Dungeon Twister - Test, Brettspiel, Spielkultur, PlayStation3
Das Spiel um fünf Siegpunkte nähert sich der Schlussphase: Aktuell steht es vier zu drei für den Erzmagier, der seine KI-Abenteurer diesmal recht clever durch das Dungeon lotst. Zuvor hat er einige Male nicht aufgepasst als er meine Charaktere hätte abfangen können. Aber gerade erst hat sein Krieger die Ziellinie erreicht und es fehlt ihm nur noch ein Punkt. Jetzt bin ich allerdings dran und habe noch fünf Aktionen! Wenn ich den Goblin durchbringe, habe ich gewonnen, denn er bringt als einzige Figur zwei Punkte. Oder ich versuche mit dem Magier an den Schatz zu kommen, aber dann müsste ich den Krieger erstmal rösten…schaffe ich das mit fünf Aktionen?
Duell auf Augenhöhe
Im Gegensatz zum Brettspiel kann ich hier nicht endlos grübeln, sondern habe nur drei Minuten Zeit – gerade online ist dieses Limit natürlich wichtig. Allerdings findet man über die Internetsuche aktuell kaum Leute; da hilft nur Freunde einladen oder sich in den Duellen der KI widmen. Defensiv macht der Computergegner allerdings keine gute Figur, weil er Helden kaum abfängt, und erzählerisch ist der "Arch-Mage" quasi nicht vorhanden, denn es gibt leider keine Story-Kampagne. Hinsichtlich des Regelwerks hat man das Brettspiel nahezu eins zu eins übertragen: In einem rundenbasierten Duell wechselt man sich ab, um als Erster möglichst viele Abenteurer durch ein vertracktes Labyrinth auf die gegnerische Ziellinie zu bewegen. Dabei muss man gut haushalten, denn man hat auch im Videospiel nur eine begrenzte Zahl an Aktions- und Kampfkarten. In einer Art Fantasyschach bewegt man seine Helden
Das ist aber gar nicht so einfach, denn es gibt natürlich verschlossene Türen, fiese Gruben und so manche Sackgasse. Schön ist, dass man bei einem Zug des Feindes optional auf eine Verfolgersicht setzen und dass man das Dungeon frei drehen sowie zoomen kann. Weniger schön sind allerdings das Artdesign und die Animationen: Grundsätzlich ist das Cel Shading-Design ganz ansehnlich, aber vor allem die Frauenfiguren sehen billig aus und das Tanzen auf der Ziellinie wirkt unfreiwillig komisch. Die Kulisse erreicht ansonsten ein solides Niveau, was man von den schwachen Soundeffekten nicht sagen kann – das Stöhnen und Ächzen wiederholt sich zu oft.
Das bewegte Labyrinth
Bei seiner Routenplanung muss man aufpassen, dass man nicht von den vier feindlichen Abenteurern eins übergebraten bekommt und dass sich die Wege zum Ziel ändern können. Denn das Dungeon besteht wie auch auf dem Tisch aus acht zu Beginn verdeckten Hallenplatten, die jedes Mal zufällig platziert werden. Zwei gleichfarbige Hallen sind jeweils über einen Mechanismus verbunden. Wer ihn mit seiner Figur bedient, kann sie im
…denn schwuppdiwupp wird aus einer Sackgasse eine Einbahnstraße zum Ziel! Oder plötzlich steht der mächtige Troll direkt vor dem kleinen Goblin! Oder man erreicht durch das geschickte Drehen doch noch den wichtigen Trank, das Schwert oder den Schatz! Dieses Rotieren des Labyrinths ist nur eine Facette in einem überaus spannenden Taktikduell: Man muss seine Figuren möglichst effizient einsetzen, denn sie haben alle unterschiedliche Kampfwerte und Fähigkeiten. Man kann aggressiv vor gehen, man kann defensiv abwarten und Gegenstände sammeln, man kann auf Schnelligkeit und clevere Routen setzen.
Vier Helden an der Startlinie
Der Troll bewegt sich zwar nur zwei Felder weit, aber dafür hat er vier Kampfpunkte und kann sich nach einer Verletzung regenerieren; der Kleriker kann sogar jede Figur heilen. Besonders stark ist der Magier: Nur er kann den tödlichen Feuerballstab aufnehmen, über Abgründe und durch Feinde schweben. Der Krieger kann auch mit seinen bloßen Fäusten kräftig zuschlagen und Gitterstäbe verbiegen. Und der Mechanork ist die einzige Figur, die zwei Hallen auch entgegen der Richtung drehen kann, die auf dem Mechanismus angezeigt wird.
Vom Schwert bis zum Feuerballstab
Die animierten Gefechte sind wie im Brettspiel sehr simpel, denn zur Stärke einer Figur wird einfach der Wert der Kampfkarte addiert, die verdeckt gespielt wird - hier kann jeder Spieler einmalig von null bis sechs Punkte legen. So lässt sich natürlich bluffen: Wenn der Gegner einen Goblin mit Stärke 1 ins Gefecht schickt, kann der mit der 6er-Karte höchstens sieben Punkte erreichen. Mein Krieger mit Stärke 3 braucht für einen sicheren Sieg also nur die 4er-Karte zu spielen. Aber was ist, wenn der Goblin angesichts der Chancenlosigkeit einfach die 0er-Karte hinlegt, um seine 6er zu sparen? Ich könnte also ebenfalls bluffen und einfach meine 0er-Karte ausspielen - die Schadenfreude danach wäre Belohnung genug. Hier kommt neben der Taktik auch ein Pokerelement ins Spiel, das für Spannung sorgt.
Schön ist, dass man nach einem Kampf nicht sofort stirbt (es sei denn man wurde Opfer des Feuerballs): Die unterlegene Figur ist lediglich bewegungsunfähig und liegt verletzt an ihrem Platz. Man kann sie also in der nächsten Runde heilen oder gar wegtragen, um zu verhindern, dass sie dann wirklich eliminiert wird - denn erst das bringt dem Angreifer einen Siegpunkt.
Fazit
Dungeon Twister ist auf dem Tisch eines der besten Fantasy-Taktikspiele für zwei Personen. Und ich finde es klasse, dass ich jetzt auch mal solo oder online auf der PlayStation 3 mit Goblin, Troll und Magier losziehen kann – immerhin hat man das rundenbasierte Regelwerk treu umgesetzt! Einsteiger werden gut vorbereitet und dürfen jederzeit Hilfen aufrufen, Kenner können sofort loslegen. Nur wer seine Züge clever plant und seine Figuren koordiniert einsetzt, wird den Sieg davon tragen. Die besondere Würze kommt aufgrund des möglichen Bluffens und der Hallendrehungen ins Spiel, mit der man seinen Gegner fies kontern und das Labyrinth neu formen kann. Allerdings hätte ich mir vor allem vom Artdesign und der KI mehr erwartet: Die dreh- und zoombare Kerkerkulisse ist noch okay, aber die Helden sehen teilweise billig aus, geben redundante Sounds von sich und werden leider nicht immer clever bewegt. Wer das Brettspiel kennt, wird die defensiv blinde KI selbst auf den höchsten Stufen locker schlagen und manchmal von kleinen Bugs geärgert, wenn plötzlich Regeln ignoriert werden. Und danach gibt es wenig zu tun. Warum hat man nicht ähnlich wie in Magic – The Gathering eine separate Herausforderung integriert, in der man einzelne Spielsituationen meistern muss? Warum hat man die Hintergrundwelt nicht über eine kleine Story-Kampagne vorgestellt? Kurzum: Als Solist hat man den Taktik-Snack recht schnell verdaut. Die gute Wertung wird durch den Online-Modus mit Freundeseinladungen gerettet, denn über das Internet machen die Duelle so viel Spaß wie am Tisch.
Pro
- inhaltlich werktreue Brettspielumsetzung
- clevere Rundentaktik für zwei Spieler
- Spannung durch Bluffs & Hallendrehungen
- intuitive Steuerung
- gutes Tutorial & interaktive Hilfen
- Solospiele gegen die KI möglich
- Online-Modus mit Rangliste
Kontra
- fades Artdesign
- keine Story-Kampagne
- repetitive Soundeffekte
- unspektakuläre Musikuntermalung
- KI in der Defensive zu schwach
- keine situativen Herausforderungen
- manchmal kleine Bugs (KI ignoriert Regeln)