Harvest Moon: Geschichten zweier Städte - Test, Simulation, NDS, 3DS

Harvest Moon: Geschichten zweier Städte
29.08.2012, Jan Wöbbeking

Test: Harvest Moon: Geschichten zweier Städte

Marvelous melkt seine alte Kuh munter weiter: Während man in Rune Factory die Welt entdeckt und wilde Monster domestiziert, bleibt im traditionellen Harvest Moon alles beim Alten. Im mittlerweile fünften DS-Ableger, welcher auch für den 3DS erscheint, ackert und striegelt man beinahe wie früher auf dem Super Nintendo. Es gibt allerdings ein Detail, welches das Bauernhof-Abenteuer um einiges entspannender macht als die Vorgänger.

Während ich diese Zeilen tippe, wurde sogar schon der zweite Teil für den 3DS angekündigt. Viel erstaunlicher als die Zahl der Veröffentlichungen ist aber, dass sie wieder und wieder nach dem gleichen Schema gestrickt werden. Wie immer ziehe ich als Jung-Bauer oder -Bäuerin in ein neues Dorf, um einen florierenden Hof aufbauen. Nebenbei kann ich fischen gehen, imkern, Pilze sammeln und mich mit einer jungen Dorfbewohnerin anfreunden, um eine Familie zu gründen. Auch diverse Feste und Tierwettbewerbe sind dabei.

Recyclinghof

Obwohl ich das Prinzip in- und auswendig kenne, gestaltet sich mein Start ins Landleben deutlich entspannter. Diesmal muss ich nicht wochenlang auf dem Feld ackern, um mir meine ersten Tiere zu verdienen. Stattdessen stellt mich das Spiel zu Beginn vor die Wahl: Will ich ins traditionell japanische Ackerbaudorf Konohana ziehen oder zu den westlich angehauchten Viehzucht-Spezialisten in Bluebell? Da ich in den Vorgängern bereits genug Zeit auf dem Feld verbracht habe, habe ich mich für Bluebell entschieden – und meine Wahl bisher nicht bereut. Statt mit knapper Zeit und Energie auf dem Feld zu schwitzen, lasse ich es ruhig angehen. Der Einstieg erinnert mich diesmal eher an einen Urlaub auf dem Bauernhof, mit einem kleinem Nebenjob zum Aufbessern des Taschengelds.

Mit genügend Kleingeld lassen sich allerlei nützliche Maschinen kaufen. Anders als auf diesem Bild sind die Texte übrigens komplett eingedeutscht. (3DS-Screenshot).

Da es nicht regnet, spare ich mir das teure Trockenfutter und „schiebe“ Alma nach dem Melken direkt auf die Weide. Dann noch das Pferd striegeln und weiter geht es in den Hühnerstall. Ich schnappe mir das frisch gelegte Ei und schicke das Huhn ins Gehege. Auch Streicheleinheiten machen meine Schützlinge glücklich. Auf dem 3DS gibt es ein simples Minispiel, bei dem ich den Stylus über den Kopf der Kuh streiche. Auf dem DS fehlt das Spielchen – dort tätschelt man mit einem einfachen Knopfdruck. All zu tragisch ist der Wegfall des Minispiels nicht: Es bringt nichts, hinter dem Ohr zu kraulen oder auf persönliche Vorlieben zu achten. Stattdessen wirkt das stupide Rubbeln über den kaum animierten Kopf des Tieres wie eine reine Beschäftigungstherapie.

Entspanntes Landleben

Habe ich Milch und Ei versandt, beginnt der angenehme Teil des Tages. Neuerdings habe ich viel mehr Zeit zum Erforschen. Ich schwinge mich aufs Pferd und erkunde den Berg, welcher zwischen beiden Dörfern liegt. Dort gibt es einiges zu entdecken: Ich werfe die Angel aus oder fische mit der bloßen Hand, schnappe mir Insekten und Schmetterlinge aus der Luft und sammle allerlei Pilze und Heilkräuter. All das funktioniert ähnlich einfach wie das Melken oder andere Arbeiten. Meist drücke ich einfach auf den A-Knopf. Für manche Tätigkeiten muss ich vorher die Melkmaschine oder eines der vielen käuflichen Werkzeuge aus dem geräumigen Inventar holen.

Zu Beginn entscheidet man sich für Ackerbau... (DS-Screenshot)
Blumen lasse ich später zum Strauß binden, um meine Angebetete zu beeindrucken. Wie gehabt muss ich vorher im Gespräch herausfinden, welche Kräuter und Blüten ihr überhaupt gefallen. Die Dialoge beschränken sich allerdings wieder auf stumpfen Smalltalk. Neben diversen Pflanzen eignen sich auch gekochte Gerichte als Geschenk für heiratswillige Nachbarinnen. Das Experimentieren mit Rezepten und Zutaten ist diesmal ein zentrales Spielelement: Als mir die Erntegöttin erscheint, beauftragt sie mich damit, die Versöhnung der beiden Dörfer voranzutreiben, indem ich gut beim Kochwettbewerb abschneide.

Auf dem Weg zur Bilderbuchfamilie

Der Wettkampf findet auf dem Gipfel des Berges statt, welcher beide Orte trennt. Seit dem Einsturz eines Tunnels ist er die einzige Gelegenheit, bei der sich die zerstrittenen Landwirte noch begegnen. Ein zentraler Punkt ist außerdem das schwarze Brett des Dorfes. Dort schnappe ich mir allerlei Aufträge: Bringe ich einem Nachbarn eine spezielle Grille, entlohnt er mich im Gegenzug mit besonders wertvoller Butter, seltenen Kräutern oder anderen nützlichen Dingen.

Wer keine Lust auf Viehzucht hat und im Ackerbau-Dorf startet, hat es ebenfalls deutlich einfacher als früher. Die Ausdauer-Anzeige leert sich nicht mehr so unbarmherzig und auch die rund 15 Minuten Echtzeit sind genau der richtige Zeitrahmen für eine entspannten Tag auf dem Land (später wird es auf dem gewachsenen Hof natürlich trotzdem noch hektisch). Da die Zeit bei Dialogen, im Inventar, dem Streichel-Minispiel und anderen Dingen stoppt, bin ich manchmal sogar eine halbe Stunde beschäftigt, bevor ich wieder in die Federn schlüpfe. Leider lässt sich der Spielstand nur beim Schlafengehen speichern.

...oder Viehzucht. Später darf man aber auch beides betreiben. (DS-Screenshot)
Wenn dem 3DS also der Saft ausgeht, muss ich entweder wertvolle Stunden verschenken oder starte wieder am Anfang des eigentlich schon angebrochenen Tages.



Viehzucht oder Ackerbau?

Nach einigen Tagen hatte ich genügend Geld gespart, um mir ein erstes Haustier zuzulegen. Neben Hund und Katze darf ich diesmal auch eine Eule halten. Oder ich freunde mich mit einem Bären oder anderen Wildtieren an. Wer möchte, kann auch in Bluebell Feldfruchte anbauen oder sich in Konohana Tiere anschaffen. Ein Umzug ist ebenfalls möglich – oder man startet parallel ein weiteres Abenteuer mit dem zweiten der beiden Spielstände.

Die Präsentation der Landhausidylle wirkt in beiden Versionen angestaubt. Die nicht vertonten Dialoge tickern träge durch eine Textbox und auch die gezeichneten Kulissen wirken etwas schlicht und detailarm. Die Tiere und Nachbarn im Anime-Stil sehen aber trotzdem knuffig aus. Der 3DS-Bildschirm verleiht den versetzt scrollenden 2D-Ebenen etwas mehr räumliche Tiefe. Im Gegensatz zur flüssigen DS-Fassung kommt es hier aber zu leichten Ruckel-Einlagen – sogar, wenn man den 3D-Effekt komplett deaktiviert. 3DS-Besitzer können die Früchte ihrer Arbeit in eine Street-Pass-Box legen und sie mit etwas Glück gegen die dort deponierten Objekte eines anderen Spielers eintauschen. Der einfache Online-Modus ist in beiden Versionen enthalten: Nach der ersten Jahreszeit eröffnet die Erntegöttin einen Bereich, welchen man mit drei Mitspielern aus dem Netz beackern darf.



Unsaubere Umsetzung

Fazit

Obwohl Marvelous wieder einmal schamlos recycelt, hat mir Harvest Moon: Geschichten zweier Städte mehr Spaß gemacht als die Vorgänger. Die gestiegene Ausdauer und die gut dosierte Zeitspanne machen das Erforschen der Idylle herrlich entspannend. Statt gleich zu Beginn wie ein Strafarbeiter auf dem Feld zu schuften, konnte ich erst einmal in Ruhe die rivalisierenden Dörfer und den dazwischen liegenden Wald kennenlernen. Danach bietet das Spiel trotzdem genügend Umfang, um sich dutzende Stunden lang richtig reinzuknien, einen großen Hof aufzubauen, auf Haustiere zu sparen und seine Nachbarn in allerlei Wettbewerben zu überbieten. Für Serienkenner stellt sich natürlich die Frage, ob sie schon wieder rund 30 Euro für die bekannte Formel ausgeben sollen. Wenn man von der gestiegenen Entscheidungsfreiheit und den Vorteilen durch Feintuning absieht, hat sich auch im fünften DS-Ableger kaum etwas geändert. Auch die Präsentation wirkt mit ihren schlichten Zeichnungen und Textfenstern reichlich angestaubt. Wer trotzdem nicht genug kriegen kann oder keinen der Vorgänger kennt, sollte sich also ruhig ins Bauernhof-Abenteuer stürzen. Die Rune Factory-Serie vom gleichen Entwickler bietet aber deutlich mehr neue Ideen und Erkundungsreize.

Pro

  • klassisch motivierende Aufbaustrategie
  • schon zu Beginn viel Entscheidungsfreiheit
  • weniger stupide Arbeit als früher
  • im Gegenzug mehr entspanntes Entdecken
  • knuffige Tiere und Figuren
  • großer Umfang
  • beschwingte Musikbegleitung

Kontra

  • schrecklich ideenlose Neuauflage
  • langweiliger Smalltalk
  • schlichte Kulissen
  • simples (3DS) bzw. kein (DS) Streichel-Minispiel
  • leichte Ruckel-Einlagen (3DS)
  • keine Sprachausgabe
  • speichern nur am Ende eines Arbeitstages möglich

Wertung

NDS

Ideenarme, aber durchdachte Neuauflage des entspannenden Landwirt-Abenteuers.

3DS

Die 3DS-Umsetzung bietet ein paar Extras, leidet aber unter leichten Rucklern.