SunAge - Test, Taktik & Strategie, PC

SunAge
14.03.2008, Benjamin Schmädig

Test: SunAge

In SunAge (ab 4,75€ bei kaufen) ist es lange her, dass die Erde der Planet war, den wir heute kennen: Radioaktive Verseuchung hat die Menschen in riesige, überdachte Siedlungen zurückgedrängt. Nur ihre mutierten Artverwandten leben unter der sengenden Sonne - und wollen sich für die Verbannung rächen. So lange jedenfalls, bis ein außerirdischer Aggressor über den Planeten herfällt. Drei Rassen im Clinch? Das ist längst echtzeitstrategisches Klischee. Es ist allerdings lange her, dass dieses Klischee so zweidimensional wirkte...

Zehn Jahre ist es her, dass Blizzard zu den damals üblichen zwei Fraktionen eine dritte Partei ins Spiel brachte: StarCraft wog Vor- und Nachteile der drei sehr unterschiedlichen Rassen perfekt gegeneinander ab. Kein Wunder, dass der Titel in Korea zum modernen Volks-eSport wurde. Ganze elf Jahre ist es sogar her, dass Roman Pfneudl seine eigene Vision des Echtzeit-Taktierens erdachte. Im Alleingang feilte der Österreicher einige Jahre zunächst am Konzept, schrieb die ersten Programmzeilen - bis Publisher Lighthouse Interactive auf SunAge (hierzulande von dtp vertrieben) aufmerksam wurde und die Crew auf ein gutes Dutzend Mitarbeiter wuchs. Tatsächlich haben es diese Jungs geschafft, ihrem Independent-Projekt den Anstrich eines kleinen, aber professionellen Titels zu geben. Doch trotz allem stellen sich virtuelle Feldherren vor allem eine Frage: Ist ihnen ein im Kern so altes Spiel

Willkommen zurück in der alten Schule!
immerhin 30 Euro wert? Zumal sie damit rechnen müssen, dass das Spiel auf ihrem Rechner gar nicht oder nur mit Fehlern läuft...

Als "Indie" ins Regal

Denn obwohl seit der US-Veröffentlichung Anfang Februar bereits per Patch nachgebessert wurde: Häufige Fehlermeldungen, nach denen das Programm weiter läuft oder hängen bleibt, gehörten auf einem von zwei Testrechnern ebenso zur Tagesordnung wie Tonknackser im Sekundentakt, die noch dazu sämtliche Schussgeräusche übertönten. Auf einem zweiten Rechner funktioniert SunAge ohne Murren - eine Prise Glück oder das Warten auf weitere Patches gehören nach dem Kauf also dazu. Auch wenn sich ein kleines Studio nur wenig Testläufe leisten kann: So unfertig darf ein Spiel nicht sein!

Dabei gelingt dem Team von vertex4 ein spannender Einstieg in die Science Fiction-Welt, wenn sie euch als Anführer eines Regiments auf die Spur seltsamer Forschungsprojekte führen. Schließlich wollen euch gleichzeitig die Raak-Zun, wie die mutierten Artgenossen der Menschen heißen, an den Kragen. Starre Comicbilder und blasse Sprecher tun zwar nur das Nötigste, um die Geschichte zu erzählen, dafür motiviert der mysteriöse Handlungsfaden zum Weiterspielen. Dabei verlässt sich SunAge auf altbekannte, aber funktionierende Mittel, wenn ihr eine Basis errichtet, Rohstoffe sammelt, neue Technologien erforscht sowie Einheiten baut. Ungewöhnlich ist dabei die Aufteilung der Ressourcen in Nitriumerz, Plutonium, Zirkonium und Iberium (ein Schlingel, wer Böses denkt!), denn nur in wenigen Einsatzgebieten findet ihr alle vier Rohstoffe. Weil fortgeschrittene Einheiten und Gebäude vor allem Zirkonium und Iberium benötigen, hängt der Entwicklungsstand eurer Armee somit hauptsächlich von den vorhandenen Ressourcen ab. Das kommt vor allem in Mehrspielergefechten zum Tragen, weil ihr auf jeder Karte vorher entscheiden müsst, welche Materialen dort vorkommen. Sologeneräle spüren hingegen kaum Unterschiede zu den Feldzügen anderer Entwickler, weil die Bauoptionen ohnehin wie gewohnt im Verlauf der Kampagne zunehmen. Schade übrigens, dass nicht alle drei Handlungsstränge vom Start weg spielbar sind. Wer sich mit den Sentinel vertraut machen will, ohne ins kalte Multiplayer-Wasser zu springen, muss zunächst die Handlung der Federals (Menschen) und Raak-Zun (Mutanten) abschließen.

Drei Fraktionen im Clinch und in 2D: Altbekannt - und immer noch gut?
Das ist vor allem deshalb ärgerlich, weil sich einige der Missionen ohne nennenswerte Dramaturgie stark in die Länge ziehen.

Gevierteltes Material

Ein weiteres Merkmal, durch das sich SunAge abheben will, ist seine Steuerung. Denn wählt man eine Truppe, um ihr ein gegnerisches Ziel zuzuweisen, passiert... gar nichts. Ein böser Schnitzer? Im Gegenteil: Die Entwickler wollen die typische Klick-o-Manie an der Front vermeiden und taktisches Vorgehen in den Vordergrund stellen. Ein guter Ansatz, allerdings macht ihnen das kaum vorhandene Mitdenken der Soldaten einen Strich durch die Rechnung. Aber von vorn: Wenn das Anklicken von Feinden keinen Angriff auslöst - was dann?

Der angestrebte Stellungskampf wird durch einen hellblauen Ring verdeutlicht, welcher die ausgewählte Truppe umgibt. Truppen sind in SunAge dabei selten separate Einheiten; vielmehr fügt ihr einzelne Schützen oder Vehikel per Rechtsklick einer bestehenden Gruppe derselben Einheiten zu. Letztere wird anschließend mit einem einfachen Klick ausgewählt, ohne dass ihr Vierecke malen oder Tastaturkürzel zuweisen müsst. Beides ist natürlich trotzdem möglich, auch wenn ihr nicht mehrere dieser Trupps per "Kästchenziehen" gleichzeitig befehligen könnt. Daraus entstehen vor allem in hektischen Situationen unnötig panische Momente - das hätte man vermeiden müssen. Die einzige Möglichkeit, mehreren Truppen zeitgleich in Bewegung zu versetzen, ist das Drücken der Leertaste. Alle Anweisungen, die ihr anschließend erteilt, werden ausgeführt, sobald ihr die Leertaste ein zweites Mal drückt - eine hilfreiche Stütze in ruhigen Situationen. Sind schnelle Entscheidungen gefragt, verfehlt das Synchronisieren jedoch seinen Zweck, namentlich das geordnete Kommandieren großer Armeen. Unglücklicherweise führen die Soldaten ihre erhaltenen Befehle ohnehin unabhängig voneinander aus.     

Sture Köpfe

Immerhin nehmen die Gruppen selbstständig sämtliche Widersacher ins Visier, die sich innerhalb ihrer hellblauen Angriffszone befinden. Vertex4 will so den Stellungskrieg fördern, damit es statt frenetischer Klickattacken zu einem sinnvollen Platzieren der Einheiten kommt. Selbstverständlich unterscheiden sich die Angriffszonen, so dass einige Fahrzeuge z.B. weit schießen, sich im Nahkampf aber nicht verteidigen können. Ihr bringt eure Linien also in Stellung - der Rest geschieht automatisch. Die Idee ist gut! Die Ausführung nicht. Spielerisch macht es nämlich keinen Unterschied, ob man an Fronten, die naturgemäß in ständiger Bewegung sind, stets neue Ziele wählt oder ständig die Positionen wechselt. Tatsächlich müssen Taktiker somit nicht nur einen Gegner wählen, sondern immer erst die Angriffszone evaluieren. Würden die eigenen Mannen von sich aus ihre Stellung wechseln,

Ausgesprochen ärgerlich: Eigene Truppen lassen sich nicht auf bebauten Boden bewegen.
um einen nahen Feind in Schussreichweite zu bekommen, wäre das verschmerzbar. Aber die Naivlinge verharren stur am Fleck. Gut, dass sie einem Gegner nicht über die halbe Karte folgen und damit ins Verderben! Schlecht, dass sie nicht einmal in der direkten Auseinandersetzung flexibel reagieren!

Sie denken nicht einmal so weit mit, dass die hinteren Reihen einer Truppe aufrücken sollten, falls nur ihre Vordermänner ein entferntes Ziel erreichen. Im schlimmsten Fall sinkt die Feuerkraft damit auf ein Viertel des Möglichen - in einer heiklen Verteidigungssituation kann das frustrierend sein. Dass entfernte Gegner ähnlich clever agieren, weil sie oft nicht auf Beschuss reagieren, ist ein schwacher Trost. Man kann die Ausrichtung der Einheiten zwar ebenso vorgeben wie ihre Formation (vier Dreier- oder zwei Sechserreihen usw.), doch das löst das Problem nicht, sondern kommt der Hektik sogar entgegen. Und was passiert nun, wenn ihr dennoch per Rechtsklick einen Feind anvisiert? Dann legt ihr das bevorzugte Ziel des gewählten Squads fest. Sprich: Es wird zuerst diesen Gegnertyp beharken, bevor es sich anderen zuwendet. Sinnvoller wäre allerdings, wenn man eine bevorzugte Gegnerklasse bestimmen dürfte. Denn so nehmen sich schwere Geschütze zwar z.B. die rollende Artillerie vor, kümmern sich anschließend aber evtl. um schwaches Fußvolk, anstatt weitere gepanzerte Fahrzeuge auszuschalten. Das Ergebnis ist ernüchternd: Weil man so und wegen der zuvor erwähnten Mängel dann doch wie ein koreanischer Flinkfinger klicken muss, rückt der von vertex4 angedachte Stellungskrieg nie in den Mittelpunkt. SunAge spielt sich trotz ungewöhnlicher Steuerung ausgesprochen herkömmlich. Es ist sogar unübersichtlicher als vergleichbare 2D-Oldies.

Flinkfingern statt Taktieren

Noch dazu gesellen sich Pfadfinder zu euren Truppen, die lieber durch unerforschtes Feindesland waten, anstatt einen unwesentlich längeren, aber sicheren Weg zu nehmen. Auf bebautes Gelände trauen sie sich schon gar nicht, und das wirkt spätestens dann albern, wenn ein Gegner in eure Basis einfällt. Denn habt ihr diese lückenlos bebaut, kann ein Feind im Zentrum eures Stützpunktes gemütlich ballern, falls ihn die an der Peripherie errichteten

Bewegte Bilder von der SciFi-Erde:

Wollt ihr entfernte Bauten mit Energie versorgen, müsst ihr das Stromnetz hingegen über Radartürme erweitern. Im fortgeschrittenen Stadium wirkt die schön gezeichnete 2D-Welt daher wie Deutschland auf einer von E.ON gesponsorten Landkarte. Jeder Vorstoß zu neuen Rohstoffen verlangt somit zunächst das Sichern dieser Radarpfeiler. Daraus entstehen spannende Stellungskämpfe, bis ein Außenposten samt Energieversorgung endgültig steht.

Der offizielle TrailerVerteidigungskanonen dort nicht erreichen. Ihr müsst die Gebäude aber möglichst lückenlos anordnen, weil sie nur so Strom vom Hauptquartier beziehen.

Dabei fordert SunAge das Erschließen neuer Ressourcenarten nicht nur, weil euch fortschrittliche Technologien sonst verschlossen bleiben; die Rohstoffquellen liefern zudem vergleichsweise wenig Material. Will heißen: Wer nicht im Eiltempo seine Basis erweitert, wird schnell eingekesselt, weil er im schlimmsten Fall nur noch einen Rohstoff übrig und damit schwache Einheiten zur Verfügung hat, während sich der Gegner in Ruhe ausbreiten kann. Schließlich ist es wegen des benötigten und für alle sichtbaren Stromnetzes unmöglich, in einem versteckten Winkel eine zweite Basis zu errichten. Das macht vor allem Online- oder LAN-Gefechte zu unausgeglichenen Partien, wenn die Streithähne nicht gleich stark sind. Im Besonderen heißt das: Der aggressivste Spieler macht das Rennen - buchstäblich. Denn ein überlegter Rush ist die wirkungsvollste Waffe, selbst gegen nur minimal schwächere Gegner. Weil die wahlweise vom Programm gesteuerten Feinde

Über solche Strommasten wird die Energieversorgung gesichert.
eine ähnliche Taktik verfolgen und nicht an das eigene Können angepasst werden dürfen, haben es Einsteiger zudem schwer, sich Schritt für Schritt die wichtigen Grundlagen zu erarbeiten. Nicht zuletzt wirken gerade mal zwei Mehrspieler-Varianten (Jeder-gegen-Jeden und Zwei-gegen-Zwei) sehr sporadisch. Kein Wunder: Die Multiplayer-Anbindung wurde erst nach dem US-Start per Patch nachgereicht. Sie soll laut Entwickler aber immerhin ausgebaut werden.

Überrushungen

Schon aufgrund der wenigen Enthusiasten (wenn überhaupt, ist nur eine Hand voll Spieler online), bleibt euch auf lange Sicht deshalb vor allem die Solokampagne - ein "Basisbau-Vernichten-Zwischensequenz"-Tonband. Dass die halbwegs clevere Handlung auf gerade mal zwei sich ähnelnden Welten stattfindet, wirkt auf Dauer leider ähnlich ermüdend wie die profillosen Protagonisten, denn Letztere gehen sowohl optisch als auch spielerisch unter. Spielerisch gleichen sie den gewöhnlichen Kommandanten, von denen ihr beliebig viele produzieren und einer Truppe zuordnen könnt, um deren Kampfkraft, teilweise mit besonderen Fähigkeiten zu stärken. Sinnvoll scheint z.B. der Sentinel-Protektor, der wahlweise einen Schutzschirm gegen Geschosse, Laser oder Explosionsschäden um seinen Trupp aufbaut. Allerdings kommt man in SunAge ähnlich schnell zu einer schlagkräftigen Armee, wenn man auf die Kommandanten verzichtet und sich auf die Produktion weiterer Soldaten konzentriert. Zumal vertex4 ohnehin nur oberflächlich auf "Schere-Stein-Papier" setzt: Die Einheiten aller drei Fraktionen gleichen sich frappierend. Sie beherrschen zwar jeweils zwei Angriffsarten (z.B. "weite Schüsse, aber schlecht im Nahkampf" oder "stark im Handgemenge, aber geringe Reichweite"), aber selbst diese ähneln sich bei Mensch, Mutant und Alien. Letztlich erinnert SunAge deshalb an ein taktisch mageres "Schere gegen Schere", das auf Mechanismen aus der Zeit vor StarCraft baut. "Ol' Skool", wie es die Entwickler nennen, ist tatsächlich klasse! Aber muss es denn antik sein?   

Fazit

Eins gleich vorweg: Auch ein ursprünglich in Hausarbeit entwickelter Titel muss fehlerfrei laufen. SunAge leidet aber unter so gravierenden Mängeln, dass es für einige Käufer zum Glücksspiel wird, ob sie das Programm überhaupt starten können. Das Erlebnis beim Testen unserer Verkaufsversion war jedenfalls kein befriedigendes - und das, obwohl die Entwickler einen interessanten Ansatz wählen, um sich von C&C, Dawn of War & Co. abzusetzen. Schließlich sind nicht nur der Fokus auf taktisch ansprechende Stellungskämpfe, sondern auch die Erweiterung der Basis durch Strommasten sinnvolle Ansätze, um der Echtzeitstrategie frische Impulse zu geben. Theoretisch jedenfalls. Denn zum Einen müssen SunAge-Feldherren jede Einheit mühsam per Hand bewegen, anstatt ihren Armeen mit wenigen Klicks koordinierte Befehle zu geben. Und zum Anderen denken sowohl eigene als auch feindliche Truppen kaum mit und brauchen schon deshalb einen ständig klickenden Begleiter, anstatt autark zu handeln. Die Empfindlichkeit des Stromnetzes sorgt hingegen dafür, dass die Erweiterung des Einflussgebiets ständig unterbrochen wird - was besonders in Mehrspieler-Partien nur eine Taktik zulässt: das schnelle Überrennen des Gegners. SunAge schafft es nicht, seine Ideen spielerisch umzusetzen, so dass es zwar als rudimentäres Relikt der alten Schule noch einmal an StarCraft erinnert, ohne auch nur ansatzweise dessen Faszination zu erreichen.

Pro

  • schöne 2D-Einheiten und -Welten...
  • Einheiten laufen Angreifern nicht planlos hinterher...
  • Ausrichtung von Formation und Blickrichtung
  • drei gleichwertige Fraktionen...
  • umfangreiches Strom- und Ressourcensystem....

Kontra

  • ... denen es leider an Abwechslung fehlt- ... rühren sich aber auch mitten im Gefecht nicht
  • hintere Reihen bewegen sich nie in Schussposition
  • ... die sich spielerisch kaum Unterscheiden
  • ... das im Multiplayer wenig taktischen Spielraum lässt
  • nur einzelne Truppen anwählbar
  • Gegner reagieren oft nicht auf Angriffe aus Entfernung
  • Truppen laufen unüberlegte, teils gefährliche Wege
  • und lassen sich nicht auf bebaute Flächen bewegen
  • Kampagnen nur nacheinander spielbar
  • etliche Programmfehler trotz Patches
  • unmotivierte Sprecher, starre Comicszenen
  • wenig Mehrspielermöglichkeiten (nur FFA und 2 vs. 2)

Wertung

PC

SunAge geht interessante Wege, scheitert aber an deren spielerischen Umsetzung.