Way of the Samurai 4 - Test, Action-Adventure, PC, PlayStation3
Die historische Ausgangssituation ist eigentlich ideal für ein Abenteuer, das sich seit Jahren dem offenen Spieldesign verschrieben hat: Immerhin kann man als wandernder Samurai selbst entscheiden, auf welche Seite man sich schlägt, ob man den ausländerfeindlichen Hardlinern, den Gemäßigten oder gar den britischen Ausländern hilft, die gerade mit ihrem schwarzen Schiff am Hafen vor Amihama ankern. Man beginnt das Abenteuer in Schulterperspektive direkt am Kai, als erste Konflikte zwischen den Parteien eskalieren.
Japan im Kampf mit dem Westen
Je nachdem, wie man sich hier und zukünftig in zig Situationen verhält, kann man nach knapp drei bis vier Stunden ein anderes der zehn Enden einleiten. Das geht so weit, dass es je nach Tageszeit parallele Ereignisse an verschiedenen Schauplätzen gibt, so dass man beim ersten Mal gar nicht alles erleben kann – der Wiederspielwert ist also enorm, man wird zum Experimentieren mit den Auftraggebern der drei Fraktionen sowie Einheimischer eingeladen, kann seinen Charakter auch hinsichtlich der Kleidung komplett verwestlichen.
Way of the Samurai 3, 2010, PS3/360: 70%.weiter entwickelt, dass man genussvoll in diese Zeit reisen kann, um die alten Shogune oder die neuen Rundaugen in ihren Uniformen zu unterstützen. Wenn man Way of the Samurai 4 als historisch Interessierter spielt, braucht man starke Nerven, um nicht schon nach einer halben Stunde angesichts der kitschigen westlichen Figuren das Handtuch zu werfen. Natürlich gehörte die Überzeichnung schon immer zur Reihe, auch zum japanischen Humor, aber hier hat man die Balance vergessen - das Abenteuer mutet wie ein überdrehtes, überkostümiertes Theaterstück an. Wie soll man sich da mit den Fraktionen identifizieren? Für die Einheimischen hatte das Artdesign scheinbar noch ein authentisches Herz, die Europäer sind ein schlechter Witz - sie würden eher in ein Beat’em Up passen. Eine blonde Marine-Offizierin namens "Melinda Megamelons" mit Ritterhelm? Ein Rotkäppchen namens "Laura Lita" mit Minirock? Oh je…nichts gegen sprechende Namen, aber das ist einfach nur affig.
Aber so faszinierend das klingt, so sehr ich die Reihe mag: Sie hat sich qualitativ nicht so
Westliche Figuren aus der Kitschkiste
Aber man wird als westlicher Spieler eher abgeschreckt als angezogen, findet kaum mal wirklich interessante Charaktere, die über schnell durchschaute Abziehbilder hinaus gehen – vor allem, wenn die europäischen Witzfiguren dann auch noch sprechen; die Texte sind meist kurz und belanglos à la „I have something to discuss with your boss." oder „You survived?! Damn!“. Das Dialogsystem ist zwar alles andere als lebendig, aber angesichts der Wiederspielauslegung immerhin clever gelöst: Man muss sich nicht immer alles anhören, sondern kann bei blinkendem Symbol selbst entscheiden, ob man auf ein mögliches Gespräch eingehen und dann eine der Antworten geben will. Auch damit kann man so manche Situation beeinflussen. Besonders viel nachdenken muss man dabei allerdings nicht...
Präsentation & Kampfsystem
Auch hier ist nicht alles schlecht: Man hat viele Möglichkeiten in der Defensive und der Offensive, es gibt fünf Kampfstile (Schwerter, Speere, Schusswaffen, zweihändig, unbewaffnet), die mit der Praxis effizienter werden, Klingen können zerbrechen oder beim Schmied aufgewertet werden - auch magisch. Man kann Schlägen ausweichen, kann kontern und Deckungshaltungen aufbrechen. Man kann seinen Gegner mit schlecht animierten Tritten aus dem Gleichgewicht bringen, ihn wie einen Judoka werfen oder gar Gegenstände wie Fässer auf ihn schmeißen. Angenehm ist zwar, dass man es in Unterzahl (und in der ist man häufig) theoretisch nur mit einem Feind zu tun hat, der über sein Leuchten markiert wird.
Man hat allerdings nicht das Gefühl elegant als Samurai zu kämpfen, sondern eher wie ein Beat’em Up-Klopper mit zickiger Kamera. Da man einen Feind nicht manuell fixieren kann, steht man immer wieder unfreiwillig mit dem Rücken zu irgendeinem Gegner und haut ins Leere. Das ist deshalb nicht fatal, weil die Feinde meist dumm wie Brot dastehen und man mit der neuen Spezialattacke „Spring Harvest“ wie durch heiße Butter schneidet – selbst wenn die Feinde blocken kann man bis zehn am Stück aufreiben. Ein Versäumnis des mit Menüs und Ladebildschirmen
Keine Lust auf den politischen Hauptplot und Allianzen? Man kann auch abseits der Story viel anstellen, indem man lukrative Nebenmissionen erledigt, Gegenstände z.B. für das Schmieden sammelt, sich als Zechpreller mit der Polizei anlegt, ein eigenes Dojo inklusive rekrutierter Schüler aufbaut, mit Frauen über schwülstige Komplimente anbandelt (nennt sich tatsächlich "Night Crawling") oder Fische angelt, Karten spielt oder sich einfach in Gefechte gegen Banditen stürzt. Aber Vorsicht: Man kann auch im Knast landen und muss sich freikaufen, wenn man nicht noch misshandelt werden will.
Sandkasten mit viel Spielzeug
Hier entsteht durchaus kurzweilige Sandkastenunterhaltung, die mit ihren Möglichkeiten sowohl verrückte Anarchisten als auch gesetzestreue Samurai anspricht. Die Dokumentation der eigenen Taten, die vielen Statistiken und die mögliche Archivierung dürfte Sammler ebenfalls befriedigen: Man kann zwar nur drei Waffen tragen, aber selbige quasi endlos, dazu auch Accessoires und Titel horten.
Der ins laufende Spiel integrierte Online-Modus erinnert ein wenig an Dark Souls: Wer eine Internetverbindung zulässt, kann es in Hinterhalten mit Feinden zu tun bekommen, die die Werte realer Spieler haben. Es ist also eher ein indirektes Duell auf Statistikebene, für das man bei einem Sieg eine der feindlichen Klingen erhält; sehr fair ist die Möglichkeit auf eine Revanche, um sich sein Schwert nach einer Niederlage zurückzuholen. Außerdem wird Buch darüber geführt, wie oft der eigene Avatar in anderen Online-Duellen erfolgreich war.
Fazit
Als langjähriger Verfechter des offenen Spieldesigns müsste ich Way of the Samurai eigentlich lieben. Und ich habe mich trotz der sinkenden Qualität bisher auf jeden Teil gefreut – auch auf diesen vierten Ausflug. Aber genauso wie das 19. Jahrhundert zur kulturellen Zerreißprobe für Japan wurde, ist dieses Spiel selbst für Fans der beeinflussbaren Story eine Zerreißprobe: Wie soll man das Abenteuer angesichts all der Schwächen und Inkonsequenzen in der Präsentation genießen? Dass die Kulisse technisch veraltet ist, ist nicht mal so schlimm wie das lächerlich abstruse Figurendesign mancher Europäer, die kitschige Dramatisierung sowie die hektischen Gefechte, die trotz vieler Möglichkeiten keine Katana-Eleganz, sondern Klingen-Gekloppe bei zickiger Kamera inszenieren. Ja, es gibt zehn Enden und mal wieder viel Spielzeug zum Sammeln, Aufrüsten oder Kaputtmachen in einem Sandkasten mit parallelen Ereignissen - das ist immer noch ein solides Fundament! Und ja, man muss auch mal schmunzeln, kann sich frei zwischen Gesetzestreue bis hin zur Anarchie austoben. Aber die in arcadige Belanglosigkeiten und bizarre Inszenierungen abdriftende Reihe braucht in Zukunft unbedingt einen reiferen Ansatz in der Regie, glaubwürdigere Charaktere und ein besseres Kampfsystem.
Pro
- Story thematisiert historischen Konflikt
- offenes Storydesign mit zehn Enden
- eigenen Charakter erstellen und entwickeln
- Tagesablauf mit parallelen Ereignissen
- mehrere Kampfstile, Waffen aufrüsten
- vielen kleine Nebenaufgaben
- kreativer Online-Modus
- hoher Widerspielwert
- deutsches Handbuch
Kontra
- schwache Präsentation
- inkonsequente Regie
- eher Schwarz-Weiß-Abziehbilder als Charaktere
- unnötig arcadige und hektische Kämpfe
- extrem kitschiges Figurendesign
- Kamerazicken; fehlende Gegnerfixierung
- teilweise lächerliche Animationen (Sprünge etc.)
- unübersichtliches Menüdesign
- nur englische bzw. japanische Sprachausgabe
- nerviges Tearing