Giana Sisters: Twisted Dreams - Test, Plattformer, 360, Wii_U, PlayStation3, PlayStation4, Switch, XboxOne, PC

Giana Sisters: Twisted Dreams
30.10.2012, Paul Kautz

Test: Giana Sisters: Twisted Dreams

Die Geschichte der „Great Giana Sisters“ wurde schon so oft erzählt, dass sie wohl kaum noch einmal wiederholt werden muss. Machen wir deswegen lieber einen harten Schnitt in die Gegenwart - in der sich die Schwestern von ihrer Vergangenheit als Mario-Klone emanzipiert haben. Und sie verzaubern heute noch genau wie damals!

„Jump & Run“, „Springen & Rennen“ - das ist die Quintessenz des Plattformspaßes, der uns über die vielen, vielen Jahre seit den seligen Donkey-Kong-Tagen so viel Spaß, durchzockte Nächte und Gamepad-förmige Löcher in den Wänden beschert hat. Giana Sisters: Twisted Dreams (ab 3,25€ bei kaufen) folgt dieser Prämisse auf dem Fuße, denn das Spieldesign besteht in erster Linie genau daraus.

Hallo, Schwesterherz!

Und das ist auch gut so, denn diese Fokussierung auf das Wesentliche (angereichert durch Aktivitäten wie das Einsammeln von Edelsteinen bzw. das eine oder andere Kistenverschiebe-„Puzzle“) ermöglicht ungetrübten Hüpfspaß alter Schule: Von links nach rechts, gelegentlich auch nach oben und unten, über Plattformen und Gegnerköpfe. Per Knopfdruck kann man zwischen den beiden Giana-Persönlichkeiten wechseln: Blondchen kann einen hohen Wirbelsprung machen, die Rothaarige sich in einen feurigen Ball verwandeln; schweben können sie beide.

Hach, ist das schön! Die Kulisse zählt zu den ganz starken Seiten des Spiels.
Durchdacht: Sowohl mit Tastatur als auch Gamepad kann man per Knopfdruck direkt auf eine von beiden wechseln, so dass fließende Übergänge möglich sind. Und nach kurzer Zeit werden diese auch vom Spieldesign gefordert.

Was die Entwickler aber so richtig vom Spieler verlangen, ist Durchhaltevermögen und stabiles Zahnfleisch. Denn das neue Giana Sisters wird schnell erstaunlich schwer - was dem spirituellen Vorgänger Giana Sisters DS an Anspruch fehlte, wird hier doppelt und dreifach draufgepackt. Dabei geht es nicht um Lebensverlust, denn auf dem normalen Schwierigkeitsgrad hat man unendlich viele Versuche, beim Scheitern wird man sofort wieder an den letzten der vielen Checkpunkte gebeamt. Es geht vielmehr um nach Pixelperfektion verlangende Sprungeinlagen, um fies platzierte Gegner, um perfektes Wechseltiming fordernde Plattformen. Verlorene Leben werden lediglich in der Levelendabrechnung gezählt. Und dort sorgen zu viele dafür, dass man eine weniger gute Note (ausgedrückt in mehr oder weniger Sternen) kassiert. Wer sich das Leben etwas leichter machen möchte, sollte dringend zum Gamepad greifen - die Tastatursteuerung ist nicht übel, aber auch lange nicht so präzise wie das Pad.

Der Wechsel zwischen den Schwestern verändert nicht nur das gesamte Aussehen des Levels (sowie die Musik), sondern auch seinen Aufbau - so werden auf einmal Bereiche eröffnet, die vorher unerreichbar waren.
Und wer Freude an der Eigenfolter hat, der kann auch weitere Schwierigkeitsgrade freischalten: Auf „Hardcore“ geht’s beim Lebensverlust am Levelanfang los. Und auf „Über-Hardcore“ bedeutet ein falscher Sprung, dass man das ganze Spiel von vorn starten muss. Hossa!

Es dürfte nur wenige Sekunden nach dem Starten des ersten Levels dauern, bis dieser oder ein ähnlicher Laut aus dem Mund des Giana-Sisters-Spielers dringt: „Geiiiiiil!“ Der Wechsel zwischen den Schwestern bewirkt nämlich nicht nur eine veränderte Haarpracht - sondern den Sprung zu einem komplett neu gestalteten Level! Auf einmal erstrahlt die Welt in sattem Grün statt in düsterem Braun. Plötzlich sprießen riesige Blumen aus dem Boden, wo vorher knorrige Stämme waren. Aus den watschelnden und fliegenden Teufeln werden ebenso watschelnde und fliegende Eulen. Bissige Piranhas verwandeln sich in entspannte Schildkröten, fiese Dornenbüsche in kleine Wiesen. Der Effekt ist einfach sagenhaft - er ist nicht neu, andere Spiele haben sich bereits eines ähnlichen Stilmittels bedient. Dennoch wirkt er hier frisch und wunderschön.

Wi-Wa-Wunderwelten!

Hach... so schön...
Außerdem hat er mehr als nur grafische Auswirkungen. Denn durch den Sprung in die andere Traumwelt verändert sich auch das Leveldesign leicht. Der generelle Aufbau bleibt gleich, aber mit einem Mal erscheinen Plattformen, die vorher nicht da waren. Tore öffnen sich, Brücken werden errichtet, Fahrstühle setzen sich in Bewegung. Wenn man mal nicht weiter weiß: Wechsel zur anderen Dame! Schon nach kurzer Zeit muss der Wechsel punktgenau sitzen - etwa wenn man sich über variabel anwesende Plattformen nach oben kämpfen oder verschiedenfarbige Edelsteine in ihrer Gesamtheit aufsammeln muss.

Besondere Aufmerksamkeit hat an dieser Stelle der Soundtrack verdient. Nicht nur, weil er an sich super ist; die Namen Chris Hülsbeck und Fabian Del Priore sollten für sich selbst sprechen.

Kleinere Puzzles bringen Abwechslung in den Lauf-und-Spring-Alltag.
Sondern auch, weil er direkt von dem Weltenwechsel betroffen ist: Wechselt man das Szenario, werden Synthesizer durch dicke Gitarren der schwedischen Metal-Band Machinae Supremacy ersetzt, die den Soundtrack nahtlos weiterführen. Sehr, sehr cool!

Da rockt das Blondchen!

Vom teilweise ziemlich fiesen Anspruch abgesehen ist Giana Sisters: Twisted Dream kein sonderlich umfangreiches Spiel - ein Durchflitzen der drei Welten sollte den Könner am Gamepad nur ein paar Stunden kosten. Klar kann man alle Edelsteine aufsammeln und möglichst wenig Leben verlieren, um am Ende möglichst strahlend da zu stehen. Außerdem werden mit „Score Attack“ und „Time Attack“ über die Zeit auch weitere Spielvarianten freigeschaltet. Etwas mehr Spielzeit als geplant habe ich auch dadurch herausgekitzelt, dass Twisted Dreams bei mir immer wieder mal komplett einfror. Oder sich bei zu langer Pause mein Bildschirmschoner aktivierte, woraufhin das Spiel nach meiner Rückkehr nicht mehr fortführbar war und nur noch ein kompletter Reset zum Desktop zurückführte - grmbl! Sollte ich noch auf Schreibfehler wie „forfahren“ hinweisen? Nee, zu pedantisch...

Fazit

Wow. Da sitzt man ahnungslos da, drückt wie vom Programm gebeten die rechte Schultertaste - und spürt auf einmal den Schmerz der auf dem Boden aufprallenden Kinnlade. Der Echtzeit-Wechsel zwischen zwei sehr unterschiedlichen Szenarien ist nun wirklich keine Neuheit: Spiele wie die Legacy-of-Kain-Reihe, R-Type Dimensions oder zuletzt Quantum Conundrum haben diesen Effekt tief ins Spieldesign verwoben. Und dennoch sitze ich wie ein koffeinabhängiger Neunjähriger vor den neuen Giana-Schwestern und drücke wieder und wieder auf die Wechsel-Taste - einfach, weil der Übergang so exzellent, so frisch und so konsequent präsentiert wird. Wirklich super! Generell ist die Kulisse die große Stärke: Lebendige Farben, niedliche Animationen, tolle Effekte und kreatives Design zeugen von der Liebe und Hingabe der Entwickler, vom wunderbaren Soundtrack ganz zu schweigen. Haben Mario und Rayman also ausgedient, schwingen ab sofort zwei verdrehte Schwestern das Zepter der Jump-n-Run-Herrschaft? Leider nein. Denn so ideenreich die Levelgestaltung ist, so konservativ präsentiert sich das Spieldesign: Springen hier, springen da, springen dort, Edelsteine sammeln und die eine oder andere Kiste verschieben - garniert von einem sehr schnell fiese Höhen erreichenden Schwierigkeitsgrad. Das reicht für gehobenen Hüpfer-Spaß, aber das Geniale eines Super Mario Galaxy oder das komplett durchgeknallte eines Rayman: Origins fehlen hier. Aber das was da ist, reicht auf jeden Fall für einen Ehrenplatz in der Ruhmeshalle der besten Revivals.

Pro

  • Pracht-Präsentation
  • cleveres Umschalten
  • toller Soundtrack
  • präzise Steuerung
  • kreatives Leveldesign
  • allerlei Freispielmaterial
  • herausfordernde Bosskämpfe

Kontra

  • steil ansteigender Schwierigkeitsgrad
  • schwammige Tastatur-Steuerung
  • etwas konservatives Spieldesign
  • gelegentliche Abstürze

Wertung

PC

Konservativ designt, aber toll spielbar und exzellent präsentiert - die Giana-Schwestern haben's immer noch drauf!