Yesterday - Test, Adventure, iPhone, iPad, Android
Berufskrankheit Amnesie
Die dreidimensionalen Charaktere wirken so, als wäre das Design irgendwo auf halbem Weg zwischen den düsteren Kulissen und dem alten Comic-Stil von Runaway hängen geblieben. Der übertrieben bullige Cooper und ein Killer mit extrem hoher Stirn wollen nicht so recht in die Welt passen, andere Figuren dafür umso besser: Am besten gelungen ist Henry White. Der geheimnisvolle Rotschopf hat das Konzern-Imperium seines Vaters geerbt und lässt einen Teil seines Vermögens in die Obdachlosenhilfe fließen.
Auf den ersten Blick wirkt er nicht gerade wie ein selbstloser Menschenfreund – dafür hat Pendulo ihm zu egoistische Gesichts- und Charakterzüge verpasst. In seine Rolle schlüpfe ich im Prolog; ein paar Jahre bevor John sich auf die Suche nach seiner Vergangenheit macht. Zusammen mit seinem Kommilitonen Cooper sucht Henry nach Obdachlosen, um sie vor dem Serienkiller zu warnen und ihnen Unterstützung anzubieten. Praktisch ist, dass Henry sofort ans Ziel „gebeamt“ wird, wenn ich z.B. auf einen im Geröll liegenden Koffer klicke. Wie in einer Graphic Novel blenden die Entwickler damit unwichtige Elemente wie Laufanimationen aus.
Rätselhafter Philantrop
Wie die Begegnung im Detail ausgeht, verrate ich nicht. Nur so viel: Henry White hat sie überlebt, denn im zweiten Kapitel treffe ich ihn wieder. Diesmal ist er mein Auftraggeber. In der Rolle von John soll ich versuchen, mein Gedächtnis wiederzuerlangen und dem satanischen „Orden des Fleisches“ auf die Schliche zu kommen. Ich untersuche z.B. das Pariser Hotelzimmer, in dem John sich angeblich umbringen wollte, treffe in einem Antiquariat auf eine junge Frau, welche offenbar ein Verhältnis mit John hatte und bereise diverse andere Länder.
Runde 2
Die nicht all zu schweren Puzzles beschränken sich auf kleine Areale von wenigen Bildschirmen. Ich muss die Bedeutung christlicher Symbole enträtseln, mit Alchemie-Zutaten experimentieren und geheime Botschaften dechiffrieren. Auf einem Buch über den geheimnisvollen Orden befindet sich z.B. ein Gummiband, welches nach der Bestrahlung mit einer UV-Lampe einen wirren Mix aus Buchstaben zeigt. Erst als ich das Band um einen eckigen Holzstab wickle, formen sie einen Text und geben mir einen wichtigen Hinweis.
Auf den Spuren von Robert Langdon
Schade ist, dass die aufgebaute Spannung ab und zu durch schlecht platzierte Rückblenden durchbrochen wird. Als z.B. Johns alte Freundin mit einer Pistole bedroht wird, kann ich mir nicht einfach das Katana von der Wand schnappen und aus dem Hinterhalt zuschlagen. Stattdessen versetzt sich John in einem Flashback zurück in seine Lehrzeit bei einem asiatischen Kampfkunstmeister. Statt meine bedrohte Geliebte zu retten, muss ich also erst einmal durch die karge Bergwelt schlurfen und ein paar willkürliche Aufgaben für den Meister erledigen, bis der mich endlich in die Kunst des Schwertkampfes einweist. Die Episoden mit Johns altem Meister spielen zwar auch später noch eine wichtige Rolle, werden aber in den falschen Momenten eingestreut.
Tablet-Umsetzung nur teilweise gelungen
Auf Android kamen leichte Stabilitätsprobleme hinzu: Das Speil stürzte auf dem Nexus 7 gelegentlich ab – zudem lassen sich in der Google-Fassung die Zwischensequenzen nicht überspringen. Ärgerlicher ist aber, dass sich die Premium-Version nicht freischalten ließ, der entsprechende Link führte stets ins Nichts. Die ständig eingeblendeten Werbebanner sind zwar kein Beinbruch, stören aber die düstere Atmosphäre.
Fazit
Pendulo befindet sich auf dem richtigen Weg: Der Richtungswechsel zum Verschwörungs-Thriller hat den Spaniern gut getan. Die ungewöhnliche Vielschichtigkeit der Story hat mich überrascht. Nach und nach taucht man immer tiefer in das Rätsel um Johns Vergangenheit und die satanische Sekte ein. Einige Wendungen wirken zunächst unglaubwürdig, werden zum Schluss aber schlüssig aufgelöst. Die Rätsel sind konservativ, passen mit Dechiffrier-Einlagen und Alchemie-Puzzles aber gut in die Geschichte. Manche Flashbacks bremsen allerdings die Spannung aus: Vor allem die öden Gefälligkeiten für Johns alten Kampfkunst-Meister wirken wie ein Streckmittel für das rund sieben Stunden kurze Abenteuer. Schade auch, dass für die Umsetzung die Sprachausgabe beschnitten wurde und die deutsche Synchronisation nicht mehr enthalten ist. Auf Android kommen kleine technische Mankos wie Abstürze und Probleme bei der Freischaltung der Premium-Version dazu. Im Gegenzug funktioniert die Touchscreen-Steuerung deutlich besser als das eigenwillige Inventar-System im PC-Original. John Yesterday erzählt eine ungewöhnlich komplexe Geschichte - und deshalb wird mir das Abenteuer trotz einiger Macken in guter Erinnerung bleiben.
Pro
- spannende Verschwörungsgeschichte
- Puzzles gut ins Spiel eingebunden...
- stimmungsvolle Musik
- ungewöhnliche Wendungen
- geschickt verwobene Episoden unterschiedlicher Protagonisten
- gelungene Touchscreen-Steuerung
Kontra
- manche öden Flashbacks bremsen das Spiel aus
- ...nur konservativ gestrickte Rätsel ohne Überraschungen
- deutsche Synchro und Erzähler-Stimme fehlen
- kleine Bugs (Android)