Europa Universalis 4 - Test, Taktik & Strategie, PC, Mac, Linux

Europa Universalis 4
05.09.2013, Jörg Luibl

Test: Europa Universalis 4

Hereinspaziert, ihr Generäle, Tyrannen, Könige: Knapp vierhundert Jahre voller Konflikte, Herausforderungen und Umwälzungen warten in Europa Universalis 4 (ab 26,95€ bei kaufen) auf eure Entscheidungen. Von der Zeit des Kolumbus bis zur französischen Revolution reicht die Spannweite dieses historischen  Abenteuers. Aber Vorsicht: Wer sein nationales Zahnrad überdreht, wird von der Geschichte zermalmt.

Wie fühlt es sich an, die Verantwortung für eine von über 200 Nationen zu übernehmen? Nicht für eine mickrige Legislaturperiode, sondern über ganze Epochen? Faszinierend und frustrierend zugleich. Dieses vierte Europa Universalis spielt sich etwa so, als würde man ein antikes Automobil voller exotischer Schalthebel sowie blinkender Anzeigen fahren. Obwohl man Gas geben kann, hat man gerade in den ersten Jahrzehnten nicht die volle Kontrolle über das Lenkrad und damit die Richtung – man steuert scheinbar ins Ungewisse. Aber keine Bange: Hinter zig Wimpeln, Knöpfen und verwirrenden Menüs könnt ihr Entscheidungen treffen, die eure Nation in der Spur halten. Aber was mache ich bloß wann? Und wie reagiere ich am besten auf Geisterfahrer wie Revolutionen oder Eroberer?

Aller Anfang ist schwer

Der Einstieg ist gepflastert mit Fragezeichen und Ernüchterungen. Wer nach der Praxis der vom Allgemeinen zum Besonderen strukturierten, aber letztlich zu oberflächlichen Tutorials einfach mal das Nötigste macht und die Zeit beschleunigt, wird immer wieder ins Abseits geschleudert. Selbst, wenn man auf die Empfehlung der Weltkarte hört und

Was ist neu in Europa Universalis IV? Hier die wesentlichen Zusätze:

- spürbare KriegsfolgenOttomanen, Kastilien oder Frankreich wählt, die „ideal für Neueinsteiger“ sein sollen. Als (vermeintlich) erfahrener Spieler habe ich bei meinen Versuchen erst die Hanse und dann Venedig gegen die Wand gefahren. Hamburg & Co habe ich nach 50 Jahren in den Ruin gewirtschaftet, weil ich zu schnell Berater und Einheiten produzierte; dann lief es zwar mit den Italienern etwas besser, aber plötzlich standen Österreicher vor Mailand und die Türken fluteten die Adria  – keine Chance mehr für das von zwei Seiten bedrängte Venedig. Was hatte ich falsch gemacht? Viel, sehr viel. Es fehlte vor allem die diplomatische und wirtschaftliche Vorbereitung auf diese äußeren Bedrohungen. Es fehlte die strategische Planung.

- eine zoombare 3D-Weltkarte

- neues Machtpunkte/Forschungssystem

- neues Handelssystem

- König kann Feldherr sein

Im Gegensatz zur Sicherheit und stufenweisen Ausbreitung eines Civilization, wo man von

Welches Land darf es sein? Über 200 "Nationen" von Ulm über Schweden bis Russland sind spielbar - auch indianische Völker. Aber Vorsicht: Man kann mit einem Zwergstaat nicht die Welt erobern. Es geht eher darum, wie lange man sich wie gut im Flickenteppich der Macht halten kann.
den Ursprüngen an fast alles direkt entscheiden und langsam aufbauen kann, übernimmt man in Europa Universalis ein viele Jahre oder gar Jahrhunderte existierendes Volk, eine Nation oder ein Bündnis. Dabei kann man sich eine Startepoche vom 15. bis 18. Jahrhundert aussuchen, so dass es zu Spielbeginn ganz unterschiedliche Machtverhältnisse sowie Staatenbeziehungen gibt. Diesen Status quo sollte man hinsichtlich aktiver Bündnisse, traditioneller Fehden sowie Stärken und Schwächen noch vor dem ersten Klick genau studieren, damit man seine eigene Rolle einschätzen und auf geostrategische Gefahren besser reagieren kann. Man kann im Zeitalter der Entdeckungen um Amerika kämpfen oder sich im Dreißigjährigen Krieg den religiösen Verirrungen stellen - all das verlangt andere Schwerpunkte. Und die Clausewitz-Engine wird euch kleine Konflikte und große Katastrophen en masse servieren.

Ein Zahnrad im historischen Getriebe

Egal für welche Epoche man sich entscheidet: Die Zukunft ist nicht offen, sondern gespickt mit zufälligen, aber auch festen historischen Ereignissen wie religiöse Verfolgungen, plötzlichen Epidemien oder politische Unruhen. Mal muss man Wendungen wie den Tod des Regenten inkl. sinkender Stabilität ertragen, mal darf man sich zwischen Pest und Cholera entscheiden – sehr selten bekommt man einfach nur etwas geschenkt. Aber dann freut man sich riesig: Etwa wenn man über die Einstellung eines Hofmalers recht günstig die Stabilität des Landes erhöhen kann. Man übernimmt quasi ein Zahnrad, das sich im riesigen Gewinde der Geschichte dreht. Wenn man mit Ulm oder Münster startet, bekommt man ein ganz neues Gefühl für Winzigkeit, wenn Napoleon durchrauscht und die liebevoll gepflegte „Nation“ nebenbei hinwegfegt - mit diesen kleinen Staaten hat man militärisch keine Chance und spielt eigentlich nur gegen die Zeit. Wie lange kann man sich halten? Selbst wenn man die vermeintlich starken Briten mit ihrer mächtigen Flotte begleitet, befindet man sich mitten im Hundertjährigen Krieg, hat überall Feinde sowie enorme laufende Kosten. Außerdem sind da diese verflixt aufmüpfigen Schotten! Nicht zu vergessen die Iren. Und die eigenen Adligen.

Sehr ansehnlich: Die neue 3D-Karte ermöglicht stufenlosen Zoom von der Wolkensicht bis ins Gelände mit leicht animierten Einheiten.
Es ist einerseits faszinierend, wie viele historische Unwägbarkeiten und Verflechtungen dieses Spiel anbietet. Und all das wird jene abschrecken, die gerne alles von Anfang an in der Hand haben, denn man startet in einem historischen Korsett. Es geht hier allerdings nicht darum, die ganze Welt zu erobern. Es geht eher darum, seine Farbe im europäischen Flickenteppich so lange und markant wie möglich zu unterstreichen, also das Beste aus seiner geostrategischen Lage zu machen – oben rechts steigt die eigene Punktzahl, die man vielleicht beim nächsten Mal toppen will. So seltsam es klingt: Europa Universalis ist das Dark Souls für Strategen, denn das Scheitern gehört einfach dazu. Einer meiner Spielstände heißt z.B. Spanien-jetzt-richtig-14. Noch gestern Abend wollte ich ihn vor lauter Wut über einen plötzlichen Aufstand mit 26 Regimentern (!) in Andalusien einfach nur Spanien-ist-am-Arsch-15 nennen.

Der Weg ist das Ziel

Irgendwann entwickelt sich trotz aller Rückschläge dieser Ehrgeiz, es immer wieder zu versuchen. Und das, obwohl Europa Universalis einen widerborstigen Panzer voller Stacheln trägt: Der Einstieg schmerzt nicht nur, weil nach den Übungen und Hinweisen zu viel von der Spielmechanik offen bleibt. Die ersten Schritte fallen auch deshalb schmerzhaft aus, weil hinter dieser wunderschönen Weltkarte, die mit stufenlosem Zoom, Echtzeitschatten, Wasserspiegelungen sowie leicht animierten Einheiten punktet, so eine schwach designte und überfrachtete Benutzeroberfläche lauert.

Zwar gibt es ein mehrstufiges Tutorial, das grundlegende und erweiterte Funktionen erläutert, aber es bleiben zu viele Fragen offen.
Warum müssen so viele Texte ihre Menügrenzen sprengen? Warum sind manche von ihnen so bruchstückhaft oder schlecht übersetzt? Warum ist die Schriftgröße selbst dann so winzig, wenn eine Ereignistafel nur zwei Sätze anzeigt? Warum bekomme ich nicht immer Tipps, wenn ich eine Funktion anklicke, die ich nicht verstehe? Wo ist eigentlich eine Art dynastischer Stammbaum mit einem familiären Überblick von Thronerben & Co? Und ganz wichtig: Warum gibt es kein interaktives Nachschlagewerk für all die Spielmechaniken – ein Lexikon à la Civilization? Als Käufer der Retailversion bekommt man nur eine kurze englische Anleitung; wer es ausführlicher mag, muss sich die komplette 92-seitige Anleitung als pdf runterladen .

Viele Fragen, wenig Hilfekomfort

Dass einen gefühlte hundertsechsundzwanzig kleine Knöpfe, Zahlen und Schaltflächen zunächst überfordern, lässt sich erst mit der Gewöhnung verschmerzen, zumal man vieles ein- oder ausblenden kann. Je länger man spielt, desto mehr weiß man einige der zusätzlichen Informationen zu schätzen: Oben rechts erkennt man z.B. sein Personal sowie Flotten und Armeen – so sieht man auf einen Blick, dass der Diplomat noch ein paar Wochen braucht, um aus den Highlands nach Madrid zurückzukehren. Und es gibt nicht nur die sechs angezeigten, sondern vierzehn (!) weitere Kartenmodi, die vom Versorgungslimit bis zur Mannstärke die ganze Welt mit grafischen Statistiken überziehen. Weniger, aber dafür hilfreicher wäre hier mehr gewesen. Aber viel interessanter und wichtiger als der mühsame Einstieg sowie die Benutzeroberfläche ist die auf drei Säulen ruhende Spielmechanik – und die hat es in sich, weil sie mit ihren Wechselwirkungen für große Motivation sorgt und einem doch das Gefühl der politischen Steuerung vermittelt.

Wie kann man Venedig am besten entwickeln? Noch vor den ersten Schritten sollte man sich genau mit dem Status quo beschäftigen: Welche Feinde hat man? Welche Allianzen sind möglich? Will man eher wirtschaftlich, diplomatisch oder militärisch punkten?
Handlungsfähig ist ein Herrscher in Europa Universalis nicht nur dann, wenn er genug Geld für Truppen, Schiffe, Bauwerke und beratendes Personal hat, sondern wenn er ausreichend administrative, diplomatische und militärische Macht besitzt. Weil dieses Trio noch des Öfteren wichtig ist, nenne ich es kurz AM, DM und MM. Diese drei politischen Rohstoffe sind zu Beginn mit jeweils unter 100 Punkten sehr rar gesät, aber unheimlich wichtig für die Entwicklung der eigenen Strategie sowie aktive Entscheidungen. Bei meinen Spaniern stieg die AM  z.B. um sieben Punkte - drei als Grundwert, vier aufgrund der Fähigkeiten des Regenten. Das bedeutet im Klartext, dass es knapp sechs Jahre dauern würde, um die erste nationale Idee freizuschalten! Nur was ist cleverer? Die wertvollen Punkte sparen, um für kommende Generationen diese wichtigen Entwicklungen freizuschalten oder sie gleich ausgeben?

Die drei Säulen der Macht

Man hat je fünf Ideen wie z.B. „Seemacht“, „Innovation“ oder „Aristokratie“ in den drei Bereichen Administration, Diplomatie und Militär zur Auswahl, wobei jede wiederum sieben Boni bzw. Errungenschaften wie weniger Kosten oder mehr Prestige, zusätzliches Personal, höhere Koloniereichweite oder Kampftechniken freischaltet. So kann man im Laufe der Zeit mit acht installierten Ideen seinen speziellen Technologiebaum pflanzen und nicht nur seine eher friedliche, wirtschaftliche oder aggressive Spielweise unterstreichen. So kann man auch die andere Geschichte Preußens, Russlands oder Englands schreiben! Gleichzeitig wird ein wenig historische Authentizität dadurch gewahrt, dass man mit diesen Ideen auch sieben exklusive nationale Merkmale freischaltet: Die Spanier bekommen bei zwei Ideen z.B. „Die Reconquista“ und damit einen zusätzlichen Kolonisten sowie mehr Disziplin.

Zufällige oder historische Ereignisse zwingen immer wieder zu Entscheidungen.
Aber im Gegensatz zu Civilization wächst dieser Baum nicht einfach so schnell nebenher – es dauert, bis man Macht ansammelt. Der Spielthythmus hat sich gegenüber dem dritten Teil verlangsamt und fordert zwischendurch immer wieder das strategische Grübeln. Denn abseits der großen Ideen gibt es immer wieder kleine Probleme, für die man Macht ausgeben könnte. Es kostet z.B. 75 DM, um die Kultur in Vizcaya von Baskisch über drei Jahre in Kastilisch zu ändern. Das ist zwar überaus intolerant, aber bringt einem als Regent von Kastilien einige Vorteile: Mehr Steuern, mehr Soldaten, weniger Revolten. Es kostet z.B. 100 DM, um einen Friedensvertrag mit Aragon zu arrangieren, damit diese Katalanen endlich die Provinz Barcelona abtreten. Zwar haben meine Truppen das Land schon seit Wochen besetzt, aber hier kann man nicht so einfach à la Risiko ein Land annektieren - man muss nach der Schlacht verhandeln. Und es gibt eine Fülle an Optionen für den Frieden, der mit Provinzen, Geld oder Prestige einhergeht, so dass er am Ende einen Wert besitzt.

So viel zu tun, so wenig Machtpunkte!

Schon lokale Gefechte gegen das kleine Aragon bringen mich in eine Bedrouille, denn sie halten mich auf und zehren an meiner Macht: Für Aufstände und Sturmangriffe brauche ich MM. Aber will ich endlich mal mehr als zwei Händler aussenden, damit sich die Kasse füllt, brauche ich 400 DM! Außerdem wird meine Bevölkerung so langsam kriegsmüde.

Wer die Flotte hat, hat die Macht: Neu ist, dass man mit leichten Schiffen auch seinen Handel stärken kann - sie sichern Umschlagplätze.
Wie kann ich dem entgegen wirken? Mit DM! Noch wichtiger ist die AM, denn mit ihr kann ich nicht nur die wichtigsten Ideen freischalten, sondern auch die Stabilität des Landes von minus bis plus drei steigern, um Steuern, Handel, Spionage und Missionierung zu stärken. Nur mit ihr kann ich die Inflation senken.

Und nur mit ihr kann ich gerade eroberte in Kernprovinzen umwandeln. Man muss nämlich darauf achten, dass zu viele fremde Gebiete nicht die eigene Nation bedrohen und immer wieder zu Spannungen an der Grenze führen. Habe ich schon erwähnt, dass es Leitkulturen gibt? Zum Beispiel Kastilisch als Untergruppe des Iberischen, wozu auch Katalanisch, Galizisch, Andalusisch, Portugiesisch und Maltesisch gehört. Krieg ist teuer, aber raumgreifende Eroberungen sind noch teurer und müssen langfristig geplant werden, denn wenn unterschiedliche Kulturen und Religionen aufeinander treffen, kann man sich ein riesiges Pulverfass bauen - Österreich und seine Vielvölkerprobleme lassen grüßen. Europa Universalis gelingt es hervorragend, diese potenziellen Konflikte zu simulieren.

Man entwickelt sein Reich nicht, indem man Geld in Technologie investiert: Man braucht Machtpunkte eines Bereiches, um Ideen freizuschalten.
Für jede der drei Mächte sammelt man monatlich bis maximal 999 Punkte, wobei man den Zuwachs u.a. über die Fähigkeiten des Herrschers sowie vor allem über Berater beeinflussen kann, die dann über knapp 30 Jahre den Wert erhöhen. Aber Vorsicht: Wer zu Beginn einfach alle Posten mit ihnen besetzt, schreibt schnell rote Zahlen – sie kosten nicht nur eine einmalige Summe, sondern bekommen jeden Monat Gehalt.  Das Königreich Kastilien hat zum Start im Jahr 1444 gerade mal 200 Dukaten zur Verfügung. Falls ich Meisterpräger Valeriano anheuere, verbessere ich den Zuwachs meiner AM zwar um drei Punkte, aber zahle erst 144 und dann regelmäßig neun Dukaten – da droht der erste Kredit schon nach fünf, sechs Monaten! Zwar gibt es auch günstigere Berater für 16 Dukaten, aber gerade zu Beginn des Spiels ist man aufgrund der knappen Staatskasse kaum handlungsfähig; schließlich kostet jede Armee, jedes Schiff und jedes Bauwerk auch nochmal was.

Kostspielige Entwicklungen

Man kann zunächst allerdings kaum etwas bauen, denn es fehlt an der entsprechenden Stufe administrativer, diplomatischer oder militärischer Technologie. Diese zu erhöhen kostet wiederum Machtpunkte der entsprechenden Kategorie: Wer die „Nationalen Ideen“ freischalten will, um endlich auf die vierte administrative Stufe zu gelangen, muss satte 600 AM investieren.  Für Tempel braucht man die fünfte Stufe, für die Spionage-Agentur die elfte Stufe, für die Kathedrale die achtzehnte Stufe. Man sieht schon: In Europa Univeralis baut man relativ wenig über eine sehr lange Zeit und zahlt dafür sehr viel – und man muss genau wissen, was man will. Trotzdem wirkt gerade das Bauen stellenweise extrem unrealistisch, was den Preis angeht, und schlecht durchschaubar, was den Nutzen

Religion und Kultur spielen eine große Rolle: Wer fremde Provinzen erobert, riskiert Revolten. Was tun? Missionare entsenden, die Kultur ändern oder eine eigene Kernprovinz entwickeln - all das kostet Zeit und Machtpunkte.
betrifft: Nebenbei kann man z.B. Provinzen mit speziellen Rohstoffen über eines von sieben Spezialgebäuden verbessern, die satte 500 Dukaten kosten: Raffinerie, Gutshof oder Plantage. Hier werden dann mehr der vorhandenen Handelsgüter wie Wein, Kupfer, Wolle oder Getreide hergestellt. Aber warum versteckt man das so und warum kann man über Rohstoffe nicht aktiv handeln?

Der Handel wird nicht aktiv über Abkommen oder Einkäufe bzw. Exporte, sondern recht seltsam inszeniert. Man schickt seine Vertreter zu einem Umschlagplatz, um dort entweder einen Anteil am Umsatz direkt abzuzweigen. Der richtet sich nach dem eigenen Einfluss vor Ort, der am einfachsten über das Entsenden möglichst vieler leichter Schiffe erhöht werden kann, die die Route absichern - allerdings kosten diese natürlich Geld. Oder man schickt seinen Vertreter zu einem Umschlagplatz, um Waren von dort zu einem anderen, möglichst einem mit hohem eigenen Einfluss, weiterzuleiten. Wie der Handel fließt, wird zwar anhand einer schönen Karte mit Pfeilen dargestellt, aber wie ich daraus am meisten Profit schlagen kann, bleibt unverständlich. Außerdem fehlt einem zunächst einfach das Personal, um mehrere Handelsplätze auszunutzen. Schön ist wiederum, dass man die Reichweite und Effizienz seines Handels über Ideen wie "Marktplatz & Docks" erhöhen kann.

Ohne Moos nix los

Wie kommt man schneller an Geld? Berater, Truppen und Schiffe entlassen. Besser: Die Stabilität steigern! Das kostet mit knapp 100 relativ wenig AM, bringt aber pro Stufe mehr Handelseinfluss und Steuern. Man kann diese nämlich erst mittelfristig vor allem über Gebäude erhöhen. Etwaige Steuern werden also nicht manuell pro Provinz oder Reich festgelegt – lediglich im Krieg kann man eine Steuer auf Knopfdruck verlangen. Ansonsten bekommt man Geld über positive Ereignisse oder, falls man denn so viel Druck ausüben kann, über Abgaben bzw. Friedenszahlungen kleinerer Nationen. All das kann man nicht einfach so verlangen, sondern muss Diplomaten auf die Reise schicken, von denen man erstmal nur zwei hat. Hinzu kommen Missionare für Konvertierungen und später Kolonisten, die neue Länder besiedeln - wenn das gelingt, kann man natürlich auf weitere Steuern zählen.

Man hat die Wahl unter kleineren und größeren Missionen, wobei nur jeweils eine aktiv sein kann. Will man Spanien auf dem diplomatischen oder militärischen Weg gründen?
Ein Reservoire an Belohnungen steckt auch in den Aufgaben. Man kann meist aus mehreren möglichen Missionen eine auswählen. Erfüllt man die Bedingungen, erhält man Prestige, Macht, Geld oder statistische Belohnungen wie den Verlust von Kriegsmüdigkeit oder den Gewinn von Armeetradition. Neben diesen Missionen gibt es gewichtige nationale Entscheidungen, die die historische Entwicklung beeinflussen. Will man Spanien auf militärischem oder diplomatischem Weg gründen? Da sich darunter sowohl friedliche als auch kriegerische Aufgaben befinden, kann man seinen Spielstil so nochmal verstärken.

Kleine und große Missionen

Zwischendurch muss man immer wieder Entscheidungen nach Ereignissen treffen: Härte zeigen oder Milde walten lassen? Wirtschaftliche Reformen einleiten oder am Plan festhalten? Hier muss man auf die Konsequenzen achten, denn Ersteres würde zwar einen Prägemeister der dritten Stufe bringen, aber einen Verlust an Stabilität bedeuten, was für Unruhen und weniger Einnahmen sorgt.  Schade ist, dass man hier nicht immer über die Boni für das Risiko belohnt wird, denn einen Prägemeister der dritten Stufe hätte man ohnehin schon zu besseren Konditionen (!) auf dem Arbeitsmarkt bekommen. Also entscheidet man sich eher für Letzteres, was wiederum die Inflation um empfindliche drei Punkte erhöht.

Eine Armee von Rebellen mit 26 Regimentern? Da kann man als kastilischer Regent nur abdanken. Selbst die Osmanen würden hier Probleme bekommen.
Nicht alles in diesem Europa Universalis wirkt logisch - es gibt einige Widersprüche. Warum braucht eine Region mit teuren Docks länger für die Produktion eines Schiffes als die unterentwickelte Nachbarregion? Obwohl man über einen Diplomaten lange Zeit die Beziehungen zu einem Nachbarn auf über 100 Punkte und "gut" gesteigert hat, bekommt man plötzlich eine Beleidigung, die ein Kriegsgrund ist. Unnötig umständlich ist auch das Verhalten der Diplomaten: Warum können sie, wenn sie einmal nach langer Reise in einem Land sind, nicht gleich vor Ort mehrere Aufträge hintereinander angehen? Ich muss sie erst wieder zurückbeordern und dann wieder losschicken - das hätte man komfortabler lösen können, z.B. über eine kleine Zeitverzögerung durch Brieftauben.

Widersprüche und Inkonsequenzen

Trotzdem bietet die Diplomatie eine Fülle an Möglichkeiten: Zwar wird nicht persönlich verhandelt, es gibt also keine Portraits oder Animationen von Herrschern, aber dafür hat man auf acht Kategorien inklusive Spionagetätigkeit verteilt so viele Optionen wie in kaum einem anderen Spiel. Man kann Bündnisse und Gegenbündnisse organisieren, Frieden in fremden Konflikten erzwingen, Garantien proklamieren, zum Kreuzzug aufrufen oder eine Exkommunikation aussprechen, man kann beleidigen, schmeicheln oder drohen, man kann Staatsehen einfädeln oder eine Vasallierung anbieten, Unmut schüren, Throne beanspruchen, den Ruf sabotieren oder Ansprüche fingieren, Darlehen anbieten oder Provinzen verkaufen. Und all das beeinflusst das überaus komplexe Verhältnis zwischen Staat A und B.

Ein Schwachpunkt von Europa Universalis ist traditionell die fehlende militärische Taktik im Gelände: Wenn zwei Armeen aufeinander treffen, sieht man nur ein kleines grafisches Schlachtfeldfenster mit grober Aufstellung und herunter zählenden Verlusten, wobei man nichts beeinflussen kann. Lediglich bei Belagerungen kann man zum verlustreichen Sturmangriff blasen. Es geht also in erster Linie um die zahlenmäßige Überlegenheit, was ja nach Clausewitz ebenfalls eine relevante Strategie ist. Und um diese herzustellen, muss man im Vorfeld von Konflikten seine Armeen clever positionieren bzw. zusammen fassen. Erst wenn man neben der Infanterie auch Kavallerie und Artillerie aushebt, kann man über das Verhältnis dieser Waffengattungen auch die Schlagkraft der Armee erhöhen, die aus mehreren Regimentern zu je 1000 Mann besteht. Natürlich kann ein Anführer auch sehr nützlich sein. Neu ist, dass selbst der aktuelle Herrscher die Armeen mit großen Moralboni ins Feld führen kann.

Militärische Taktik im Krieg?

Überhaupt gelingt es Europa Universalis sehr gut, all die schwierigen Voraussetzungen eines Krieges abzubilden, darunter neben der Organisation und Versorgung auch der Nachschub an Truppen. Hier kann man seine Männer nicht verheizen, denn es gibt je nach Land eine bestimmte Mannstärke, die quasi die Reserve für Auffrischungen darstellt - je

Wenn es kriselt, kann man über den Einsatz von Macht die Stabilität erhöhen, Kriegsmüdigkeit oder Inflation senken.
nach Kriegsmüdigkeit und Armeetradition sinkt das Tempo, bis irgendwann ganz Schluss ist. Ganz wichtig ist auch, dass man einen Grund für einen Konflikt schafft - sei es, dass man erstmal einige Wochen mit einem Diplomaten den Anspruch auf eine lukrative Provinz fingiert. Trotz all der Mühen kann man erfolgreiche militärische Unternehmungen vornehmen, denn mit jedem Sieg gewinnt man mehr Prestige, mehr Moral und Rechtmäßigkeit.

Einerseits agiert die Feind-KI recht gut, indem sie Häfen blockiert, ihre Armeen tief ins Land schickt und auch bündelt - wenn auch nicht immer so effizient wie es möglich wäre. Andererseits kann man sich im Kriegsfall nicht auf die KI der Bündnis-Partner verlassen: Obwohl sie mit Truppen zu Hilfe eilen, bleiben sie ohne erkennbare Strategie entweder im Hinterland stehen oder ziehen sinnfrei umher; es gibt auch kleinere Bugs wie nicht vollendete Lande-Operationen, die in animierter Endlosschleife stecken bleiben. Es ist auch sehr schade, dass man über Diplomatie nicht zumindest für kurze Zeit das Kommando der Alliierten übernehmen kann, denn so kann man seine militärische Schwäche kaum über starke Bündnispolitik ausgleichen. Obwohl die Entwickler einiges an Komfort anbieten, was z.B. Teilungen der Armee angeht, ist das Transportieren über See immer noch zu fummelig und nach einem Friedensschluss gar nicht mehr möglich. Es kann sein, dass man Truppen auf einer Insel hat, dann Frieden schließt und diese nicht annektiert, aber seine Männer nicht mehr nach Hause bekommt, weil die eigenen Transportschiffe den Hafen nicht anlaufen dürfen - sehr ärgerlich.

Fazit

Wie fühlt es sich an, über Jahrhunderte eine Nation zu führen? Faszinierend und frustrierend zugleich. Man übernimmt ein Zahnrad, das sich im riesigen Gewinde der Geschichte dreht - man kann Großes bewegen, aber auch von Kleinigkeiten zermalmt werden. Aufgrund der schwachen Tutorials sowie der überfrachteten Benutzeroberfläche ist der Einstieg unheimlich zäh, aber je länger man sich mit dem Prinzip der dreigeteilten Macht befasst, desto tiefgründiger wird das Erlebnis. Wer administrativ, diplomatisch oder militärisch handeln will, muss immer zwischen kurzfristigen und langfristigen Vorteilen abwägen. Auch wenn man scheinbar ohne direkte Kontrolle durch die Historie schlittert und des Öfteren scheitert, offenbaren sich viele strategische Möglichkeiten, die sich aus geschickter Diplomatie sowie der Erforschung neuer Ideen ergeben - der Krieg ist zwar auch ein Mittel, aber aufgrund der schwerwiegenden Folgen sollte man sich das dreimal überlegen. Es gibt zwar einige unlogische Widersprüche und Komfortschwächen in der Bedienung, außerdem bleibt vieles undurchsichtig, aber irgendwann erntet man doch die Früchte seiner Planung. Trotz der Ecken und Kanten lohnt es sich, Zeit in dieses angenehm komplexe Spiel zu investieren.

Pro

  • epische Strategie über Jahrhunderte
  • behutsame Planung bringt Erfolge
  • sehr gute Verzahnung von Geld, Macht, Prestige & Stabilität
  • komplexe, angenehm offene Spielmechanik
  • authentische Kriegs- & Eroberungsfolgen
  • Handel, Verwaltung, Diplomatie & Militär
  • kleine und große Missionen bringen Boni
  • sehr ansehnliche Weltkarte mit zig Filtern
  • inkl. Missionierung, Kolonisierung etc.
  • viele historische Ereignisse mit Entscheidungen
  • Startepochen von 1444 bis 1792 wählbar
  • jederzeit speicherbar, diverse Beschleunigungen
  • stimmungsvolle Hintergrundmusik
  • Multiplayer-Modus für bis zu 32 Spieler
  • Spiel ist offen für Modifikationen

Kontra

  • oberflächliche Tutorials erschweren Einstieg
  • überfrachtete Benutzeroberfläche
  • undurchsichtiges passives Handelssystem
  • Schrift zu klein, sprengt oftmals Menügrenzen
  • teilweise schlechte bis lückenhafte Übersetzung
  • einige unlogische Reaktionen/Ereignisse
  • dumme Militär-KI von Bündnispartnern
  • man hat kaum taktischen Einfluss auf Schlachten
  • Hilfe-Icon bringt oftmals keine Information
  • unnötig fummelige Bemannung von Schiffen

Wertung

PC

Geschichte kann faszinierend sein: Trotz der Ecken und Kanten lohnt es sich, Zeit in dieses angenehm komplexe Spiel zu investieren.