Final Fantasy: All The Bravest - Test, Rollenspiel, iPad, iPhone
"In-App Purchases" (IAP) sind in der iOS-Welt das, was anderswo als "DLC" bekannt ist - Zusatzinhalte, für die man Extrakohle latzen muss. Das können mal zusätzliche Levels sein oder Bonus-Kostüme, gelegentlich kann man sich für meist kleines Geld das Spielerlebnis vereinfachen. Und warum auch nicht? Ich sage nicht, dass ich es gut finde - aber diese Entscheidung ist immer noch jedem selbst überlassen. IAP sind in den letzten beiden Jahren sehr populär geworden, bescheidene Spiele wie Joe Danger touch, das nur ganz verschämt und gut versteckt auf eine Hand voll IAP-Möglichkeiten hinweist, sind mittlerweile die Ausnahme - viele Titel gehen sehr offen mit der Tatsache um, dass sie gerne mehr Geld vom Spieler hätten. Und dann gibt es noch das Extrem von Final Fantasy: All The Bravest. Nach meinem aktuellen Wissensstand tummelt sich das Spiel ganz allein an diesem Ende der Skala, denn eine derartige Schamlosigkeit beim Aufzwingen der "Gib mir dein Geld!"-Optionen ist mir bislang noch nie untergekommen.
Gib mir all dein Geld!
Es geht mit den Figuren los: Normalerweise besteht die Party aus namenlosen Kämpfern, deren Design man aus den frühen Final Fantasys kennt - wie Ritter, Ninjas, Weißmagier, Dragoner oder Beastmaster. Hätte man gerne etwas Prominenz in den Reihen, darf man aus 35 bekannten Fightern wählen, von Cloud über Yuna bis Lightning. Für 89 Cent pro Nase gesellen sie sich zum Kader und bringen ihre durchschlagskräftigen Spezialattacken mit. Der Haken: Man kann nicht selbst bestimmen, wen man erhält - das wird ausschließlich per Zufall festgelegt! Jemand hielt es offensichtlich für eine super Idee, das Konzept der Kinderüberraschung auf Final Fantasy zu übertragen. Außerhalb dieser Zufallsmaschine gibt es keine Möglichkeit, die Promi-Fighter zu erhalten. Die nächste Möglichkeit, Geld los zu werden, besteht in den Bonus-Szenarien. Ihr wollt im pixeligen Midgar aus FF VII kämpfen? 3,59 Euro, bitte. Zanarkand aus FF X? 3,59 Euro, bitte. Archylte Steppe aus FF XIII? Ihr ahnt es. Aber okay, das sind ja Bonusinhalte mit einer Art Gegenwert.
Ganz anders verhält es sich mit den Sanduhren. Bevor ich auf sie zu sprechen bekomme, gibt’s erstmal einen schnellen Abriss über den Inhalt von All The Bravest: Ihr rubbelt so lange mit dem Finger auf dem Touchpad herum, bis der Gegner fällt. Ihr habt eine Party, die immer größer wird (und zwar völlig automatisch), die schickt ihr in Richtung Feind (gekämpft wird automatisch), danach gibt’s einen Levelaufstieg (völlig automatisch) und gelegentlich neue Items (automatisch, klar). Punkt. Das war’s. Ernsthaft. Das einzige, was hier etwas Spieler-Interaktion erfordert, ist das Kämpfen: Man tapst oder streicht einfach wie blöd auf dem Touchpad herum. Es gibt keine Taktik, man kann noch nicht mal selbst Gegner anvisieren - alles funktioniert automatisch. Nach erfolgreichem Angriff muss jeder Kämpfer kurz warten, bis er wieder loslegen kann (was seine Wurzeln im "Active Time Battle"-System aus Final Fantasy IV hat), aber das spielt eigentlich keine Rolle - rubbelt man ausdauernd, erwischt man alle Figuren. Nach und nach werden immer mehr Partymitglieder freigeschaltet (automatisch), wodurch die Gruppe auf maximal 40 Pixelfigürchen anschwillt. Die Klassen werden ebenfalls nach und nach verfügbar gemacht (automatisch), was allerdings lediglich für mehr Grafikeffekte in den Gefechten sorgt. Sonst gibt es keinen Unterschied zwischen den Kämpfern, alle sind ausschließlich zum Angriff da - selbst die Heilmagier. Es ist das bescheuertste Spielprinzip aller Zeiten. Schaut euch einfach den oben verlinkten Trailer an und klickt dabei ein bisschen in der Gegend herum - genau das ist der Level an Interaktion, der euch hier im "Spiel" erwartet.
Mehr Zeit für andere Dinge!
Zurück zu den Sanduhren: Ein Feindestreffer genügt, um ein Partymitglied draufgehen zu lassen. Sind alle raus, ist das Spiel nicht beendet - es wartet. Das passiert in den höheren Levels in praktisch jedem Kampf. Nun hat man drei Möglichkeiten: Entweder man geduldet sich eine Weile, bis die Recken sich wieder erholt haben. Das dauert drei Minuten pro Kämpfer, was bei maximaler Partygröße eine Wartezeit von zwei Stunden ergibt. Man muss dabei das Spiel nicht offen haben, die Zeit wird auch weiter gezählt, wenn man All The Bravest beendet. Man kann den Kampf verlassen und von vorn beginnen, das wäre aber Schwachsinn. Denn wie gesagt gibt es keine Taktik, die man variieren und keine Extras, die man zu seinem Vorteil einsetzen könnte. Nur blindes, blödes Einhacken aufs Touchpad.
Ein praktisches Extra ist der "Fever Mode". Das ist ein farbenprächtiger Superangriff, in dem die Fighter nicht nur mehr Schaden machen, sondern auch auf die ATB-Zwangspause verzichten, während im Hintergrund das Chocobo-Thema für hektische Sekunden sorgt. Der Nachteil von Fever Mode: Er ist nur aller drei Stunden verfügbar, weswegen man ihn sich für extra-stabile Bosse aufheben sollte. Ist ein Kampf gemeistert, steigt die Gruppe unnachvollziehbar im Rang auf, was in erster Linie dafür sorgt, dass sie mehr Schaden macht und weitere Plätze frei werden. Außerdem verdient man die typischen Gil (FF-Währung), wobei ich allerdings nicht weiß, wofür - es gibt dafür nichts zu kaufen. Ebenfalls nicht vorhanden: Eine Handlung oder irgendeine Art von Sinn. Man stiefelt auf der Karte von Kampf zu Kampf, die Szenarien wechseln von FF I bis FF V, das ist alles.
All The Bullshit
Immerhin: Die Präsentation hat was, zumindest für Retro-Fans. Kleine, putzige Pixel-Figürchen, kaum animiert, aber aussagekräftig. Kennt man allerdings alles schon. Die Bossmonster sind ideenreich designt, aber auch durch die Bank aus früheren Spielen übernommen. Die 30 zwitschernden und piepsenden Musikstücke aus Uematsu-Hand - super, aber komplett vertraut.
Fazit
Grundsätzlich bin ich für schnelle Final-Fantasy-Kloppereien im Retro-Stil locker zu haben. Aber hier dienen die hirnlosen Kämpfe, in denen man nichts anderes zu tun hat, als wie ein lobotomierter Pavian pausenlos über das Touchpad zu streichen, bis die Zwangswartepause einsetzt, ausschließlich dazu, möglichst viel Extrakohle über In-App-Purchases zu machen. Ich kann den Entwicklern nicht vorwerfen, die Spieler zusätzlich schröpfen zu wollen - ist ja heutzutage irgendwie schon Alltag. Aber die komplett schamlose Art und Weise, in der das hier praktiziert wird, ist nichts weiter als digitales Raubrittertum. Final Fantasy: All The Bravest ist das „Spiel“ gewordene Pay-to-win, dem sich ein schreckliches Design in allen Bereichen unterordnet. Das Spiel hat keine andere Existenzberechtigung außer alten Fans der Serie möglichst viel Kohle aus der Tasche zu ziehen, bevor sie merken, dass sie verarscht werden. Schämt euch, Square Enix! Schämt euch!
Pro
- nostalgische Präsentation
- bis zu 40 Kämpfer gleichzeitig
- zeigt anderen Entwicklern, wie man Kunden konsequent verarscht
Kontra
- beschämend gierige Verwendung von IAP
- kaum vorhandenes Spiel
- hirnlose 08/15-Kämpfe
- endlos scheinende Grind-Notwendigkeit
- keine Handlung