Slender: The Arrival - Test, Action-Adventure, 360, PlayStation4, PlayStation3, PC, Wii_U, XboxOne

Slender: The Arrival
28.03.2013, Michael Krosta

Test: Slender: The Arrival

Das kostenlose Slender: The Eight Pages erreichte binnen kurzer Zeit einen Kultstatus unter Horrorfans. Ohne Zweifel haben dabei auch die zahlreichen Youtube-Videos zur steigenden Popularität beigetragen, in denen sich die Spieler selbst dabei filmten, wie ihnen der Psychoterror zugesetzt hat. Jetzt kehrt die gruselige Gestalt auf den Bildschirm zurück und will mit aufpolierter Technik sowie einem größeren Umfang erneut Angst und Schrecken verbreiten. Ist Slender: The Arrival der erhoffte Schocker?

Ich bin sooooo ein elendiger Schisser! Jetzt mal ehrlich: Was ist denn so schlimm daran, mit einer Taschenlampe durch einen dunklen Wald zu spazieren, dabei acht Zettel zu suchen und sich nicht von dieser hageren Gestalt mit ihrer widerlichen Fratze erwischen zu lassen? Nichts, rein gar nichts! Alles halb so wild. Und hey...es ist doch nur ein Spiel...NUR...EIN...VERDAMMTES...SPIEL!!! Aber wem mache ich hier eigentlich was vor? Ich kann noch so oft versuchen, meine Nerven irgendwie in den Griff zu bekommen. Mich unbeeindruckt zu zeigen von dem, was da auf dem Bildschirm passiert. Aber sobald ich wieder die Kopfhörer auf den Ohren habe und das Licht ausschalte, bin ich erneut gefangen. Gefangen in einer Welt, in der schon kleinste Geräusche abseits des omnipräsenten Brummens für ein unwohles Gefühl in der Magengegend sorgen und mein Puls schon bei einer plötzlichen Bildverzerrung in die Höhe schießt und mich dem drohenden Herzinfarkt einen Schritt näher bringt.

Die Angst im Nacken

Whaaaa, da ist er!
Ich stehe die ganze Zeit unter Strom, meine Anspannung lässt sich am blassen Gesichtsausdruck und meiner starren Körperhaltung regelrecht ablesen. Kein Wunder: Hier gibt es keinen Schutzraum, in den ich mich flüchten und wo ich mich sicher fühlen kann. Nein, die Bedrohung durch den Slenderman ist allgegenwärtig. Jeden Moment kann er aus dem Nichts vor mir auftauchen, um mich zu holen. Und mit jedem gefundenen Papierfetzen scheint er mir immer dichter auf den Fersen zu sein... Spätestens in Gebäuden wird man angesichts der engen Gänge und dunklen Ecken von einer Mischung aus Angst und Klaustrophobie gepackt, die durch Mark und Bein geht. Einem Auswendiglernen der Fundorte machen die Entwickler von Parsec Productions und Blue Isle Studios übrigens einen Strich durch die Rechnung: Die Zettel sind bei jedem Durchlauf an anderen Stellen versteckt - selbst die Levelarchitektur wird leicht verändert, so dass man sich bei jedem neuen Versuch erst wieder orientieren muss.

Keine Sicherheit

Die kostenlose Vorlage Slender: The Eight Pages wurde 2012 veröffentlicht und entwickelte sich auch dank zahlreicher Youtube-Videos zum internationalen Erfolg. Wer sich dem simplen, aber Nerven aufreibenden Schocker stellen möchte, wird in unserem Downloadbereich fündig.

Die Vorlage

Den Nachfolger gibt es auf der Seite der Entwickler .Und das wird öfter nötig, als manchen lieb sein dürfte: Im besagten Waldabschnitt, den Beta-Spieler schon vorab ausprobieren durften, gestaltet sich das Überleben äußerst schwierig  und das ständige Trial and Error verwandelt die Angst mit jedem neuen Anlauf immer stärker in Frustattacken. Wie oft bin ich mit sieben der acht Zettel mit letzten Kräften zwischen den dichten Bäumen umher gerannt, konnte dabei aufgrund der ständigen Bildverzerrungen kaum noch etwas erkennen und wurde dann mangels Ausdauer doch noch von dem übernatürlichen Verfolger erwischt! Einen gemäßigteren Schwierigkeitsgrad für Anfänger gibt es nicht, stattdessen schaltet man nach erstmaligem Durchspielen einen Hardcore-Modus frei, in dem die Taschenlampe nur über eine begrenzte Batterieleistung verfügt - eine entsprechende Anzeige zum Energievorrat fehlt aber genauso wie eine Angabe zur konditionellen Verfassung. Hier hilft nur, nach Gefühl zu agieren.

Zeit zum Durchatmen und Bewundern der ansehnlichen Kulisse. Hier lernt man Tageslicht wieder zu schätzen!
Ähnlich heftig geht es auch in anderen Szenarien zu, denn der Wald ist nur eine Station des Horrortrips. Später gilt es u.a. sechs Generatoren in einem verlassenen Minenkomplex zu finden und anzuwerfen oder panisch Fenster und Türen in einem abgeschiedenen Haus zu verschließen, bevor sich der Slenderman Zugang verschafft. Das Grundprinzip bleibt zwar sehr ähnlich, doch stellen die kleinen Variationen eine prima Ergänzung dar - nicht zu vergessen, dass man neben Slenderman auch noch die Bekanntschaft mit einer weiteren Kreatur machen wird. Da ich die grauenvolle Überraschung nicht verderben will, halte ich mich jetzt mit weiteren Beschreibungen zurück... Trotzdem hätte ich mir noch mehr spannende Impulse gewünscht: Warum nicht einfach mal eine Sequenz, in der man sich verstecken oder auf Zehenspitzen durch Gänge schleichen muss? Zwar gibt es eine Taste zum Kriechen, doch wird die Funktion eigentlich gar nicht benötigt, genau wie das Zoomen bei der Kamera. Apropos: Man kann sich sicher fragen, warum man unbedingt den Blairwitch-Stil gewählt hat und ständig mit einer Videokamera unterwegs ist, doch lässt sich das „Cam-HUD“ auf Wunsch immerhin ausblenden. Was ich vermisst habe, ist außerdem eine Unterstützung für Controller. So bleibt lediglich die Kombination aus Tastatur und Maus, doch lässt sich die Steuerung im Gegensatz zum Original immerhin jetzt invertieren.

Da ist noch mehr...

Zeit, die Generatoren anzuwerfen...
Eine willkommene Abwechslung sind immerhin die Erkundungsabschnitte: Hier entwirrt man nicht nur anhand von versteckten Notizen die etwas banale Hintergrundgeschichte, sondern kann nach all dem Psychoterror bei Tageslicht endlich entspannt durchatmen und die weitläufigen Landschaften genießen. In diesen Momenten werden sogar leichte Erinnerungen an Dear Esther wach, zumal auch hier viele Botschaften und Hinweise in Form der Umgebung, durch Bilder oder Graffitis vermittelt werden. Hinzu kommt der grafische Sprung im Vergleich zum kostenlosen Vorgänger: Zwar leidet die Darstellung stellenweise selbst bei maximalen Grafikeinstellungen unter massiven Pop-ups, doch abgesehen davon wirkt die Kulisse herrlich detailliert und lebendig: Da wiegen sich Grashalme im Wind, Laub fällt von den Bäumen oder Autoscheinwerfer werfen einen Lichtkegel durch die dunkle Nacht. All das fügt sich zwar zu einem atmosphärischen Gesamtbild zusammen, doch  bringt die gesteigerte Grafikqualität nicht nur Vorteile mit sich. Früher begünstigte der einfache Stil noch optische Täuschungen, bei denen man in manchen Bäumen schon den Slenderman zu erkennen glaubte. Dieser Faktor fällt hier flach. Das gilt leider auch für Rätsel, die über einfache Aufgaben wie „Finde den Schlüssel“ nicht hinausgehen. Dabei hätten gerade die Erkundungsabschnitte viele Potenzial für anspruchsvollere Beschäftigungen geboten, mit denen man auch die Spielzeit hätte erhöhen können. So aber ist der intensive Horrortrip mit seinen fünf Abschnitten schnell vorbei und zieht sich nur deshalb über die etwa drei bis vier Stunden, weil man oft mehrere Anläufe benötigt, um dem Tod von der Schippe zu springen.

Kleine Entspannungsmomente

Was will uns diese Zeichnung wohl sagen?
Schon mal einen Horrorfilm wie Halloween ohne Ton gesehen? Oder bei Resident Evil oder Silent Hill die Musik abgeschaltet und stattdessen die Charts im Hintergrund laufen lassen? In kaum einem anderen Genre ist die Klangkulisse so entscheidend für die Realisierung einer beklemmenden Atmosphäre wie beim Horror. Slender: The Arrival bildet da keine Ausnahme: Das regelmäßige Pochen kann einen im Zusammenspiel mit dem dumpfen Dröhnen an den Rand des Wahnsinns treiben, doch gesellen sich auch noch verstörende Laute sowie verzerrte Audio-Schocker mit maximaler Lautstärke hinzu und verstärken damit im Idealfall noch die plötzlichen Bildstörungen, gehen schon bald die Nerven mit einem durch. Schlimm auch der Moment im Haus, in dem man zwar brav alle Türen und Fenster schließt, aber plötzlich doch das Quitschen einer Tür im Nachbarraum hört. Man weiß, da ist etwas. Aber man weiß nicht, wann und wo ES zuschlagen wird.

Beklemmende Klangkulisse

Im dunklen Wald wird die Taschenlampe zum besten Freund.
Allerdings wirken manche Soundeffekte auch zu generisch und enttarnen sich sehr schnell selbst als  einfache Fassade, die dem Spieler nur Angst machen sollen, aber keine unmittelbare Bedrohung darstellen. Bin ich in den ersten Momenten noch in eine kleine Starre verfallen, als ich plötzlich irgendwelche Schritte im Wald gehört habe, nutzte sich das Element durch ständige Wiederholungen des gleichen Samples schnell ab und mir wurde klar, dass es in keinem Zusammenhang mit der tatsächlichen Position von Slenderman steht. Das hätte man besser machen können. Schön hingegen, dass es abseits der verstörenden Klangwelten mittlerweile auch melodische Stücke gibt, die die Erkundungsabschnitte passend untermalen.

Fazit

Es gibt selten Spiele, die mich atmosphärisch so sehr in ihren dunklen Bann ziehen wie Slender: The Arrival. Es hat mich fast an den Rand des Wahnsinns getrieben und durch die clevere Kombination aus verstörenden Bildern sowie Klangkulisse steht man psychisch ständig unter Strom. Das Prinzip ist eigentlich so simpel, dabei aber so unglaublich effektiv: Das ist ein Überlebenskampf in Reinkultur mit einer allgegenwärtigen Bedrohung, subtilem Terror und fiesen Schockmomenten, die das Blut in den Adern gefrieren und den Puls in ungeahnte Höhe steigen lassen. Hallo Capcom, seht ihr das? Ich konnte mich der morbiden Faszination jedenfalls nicht entziehen und habe den Horrortrip in einem Rutsch durchgezogen - abgesehen von den Momenten, in denen ich aufgrund der starken nervlichen Belastung schon mal die Pausetaste drücken musste. Schade nur, dass die Spielzeit recht knapp ausfällt und vor allem durch die zahlreichen Neuversuche gestreckt wird, die manchmal einen noch größeren Horror darstellen als der Slenderman. Die Erkundungen hätten außerdem durch clevere Rätsel und eine interessantere Story an Reiz gewonnen. Trotz der Kritikpunkte ist das ein außergewöhnliches Erlebnis, das genau wie Amnesia: Dark Descent eindrucksvoll zeigt, wie man selbst mit einfachen Mitteln intensiven Horror inszeniert.

Pro

  • geniale Gruselatmosphäre (& fiese Schockmomente)
  • verstörende Klangkulisse und Grafikeffekte
  • Objekte werden per Zufall platziert
  • z.T. Änderung der Levelarchitektur bei Neuversuch
  • ansehnliche Außenareale
  • Slenderman (und eine weitere Überraschung)
  • Erkundungsabschnitte zum Durchatmen

Kontra

  • Trial & Error-Prinzip mitunter frustrierend
  • massig Pop-ups (auch unter Max-Einstellungen)
  • relativ kurze Spielzeit / Streckung durch Neuversuche
  • keine Rätsel
  • keine Controller-Unterstützung
  • keine Batterieanzeige (Hardcore)
  • Verstecken / kriechen spielt keine Rolle

Wertung

PC

Slender biete eine der intensivsten Horror-Erfahrungen, die man derzeit erleben kann!