Guns of Icarus Online - Test, Arcade-Action, PC

Guns of Icarus Online
06.11.2012, Paul Kautz

Test: Guns of Icarus Online

Guns of Icarus: Gut zwei Jahre alt, seinerzeit von den Kritikern zerrissen. Die Entwickler lassen sich nicht entmutigen, machen aus dem Solo-Abenteuer mit Kickstarter-Hilfe einen reinen Multiplayer-Titel. Macht das schnarchige Spielprinzip aber leider auch nicht besser.

Wer Guns of Icarus gespielt hat, weiß genau, was er im Quasi-Sequel erwarten kann: Träge Gefechte von Steampunk-Luftschiff zu Steampunk-Luftschiff. Allerdings hat das neue Wörtchen „Online“ schon seine Daseinsberechtigung, denn die Ballonboote bekriegen sich jetzt in den Lüften des Internets. Bis zu 32 Spieler, unterteilt in vier Teams à vier Mann beballern sich mit Kanonen, Maschinengewehren oder Flammenwerfern, bis am Ende nur noch ein Schiff über die Wüste oder den Ozean schwirrt.

Wir sind die lustigen Aeronauten

Jeder Spieler hat eine Funktion: Der Kapitän sollte derjenige sein, der am Steuer steht; er kann den anderen Anweisungen zurufen und sie darauf hinweisen, wo der Gegner zu finden ist. Der Ingenieur kann kaputte Gerätschaften oder Waffen reparieren - und der Schütze schließlich ist ein Teufelskerl am Abzug.

Diverse Kanonen, drei gegnerische Teams, ein Ziel: Die Schweine vom Himmel holen! Dafür muss das Team gut zusammenarbeiten.
Aber so strikt wie es klingt ist die Unterteilung zwischen den Dreien nicht, denn jeder kann die Aufgaben des nächsten erfüllen. Allerdings sind die Spezialisten halt besonders gut darin, reparieren schneller oder verleihen dem trägen Pott etwas mehr Beweglichkeit. An Bord des Luftschiffes ist stets alles und jeder in Bewegung, denn die nach vorn und seitlich ausgerichteten Wummen haben nur einen geringen Drehradius - ist der Feind außer Reichweite kann man entweder dem Käptn zurufen, dass er gefälligst beidrehen möge (entweder per Headset oder über vorgefertige F-Tasten-Befehle) oder man rennt einfach zur nächsten Kanone. Jede hat einen anderen Fokus: Es gibt die übel reinhauende, aber wahnwitzig langsam feuernde Mega-Wumme, den nur auf kurze Distanz tauglichen Flammenspucker oder das grundsolide, aber schnell überhitzende MG. Der Schütze hat außerdem die Wahl unter verschiedenen Munitionstypen, aber das Wechseln derselben dauert einige Zeit.

Als Ingenieur kann man kaputte Gerätschaften reparieren. Jeder kann in alle Rollen schlüpfen, aber die Spezialisten erledigen ihren Aufgaben effizienter.


Im Rausch des Klicks

Wichtig ist, dass die Entwickler durchaus realistische Ballistik genutzt haben - man muss also gerade beim Zielen auf weite Distanz nicht nur erheblich vorhalten, sondern auch die Flugkurve der Geschosse in die Überlegungen einbeziehen. Schwierig wird’s dadurch, dass man kaum Treffer-Feedback erhält: Da ballert man und ballert und ballert, die Flugbahn verspricht auch schöne, satte Volltreffer - aber der feindliche Kahn schabt scheinbar völlig unbeeindruckt weiter durch die Sphären. Irgendwann macht’s dann mal Rumms und der Kutter zerbricht eindrucksvoll in etliche Teile. Aber das kommt oft genug erstaunlich überraschend.

Wenig Überraschung herrscht dagegen vor, wenn man selbst erwischt wird: Mit einem Mal brennt das Geschütz, verweigert Funken sprühend den Dienst. Gut, dass der Ingenieur sowohl einen hilfreichen Hammer als auch einen Feuerlöscher in den Taschen hat!

Grafisch hat Guns of Icarus Online nicht viel zu bieten - die Landschaften sind öde, die Effekte durchschnittlich.
Und an dieser Stelle beginnt die Klickorgie: Klickklickklickklickklickklickklickklick, und schon ist die Knarre repariert. Oh, der Antrieb spinnt? Klickklickklickklickklickklickkklickklick! Niemand  mag nicht feuernde Kanonen: Klickklickklickklickklickklickklicke-di-klacke-di-klick. Die Reparatur von kaputten Objekten ist immer eine Gratwanderung zwischen dem Haifischbecken der Sehnenscheidenentzündung und der Skorpiongrube des Schlafanfalls.

Die Sache wird nicht besser dadurch, dass Guns of Icarus Online wirklich öde aussieht: Das geht bei den Figuren los, deren abgehackte Bewegungen in das Jahr 1994 gehören und endet bei den nichtssagenden, detailarmen Landschaften. Okay, die verschieden großen Luftschiffe (der Kapitän hat die Wahl unter mehreren Modellen) sehen zumindest interessant aus, auch die Rauch- und Explosionseffekte können sich zumindest sehen lassen. Aber sonst hinterlassen die gehäuften Grafikfehler den nachhaltigsten Eindruck - viel zu oft fand ich mich auf einmal mitten in der Luft schwebend oder in der Landschaft stehend wieder. Spielt man online (und alles andere ergibt keinerlei Sinn - zwar kann man auch allein loslegen, aber die KI ist grässlich, und mehr gibt es für Solisten nicht), muss man außerdem mit immer wieder auftretenden Lags leben.

Fazit

Ich muss ehrlich sein: In meiner Liste der "Wäre es nicht super, wenn man sich damit heiße Online-Schlachten liefern könnte?"-Vehikel stehen gemütlich durch die Luft schabende Zeppeline nicht besonders weit oben. Kein Wunder: Alle Bewegungen sind so träge wie ein dösiges Faultier, die Scharmützel so dynamisch wie Ansprachen von Rudolf Scharping - von "Schlachten" kann kaum die Rede sein, wenn die Kanonen mit der Geschwindigkeit eines Klumpen Harz feuern, der gerade einen Baum hinab klettert. Okay, es ist nach all den Call of Dutys und Medal of Honors und Battlefields wirklich mal etwas ganz Anderes und hat durchaus seinen Reiz - gerade angesichts der guten Team-Aufteilung, in der zwar jeder seine Rolle hat, aber trotzdem auch andere Aufgaben übernehmen kann. Trotzdem: Ich sehe keinen Grund dafür, mehr Zeit als nötig mit dieser Steampunk-Schlafpille zu verbringen. Gut gemeint, aber in jeder Hinsicht belanglos.

Pro

  • gute Team-Nutzung
  • atmosphärischer Soundtrack
  • solide Ballerphysik

Kontra

  • lagreicher Online-Modus
  • endlose Klickorgien
  • schwache Grafik
  • einschläferndes Spielprinzip
  • viele Grafikbugs
  • für Solisten wertlos

Wertung

PC

Schnarchfest über den Wolken: Das Teamwork macht Spaß, das Spiel selbst ist einschläfernd träge und abwechslungsarm.