Dungeon Twister - Test, Brettspiel, Spielkultur, PlayStation3

Dungeon Twister
23.07.2012, Jörg Luibl

Test: Dungeon Twister

Vom Brettspiel zum Videospiel: Dungeon Twister erfreut sich seit 2004 großer Beliebtheit auf dem Tisch – mittlerweile gibt es zig Erweiterungen und eine Fortsetzung. Jetzt wurde das rundenbasierte Kerkerduell für PlayStation 3 umgesetzt. Kann das Team von Hydravision (Obscure, Alone in the Dark) den kompetitiven Reiz der Vorlage einfangen? Wir haben mit Goblins, Trollen und Magiern um Punkte gekämpft!

Das Spiel um fünf Siegpunkte nähert sich der Schlussphase: Aktuell steht es vier zu drei für den Erzmagier, der seine KI-Abenteurer diesmal recht clever durch das Dungeon lotst. Zuvor hat er einige Male nicht aufgepasst als er meine Charaktere hätte abfangen können. Aber gerade erst hat sein Krieger die Ziellinie erreicht und es fehlt ihm nur noch ein Punkt. Jetzt bin ich allerdings dran und habe noch fünf Aktionen! Wenn ich den Goblin durchbringe, habe ich gewonnen, denn er bringt als einzige Figur zwei Punkte. Oder ich versuche mit dem Magier an den Schatz zu kommen, aber dann müsste ich den Krieger erstmal rösten…schaffe ich das mit fünf Aktionen?

Duell auf Augenhöhe

Im Gegensatz zum Brettspiel kann ich hier nicht endlos grübeln, sondern habe nur drei Minuten Zeit – gerade online ist dieses Limit natürlich wichtig. Allerdings findet man über die Internetsuche aktuell kaum Leute; da hilft nur Freunde einladen oder sich in den Duellen der KI widmen. Defensiv macht der Computergegner allerdings keine gute Figur, weil er Helden kaum abfängt, und erzählerisch ist der "Arch-Mage" quasi nicht vorhanden, denn es gibt leider keine Story-Kampagne. Hinsichtlich des Regelwerks hat man das Brettspiel nahezu eins zu eins übertragen: In einem rundenbasierten Duell wechselt man sich ab, um als Erster möglichst viele Abenteurer durch ein vertracktes Labyrinth auf die gegnerische Ziellinie zu bewegen. Dabei muss man gut haushalten, denn man hat auch im Videospiel nur eine begrenzte Zahl an Aktions- und Kampfkarten. In einer Art Fantasyschach bewegt man seine Helden

So sieht das Original auf dem Tisch aus. Den Brettspieltipp dazu findet ihr hier.
vorwärts, indem man sie mit dem Stick auswählt und ihre Route ins Dungeon malt. Dabei darf man seine Aktionen beliebig auf alle oder einen Abenteurer verteilen.

Das ist aber gar nicht so einfach, denn es gibt natürlich verschlossene Türen, fiese Gruben und so manche Sackgasse. Schön ist, dass man bei einem Zug des Feindes optional auf eine Verfolgersicht setzen und dass man das Dungeon frei drehen sowie zoomen kann. Weniger schön sind allerdings das Artdesign und die Animationen: Grundsätzlich ist das Cel Shading-Design ganz ansehnlich, aber vor allem die Frauenfiguren sehen billig aus und das Tanzen auf der Ziellinie wirkt unfreiwillig komisch. Die Kulisse erreicht ansonsten ein solides Niveau, was man von den schwachen Soundeffekten nicht sagen kann – das Stöhnen und Ächzen wiederholt sich zu oft.

Das bewegte Labyrinth

Bei seiner Routenplanung muss man aufpassen, dass man nicht von den vier feindlichen Abenteurern eins übergebraten bekommt und dass sich die Wege zum Ziel ändern können. Denn das Dungeon besteht wie auch auf dem Tisch aus acht zu Beginn verdeckten Hallenplatten, die jedes Mal zufällig platziert werden. Zwei gleichfarbige Hallen sind jeweils über einen Mechanismus verbunden. Wer ihn mit seiner Figur bedient, kann sie im

So sieht die Umsetzung für PlayStation 3 aus. Die Kulisse ist aus der Distanz okay, aber en detail können die Cel Shading-Helden nicht überzeugen.
Uhrzeigersinn drehen! Und das kann sehr wichtig sein…

…denn schwuppdiwupp wird aus einer Sackgasse eine Einbahnstraße zum Ziel! Oder plötzlich steht der mächtige Troll direkt vor dem kleinen Goblin! Oder man erreicht durch das geschickte Drehen doch noch den wichtigen Trank, das Schwert oder den Schatz! Dieses Rotieren des Labyrinths ist nur eine Facette in einem überaus spannenden Taktikduell: Man muss seine Figuren möglichst effizient einsetzen, denn sie haben alle unterschiedliche Kampfwerte und Fähigkeiten. Man kann aggressiv vor gehen, man kann defensiv abwarten und Gegenstände sammeln, man kann auf Schnelligkeit und clevere Routen setzen.

Die Kampfduelle werden in einem separaten Bildschirm inszeniert: Allerdings machen weder Helden noch ANimationen eine gute Figur.
Schon vor dem ersten Zug beginnt die Taktik bei der Erstellung des eigenen Teams: Wer soll zu den vier Auserwählten gehören? Je nachdem wie man spielen möchte, sollte man andere Prioritäten setzen. Man hat die Qual der Wahl zwischen acht Helden – die übrig gebliebenen kann man in der Kampagne gegen die KI allerdings auch direkt wie Gegenstände aufstellen. Die Wand-Läuferin kann z.B. einfach so durch massives Gestein wandeln und die Diebin kann nicht nur Schlösser knacken, sondern dank ihrer Akrobatik auch über Fallgruben springen - beide gehen vier bzw. fünf Felder weit, allerdings haben sie nur einen Kampfpunkt.

Vier Helden an der Startlinie

Der Troll bewegt sich zwar nur zwei Felder weit, aber dafür hat er vier Kampfpunkte und kann sich nach einer Verletzung regenerieren; der Kleriker kann sogar jede Figur heilen. Besonders stark ist der Magier: Nur er kann den tödlichen Feuerballstab aufnehmen, über Abgründe und durch Feinde schweben. Der Krieger kann auch mit seinen bloßen Fäusten kräftig zuschlagen und Gitterstäbe verbiegen. Und der Mechanork ist die einzige Figur, die zwei Hallen auch entgegen der Richtung drehen kann, die auf dem Mechanismus angezeigt wird.

Wichtiger ist natürlich die Taktik im Labyrinth: Und hier schöpft dieses Umsetzung aus dem vollen Regelwekr des Brettspiel-Vorbildes.
Es gibt sechs Gegenstände in zweifacher Ausführung, wobei alle zunächst verdeckt verteilt werden: Das Schwert macht einen Punkt kampfstärker, das Seil hilft über Gruben, die Rüstung gibt einen Verteidigungsbonus, der Schatz einen zusätzlichen Siegpunkt und der fiese Feuerballstab tötet bei einem Treffer sofort und bringt so ebenfalls einen Siegpunkt. Besonders mächtig ist der Trank der Schnelligkeit: Wer ihn zu sich nimmt, bekommt umgehend vier weitere Aktionspunkte für diese Figur. Und wer das clever einsetzt, kann wie quasi zum Touchdown durchziehen. Das Aufnehmen und Wechseln der Gegenstände in der Bewegung läuft übrigens sehr intuitiv ab.

Vom Schwert bis zum Feuerballstab

Die animierten Gefechte sind wie im Brettspiel sehr simpel, denn zur Stärke einer Figur wird einfach der Wert der Kampfkarte addiert, die verdeckt gespielt wird - hier kann jeder Spieler einmalig von null bis sechs Punkte legen. So lässt sich natürlich bluffen: Wenn der Gegner einen Goblin mit Stärke 1 ins Gefecht schickt, kann der mit der 6er-Karte höchstens sieben Punkte erreichen. Mein Krieger mit Stärke 3 braucht für einen sicheren Sieg also nur die 4er-Karte zu spielen. Aber was ist, wenn der Goblin angesichts der Chancenlosigkeit einfach die 0er-Karte hinlegt, um seine 6er zu sparen? Ich könnte also ebenfalls bluffen und einfach meine 0er-Karte ausspielen - die Schadenfreude danach wäre Belohnung genug. Hier kommt neben der Taktik auch ein Pokerelement ins Spiel, das für Spannung sorgt.

Schön ist, dass man nach einem Kampf nicht sofort stirbt (es sei denn man wurde Opfer des Feuerballs): Die unterlegene Figur ist lediglich bewegungsunfähig und liegt verletzt an ihrem Platz. Man kann sie also in der nächsten Runde heilen oder gar wegtragen, um zu verhindern, dass sie dann wirklich eliminiert wird - denn erst das bringt dem Angreifer einen Siegpunkt.

Fazit

Dungeon Twister ist auf dem Tisch eines der besten Fantasy-Taktikspiele für zwei Personen. Und ich finde es klasse, dass ich jetzt auch mal solo oder online auf der PlayStation 3 mit Goblin, Troll und Magier losziehen kann – immerhin hat man das rundenbasierte Regelwerk treu umgesetzt! Einsteiger werden gut vorbereitet und dürfen jederzeit Hilfen aufrufen, Kenner können sofort loslegen. Nur wer seine Züge clever plant und seine Figuren koordiniert einsetzt, wird den Sieg davon tragen. Die besondere Würze kommt aufgrund des möglichen Bluffens und der Hallendrehungen ins Spiel, mit der man seinen Gegner fies kontern und das Labyrinth neu formen kann. Allerdings hätte ich mir vor allem vom Artdesign und der KI mehr erwartet: Die dreh- und zoombare Kerkerkulisse ist noch okay, aber die Helden sehen teilweise billig aus, geben redundante Sounds von sich  und werden leider nicht immer clever bewegt. Wer das Brettspiel kennt, wird die defensiv blinde KI selbst auf den höchsten Stufen locker schlagen und manchmal von kleinen Bugs geärgert, wenn plötzlich Regeln ignoriert werden. Und danach gibt es wenig zu tun. Warum hat man nicht ähnlich wie in Magic – The Gathering eine separate Herausforderung integriert, in der man einzelne Spielsituationen meistern muss? Warum hat man die Hintergrundwelt nicht über eine kleine Story-Kampagne vorgestellt? Kurzum: Als Solist hat man den Taktik-Snack recht schnell verdaut. Die gute Wertung wird durch den Online-Modus mit Freundeseinladungen gerettet, denn über das Internet machen die Duelle so viel Spaß wie am Tisch.

Pro

  • inhaltlich werktreue Brettspielumsetzung
  • clevere Rundentaktik für zwei Spieler
  • Spannung durch Bluffs & Hallendrehungen
  • intuitive Steuerung
  • gutes Tutorial & interaktive Hilfen
  • Solospiele gegen die KI möglich
  • Online-Modus mit Rangliste

Kontra

  • fades Artdesign
  • keine Story-Kampagne
  • repetitive Soundeffekte
  • unspektakuläre Musikuntermalung
  • KI in der Defensive zu schwach
  • keine situativen Herausforderungen
  • manchmal kleine Bugs (KI ignoriert Regeln)

Wertung

PlayStation3

Clevere Rundengefechte für zwei Taktiker. Fade Präsentation, aber inklusive Onlinemodus und komplettem Brettspielregelwerk.