Battle of the Bulge - Test, Taktik & Strategie, PC, iPad
Da stehen sie, meine siegreichen Panzer: Sie haben die alliierten Linien durchbrochen und sind tatsächlich bis zur Meuse vorgedrungen. Der belgische Fluss, hinter dem freie Fahrt bis nach Antwerpen lockt. Aber das kleine blinkende Icon über der ersten SS-Panzerdivision weist unmissverständlich daraufhin, dass der Tank leer ist. Zwar dominiere ich dieses eine Gebiet im Blau der Achse, aber amerikanische Infanteristen haben den Rückweg längst abgeschnitten – ich bin komplett vom Grün der Alliierten umzingelt. Bewegungsunfähig, zum Abschuss freigegeben. Aber die Feinde gehen das Risiko einer direkten Konfrontation gar nicht ein und umgehen meinen Standort, um den Rest der Wehrmacht aufzuhalten.
Siegreich, aber ohne Sprit
Mein Fehler war, dass ich ohne Unterstützung und letztlich zu spät vorgeprescht bin. Dabei begann der Kampf am 16. Dezember verheißungsvoll: Ich durfte die Amerikaner in den ersten drei Zügen wie in der Realität des Winters 1944 überraschen, profitierte an der Grenze zur Eifel noch von der eigenen Artillerie, hatte zudem wesentlich stärkere Elite-Truppen im Gelände und musste mich bis zum 19. Dezember nicht um Nachschublinien, also durchgehend von mir besetzte Felder kümmern – ideal für raumgreifende Vorstöße, die ich umgehend genutzt habe. Aber ab dem 21. Dezember wurde der Treibstoff der deutschen Fahrzeuge knapp. Auch hier entwickeln sich der virtuelle Krieg nah an dem, der in Archiven dokumentiert ist. Und vieles Quellmaterial, von Fotos über Urkunden und Abzeichen hat es in dieses vorbildlich recherchierte Spiel geschafft - inkl. einer historischen Dokumentation.
Historisch authentische Lage
Dabei gelingt den Entwicklern das Kunststück, dass trotz dieses scheinbar starren Rahmens und nur einer Karte, nämlich jender der Ardennen, immer ganz unterschiedliche Schlachtverläufe entstehen – je nachdem, was man als Amerikaner oder Deutscher mit seinen Truppen macht. Das hat auch damit zu tun, dass es nicht um die totale Vernichtung des Feindes geht, sondern um strategische Ziele (wie etwa die Meuse zu erreichen oder genau das zu verhindern) sowie eine Anzahl von Siegpunkten (für das Halten von Städten oder das Zerstören von Truppen) zu bestimmter Zeit. Man kann diese Schlacht vorzeitig beenden, wenn man bestimmte Voraussetzungen erfüllt. So kommt es dazu, dass man immer ein Auge auf die Zahl der Siegpunkte werfen muss, die universell für beide Seiten angezeigt werden.
Zeitmanagement an der Front
Aber bewegt man sie bereits am Morgen, so dass der Feind sie am Mittag überfallen kann? Wartet man mit seinen drei Panzerverbänden bis zum Abend, weil sich vielleicht irgendwo im Laufe des Tages eine Schwachstelle ergibt? Sichert man hinten ab oder stößt man vor? Greift man mit Panzern gegnerische Vehikel an, um dann den Bonus zu bekommen, dass man sofort nachsetzen darf? Hier kann man wunderbar taktieren. Das Passen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Voraussicht: Es kommt auf den richtigen Zeitpunkt an. Vor allem wenn man die zu Beginn schwächeren Amerikaner spielt, ist der Rückzug in Wälder oder Städte oftmals die bessere Alternative – denn hier wirken sich die defensiven Boni enorm aus. Und sie wissen, dass ihnen die Briten irgendwann zu Hilfe kommen. Der taktische Rückzug hat allerdings auch Tücken, denn wenn man die Deutschen nicht blockiert, gewinnen sie frühzeitig.
Taktische Gefechte
Schön ist, dass man sich eine Prognose des potenziellen Ausgangs ansehen kann, bevor man attackiert; man muss also keine Tabellen wälzen. Das Spiel ist auch deshalb nichts für blinde Angreifer, weil das Terrain mit all seinen Flüssen und Straßen die mögliche Route, die Distanz sowie die Anzahl der Truppen beeinflusst, die von Feld zu Feld ziehen dürfen. Manchmal ist der clever gewählte Weg zum Ziel entscheidender als die Feuerkraft - dazu gehört auch das Umrunden von Feinden. Im Gegensatz zu gewöhnlicher Hexfeldtaktik ist hier jedes Feld anders geformt und man sollte sich genau anschauen, wohin man zieht und von welcher Seite man den Feind attackiert. Wer über eine Brücke vorstößt, darf z.B. nur einen Panzerverband einsetzen, obwohl er vielleicht drei hat – das kann entscheidend sein. Gibt es an der Flanke freies Feld? Dann lieber dort angreifen!
Schach im Zweiten Weltkrieg
Spielt man die Achse, hat man es entweder mit dem eher defensiven Montgomery zu tun, der sich geschickt zurückzieht, oder mit dem etwas offensiveren Patton, der auch schonmal aggressiver zurückschlägt und böse kontert. Spielt man die Alliierten, hat man es entweder mit Von Rundstedt zu tun, der seine Panzer erst sammelt und konzentriert an einzelnen Punkten zuschlägt, oder mit Dietrich, der seine Panzer schonmal weiter streut und höheres Risiko geht. Egal wie oft man spielt: Man wird selbst im Kampf gegen die KI immer einen unterschiedlichen Verlauf erleben.
An der edlen Präsentation, die authentisches Archivmaterial gekonnt mit dem dezenten Artdesign verbindet und eine gestochen scharfe Karte der Ardennen zum Zoomen
So fantastisch sich diese Rundentaktik spielt, gibt es auch Schwachpunkte. Schade ist neben den rein englischen Texten, dass man sich nicht anzeigen lassen kann, wohin bzw. wie weit der Gegner theoretisch ziehen könnte; außerdem vermisst man eine genauere Info zur Einheit, wenn man deren Icon auf der Gefechtskarte anklickt – dazu muss man erst ins Menü. So vorbildlich KI-Typen mit unterschiedlichen Verhaltensweisen sind, erlebt man zudem einige unverständliche Fehler, wenn z.B. der sonst so wachsame Monty sichere Stellungen in Städten verlässt, die man dann viel zu einfach einnehmen kann. Oder wenn der aggressive Dietrich nicht erkennt, dass er an einer Stelle durchstoßen könnte. Militärpuristen wird aufstoßen, dass es nur
Die Schwachpunkte
Schade ist auch, dass es nur zwei Spielmodi auf einer Karte gibt, wobei „Race to Meuse“ nur eine kurze Variante des wesentlich umfangreicheren „Battle of the Bulge“ darstellt. Man hat also recht schnell alles gesehen und sehnt sich nach einem freien Spielmodus. Immerhin: Die Shenandoah Studios haben bereits Nachschub angekündigt. Und man kann entweder an einem iPad gegeneinander oder noch besser online über GameCenter loslegen, was unheimlich Laune macht – ich habe gestern bis spät in die Nacht gespielt. Leider gibt es online keine Zeitbegrenzung für die Züge, so dass man oftmals lange warten muss. Schließlich vermisst man eine Offline-Rangliste für die eigenen Leistungen gegen die KI: Man bekommt ja Siegpunkte für jede Schlacht, die man gerne sichern würde, um seinen Fortschritt zu erkennen.
Fazit
Freut euch, ihr Feldherren: Battle of the Bulge ist das erste strategische Highlight des Jahres! Ich habe gestern Abend bis spät in die Nacht versucht, mit meinen Panzern einen Keil in die alliierte Verteidigung zu treiben, um endlich durchzubrechen – leider hat der Sprit nicht gereicht. Die historische Rundentaktik der Shenandoah Studios überzeugt mit seinem innovativen Zeitmanagement, der edlen Präsentation sowie einer militärisch authentischen Ereigniskette, an die man sich anpassen muss. Dabei entsteht trotz des komplexen statistischen Fundaments ein Spielgefühl, das eher an Schach als an staubtrockene Simulationen erinnert. Man beobachtet gespannt die Züge des Gegners, wartet clever ab und kontert. Die wankelmütige KI sowie nur zwei Spielmodi trüben zwar das Bild, aber Battle of the Bulge ist neben Ravenmark das Beste, was man derzeit an Rundentaktik für das iPad bekommt.
Pro
- edle Präsentation
- vorbildliches Tutorial
- angenehm intuitive Steuerung
- innovatives Zeitmanagement
- KI-Gegner mit anderen Verhaltensmustern
- historisch authentische Ausgangssituation
- Achse oder Alliierte mit anderen Zielen spielen
- clevere militärische Rundentaktik
- jede Schlacht läuft anders ab
- Terrain, Nachschub, Brücken, Deckung wichtig
- Online-Duelle über GameCenter
- viel historisches Hintergrundmaterial
- gelungene Akustik & Musik
Kontra
- kein freies Spiel
- kleine KI-Macken, nur zwei KI-Typen pro Seite
- nur zwei Szenarien, drei Einheitentypen
- keine Offline-Rangliste
- nur englische Texte