March of the Eagles - Napoleons Kriege - Test, Taktik & Strategie, PC
Meine preußischen Generäle haben sich übernommen: Tief im schwedischen Hinterland habe ich bei Helsingborg fast 15.000 Mann in der Schlacht verloren. Warum ich mir als König Friedrich Wilhelm III. nicht die alleinige Schuld gebe? Ich konnte ja nicht eingreifen, um etwas an den Formationen oder den Stellungen der Truppen zu ändern: Die Gefechte laufen automatisch ab, so dass man leider nur zuschaut, wie die Verluste beider Seiten in einem kleinen Fenster runtergezählt werden – nachdem der erste Schuss fällt, kann man als Aktion nur noch fliehen. Allerdings sollte man im Vorfeld gewisse militärische Weichen stellen, um die Wahrscheinlichkeit des Erfolges in der Schlacht zu erhöhen.
Die Schlacht von Stockholm
Der Nachschub sollte einigermaßen gesichert sein, was immerhin zehn Prozent Angriffsbonus bringt. Und ganz wichtig ist das Personalmanagement: Man kann einen General einsetzen, dessen Fähigkeiten sich z.B. auf die allgemeine Offensive und Defensive auswirken; schade nur, dass sich diese automatisch nach Siegen verbessern - man kann seine Offiziere nicht manuell verbessern. Man kann zusätzlich sowohl die Mitte als auch die beiden Flanken mit drei weiteren Befehlshabern betrauen; außerdem darf man Brigaden gezielt tauschen, z.B. die Kavallerie auf die Seite, die Garde und die Kanonen zentral. Aber damit wird man gerade in dieser Zeit von Clausewitz & Co auf statistische Oberflächlichkeiten reduziert, wo sich Befehlshaber über clevere Truppenführung in der Schlacht bewiesen haben - schade. Warum geht Paradox nicht den Schritt weiter und ermöglicht zumindest rudimentäre Taktiken je nach Gelände, Stärke und Truppentpyen?
Mager für Taktiker, gut für Strategen
Besonders ärgerlich sind die maritimen Defizite, da man ja als ein Spielziel auch eine Seemacht aufbauen soll: Man kann viele Meerengen ohne Brücken einfach so mit seinen Truppen überqueren, so dass die Preußen z.B. ohne Transportschiffe und Absicherung über Linienschiffe von Skanderborg nach Odense bis Kopenhagen und Helsingborg übersetzen. Warum erlaubt man das in der Zeit der Seeblockaden? Leider deckt
Auch March of the Eagles ist also kein Spiel für Geländetaktiker oder Feldherren, sondern für Kartenstrategen und Politiker, die aus der ganz weiten Vogelperspektive viele Truppen hin und her schieben wollen. Und in dieser Rolle habe ich sehr wohl einen Fehler mit meinen Preußen gemacht: Ich war ja der Sieger von Helsingborg und hätte mich unbehelligt nach Süden zurückziehen können. Aber die Schweden haben sich beim Friedensangebot geweigert, mir Malmö zu überlassen. Das hat mich richtig geärgert, weil diese kleine Region an der Ostsee zu den verpflichtenden 22 Provinzen gehört, wenn ich mit Preußen die Vormacht an Land gewinnen will.
Europa bis 1820 dominieren
Trotzdem sind die Verluste im Norden überaus schmerzhaft. Warum habe ich nicht gewartet, bis ich die Idee der Artillerie weiter erforscht habe? Meine Armeen, darunter die tapferen Vasallen aus Sachsen, wurden aufgerieben – ich musste mich mit mickrigen 3000 Mann bis nach Hamburg zurückziehen. Und gerade revoltieren die Dänen. Wie soll ich das Spiel noch gewinnen?
Ich muss in diesem jederzeit pausierbaren Echtzeit-Strategiespiel immerhin nicht ganz Europa erobern, sondern die erwähnten Schlüsselprovinzen. Dafür habe ich allerdings ab 1805 nur 15 Jahre Zeit, in denen man sehr wenig an Wirtschaft sowie Infrastruktur ändern kann, zumal das System dahinter recht undurchsichtig ist – dieses Spiel gewinnt man ausschließlich militärisch und nur so weit diplomatisch, als dass man über Tribute verhandelt oder Bündnisse schließt. Im Idealfall annektiert man fremde Nationen oder gewinnt die verpflichtenden Provinzen als Tribut nach einem Krieg. Die Crux: Man sollte möglichst schnelle und effiziente Kriege führen, damit Moral und Nachschub nicht gefährdet werden – die Kriegsmüdigkeit kann in der Schlacht zu Abzügen führen und die Rekrutierung absenken. Diese Ideen sind lobenswert, aber in der Praxis greift nicht alles ineinander.
Die Macht der Ideen
Und wie bekommt man diese Fortschritte? Eine Idee kostet zweihundert Punkte, die man wiederum in einem monatlichen Rhythmus sowie durch Kämpfe erlangen kann – und dazu wird man verpflichtet. Wer als Preuße einen Grundwert von 15 erhält, müsste ansonsten über 15 Monate warten, bevor er wieder in etwas investieren kann. Bei einer Spielzeit von gerade mal zwanzig Jahren ist das eine Ewigkeit, in der man sich kaum entwickelt. Man kann Ideenpunkte leider nicht effizienter über Bauprojekte, Bildung oder Persönlichkeiten gewinnen. Überhaupt braucht man viel Geduld und Geld beim Bau: Manchmal muss man über ein Jahr warten; ein Fort kostet satte 10.000 - wie soll man an die Kohle kommen? Nur wer erfolgreich zu Lande oder zur See kämpft, kommt auch technologisch und wirtschaftlich über die Kriegsbeute schneller voran.
Großmacht oder Außenseiter?
Sie gehören zu den acht Großmächten, die das Spiel theoretisch alleine gewinnen können. Wenn man bedenkt, dass Preußen zur Vormacht nicht nur Malmö, sondern dazu auch Norwich, Brügge, Riga und München braucht, sollte die strategische Schwierigkeit klar werden: Da herrschen Großbritannien, Frankreich, Russland und Österreich. Preußische Disziplin hin, Clausewitz her - alleine die Franzosen verfügen neben dem aktuellen stehenden Heer über eine potenzielle Rekrutierung von 136.000 Mann gegenüber 42.000 zwischen Berlin und Königsberg. Und für ein Linienschiff-Geschwader braucht mein Hafen satte 277 Tage! Wie sich heraus stellte, brauche ich ja bis Skandinavien keine Marine, weil ich einfach so übersetze - erst Norwich verlangt Schiffe.
Diplomatisches Geschick
Interessant ist, dass man auch Kriege provozieren kann, indem man Beleidigungen versendet (um nicht als Aggressor zu gelten oder gezielt die Beziehung zu schwächen, damit man ein anderes Bündnis eingehen kann) und dass man andere Beziehungen sabotieren kann. Allerdings wirken die Entscheidungen der Diplomatie-KI manchmal fragwürdig bis unsinnig: Warum verbündet sich gerade Großbritannien mit seinem Erzfeind Frankreich gegen Preußen, obwohl unsere Beziehungen laut Infofenster nicht besser sein könnten? Ein Bug? Unverständlich ist auch, dass man Nationen mit mehr als 50 Provinzen nicht komplett annektieren kann, obwohl man vielleicht 45 erobert hat. Sehr gut funktioniert hingegen das Vasallensystem: Ich kann z.B. die mir untergebenen Sachsen auffordern, mir die direkte Kontrolle über ein Expeditions-Korps zu überlassen; außerdem bewegt die KI der Sachsen die anderen Truppen automatisch ins Feindesland, um zu helfen.
Ansehnliche Karte Europas
Nach dem Tutorial sollte man zwar mit der Steuerung sowie den grundlegenden Spielmechanismen vertraut sein, zumal es überall erklärende Hinweise gibt. Aber March of the Eagles wirft Einsteiger direkt in ein umkämpftes Europa, so dass man erstmal eine bis zwei Stunden investieren sollte, um die geostrategische Lage einzuordnen - es sei denn man kommt direkt aus dem militärhistorischen Hauptseminar. Das Spiel bleibt leider auch später in vielen Bereichen undurchsichtig, weil das Prinzip der Ideen, des Prestige sowie der Wirtschaft nicht nachvollziehbar genug ineinander greift - man fühlt sich immer an einer Stelle ausgebremst und konzentriert sich auf Karteneroberung an der Oberfläche. Zudem fehlt der Feinschliff in der Menügestaltung sowie Benutzerführung, so dass man manchmal im Zahlenwust versinkt. Die Rechtschreibfehler („belibig“, „Interval“) sind da weniger schlimm, aber so mancher Mouseover-Text verschwindet zu schnell und wenn Angaben wie z.B. der Wert eines Friedensangebotes unleserlich im Buchstabensalat enden oder Menüs von zu viel Schrift gesprengt werden, ist das ärgerlich. Schade ist auch, dass man sich all die Truppentypen von Infanterie bis Kavallerie nur in recht kleiner Form ansehen kann – gerade das Regimentfenster ist viel zu fragmentiert. Dafür gibt es hilfreiche Filter, mit denen man gezielt Truppentypen suchen kann.
Fazit
Ich spiele sehr gerne Wargames und historische Strategie aller Art. Die ansehnliche 3D-Karte Europas reicht schon aus, damit ich mich neugierig durch Provinzen und Truppen wühle. Und vor allem das Vasallen- sowie Tributsystem gefällt mir an March of the Eagles. Aber so groß die Lust in den ersten Stunden mit Preußen war: Ich werde langfristig nicht warm mit diesem oberflächlichen System, bei dem zu viel indirekt im Hintergrund abläuft. Mir ist das zu viel unbefriedigende Statistik und kleinteiliges Mikromanagement, zu wenig effiziente Taktik und nachhaltiges Spiel. Wenn Infrastruktur, Gebäude und Wirtschaft schon so rudimentär behandelt werden: Warum inszeniert Paradox dann in einem engen Zeitfenster von fünfzehn Jahren nicht anspruchsvollere militärische Eroberungen mit mehr Einfluss? Ich meine keine Schlachtführung à la Total War, sondern zumindest eine Auswahl an grundlegenden Taktiken und Formationen je nach Gelände und Gegner. Schade ist auch, dass die KI selbst auf mittlerer Stufe so nachlässig agiert, dass man ohne Schiffe meilenweite Meerengen überqueren kann und dass das Finanz- sowie Ideen-Management so träge ist. So erobert man Europa letztlich eher mit der Macht der Zahl à la Risiko als mit der Finesse eines Generals – zumal man auf Seiten Frankreichs kaum gefordert wird. Nur wer kleinere Nationen wählt, muss umsichtiger vorgehen und besser planen. Als Appetithappen für Europa Univeralis IV ist March of the Eagles nur bedingt geeignet.
Pro
- ansehnliche 3D-Karte
- solide Echtzeit-Strategie
- viele Großnationen wählbar
- viele Diplomatie-Optionen, gutes Vasallsystem
- nicht alles, sondern Schlüsselprovinzen erobern
- Nachschub, Moral & Kriegsmüdigkeit wichtig
- Generäle gewinnen Fähigkeiten
- Tutorial und viele interne Hilfen
- Nationen mit exklusiven Ideen
- Land-KI zieht sich clever zurück
- drei Schwierigkeitsgrade
- Multiplayermpodus für bis zu 32 Spieler
- eigene Mods erstellen
Kontra
- nur ein Spielziel: Vorherrschaft zu Land & See
- kaum taktischer Einfluss auf eigene Armeen
- undurchsichtiges Wirtschafts-& Ideensystem
- Meerengen ohne Schiffe überqueren
- unaufmerksame bis dumme Marine-KI
- fummeliges Beladen von Schiffen
- strategische Karten-KI zu passiv (freie Grenzen)
- unerklärliche diplomatische Entscheidungen
- fummelige Steuerung mit viel Mikromanagement
- kein Einfluss auf Fähigkeiten der Generäle
- einige Rechtschreibfehler & Menüfehler