazit
Der eine trägt schwarzes Latex, der andere blau/rotes Spandex – wo ist da schon der Unterschied? Das muss sich Beenox auch gefragt haben, denn die Ähnlichkeiten zu Batmans Arkham-Ausflügen sind frappierend: Klar, den größten Teil seiner Zeit verbringt man mit dem wunderbar beschwingten Zischen durch die Hochhausschluchten durch New York. Aber sobald es in den Kampf geht, werden die Parallelen offensichtlich – nur dass hier alles auf halber Flamme gekocht wird: Das Kloppsystem ist extrem simpel, die Gegnerschar dumm wie Klappstühle. Die wahre Motivation bezieht The Amazing Spider-Man aus dem faszinierenden Schwing-Rausch außerhalb der Missionen. Dort gibt es zwar von der Comicjagd bis hin zur Polizei-Unterstützung jede Menge zu tun, aber leider mangelt es der Nebenher-Aktivität arg an Abwechslung. Da ist die Kampagne auch aufgrund der soliden Handlung interessanter – aber die findet in größtenteils langweiligen Innenlevels mit jeder Menge Luftschachtgekrauche, stupiden Feinden und schwachen Puzzles statt. Immerhin ist The Amazing Spider-Man deutlich besser als Edge of Time – das ist doch auch was. Es wirkt zwar in vielerlei Hinsicht schludrig, zeigt aber auch viel Potenzial. Wenn Beenox für den nächsten versponnenen Titel mehr als gefühlt vier Minuten Entwicklungszeit bekommt, könnte sogar mal wieder ein beschwingter Ausflug in vorzeigbare Wertungsregionen drin sein. Die Hoffnung stirbt ja zuletzt.
Pro
- schön inszeniertes Manhattan
- fröhliches Schwingen durch Straßenschluchten
- viel Sammelkram
- ordentliche Handlung
- sehr viel Nebenher-Aktivität
- gut inszenierte Bosskämpfe
- nützliches Netzsprint-System
- teilweise sehr amüsante Sprüche
- flexibles Upgrade-System
Kontra
- schlimme deutsche Sprachausgabe
- langweiliges Kampfsystem
- größtenteils uninteressante Innenlevels
- immergleiche Sprüche
- dumpfe Gegner-KI
- teilweise sehr störrische Kameraführung
- niedriger Schwierigkeitsgrad
- viel lahmes Luftschachtgekrieche